Spruch:
Den Revisionsrekursen wird teilweise Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass die Entscheidung zu lauten hat:
„Einstweilige Verfügung
Zur Sicherung des Anspruchs der klagenden Partei gegen die viert- bis sechstbeklagten Parteien auf Unterlassung der Verletzung des § 1 UWG wird den viert- bis sechstbeklagten Parteien bis zur rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens über die vorliegende Unterlassungsklage verboten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs auf oder über öffentlichem Grund Werbeträger, beispielsweise Ankündigungen und/oder Plakate, insbesondere sogenannte Rolling Boards, entgegen den Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung oder des Gebrauchsabgabengesetzes oder wenn hiefür nicht alle erforderlichen behördlichen Genehmigungen vorliegen, aufzustellen und darauf oder darin Werbeplakate anzubringen; dies gilt insbesondere dann, wenn die Rolling Boards größer als bewilligt sind. Ausgenommen von dieser einstweiligen Verfügung ist der Standort jener Werbeflächen, die rund um das Parlament in Wien 1, Dr. Karl Renner-Ring 1, - wie auf den Fotos auf Beil ./D ersichtlich - errichtet wurden.
Das darüber hinausgehende Begehren, den viert- bis sechstbeklagten Parteien zu verbieten, Werbeträger ganz allgemein entgegen einer Rechtsvorschrift aufzustellen, wird abgewiesen."
Die klagende Partei hat 90 % ihrer Kosten im Sicherungsverfahren aller drei Instanzen vorläufig selbst zu tragen; 10 % ihrer Kosten hat sie endgültig selbst zu tragen.
Die klagende Partei ist schuldig, der viertbeklagten Partei die mit 469,58 EUR (darin 78,26 EUR USt) und der fünftbeklagten Partei die mit 206,58 EUR (darin 34,43 EUR USt) bestimmten anteiligen Kosten im Sicherungsverfahren aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Die Rechtssache war bereits Gegenstand einer Entscheidung des erkennenden Senats; zu Vorbringen, Verfahrensgang und Sachverhalt wird auf den im ersten Rechtsgang gefassten Beschluss 4 Ob 262/04i vom 14. 3. 2005 (ON 86) sowie auf den Beschluss 4 Ob 260/04w (= ÖBl 2005, 212 - Baustellenwerbung) verwiesen.
Vorausgeschickt wird, dass erst-, zweit- und drittbeklagte Parteien (letztere mit Verschmelzungsvertrag vom 10. 5. 2005, im Firmenbuch eingetragen am 12. 7. 2005) mittlerweile zur bisher viertbeklagten Partei verschmolzen worden sind; aus Gründen der Übersichtlichkeit werden die Parteien jedoch weiterhin gleich wie bisher benannt.
Nachdem das Erstgericht am 26. 4. 2004 einem Sicherungsantrag betreffend die Punkte 1. bis 3. des in der Klage geltend gemachten Unterlassungsbegehrens stattgegeben hat (ON 2), stellte die Klägerin zu Punkt 4. des Unterlassungsbegehrens den - weiteren - Sicherungsantrag, den erst- bis sechstbeklagten Parteien zu verbieten, auf oder über öffentlichem Grund Gegenstände, die der Geschäftstätigkeit oder der Werbung dienen, beispielsweise Ankündigungen und/oder Plakate, insbesondere sogenannte Rolling Boards, entgegen einer Rechtsvorschrift oder wenn hierfür nicht alle erforderlichen Genehmigungen erteilt wurden, aufzustellen und darauf bzw darin Werbeplakate anzubringen; dies soll insbesondere gelten, wenn die Rolling Boards größer als bewilligt sind und sogar 20 m² Werbefläche aufweisen (ON 7). Die behördliche Bewilligung umfasse eine Werbefläche von 16 Bogen (8 m²), die errichteten Werbeanlagen hätten eine Werbefläche von 24 Bogen (12 m²). Die Beklagten hätten für die auf öffentlichem Grund errichteten Anlagen keine Bewilligung nach dem Wiener Gebrauchsabgabegesetz und nach § 82 Abs 1 StVO eingeholt. Mit diesem Rechtsbruch handelten die Beklagten wettbewerbswidrig im Sinne des § 1 UWG.
Viert- und fünftbeklagte Parteien beantragten die Abweisung des ergänzenden Sicherungsantrags (ON 35, ON 36). Um den Zeitplan einzuhalten, seien die Werbeeinrichtungen im 24 Bogen-Format bestellt und aufgestellt worden, noch bevor ein Bewilligungsbescheid vorgelegen sei. Mittlerweile sei auf das 16 Bogen-Format umgestellt worden. Das Unterlassungsgebot sei unbestimmt, soweit es keine bestimmten Rechtsvorschriften nenne.
Das Erstgericht gab dem Sicherungsantrag mit dem räumlich einschränkenden Zusatz statt, dass von dieser einstweiligen Verfügung der Standort jener Werbeflächen ausgenommen ist, die rund um das Parlament errichtet wurden. Bescheinigt sei, dass die Viertbeklagte, handelnd ua durch den Fünftbeklagten, an näher genannten Standorten außerhalb des Parlaments Werbeeinrichtungen errichtet habe, wobei für diese Standorte nicht alle behördlichen Auflagen eingehalten worden seien. Insbesondere entsprächen die Werbeeinrichtungen nicht den behördlichen Auflagen, höchstens ein 16 Bogen-Format zu verwenden. Bewilligungen nach der StVO, dem Gebrauchsabgabengesetz oder der Bauordnung lägen nicht vor. Das Unterlassungsgebot sei ausreichend bestimmt und halte sich im Rahmen des Klagebegehrens.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung mit der Maßgabe, dass es die Wortfolge „Gegenstände, die der Geschäftstätigkeit oder der Werbung dienen" durch „Werbeträger" und die Wortfolge „erteilt wurden" durch „vorliegen" ersetzte; es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Ein Gewerbetreibender, der Werbeeinrichtungen auf öffentlichen Verkehrsflächen ohne die erforderlichen Genehmigungen oder in größerem Format als bewilligt aufstelle, handle rechtswidrig; der Gesetzesverstoß sei auch geeignet, die Wettbewerbslage gegenüber den gesetzestreuen Mitbewerbern zu seinen Gunsten zu beeinflussen. Eine gewisse allgemeine Fassung des Unterlassungsgebots - ergänzt durch konkrete Einzelverbote - sei notwendig, um Umgehungen nicht allzu leicht zu machen. Es sei zulässig, den ursprünglichen Sicherungsantrag nachträglich zu ergänzen (hier: durch Nennung weiterer Standorte betroffener Werbeanlagen).
Rechtliche Beurteilung
Gegen diese Entscheidung richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Dritt- und Viertbeklagten (ON 104, ON 106) und der außerordentliche Revisionsrekurse des Fünftbeklagten (ON 105). Die Rechtsmittel sind zulässig, aber nur teilweise berechtigt.
1. Die Rechtsmittel bestreiten die Befugnis der Klägerin, nach ergangener einstweiliger Verfügung einen weiteren Sicherungsantrag „nachzuschieben"; auch hielten sich die damit zu sichernden Ansprüche nicht im Rahmen des Hauptverfahrens.
Im Sicherungsverfahren besteht keine Eventualmaxime. Mit Klage geltend gemachte Ansprüche sind daher so lange sicherungsfähig, als sie nicht verjährt sind, ohne dass es darauf ankäme, ob und wie lange zuvor schon eine einstweilige Verfügung, die andere Ansprüche derselben Klage betrifft, erlassen worden ist. Einer besonderen „Eilbedürftigkeit" als Bewilligungsvoraussetzung bedarf es entgegen der in den Rechtsmitteln vertretenen Auffassung nicht.
Mit einstweiliger Verfügung kann jeder Anspruch gesichert werden, der sich im Rahmen des mit der Klage geltend gemachten Anspruchs hält (RIS-Justiz RS0004815[T2]). Das hier gegenständliche (weitere) Sicherungsbegehren, das sich gegen eine Wettbewerbswidrigkeit durch Rechtsbruch (Fehlen erforderlicher Bewilligungen nach StVO und anderen Gesetzen, Überschreiten der im Bewilligungsbescheid vorgeschriebenen Bogengröße für die Plakatwechsler) richtet, entspricht Punkt 4. des Klagebegehrens. Der vom Erstgericht beigesetzte einschränkende Zusatz dient der räumlichen Abgrenzung dieser Entscheidung zur zeitlich früheren Entscheidung ON 60 im Sicherungsverfahren betreffend den Standort Parlament; der mit der Klage geltend gemachte Unterlassungsanspruch wird dadurch jedoch nicht überschritten.
2. Die Rechtsmittelwerber verweisen darauf, dass Vorschriften über die Größe von Werbeeinrichtungen städtebauliche und verkehrstechnische Zwecke verfolgten, aber nicht vor wirtschaftlichen Beeinträchtigungen schützen sollten. Auch sei die Formatüberschreitung einer Werbeeinrichtung an einem - einem einzigen Unternehmen zugewiesenen - Standort nicht geeignet, eine spürbare Nachfrageverlagerung zu bewirken.
Die Rechtsmittelwerber übersehen, dass nach der jüngeren einhelligen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Fallgruppe des Rechtsbruchs nach § 1 UWG die Sittenwidrigkeit nicht mehr davon abhängt, ob die verletzte Norm wettbewerbsregelnden Charakter hat, sondern dass es darauf ankommt, ob der Gesetzesverstoß geeignet ist, dem gesetzwidrig Handelnden einen sachlich nicht gerechtfertigten Vorsprung vor gesetzestreuen Mitbewerbern zu verschaffen (Koppensteiner, Österreichisches und europäisches Wettbewerbsrecht³ § 33 Rz 93 mwN). Im vorliegenden Fall ist an der Eignung des Verstoßes gegen die Vorschriften über die Größe von Werbeeinrichtungen nicht zu zweifeln, die Wettbewerbslage spürbar zugunsten des Eingreifers zu beeinträchtigen und ihm einen sachlich nicht gerechtfertigten Vorsprung vor gesetzestreuen Mitbewerbern zu verschaffen. Es liegt nämlich auf der Hand, dass die Werbewirkung nicht allein vom Standort, sondern auch von der Größe der Werbeeinrichtung bestimmt wird. Je wirksamer eine Werbung ist, desto größer wird auch das Interesse sein, sich der Werbeeinrichtung zu bedienen. Eine Überschreitung der bewilligten Größe ist daher geeignet, zu einer nicht bloß unerheblichen Nachfrageverlagerung zu führen (vgl RIS-Justiz RS0113000 [T4]).
3. Die Rechtsmittelwerber bekämpfen das Unterlassungsgebot als zu unbestimmt, soweit ihnen damit ganz allgemein untersagt werden soll, Werbeträger „entgegen einer Rechtsvorschrift oder wenn hiefür nicht alle erforderlichen behördlichen Genehmigungen vorliegen" aufzustellen.
Unterlassungsgeboten darf zwar eine weitere Fassung gegeben werden, um Umgehungen nicht allzu leicht zu machen (stRsp 4 Ob 17/91 = ÖBl 1991, 105 - Hundertwasser-Pickerln II; 4 Ob 182/03y; RIS-Justiz RS0037607 und RS0037733), sie müssen aber das verbotene Verhalten so deutlich umschreiben, dass sie dem Beklagten als Richtschnur für sein zukünftiges Verhalten dienen können. Diesem Erfordernis genügen nicht näher konkretisierte, allgemeine Begriffe nicht, sondern es muss in einer für das Gericht und die Parteien unverwechselbaren Weise feststehen, was geschuldet wird (4 Ob 258/04a = RIS-Justiz RS0119807; vgl auch RIS-Justiz RS0004864 [T7]).
Der Oberste Gerichtshof hat das Begehren, „die gesetzwidrige Bewerbung der Letztverbraucher" zu unterlassen, als völlig unbestimmt beurteilt (4 Ob 362/86). Zur Fassung des Unterlassungsbegehrens „entgegen einer Rechtsvorschrift oder wenn hiefür nicht alle erforderlichen Genehmigungen erteilt wurden" hat der 3. Senat ausgesprochen, es sei vertretbar, wenn dieser Titel wegen Unbestimmtheit als nicht vollstreckbar beurteilt wird (3 Ob 119/05d).
Werden diese Grundsätze im vorliegenden Fall angewandt, so kann das allgemeine Gebot, beim Aufstellen von Werbeträgern und Anbringen von Plakaten nicht gegen eine Rechtsvorschrift zu verstoßen, als zu unbestimmt nicht erlassen werden. Es ist als bloße Aufforderung zu verstehen, nicht rechtswidrig zu handeln. Die Klägerin hat die Verletzung bestimmter Gesetze, und zwar der Straßenverkehrsordnung und des Gebrauchsabgabengesetzes, geltend gemacht; das darauf abstellende Unterlassungsgebot ist vom begehrten Gebot umfasst. Das Unterlassungsgebot war daher dahin zu konkretisieren, dass der Beklagten das Aufstellen von Werbeträgern und das Anbringen von Plakaten untersagt ist, wenn sie damit gegen die Straßenverkehrsordnung oder gegen das Gebrauchsabgabengesetz verstößt.
Die Klägerin begehrt weiters, den Beklagten das Aufstellen von Werbeträgern und das Anbringen von Plakaten auch dann zu untersagen, wenn hiefür nicht alle erforderlichen behördlichen Genehmigungen vorliegen. Mit diesem Gebot werden die Genehmigungen zwar nicht näher beschrieben; es ist aber klargestellt, dass jene Genehmigungen vorliegen müssen, die vor dem Aufstellen von Werbeträgern auf öffentlichen Verkehrsflächen nach den einschlägigen Vorschriften im Verwaltungsverfahren zu erwirken sind. Damit ist hinreichend bestimmt, wie sich die Beklagten verhalten müssen, um dem Unterlassungsgebot zu entsprechen.
Den Revisionsrekursen war teilweise Folge zu geben und das Unterlassungsgebot durch Nennung der im Sicherungsantrag angeführten Gesetze ausreichend zu verdeutlichen; das unbestimmte Mehrbegehren war abzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten der Klägerin beruht auf § 393 Abs 1 EO; jene über die Kosten der Beklagten auf §§ 393 Abs 1 EO iVm §§ 43, 50 ZPO. Die Klägerin hat den mit 21.000 EUR bewerteten Sicherungsantrag teilweise zu unbestimmt gefasst; ihr Erfolg im Sicherungsverfahren ist mit 90 % zu bemessen. Am 15. 12. 2004 bestand die Erstbeklagte nicht mehr; der in ihrem Namen überreichte Rekurs war daher nicht zu honorieren. Der von der drittbeklagten Partei am 24. 6. 2005 beim Erstgericht eingelangte Revisionsrekurs war noch zulässig, weil die Fusion mit der viertbeklagten Partei erst mit der nachfolgenden Eintragung ins Firmenbuch am 12. 7. 2005 wirksam geworden ist. Für seine Äußerung ON 35 hat der Fünftbeklagten keine Kosten verzeichnet.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)