OGH 4Ob186/12z

OGH4Ob186/12z28.11.2012

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** KG, *****, vertreten durch Dr. Ludwig Beurle und andere Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei E***** GmbH, *****, vertreten durch Univ.-Prof. Dr. Bruno Binder und andere Rechtsanwälte in Linz, wegen 101.736,01 EUR sA, infolge Revisionsrekurses und Revision der beklagten Partei gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichts Linz als Rekurs- und Berufungsgericht vom 8. August 2012, GZ 6 R 106/12v-40, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Linz vom 17. April 2012, GZ 5 Cg 111/09g-36, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

I. Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

II. Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Klägerin ist ein Elektrizitätsunternehmen und betreibt eine Ökostromanlage in Oberösterreich. Sie ist als Erzeugerin an die Netzebene 5 des Verteilernetzes der Beklagten (eine Verteilernetzbetreiberin iSd ElWOG) angeschlossen und speist den erzeugten Ökostrom in deren Netz ein.

Für die Lieferung elektrischer Energie bestehen preisrechtliche Tarifvorschriften (früher Preisgesetz 1992, sodann § 25 ElWOG 1998 über die Bestimmung der Systemnutzungstarife; vgl Würthinger, Systemnutzungstarife für Elektrizitätsnetze, 5).

Für die Netznutzung in Form der Einspeisung stellte die Beklagte der Klägerin aufgrund der Novellen 2009, 2010 und 2011 zur Systemnutzungstarife-Verordnung (SNT-VO) 2006 (als eine von mehreren Entgeltskomponenten; näher dazu Würthinger aaO 17 f) auch monatlich Netzverlustentgelt gemäß § 25 Abs 1 Z 3 ElWOG 1998 in Rechnung. Das Netzverlustentgelt soll jene Kosten abgelten, die dem Netzbetreiber aus dem Zukauf jenes Stroms erwachsen, den er zum Ausgleich von technisch unvermeidbaren Verlusten des übertragenen Stroms benötigt. Die Klägerin bezahlte für den Zeitraum Jänner 2009 bis einschließlich Dezember 2011 an Netzverlustentgelten insgesamt 101.736,09 EUR unter dem Vorbehalt der Rückforderung.

Die Streitteile schlossen im Jänner 2009 einen ab 1. Oktober 2008 geltenden unbefristeten Netzzugangsvertrag mit unter anderem folgendem Inhalt ab:

1. Vertragsinhalt:

Gegenstand dieses Vertrages ist die Nutzung des Netzes der [Beklagten] für die oben angeführte Anlage des Netzbenutzers in Übereinstimmung mit den 'Allgemeinen Bedingungen für den Zugang zum Verteilernetz der E*****' und den 'Technischen Bedingungen und Betriebsanweisungen für den Parallelbetrieb von Stromerzeugungsanlagen mit dem Versorgungsnetz der E*****' sowie ggf. mit einem ergänzenden Betriebsführungsvertrag.

5. Netznutzungsentgelt - System-nutzungsentgelt

5.1. Der Netzbenutzer bezahlt für die Nutzung der energietransportierenden Netze das verordnete Netznutzungs- bzw. Systemnutzungsent-gelt. Sollten sonstige Steuern eingeführt werden, so werden diese ebenfalls zusätzlich (entsprechend der gesetzlichen Grundlagen) verrechnet.

Pkt. X. der Allgemeinen Bedingungen für den Zugang zum Verteilernetz (AVB) der E***** lautet:

Netzverlustentgelt

Der Netzkunde ist verpflichtet, dem Netzbetreiber das nach den jeweils geltenden Systemnutzungstarifen festgelegte Netzverlustentgelt zu bezahlen. Sollten keine Systemnutzungstarife verordnet sein, hat der Netzkunde das angemessene Entgelt zu entrichten.

Die Klägerin begehrte zuletzt (nach Umstellung eines Feststellungs- in ein Leistungsbegehren) 101.736,09 EUR sA; dieser Betrag ist der Höhe nach nicht strittig. Sie habe der Beklagten diesen Betrag als Summe der monatlich vorgeschriebenen Netzverlustentgelte der Jahre 2009, 2010 und 2011 mit Vorbehalt der Rückforderung gezahlt und begehre Rückerstattung. Jene Bestimmungen der Systemnutzungstarife-Verordnung 2006, die seit der Novelle 2009 auch die Einspeiser dazu verpflichteten, sich an dem dem Netzbetreiber zustehenden Netzverlustentgelt zu beteiligen, sei gesetzwidrig. Die Klägerin habe ihre Zahlungen unter ausdrücklichem Vorbehalt der Rückforderung auch für alle zukünftigen Zahlungen geleistet, weil sie von der Gesetzwidrigkeit der entsprechenden Regelungen der SNT-VO 2006 überzeugt sei. § 1435 ABGB räume einen Kondiktionsanspruch ein, wenn der Zahlungsgrund nachträglich wieder wegfällt.

Die Beklagte erhob die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs; es sei kein Schlichtungsverfahren bei der E-Controll Kommission (ECK) eingeleitet worden. In der Sache wendete sie ein, die Regelungen der Verordnung, auf denen die Vorschreibungen von Netzverlustentgelt beruhten, angewendet zu haben.

Infolge Anfechtung von Vorschriften des ElWOG 1998 sowie der einschlägigen Systemnutzungstarife-Verordnungen stellte der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 21. 6. 2011, G 3/11 ua, fest, dass § 25 Abs 1 Z 1 und 3, § 25 Abs 4 und § 25 Abs 12 ElWOG 1998 verfassungswidrig gewesen seien. Mit Wirkung für das vorliegende Verfahren hob der VfGH am 27. 9. 2011 zu V 59/09 die SNT-VO 2008, 2009, 2010 und 2011 als gesetzwidrig mit der wesentlichen Begründung auf, die gesetzliche Grundlage dieser Verordnungen sei durch das Erkenntnis G 3/11 weggefallen. Mit der Feststellung der „Generalklausel“ des § 25 Abs 4 ElWOG als verfassungswidrig bleibe die gesetzliche Regelung der Adressaten einer Systemnutzungstarifverordnung völlig lückenhaft und damit jede dieser Verordnungen ohne gesetzliche Grundlage. Sie seien daher zur Gänze als gesetzwidrig aufzuheben, da bei Außerachtlassung der genannten Bestimmung wegen der Anlassfallwirkung die gegenständlichen Verordnungen insgesamt der gesetzlichen Grundlage entbehrten. Die Anlassfallwirkung sei gemäß § 139 Abs 6 zweiter Satz B-VG auch für die im Einzelnen bezeichneten Gerichtsverfahren herbeizuführen.

Im Hinblick auf dieses Erkenntnis wendete die Beklagte zuletzt ein, die Anlassfallwirkung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs gelte nur für jene Klagebegehren, welche im Zeitpunkt des Erkenntnisses bereits anhängig gewesen seien. Die Verordnungen seien jedoch auf die Begehren, die Gegenstand der später erfolgten Klagsausdehnungen seien, anzuwenden. Gemäß den dem zwischen den Streitteilen abgeschlossenen zivilrechtlichen Netzzugangsvertrag zugrundeliegenden Allgemeinen Bedingungen habe der Netzkunde das angemessene Entgelt zu entrichten, wenn keine Systemnutzungstarife verordnet seien. Der Beklagten gebühre aufgrund dieser Vereinbarung daher das angemessene Entgelt. Die aufgehobenen Verordnungen hätten die Netzverlustentgelte angemessen festgesetzt. Zur Angemessenheit werde die Aufnahme eines Beweises durch Sachverständigen beantragt. Die Vorschreibungen der Beklagten seien auch im gesetzlichen Bereicherungsrecht begründet.

Dem hielt die Klägerin den abschließenden Regelungsgehalt des § 25 ElWOG 1998 entgegen; die Beklagte könne sich auch nicht auf ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen stützen, weil diese nicht den Fall regelten, dass Tarife vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben worden seien, sondern überhaupt fehlten. Die AVB seien im Übrigen intransparent und damit unwirksam.

Das Erstgericht verwarf die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs und gab dem Klagebegehren statt. Es stellte fest, dass die Klägerin mit Eingaben vom 3. 3. 2009 und vom 12. 1. 2010 bei der ECK die Durchführung eines Streitschlichtungsverfahrens gemäß § 21 Abs 2 ElWOG mit dem Begehren beantragt hat, bescheidmäßig festzustellen, dass sie nicht verpflichtet sei, der Beklagten ein Netzverlustentgelt gemäß § 6 Abs 1 iVm § 20 Z 6 SNT-VO 2009 in Höhe von 5.391,66 EUR für Jänner 2009 sowie generell nach der SNT-VO 2010 zu bezahlen. Diese Anträge wurden mit Bescheiden der ECK vom 20. 4. 2009 und vom 12. 2. 2010 abgewiesen.

Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, dass die Klägerin vor und während des Rechtsstreits die festgestellten Streitbeilegungsverfahren nach § 21 ElWOG durchgeführt habe. Die Anlassfallwirkung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshof vom 27. 9. 2011 beziehe sich auf die konkrete Rechtssache, die Anlass für die Einleitung des Normprüfungsverfahrens gewesen sei, und zwar unabhängig davon, in welchem Stadium sich die Rechtssache im Zeitpunkt der Antragstellung des Erstgerichts und des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs befunden habe. Aufgrund des Erkenntnisses seien daher die Rechtsgrundlagen für die Vorschreibung von Netzverlustentgelten für den Zeitraum 1. 1. 2009 bis 31. 12. 2011 weggefallen. Die Klägerin habe daher gemäß § 1435 ABGB einen bereicherungsrechtlichen Anspruch auf Rückzahlung der für den genannten Zeitraum bezahlten Netzverlustentgelte in der eingeklagten Höhe. Der Gesetzgeber habe - wie der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 1 Ob 32/11d erkenne - die im Rahmen der Systemnutzungstarife gebührenden Entgeltbestandteile in § 25 ElWOG abschließend geregelt. Daraus sei zu schließen, dass für eine Tarifgestaltung im Rahmen Allgemeiner Bedingungen kein Raum bestehe. Abgesehen davon erfasse Pkt X. AVB nicht den hier zu beurteilenden Fall der Aufhebung von Verordnungen durch den Verfassungsgerichtshof als gesetzwidrig.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung; es sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil der Oberste Gerichtshof in der herangezogenen Entscheidung 1 Ob 32/11d auf den dort nicht erhobenen Einwand der Beklagten, sie könne die gezahlten Beträge auf Grundlage ihrer AGB behalten, nicht eingegangen sei.

Zur Unzuständigkeitseinrede stellte das Berufungsgericht ergänzend fest, dass die ECK mit Bescheid vom 20. 4. 2009 den Antrag festzustellen, dass die Antragstellerin nicht verpflichtet ist, der Antragsgegnerin Netzverlustentgelt gemäß § 6 Abs 1 iVm § 20 Z 6 SNT-VO 2009 in der im Ergänzungsantrag vom 18. März 2009 korrigierten Höhe von 2.524,87 EUR für den Zeitraum 1. Jänner 2009 - 31. Jänner 2009 zu bezahlen, sowie den Antrag festzustellen, dass die Antragstellerin auch künftig nicht verpflichtet ist, der Antragsgegnerin ein Netzverlustentgelt gemäß § 6 Abs 1 iVm § 20 Z 6 SNT-VO 2009 zu bezahlen, abgewiesen hat. Rechtlich folgerte es, dass das Erstgericht die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs im Ergebnis zutreffend verworfen habe.

In der Sache teilte es die Auffassung der Beklagten nicht, die aufgehobenen Verordnungen seien nur auf das Begehren anzuwenden, das im Zeitpunkt des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs vom 27. 9. 2012 anhängig gewesen sei, nämlich auf ein Leistungsbegehren von 19.378,91 EUR (Netzverlustentgelte für die Monate Jänner bis Juli 2009) und ein Feststellungsbegehren. Die Anlassfallwirkung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs erfasse vielmehr auch die erst nach dem 27. 9. 2011 erfolgte Ausdehnung des Leistungsbegehrens um 82.357,10 EUR. Unter einem Anlassfall iSd Art 139 B-VG sei jene Rechtssache zu verstehen, die den Verfassungsgerichtshof zur Einleitung des gesetzlichen Prüfungsverfahrens bewogen habe. Im Zeitpunkt der Stellung des Antrags des Erstgerichts vom 23. 4. 2010 an den Verfassungsgerichtshof seien ein Leistungsbegehren über 19.378,91 EUR sA und ein Begehren auf Feststellung, dass die Klägerin auch künftig nicht verpflichtet sei, der Beklagten ein Netzverlustentgelt gemäß § 6 Abs 1 iVm § 20 Z 6 SNT-VO 2010 zu bezahlen, anhängig gewesen. Im Zeitpunkt der Stellung des Antrags des Erstgerichts vom 7. 2. 2011 an den Verfassungsgerichtshof seien ein Leistungsbegehren über 19.378,91 EUR sA und ein Begehren auf Feststellung, dass die Klägerin auch künftig nicht verpflichtet sei, der beklagten Partei ein Netzverlustentgelt gemäß § 6 Abs 1 iVm § 20 Z 6 SNT-VO 2011 zu bezahlen, anhängig gewesen. Somit liege die Anlassfallwirkung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs vom 27. 9. 2011 auch für sämtliche aufgrund der SNT-VO 2010 und der SNT-VO 2010 - Novelle 2011 vorgeschriebenen Netzverlustentgelte vor, weil es nach Art 139 Abs 6 B-VG nicht entscheidend sei, ob ein Leistungs- oder ein Feststellungsbegehren Anlass zur Einleitung des Verordnungsprüfungsverfahrens gewesen sei. Das Leistungsbegehren sei berechtigt, bestehe doch kein Rechtsgrund (mehr) für die von der Beklagten erhobenen Forderungen auf Zahlung bestimmter Beträge als Netzverlustentgelt.

Die Beklagte könne sich auch nicht auf die Vorschreibung eines angemessenen Entgelts nach ihren AVB berufen. In § 25 ElWOG sei eine abschließende Regelung der dem Netzbetreiber im Rahmen der Systemnutzungstarife gebührenden Entgeltsbestandteile erfolgt; damit bleibe für eine Regelung weiterer Entgeltsbestandteile in einer privatrechtlichen Vereinbarung kein Raum. Der Beklagten sei es verwehrt, nachträglich im vorliegenden Rechtsstreit jenen Beträgen eine vertragliche Grundlage zu unterlegen, die aufgrund von als gesetzwidrig aufgehobenen Verordnungen gefordert und bezahlt wurden. Allgemeine Geschäftsbedingungen, die nicht das Ergebnis von individuellen Vertragsverhandlungen gewesen seien, seien wie Rechtsnormen objektiv unter Beschränkung auf den Wortlaut auszulegen. Das Berufungsgericht teile die Auslegung des Pkt X. der AVB durch das Erstgericht. Diese Bestimmung beziehe sich auf den Fall, dass keine Systemnutzungstarife verordnet seien. Der hier zu beurteilende Fall einer Aufhebung von Verordnungen durch den Verfassungsgerichtshof infolge Aufhebung der §§ 25 Abs 1 Z 1 und 3, 25 Abs 4 und 25 Abs 12 ElWOG als verfassungswidrig werde durch Pkt X. AVB hingegen nicht erfasst, diese Bestimmung könne nach der Übung des redlichen Verkehrs nur auf den Fall bezogen werden, dass Systemnutzungstarife von vorneherein nicht verordnet worden seien. Es habe daher keiner Ermittlung des angemessenen Entgelts iSd Pkt X. AVB bedurft.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist unzulässig; die Revision ist zulässig und im Sinne ihres Aufhebungsantrags berechtigt.

I. Zum Revisionsrekurs

1.1. Soweit die Beklagte in dritter Instanz die Unzulässigkeit des Rechtswegs geltend macht, ist darauf hinzuweisen, dass dessen Zulässigkeit von beiden Vorinstanzen übereinstimmend bejaht wurde und daher vom Obersten Gerichtshof nicht mehr überprüft werden kann (E. Kodek in Rechberger² § 503 ZPO Rz 2; Zechner in Fasching/Konecny² IV/1 § 503 ZPO Rz 72 je mN aus der Rsp; RIS-Justiz RS0039799, RS0044536, RS0042917 [T7]).

1.2. Ein bestätigender Beschluss liegt dann vor, wenn entweder in beiden Instanzen meritorisch oder formal entschieden wurde (RIS-Justiz RS0044456). Dass die Bestätigung des erstinstanzlichen Beschlusses aus anderen Gründen als jenen des Erstgerichts erfolgt ist, ändert nichts an der Unzulässigkeit des Revisionsrekurses, wenn beide Instanzen meritorisch gleichlautend entschieden haben, ohne dass das Rekursgericht eine inhaltliche Änderung des eindeutig erkennbaren Entscheidungswillens des Erstrichters vorgenommen hat (RIS-Justiz RS0044456 [T2]).

1.3. Hier sind beide Instanzen inhaltlich übereinstimmend davon ausgegangen, dass das Klagebegehren durch die Anträge vor der ECK (ausreichend) gedeckt und damit eine gerichtliche Zuständigkeit gegeben sei. Damit liegt ein Konformatsbeschluss vor, der nicht mit Revisionsrekurs anfechtbar ist (§ 528 Abs 2 Z 2 ZPO). Daran ändert auch nichts, dass das Rekursgericht seine Entscheidung auf einer erweiterten Tatsachengrundlage getroffen hat.

II. Zur Revision

2. Die Beklagte macht geltend, im Zeitpunkt der Aufhebung der SNT-VO durch den Verfassungsgerichtshof sei nur ein Leistungsbegehren über 19.378,91 EUR sowie ein Feststellungsbegehren streitanhängig gewesen, spätere Klagsausdehnungen seien daher von der „Ergreiferprämie“ nach Art 139 Abs 6 B-VG nicht umfasst.

2.1. Art 139 Abs 6 B-VG bestimmt, dass dann, wenn eine Verordnung wegen Gesetzwidrigkeit aufgehoben worden ist, alle Gerichte und Verwaltungsbehörden an den Spruch des Verfassungsgerichtshofs gebunden sind (zum Begriff des „Anlassfalls“ vgl RIS-Justiz RS0053694, RS0053692, RS0053693).

2.2. Der Verfassungsgerichtshof hat in seiner Entscheidung zu V 59/09 ausgesprochen, dass die aufgehobenen Verordnungen in näher genannten anhängigen Verfahren nicht mehr anzuwenden sind, und zu Punkt 4. festgehalten, dass diese Wirkung nach Art 139 Abs 6 B-VG ua auch auf das gegenständliche Verfahren erstreckt wird. Die Entscheidung hat also so zu erfolgen, als wären die genannten Vorschriften niemals in Geltung gestanden (so schon 1 Ob 32/11d).

2.3. Nachdem das Erstgericht die SNT-VO 2009, 2010 und 2011, also die Rechtsgrundlagen für den gesamten strittigen Zeitraum, beim Verfassungsgerichtshof angefochten hat, erstreckt sich die „Anlassfallwirkung“ des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs auf das gesamte Begehren im Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung erster Instanz.

3.1. Das Rechtsmittel macht weiters geltend, die Klägerin schulde das ihr vorgeschriebene Netzverlustentgelt als angemessenes Entgelt nach § 7 (richtig: Punkt X) AVB, andernfalls müsste die Beklagte aufgrund ihrer Kontrahierungspflicht Leistungen ohne Entgelt erbringen, was einer Enteignung gleichkomme und verfassungs- bzw grundrechtswidrig sei. Es ist daher zu prüfen, ob den unter dem Titel Netzverlustentgelt gezahlten Beträgen eine privatrechtliche Vereinbarung (Punkt X AVB) zugrundeliegen kann.

3.2. Der Senat verweist dazu auf seine schon der Entscheidung 4 Ob 126/12a vom heutigen Tag zugrundeliegende Auffassung, dass der Wegfall öffentlich-rechtlicher (Preis-)Regelungen (hier: der SNT-VO 2009 bis 2011) grundsätzlich kein Hindernis dafür ist, über den öffentlich-rechtlich ungeregelten Sachverhalt eine privatrechtliche Vereinbarung innerhalb der Grenzen des rechtlich Erlaubten abzuschließen.

3.3. Dem steht auch nicht die Absicht des Gesetzgebers entgegen, einen bestimmten Preisregelungs-Sachverhalt (hier: Systemnutzungsentgelt mittels § 25 ElWOG 1998 und SNT-VO) abschließend regeln zu wollen. In einem System der sozialen Marktwirtschaft mit selbstverantwortlichen Wirtschaftssubjekten als Marktteilnehmern, die sich als Anbieter und Nachfrager am Markt wirtschaftlich frei betätigen können, obliegt die Vereinbarung des Preises für eine Ware oder Dienstleistung nämlich grundsätzlich den Parteien des synallagmatischen Vertrags, und dieser Grundsatz kann nur ausnahmsweise - etwa in Ansehung sensibler Produkte der Grundversorgung - durch öffentlich-rechtliche Tarifsysteme durchbrochen werden. Wird daher bei einem behördlichen Preisregelungssystem die preisfestsetzende Norm nachträglich unanwendbar, fällt die Kompetenz zur Preisvereinbarung nach der aufgezeigten Grundregel wieder den Vertragsparteien zu.

3.4. Eine solche privatautonome Preisvereinbarung bei bestehendem behördlichen Preisregelungssystem für den Fall der Unanwendbarkeit der preisfestsetzenden Norm ist auch ex ante, also schon vor Eintritt dieser Bedingung, in Allgemeinen Geschäftsbedingungen zulässig. Pkt X. AVB ist eine solche gültige Vereinbarung mit dem Inhalt, den als verbindlich vereinbarten amtlichen Preis im Fall der Aufhebung der amtlichen Preisregelung durch das angemessene Entgelt zu ersetzen.

3.5. In einer solchen Vereinbarung liegt auch keine „Aushebelung“ der verfassungsrechtlich garantierten Anlassfallwirkung des Art 139 Abs 6 B-VG (so aber Oberndorfer, Zum Entfall der elektrizitätsrechtlichen Netzverlustentgeltpflicht für Erzeuger, ZTR 2012, 46, 52; diese Auffassung ablehnend Rabl, Rückforderung von Netzverlustentgelten nach Aufhebung der SNT-VO 2009 bis 2011, ecolex 2012, 597, 599), regelt doch diese Bestimmung zwar den zeitlichen Anwendungsbereich der aufgehobenen Verordnung, ohne dabei jedoch eine Aussage über die Zulässigkeit einer privatrechtlichen Vereinbarung über jene Materie zu treffen, die bisher durch die aufgehobene Verordnung geregelt war.

3.6. Als Zwischenergebnis ist somit festzuhalten, dass einer subsidiären Regelung des grundsätzlich behördlich festgelegten Preises, den Netzbetreiber für die Systemnutzung verlangen dürfen, in AGB für den Fall der Unwirksamkeit behördlicher Preisvorschriften weder ein gesetzliches Verbot, noch - bei der hier gegebenen Vereinbarung eines angemessenen Entgelts - Sittenwidrigkeit entgegensteht.

4.1. Der Auslegung von Pkt X. AVB durch die Vorinstanzen, diese Bestimmung fände nur in dem Fall Anwendung, dass von vorneherein keine Systemnutzungstarife verordnet worden seien, ist allerdings nicht zu folgen.

4.2. Allgemeine Vertragsbedingungen sind zwar nach gesicherter Rechtsprechung grundsätzlich objektiv unter Beschränkung auf den Wortlaut so auszulegen, wie sie sich einem durchschnittlichen Angehörigen aus dem angesprochenen Adressatenkreis erschließen; es muss aber zudem der erkennbare Zweck der Klausel beachtet werden (vgl RIS-Justiz RS0008901, RS0112256).

4.3. Offenkundiger Zweck der auszulegenden Bestimmung ist es, im Falle des Fehlens preisrechtlicher Tarifvorschriften („sollten keine Systemnutzungstarife verordnet sein“) sicherzustellen, dass der Netzbetreiber ein angemessenes Entgelt verlangen darf, um auf diese Weise eine Gegenleistung für den vertraglich zugesagten Netzzugang zu erlangen. Dieser Zweck verlangt die Anwendbarkeit der Regelung nicht allein für den Fall, dass überhaupt nie eine amtliche Regelung der Systemnutzungstarife bestanden hat, sondern auch dann, wenn - wie hier - die SNT-VO 2008 bis 2011 als gesetzwidrig aufgehoben worden sind. Damit ist nämlich der gesamte Tarif unanwendbar geworden. Der in der auszulegenden Bestimmung der AGB angesprochene Fall ist damit eingetreten.

4.4. Das gegenteilige Verständnis von Berufungsgericht und Klägerin führte zum wirtschaftlich unausgewogenen Ergebnis, dass der Netzbetreiber seinem Kunden nach Aufhebung der SNT-VO zwar Zugang zum Netz gewähren müsste, dafür aber nicht jenen Kostenersatz vorschreiben dürfte, der seinen tatsächlichen Aufwand zur Gänze abdeckt; dass die Parteien solches beabsichtigt hätten, ist ihnen nicht zu unterstellen.

4.5. Der Einwand der Klägerin, Pkt X. AVB sei infolge seiner „verschleiernden Wirkung“ intransparent, ist unbegründet. Das Transparenzgebot verlangt nicht nur formale Verständlichkeit im Sinn von Lesbarkeit, sondern auch, dass Inhalt und Tragweite der Regelung durchschaubar sind und dass dem Kunden die wirtschaftliche Tragweite der Bestimmung nicht verschleiert wird (vgl RIS-Justiz RS0122169 [T6]). Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die auszulegende Regelung in ihrem Regelungsgehalt klar verständlich und bedient sich auch keiner mehrdeutigigen Begriffe. Der Vorwurf der Intransparenz ist daher unbegründet.

4.6. Die vertragliche Vorschreibung angemessener Netzverlustentgelte durch den Netzbetreiber unter Berufung auf Pkt X. AVB nach Wegfall der SNT-VO 2009 bis 2011 erfüllt auch nicht den Tatbestand der Verwaltungsstrafnorm des § 62 ElWOG 1998, wonach eine Verwaltungsübertretung begeht, wer für eine Netzdienstleistung einen höheren Preis als den von der Behörde nach dem ElWOG bestimmten Höchst- oder Festpreis fordert. Diese Norm ist nämlich auch einer einschränkenden (verfassungskonformen) Auslegung zugänglich, wonach damit nur eine Verletzung verfassungskonformer Preisvorschriften sanktioniert wird (so auch Rabl, Rückforderung von Netzverlustentgelten nach Aufhebung der SNT-VO 2009 bis 2011, ecolex 2012, 597, 599). Pkt X. AVB kommt daher grundsätzlich als vertragliche Anspruchsgrundlage jener Beträge in Frage, deren Rückzahlung die Klägerin begehrt.

5.1. Die Beklagte hat sich zum Beweis dafür, dass die von der Klägerin gezahlten Netzverlustentgelte dem angemessenen Entgelt nach Pkt X. AVB entsprechen, auf die Einholung eines Gutachtens berufen (Protokoll der Verhandlung vom 7. 3. 2012, S 2). Ausgehend von einer unrichtigen Rechtsansicht haben die Tatsacheninstanzen zum aufgezeigten Beweisthema weder Beweise aufgenommen noch Feststellungen getroffen. Damit ist eine abschließende Beurteilung der Frage, ob und in welchem Umfang die der Klagsforderung zugrundeliegenden Zahlungen von Netzverlustentgelten durch die Klägerin auf einem Rechtsgrund beruhen, noch nicht möglich.

5.2. Die angefochtene Entscheidung ist daher aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verbreiterung der Tatsachengrundlagen im aufgezeigten Sinn an das Erstgericht zurückzuverweisen.

5.3. Klarzustellen ist, dass im fortgesetzten Verfahren allein die Höhe eines angemessenen Netzverlustentgelts zu ermitteln und den von der Klägerin unter diesem Titel gezahlten Beträge gegenüberzustellen ist; dass die von der Klägerin im strittigen Zeitraum gezahlten restlichen Komponenten des Systemnutzungsentgelts unangemessen hoch gewesen wären, wurde nämlich nicht behauptet oder eingewendet.

6. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 zweiter Satz ZPO.

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