OGH 6Ob208/70

OGH6Ob208/7011.11.1970

SZ 43/199

Normen

EO §7 Abs1
EO §389
ZPO §226
EO §7 Abs1
EO §389
ZPO §226

 

Spruch:

Der Begriff der Bestimmtheit eines Unterlassungsbegehrens darf nicht allzu eng ausgelegt werden

OGH 11. November 1970, 6 Ob 208/70 (LG Salzburg 8 R 380/70; BG Hallein C 144/70 )

Text

Die Kläger begehren als Grundnachbarn der Beklagten gemäß § 364 ABGB die Unterlassung von Einwirkungen durch Lärm und Geruch von der Nachbarliegenschaft. Im einzelnen bringen sie vor, die Beklagte betreibe dort einen Dachdeckerei- und Bauspenglereibetrieb, den sie dahingehend erweitert habe, daß ohne gewerbebehördliche Genehmigung eine Spritzlackieranlage in Betrieb genommen worden sei. Dabei sei eine Kleingarage als Einbrennkammer eingerichtet worden, von der die Heizgase durch das Dach abgeleitet werden. Die Gewerbebehörde habe festgestellt, daß pro Stunde von der Spritzlackieranlage eine Luftmenge von 14.400 m3 ausgestoßen werde, in der auch Lösungsmitteldämpfe enthalten seien. Dadurch ergebe sich nicht nur eine das übliche Maß weit überschreitende, sondern sogar unzumutbare Geruchsbelästigung auf der Liegenschaft der Kläger. Überdies sei mit dieser Einwirkung die Gefahr gesundheitlicher Schäden gegeben.

Gleichfalls ohne behördliche Genehmigung habe die Beklagte im Hofraum einen Karosserie- und Autospenglereibetrieb eröffnet, in welchem Blechbearbeitungen mit dem Hammer vorgenommen werden. Dadurch entstehe eine Lärmentwicklung, die auf die Liegenschaft der Kläger einwirke und den Grad der Zumutbarkeit bei weitem überschreite. Die Gewerbebehörde habe mit Rücksicht auf diese Umstände bescheidmäßig die gewerbebehördliche Genehmigung für die bereits errichteten Anlagen versagt.

Zur Sicherung des Klagsanspruches beantragen die Kläger die Erlassung einer einstweiligen Verfügung, die in ihrer ursprünglichen Fassung wie folgt formuliert wurde:

"Zur Sicherstellung des Anspruches der klagenden Parteien gegen die beklagte Partei wird der beklagten Partei die Verursachung von Einwirkungen durch Lärm und Geruch von der Liegenschaft Hallein, K-Straße Nr 394 auf die Liegenschaft der Kläger Hallein, Nr 405 verboten." Diese einstweilige Verfügung wurde bis längstens 30. Juni 1971 beantragt.

Auf Grund der vorgelegten Bescheinigungsmittel erließ das Erstgericht ohne Anhörung des Antragsgegners die beantragte einstweilige Verfügung. Diese wurde von der Antragsgegnerin mit Rekurs und Widerspruch bekämpft. Der Rekurs wurde als verspätet zurückgewiesen, über den Widerspruch wurde in erster Instanz verhandelt. Dabei bemängelte die Antragsgegnerin u a die Unbestimmtheit der beantragten einstweiligen Verfügung. Daraufhin modifizierten die Kläger den oben zitierten Antrag dahin, daß er nunmehr lautete: "... die Verursachung von unzumutbaren Einwirkungen von Lärm und Geruch aus dem Betrieb des Autolackierer- und Autospenglereigewerbes von der Liegenschaft ..."

Das Erstgericht erließ neuerlich die einstweilige Verfügung, jedoch in der im Zuge des Widerspruchsverfahrens modifizierten Fassung. Es nahm eine das ortsübliche Maß übersteigende Lärmentwicklung und eine durch Abluftgase bewirkte hygienische Gefährdung der Anrainer als bescheinigt an.

Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluß änderte das Rekursgericht die einstweilige Verfügung dahin ab, daß es den Sicherungsantrag der Klägerin abwies. Dabei ließ es sich von der Erwägung leiten, daß der angefochtenen einstweiligen Verfügung die inhaltliche Bestimmtheit fehle und daß die bekämpfte einstweilige Verfügung wegen dieses Mangels nicht vollstreckbar sei.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Klägers Folge und stellte die einstweilige Verfügung wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Dem Rekursgericht ist darin beizupflichten, daß auch eine einstweilige Verfügung inhaltlich so weitgehend bestimmt sein muß, daß der Exekutionstitel vollstreckbar ist (§§ 7 Abs 1 und 389 EO). Fehlen diese inhaltlichen Mindesterfordernisse, dann ist der Sicherungsantrag abzuweisen (SZ 21/148).

Doch kann die Ansicht nicht geteilt werden, daß die vom Erstgericht erlassene einstweilige Verfügung die genannten Gebrechen aufweise.

Das Erstgericht hat die Einwirkungshandlungen zur Sicherung eines Unterlassungsanspruches verboten, also der Beklagten als Antragsgegnerin eine Unterlassungspflicht aufgebürdet. Die Ansicht des Rekursgerichtes, es ergebe sich aus der erlassenen einstweiligen Verfügung nicht, welches Verhalten konkret das ortsübliche Maß übersteige, rechtfertigt für sich allein nicht die Abweisung des Sicherungsantrages. Gewiß ist es richtig, daß eine einstweilige Verfügung nur dann erlassen werden kann, wenn sie im Fall der Unbotmäßigkeit des Antragsgegners als Exekutionstitel verwertbar ist. Diesbezüglich darf aber der Begriff der Bestimmtheit der bezeichneten Unterlassungspflicht nicht all zu eng ausgelegt werden. Es ist praktisch unmöglich, alle nur denkbaren Eingriffshandlungen zu beschreiben (Neumann - Lichtblau[4] I, 193). Wird nach Feststellung oder Bescheinigung einer bestimmten Eingriffshandlung der Antragsgegner verpflichtet, sich in Hinkunft derartiger Eingriffe zu enthalten, so umfaßt dieses Verbot alle gleichen oder ähnlichen Handlungsweisen (JBl 1955, 403; EvBl 1963/387). Im vorliegenden Fall wurden ganz bestimmte Eingriffshandlungen als bescheinigt angenommen. Die einstweilige Verfügung würde ihren Sicherungszweck schon dann erfüllen, wenn die Antragsgegnerin in Hinkunft gleiche oder nur ähnliche Eingriffshandlungen setzen sollte. Was die vom Rekursgericht hervorgehobene Frage der Überschreitung des ortsüblichen Maßes im Einzelfall betrifft, so ist nach der gegenwärtigen Bescheinigungslage, insbesondere auf Grund des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Hallein vom 8. April 1970, dieses Erfordernis des § 364 ABGB bescheinigt. Setzen die Antragsgegner in Hinkunft ähnliche Handlungen, dann wird die einstweilige Verfügung entgegen der Ansicht des Rekursgerichtes exequierbar sein.

Stichworte