OGH 4Ob362/86

OGH4Ob362/8629.9.1986

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurzinger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedl, Dr. Resch, Dr. Kuderna und Dr. Gamerith als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ö*** A***, 1090 Wien, Spitalgasse 31,

vertreten durch Dr. Norbert Schöner, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Rudolf A***, Inhaber der Fa. V***-R***, 9500 Villach, vertreten durch Dr. Gerhard Boehlke, Rechtsanwalt in Villach, und die Nebenintervenientin F*** R*** E*** K*** P***, Robert S***, Inhaber Maria W***,

1140 Wien, Penzingerstraße 54, vertreten durch Dr. Anton Krautschneider, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert S 301.000,-) und einstweiliger Verfügung infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgerichtes vom 28. April 1986, GZ. 6 R 73/86-8, womit der Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt vom 17. Februar 1986, GZ. 28 Cg 362/85-4, teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß der Beschluß des Erstgerichtes zur Gänze wieder hergestellt wird. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 10.766,25 bestimmten Kosten des Revisionsrekurses (darin enthalten S 978,75 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Klägerin obliegt satzungsgemäß die Wahrung und Förderung der Interessen des Apothekerstandes. Sie ist auch zur Verfolgung von Ansprüchen nach dem UWG legitimiert.

Der Beklagte bietet die von der Nebenintervenientin erzeugten Produkte, darunter "Holzhacker-Franzbranntwein mit Menthol und Arnika" und "Murmeltieröl-Creme" an den Drogeriegroßhandel, Apotheken, Drogerien und Reformhäuser an, verkauft diese Produkte an solche Abnehmer und liefert sie auch aus. Die Nebenintervenientin lieferte diese Creme und den Franzbranntwein mit einem Werbeprospekt unter anderem auch an den Beklagten.

In der Tageszeitung "Kärntner Krone" vom 4. Oktober 1985 ließ die Beklagte auf Seite 25 bezüglich der beiden Präparate folgende Werbeeinschaltungen vornehmen:

"Holzhacker-Franzbranntwein mit Menthol und Arnika ist ein nach einem uralten Rezept hergestelltes Hausmittel für viele Anwendungsbereiche. Zur täglichen Erfrischung zur Förderung des Wohlbefindens, zur Steigerung der sportlichen Leistung, gegen Kopfschmerzen und Übelkeit und zur Linderung von Gelenks- und Muskelschmerzen".

Unter der Überschrift "Murmeltieröl-Creme" erfolgte eine weitere Einschaltung:

"Murmeltieröl-Creme enthält: Murmeltieröl, Arnika, Edeltannenöl und Menthol. Diese hochwertigen Naturstoffe entwickeln in dieser Creme ihre volle Wirkung. Murmeltieröl-Creme ist ein natürliches Mittel, das bei regelmäßiger Anwendung bei Gelenksschmerzen und den damit verbundenen Versteifungserscheinungen eine deutliche Verbesserung herbeiführt. Sie ist die Creme, die bei Überbeanspruchung der Muskel, bei Verspannungen und Sportverletzungen hilft und hochwirksam ist."

Unter diesen beiden Einschaltungen ist fettgedruckt geschrieben:

"Erhältlich in allen Apotheken und Reformhäusern. Zur näheren Beratung steht Ihnen gerne die F*** V***-R***, Rudolf A***, 9500 Villach, Telefon 04242/336733 gerne zur Verfügung!". Diese Einschaltungen bezüglich beider Präparate sind inhaltsgleich mit dem von der Nebenintervenientin an den Beklagten ausgelieferten Prospekte. Beide Präparate werden von der Nebenintervenientin schon seit Jahrzehnten erzeugt und auch seit dieser Zeit an Unternehmen wie jene des Beklagten ausgeliefert. Die Klägerin begehrte - ausgehend von dem wiedergegebenen Sachverhalt den das Erstgericht als bescheinigt annahm - den Beklagten schuldig zu erkennen, es zu unterlassen, gesetzwidrig Arzneimittel an Letztverbraucher in Verkehr zu bringen, zu bewerben und zu verkaufen, insbesondere "Holzhacker-Franzbranntwein mit Menthol und Arnika" und "Murmeltieröl-Creme". Die Werbung des Beklagten enthalte eine eindeutige Heilanpreisung - sonst läge eine Täuschung im Sinne des § 2 UWG vor - was gegen das Arzneimittelgesetz und die Abgrenzungsverordnungen verstoße, so daß sich der Beklagte in rechtswidriger Weise einen sittenwidrigen Vorsprung gegenüber gesetzestreuen Apotheken und Kaufleuten verschaffe. Zur Sicherung ihres Unterlassungsanspruches beantragt die Klägerin die Erlassung einer mit dem Klagebegehren übereinstimmenden einstweiligen Verfügung.

Der Beklagte beantragte, den Sicherungsantrag abzuweisen. Da die beiden Produkte nicht unter den Apothekenvorbehalt fielen, seit jeher als Hausmittel verwendet und auch in Drogerien und Reformhäusern im Kleinverkauf feilgehalten und abgegeben würden. Das Erstgericht wies die beantragte einstweilige Verfügung zur Gänze ab. Es ging im wesentlichen davon, daß es sich bei beiden Produkten zwar um Arzneimittel im Sinne des § 1 AMG handle, sie jedoch nach den auch nach dem Inkrafttreten des Arzneimittelgesetzes weiter geltenden Abgrenzungsverordnungen RGBl. 152/1883, RGBl. 188/1895 und RGBl. 97/1886 und der Kosmetikverordnung 1982 zum Lebensmittelgesetz (BGBl. Nr. 12/1983) sowie dem Erlaß des Ministeriums des Inneren vom 26. Oktober 1904, Zl. 56.964/1903, nicht dem Apothekenvorbehalt unterlägen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der klagenden Partei teilweise Folge und verbot dem Beklagten, an Letztverbraucher gesetzwidrig Arzneimittel, insbesondere "Holzhacker-Franzbranntwein mit Menthol und Arnika" und "Murmeltieröl-Creme" zu bewerben. Den weiteren Antrag, dem Beklagten auch zu verbieten, an Letztverbraucher gesetzwidrig Arzneimittel in den Verkehr zu bringen und zu verkaufen, insbesondere "Holzhacker-Franzbranntwein mit Menthol und Arnika" und "Murmeltieröl-Creme" wies es ebenso wie das Erstgericht ab. Es sprach ferner aus, daß der von der Abänderung betroffene Wert des Streitgegenstandes S 15.000,- nicht aber S 300.000,- übersteigt und der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Das Rekursgericht teilte die Rechtsansicht des Erstgerichtes, daß die beiden Produkte nicht unter den Apothekenvorbehalt fielen, vertrat jedoch die Auffassung, daß für sie die Werbebeschränkung der §§ 50 bis 54 AMG gelten, weil dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden könne, daß er die im § 59 Abs. 3 AMG genannten Gewerbetreibenden von den Werbebeschränkungen des AMG ausnehmen und gegenüber den anderen mit dem Arzneimittelvertrieb befaßten Unternehmen begünstigen wolle. Die von der Beklagten für die beiden Produkte entfaltete Werbung enthalte aber nicht die im § 54 AMG vorgesehenen Zusätze. Eine Genehmigung im Sinne des § 53 AMG sei nicht behauptet worden.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der Revisionsrekurs der beklagten Partei mit dem Antrag, den Beschluß des Erstgerichtes wieder herzustellen.

Die klagende Partei beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil es sich bei der im Rechtsmittel aufgeworfenen - für die Entscheidung allerdings nicht wesentlichen - Frage, ob mit der durch § 59 Abs 3 AMG festgelegten Ausnahme vom Apothekenvorbehalt auch die Ausnahme von den Werbebeschränkungen der §§ 50 ff AMG verbunden ist, um eine erhebliche Rechtsfrage des materiellen Rechts im Sinne des § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO handelt. Auch in einem Grundsatzrekurs hat aber der Oberste Gerichtshof - eine gehörig ausgeführte Rechtsrüge vorausgesetzt - auch andere als die in der angefochtenen Entscheidung und im Rechtsmittel aufgeworfene Rechtsfragen zu prüfen, wenn sie von erheblicher Bedeutung sind (ÖBl. 1984, 116 ua). Der Revisionsrekurs ist auch berechtigt.

Die Klägerin hat ihren Sicherungsantrag - ebenso wie das Klagebegehren - ausschließlich damit begründet, daß es sich bei den beiden Produkten um Arzneimittel im Sinne des § 1 Abs. 1 AMG handle, der "Holzhacker-Franzbranntwein mit Menthol und Arnika" auch gegen die zweite Abgrenzungsverordnung verstoße und der Beklagte sich sohin bewußt über verwaltungsrechtliche Vorschriften hinweggesetzt habe, um sich gegenüber gesetzestreuen Apotheken und gegenüber denjenigen Kaufleuten, die es unterlassen, in rechtswidriger Weise pharmazeutische Präparate und Arzneimittel in den Verkehr zu bringen, einen sittenwidrigen Vorsprung zu verschaffen. Worin die gesetzwidrige Bewerbung der Letztverbraucher bestanden haben soll und gegen welche Verstöße sich die Klägerin wendet, ist in keiner Weise ausgeführt. Dies wäre aber schon deshalb erforderlich gewesen, weil die Werbebeschränkungen der §§ 50 ff AMG eine ganze Reihe von Tatbeständen verbotener Werbung enthalten und ein Begehren, "die gesetzwidrige Bewerbung der Letztverbraucher" zu unterlassen, völlig unbestimmt ist. Anträge auf Erlassung einer wegen Unbestimmtheit des Begehrens nicht vollstreckbaren einstweiligen Verfügung sind jedoch abzuweisen (SZ 43/199; SZ 21/148; 4 Ob 367/82; 1 Ob 828/82 ua). Auch wenn sich aus den vorgelegten Werbeanzeigen Verstöße gegen die Werbebeschränkungen ergeben sollten, darf das Gericht von sich aus diese nicht spezifizieren, wenn nicht klargestellt ist, welche Verstöße vom Sicherungsantrag erfaßt werden sollen. Da im gesamten Vorbringen der Klägerin keine Behauptung enthalten ist, daß der Beklagte gegen die Bestimmungen des § 54 AMG verstoßen habe, hätte das Rekursgericht nicht ohne diesbezügliches Begehren der Klägerin dies seiner Entscheidung zugrundelegen und ein völlig unbestimmtes Verbot, nämlich "an Letztverbraucher gesetzwidrig Arzneimittel insbesondere "Holzhacker-Franzbranntwein mit Menthol und Arnika" und "Murmeltieröl-Creme" zu bewerben", erlassen dürfen. Der Sicherungsantrag war daher zur Gänze abzuweisen. Es widerspricht dem Wesen des auf rasche Entscheidung abgestellten Provisorialverfahrens eine Entscheidung aufzuheben und der Klägerin in einem zweiten Rechtsgang die Möglichkeit zu geben, ein unbestimmtes Sicherungsbegehren zu verbessern (4 Ob 367/82; 1 Ob 694/82). Die in der Beantwortung des Revisionsrekurses behandelte Frage, ob die beiden Produkte unter dem Apothekenvorbehalt fallen, war daher nicht zu prüfen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO, 78, 402 Abs. 2 EO. Kosten für die Rekursbeantwortung stehen der beklagten Partei nicht zu. Der Rekurs wurde ihr am 19.3.1986 zugestellt. Die erst am 16.4.1986 zur Post gegebene Rekursbeantwortung war daher verspätet (§ 402 Abs 1 EO).

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