European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0040OB00029.24D.0827.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Konsumentenschutz und Produkthaftung
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.316,40 EUR (darin 219,40 EUR an USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Die Vorinstanzen erkannten die Beklagte für schuldig, dem Kläger den Kaufpreis für einen im Jahr 2010 erworbenen VW Touran – abzüglich eines Benützungsentgelts – Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs zu erstatten. Dabei orientierten sie sich an mittlerweile gefestigter Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Haftung der beklagten Herstellerin für Dieselmotoren des Typs EA189, die mit einer „Umschaltlogik“ und damit einer unzulässigen Abschalteinrichtung iSd Art 3 Z 10 und Art 5 Abs 2 der VO 715/2007/EG ausgeliefert wurden (vgl 10 Ob 2/23a vom 25. 4. 2023 uvm).
[2] Das Berufungsgericht ließ die Revision nachträglich zur Frage zu, ob ein Verschulden der Beklagten im Zusammenhang mit dem „Thermofenster“ relevant sei, das im Rahmen eines Verbesserungsversuchs mittels Software‑Update implementiert wurde.
Rechtliche Beurteilung
[3] Die Revision ist ungeachtet des Ausspruchs des Berufungsgerichts, an den der Oberste Gerichtshof nicht gebunden ist (§ 508a Abs 1 ZPO), nicht zulässig und daher zurückzuweisen.
[4] 1. Wird schuldhaft eine unzulässige Abschalteinrichtung eingebaut und liegt nach dem Software‑Update weiterhin eine (wenn auch andere) unzulässige Abschalteinrichtung vor, haftet die Beklagte nach nunmehr ständiger Rechtsprechung als Fahrzeugherstellerin für den dadurch verursachten Schaden. Ob der Versuch der Schadensbeseitigung verschuldet oder unverschuldet fehlschlägt, ist unbeachtlich (vgl RS0134560 [insb T1]; 6 Ob 149/23i [Rz 16]).
[5] Da der auch hier gegenständliche Motor des Typs EA189 nicht (nur) mit einem „Thermofenster“, sondern vielmehr (auch) mit einer „Umschaltlogik“ versehen war, kommt es auf ein Verschulden und einen Rechtsirrtum im Zusammenhang mit dem Software‑Update entgegen der Rechtsansicht der Beklagten nicht an. Auf ein fehlendes Verschulden in Bezug auf die „Umschaltlogik“ hat sich die insofern behauptungs- und beweispflichtige Beklagte nie berufen (vgl 10 Ob 2/23a vom 25. 4. 2023 [Rz 31] uvm).
[6] 2. Auch die Revisionsausführungen zur Verjährung zeigen keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf.
[7] Erfuhr der Fahrzeughalter – wie hier – zwar durch ein Schreiben der Generalimporteurin vom „Abgasskandal“ und davon, dass sein Fahrzeug betroffen war, und wurde ihm gleichzeitig ein Software-Update angeboten, das eine „technische Lösung“ für das Problem bieten sollte und das auch vom Fahrzeughalter in Anspruch genommen wurde, durfte der Geschädigte annehmen, dass der aufgetretene Schaden behoben ist. Die dreijährige Verjährungsfrist beginnt damit zu dem Zeitpunkt zu laufen, zu dem der Fahrzeughalter davon Kenntnis erlangte, dass trotz des Software‑Updates nach wie vor eine unzulässige Abschalteinrichtung vorhanden ist (9 Ob 33/23b [Rz 23 f, 26]; 10 Ob 31/23s [Rz 62 ff]; RS0034951 [T42] ua).
[8] Dies war nach den Feststellungen im Mai 2020 der Fall, die Klage wurde am 15. 7. 2020 eingebracht.
[9] Die in der Revision ins Treffen geführte Entscheidung 6 Ob 160/21d, die für den Beginn der Verjährung allein auf die Kenntnis der Betroffenheit vom Abgasskandal abstellte, ist insoweit überholt (vgl 2 Ob 3/24s [Rz 15]; 6 Ob 181/23w [Rz 15]).
[10] 3. Der Kläger hat in seiner Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen und daher Anspruch auf Kostenersatz nach §§ 41, 50 ZPO (vgl RS0035979, RS0035962).
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