OGH 4Ob124/24z

OGH4Ob124/24z27.8.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schwarzenbacher als Vorsitzenden sowie den Vizepräsidenten Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi, den Hofrat Dr. Kikinger, die Hofrätin Mag. Waldstätten und den Hofrat Dr. Stiefsohn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei *, vertreten durch Mag. Gerhard Franz Köstner, Rechtsanwalt in Altenmarkt im Pongau, gegen die beklagte Partei *, Rechtsanwältin, *, als Masseverwalterin im Insolvenzverfahren über das Vermögen * GmbH, wegen 61.290,48 EUR, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz vom 23. Mai 2024, GZ 6 R 65/24g‑22, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0040OB00124.24Z.0827.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die beklagte Masseverwalterin machte im November 2022 gegenüber der Klägerin den Betrag von 61.290,48 EUR (= Klagsbetrag) als Provisionsforderung der Insolvenzschuldnerin (einer Immobilienmaklerin) aus der Vermittlung einer Liegenschaft geltend. Die Klägerin beantwortete dieses Schreiben im gleichen Monat damit, dass sie der Insolvenzschuldnerin nichts schulde. Nach einem weiteren Mahnschreiben der Beklagten Ende Dezember 2022 zahlte die Klägerin im Jänner 2023 den Klagsbetrag an die Beklagte (ohne sie neuerlich zu kontaktieren), weil sie ihre Ruhe (bzw die Angelegenheit bereinigt) haben wollte. Es steht nicht fest, dass sich die Klägerin durch die Schreiben der Beklagten unter Druck gesetzt oder eingeschüchtert fühlte. Als die Beklagte im März 2023 in einem weiteren Schreiben aus einer anderen Rechnung (betreffend die Vermittlung einer weiteren Liegenschaft) den Betrag von 540.000 EUR von der Klägerin einforderte, verwies diese die Beklagte auf die im Jänner 2023 erfolgte Zahlung der klagsgegenständlichen Forderung.

[2] Die Klägerin begehrt die Rückzahlung des von ihr geleisteten Betrags. Es liege eine rechtsgrundlose Zahlung einer Nichtschuld vor.

[3] Die Vorinstanzen verneinten die Voraussetzungen eines auf § 1431 ABGB gestützten Rückforderungsanspruchs und wiesen die Klage mit der wesentlichen Begründung ab, dass die ohne Irrtum erfolgte Zahlung vorbehaltlos erfolgt sei und den Zweck gehabt habe, den Streit zwischen den Streitteilen endgültig zu erledigen.

[4] In ihrer dagegen erhobenen außerordentlichen Revision zeigt die Klägerin keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung auf.

Rechtliche Beurteilung

[5] 1. § 1431 ABGB setzt voraus, dass eine Nichtschuld irrtümlich gezahlt wurde (RS0033765). Wer aus einem Irrtum eine Leistung erbrachte, die er nicht schuldig war, kann diese zurückfordern (5 Ob 221/22v; RS0033765). Das gilt jedoch dann nicht, wenn der Schuldner Zweifel über den Bestand der Schuld hat und dennoch leistet, sofern die Zahlung dem rechtsgeschäftlichen Zweck diente, einen zwischen Gläubiger und Schuldner bestehenden Streit endgültig zu erledigen (4 Ob 24/71 SZ 44/75; 5 Ob 221/22v; RS0033612). Die Begründung für diese rechtliche Konsequenz findet sich darin, dass der Gläubiger in einem solchen Fall das Erklärungsverhalten des Schuldners im Sinn des § 863 ABGB als Verzicht auf die Zahlungsbefreiung werten darf (vgl 3 Ob 73/23s). Wenn der Schuldner in einer solchen Konstellation vermeiden will, dass die Zahlung in diesem Sinne ausgelegt wird, muss er bei der Zahlung einen Vorbehalt machen; sonst ist eine Rückforderung unter Berufung auf § 1431 ABGB ausgeschlossen (RS0033612).

[6] 2. Die Klägerin argumentiert lediglich damit, dass sie im Anlassfall keinen Vorbehalt für die Zahlung hätte machen müssen. Auf die von ihr dazu herangezogene Rechtsprechung kann die Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht gestützt werden.

[7] 2.1 Ein Vorbehalt ist nach dieser Rechtsprechung nur dann erforderlich, wenn der Gläubiger (hier: die Beklagte) berechtigt unterstellen darf, der Schuldner (hier: die Klägerin) habe begründete Zweifel an der Zahlungspflicht gehegt und dennoch bezahlt, sodass der Gläubiger nach dem objektiven Verständnis eines redlichen Erklärungsempfängers bei vorbehaltsloser Zahlung von einem Rückforderungsverzicht des Schuldners ausgehen dürfte (3 Ob 73/23s, Rz 20 = RS0033612 [T6]).

[8] 2.2 Wenn die Vorinstanzen wegen des Schreibens der Klägerin vom November 2022 (wonach sie der Insolvenzschuldnerin nichts schulde) einen auf § 1431 ABGB gestützten Rückforderungsanspruch hinsichtlich ihrer vorbehaltlos und zum Zweck der Bereinigung des Streits erfolgten Zahlung verneinten (vgl auch § 1432 ABGB), hält sich diese Beurteilung jedenfalls im Rahmen der referierten Rechtsprechung.

[9] 3.1 Entgegen dem Rechtsmittel sind die Vorinstanzen auch sonst nicht von der Entscheidung 3 Ob 73/23s abgewichen. In dieser Entscheidung wurde klargestellt, dass bei einer ohne Irrtum vorbehaltlos erfolgten Zahlung die Rückforderung nach § 1431 ABGB ausgeschlossen ist (Rz 20).

[10] 3.2 Gerade von einem solchen Fall (kein Irrtum, kein Vorbehalt) konnten die Vorinstanzen hier vertretbar ausgehen, sodass die Entscheidung auch deshalb keiner Korrektur durch gegenteilige Sachentscheidung bedarf.

[11] 3.3 Es bleibt auch nach dem Rechtsmittel offen, worin überhaupt ein Irrtum der Klägerin gelegen sein könnte. Auch das Rechtsmittel betont ausdrücklich, dass die Klägerin gegenüber der Beklagten offengelegt habe, sie würde der Insolvenzschuldnerin nichts schulden. Gerade aber weil die Klägerin Zweifel an ihrer Zahlungspflicht offenlegte, später aber dennoch (somit nicht irrtümlich) die Zahlung ohne Vorbehalt leistete, um die Sache zu bereinigen, ist es nicht unvertretbar, hier von einem Rückforderungsverzicht auszugehen.

[12] 3.4 Im Übrigen ist die Beurteilung von konkludenten Willenserklärungen regelmäßig einzelfallbezogen und begründet in der Regel keine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung (zuletzt 4 Ob 169/23s mwN); eine krasse Fehlbeurteilung ist jedenfalls auszuschließen.

[13] 4. Nach der Rechtsprechung kann die Rückforderung einer Leistung wohl auch trotz des Bewusstseins, zu dieser nicht verpflichtet zu sein, gerechtfertigt sein, wenn an die Stelle des Irrtums über den Bestand der Schuld im Sinne des § 1431 ABGB gleich zu gewichtende andere Umstände treten (2 Ob 219/11m Pkt. 5). So kann die Leistung auch dann zurückgefordert werden, wenn sie unter dem Druck einer Vollstreckung geleistet wurde (RS0033569). Es steht aber weder fest noch wird im Rechtsmittel damit (noch) argumentiert, dass die Klägerin nur wegen einer Drucksituation oder ähnlicher Umstände gezahlt hat.

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