Spruch:
Hatte der Schuldner Zweifel über den Bestand der Schuld und dennoch geleistet, so ist die Rückforderung ausgeschlossen wenn die Zahlung den rechtsgeschäftlichen Zweck hatte, einen zwischen Gläubiger und Schuldner bestehenden Streit endgültig zu erledigen. Wenn der Schuldner in einem solchen Fall vermeiden will, daß die Zahlung in diesem Sinne ausgelegt wird, muß er bei der Zahlung einen Vorbehalt machen; sonst ist eine Rückforderung unter Berufung auf § 1431 ABGB ausgeschlossen
Zulässigkeit einer außergerichtlichen Schadensregelung auch während des Bestehens des Dienstverhältnisses. Die Bestimmungen des Dienstnehmerhaftpflichtgesetzes zwingen die Vertragsteile keineswegs, das Gericht in jedem Fall anzurufen, um eine strittige Schadensangelegenheit verbindlich erledigen zu können
OGH 18. 5. 1971, 4 Ob 24/71 (LG Linz 8 Cg 34/70; ArbG Linz 2 Cr 102/70)
Text
Die Klägerin behauptet, sie sei bei der Beklagten angestellt und seit 1962 Hauptkassierin gewesen. In der von ihr geführten Hauptkasse habe sich am 7. 3. 1969 ein Fehlbetrag von S 2000.- und am 10. 3. 1969 ein Fehlbetrag von S 22.000.- ergeben. Die Klägerin treffe daran kein Verschulden. Dennoch habe sie am 2. 4. 1969 den gesamten Fehlbetrag von S 24.000.- ersetzt. Sie habe dabei aus einem Rechtsirrtum eine nicht bestehende Schuld erfüllt, so daß sie die Leistung nach § 1431 ABGB zurückfordern könne.
Die Beklagte behauptet, daß die Klägerin den Schaden verschuldet und ihr Verschulden durch die Zahlung auch anerkannt habe.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
Es ging von folgendem - außer Streit gestelltem - Sachverhalt aus:
Die Klägerin war bei der beklagten Partei vom 8. 5. 1952 bis 30. 6. 1969 im Angestelltenverhältnis beschäftigt, und zwar zumindest ab 1962 als Hauptkassierin. Dieses Dienstverhältnis wurde von der Klägerin zum 30. 6. 1969 aufgekundigt. Ab 9. 4. 1969 wurde sie unter Weiterzahlung der Bezüge bis zum Ablauf der Kündigungsfrist, das ist der 30. 6. 1969, von Dienstleistungen freigestellt. Die Klägerin stellte in der von ihr geführten Hauptkasse am 7. 3. 1969 einen Fehlbetrag von S 2000.- und am 10. 3. einen solchen von S 22.000.-, insgesamt also S 24.000.-, als Kassenmanko fest. Die Gründe für dieses Kassenmanko konnte die Klägerin nicht aufdecken. Sie meldete das Kassenmanko nicht der beklagten Partei. Am 22. 3. 1969 trat sie einen Urlaub an. Die Klägerin versuchte, das Manko zu verheimlichen. Während ihres Urlaubes wurde anläßlich einer Überprüfung am 28. 3. 1969 festgestellt, daß in dem bei der Hauptkasse geführten Durchläuferbuch nicht sämtliche Durchlaufbeträge eingetragen waren. Es stellte sich in der Folge heraus, daß am 21. 3. 1969 von der Klägerin ein Betrag von S 24.000.- eingetragen worden war, ohne daß die Übernahme durch eine Unterschrift gedeckt war. Neben dem Betrag war lediglich "P. Z." vermerkt. Unter den Dienstnehmern der beklagten Partei befindet sich ein Paul Z, der jedoch gegenüber der Firmenleitung bestritt, den Betrag von S 24.000.- erhalten zu haben. Nach der Rückkehr der Klägerin von ihrem Urlaub wurde sie am 31. 3. 1969 diesbezüglich gefragt, worauf sie erklärte, der Betrag von S 24.000.- wäre von Z auf Grund eines von der beklagten Partei gewährten Darlehens entnommen worden. Am 9. 4. 1969 fand neuerlich eine Gegenüberstellung im Beisein des Prokuristen Herbert B statt. Die Klägerin konnte schließlich keine Erklärung für den Verbleib des Geldes geben. Am 2. 4. 1969 bezahlte die Klägerin den Betrag von S 24.000.- an die beklagte Partei. Die Klägerin ist nach wie vor nicht in der Lage, einen Beweis zu erbringen, daß sie am Kassenmanko kein Verschulden trifft. Die Klägerin verdiente zuletzt bei der beklagten Partei monatlich brutto S 5000.-, und zwar ab April 1969, zuzüglich S 200.- als Mankogeld.
Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, daß die Klägerin keine Nichtschuld bezahlt habe, weil sie nicht in der Lage sei, einen Beweis dafür zu erbringen, daß sie am Entstehen des Kassenmankos kein Verschulden treffe. Diesen Beweis hätte sie aber gemäß § 1431 ABGB erbringen müssen, um mit dem behaupteten Anspruch durchzudringen. Weiter könne die Zahlung der Klägerin nach den Umständen des Falles nur den Sinn gehabt haben, die Angelegenheit zu bereinigen. Daher bedeute die Zahlung auch ein Anerkenntnis der Forderung, das eine Rückforderung ausschließe. Wegen der bereits erfolgten Zahlung könne sich die Klägerin auch nicht mehr auf die Bestimmungen des Dienstnehmerhaftpflichtgesetzes berufen.
Die Berufung der Klägerin blieb erfolglos. Das Berufungsgericht ging nach Neudurchführung der Verhandlung gemäß § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG ebenfalls vom angeführten Sachverhalt aus und war der Auffassung, daß die Klägerin gemäß § 1298 ABGB zu beweisen gehabt hätte, daß sie am Entstehen des Fehlbetrages kein Verschulden treffe. Daraus, daß die Fehlbeträge in rascher Aufeinanderfolge entstanden seien, ergebe sich nämlich bereits, daß die Klägerin ihre Sorgfaltspflicht aus dem Dienstverhältnis als Hauptkassierin nicht erfüllt habe. Die Klägerin hätte daher ihre Schuldlosigkeit zu beweisen gehabt. Diesen Beweis habe sie nicht einmal angetreten. Damit fehle der für den Anspruch nach § 1431 ABGB erforderliche Nachweis, daß sie eine Nichtschuld gezahlt habe. Es stehe vielmehr fest, daß die Klägerin eine bestehende Schuld erfüllte.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Da die Klägerin ihren Anspruch darauf stützt, daß sie irrtümlich eine Nichtschuld gezahlt habe, muß sie zur Begründung des Rückforderungsanspruches nach § 1431 ABGB neben der - hier nicht strittigen - Leistung auch noch beweisen, daß sie diese Leistung zum Zweck der Erfüllung einer Schuld erbrachte, die in Wirklichkeit nicht bestand, und daß sie sich bei der Leistung in einem Irrtum befand (Wilburg in Klang[2] VI 462, Ehrenzweig, System[2] II/1 740). Nach dem vorliegenden Sachverhalt war aber die Klägerin bei ihrer Leistung nicht in einem Irrtum, der gemäß § 1431 ABGB eine Rückforderung der Leistung zulässig machte. Hatte nämlich der Schuldner Zweifel über den Bestand der Schuld und dennoch geleistet, so ist die Rückforderung ausgeschlossen, wenn die Zahlung den rechtsgeschäftlichen Zweck hatte, einen zwischen Gläubiger und Schuldner bestehenden Streit endgültig zu erledigen. Wenn der Schuldner in einem solchen Fall vermeiden will, daß die Zahlung in diesem Sinne ausgelegt wird, muß er bei der Zahlung einen Vorbehalt machen; sonst ist eine Rückforderung unter Berufung auf § 1431 ABGB ausgeschlossen (Wilburg in Klang[2] VI 457, Jud 33 neu = JBl 1963, 388, EvBl 1961/248).
Im vorliegenden Fall waren die Beklagte und die Klägerin nach Feststellung des Fehlbetrages gegenteiliger Auffassung darüber, ob die Klägerin diesen Schaden zu vertreten und zu ersetzen habe. Die Klägerin versuchte zunächst, diesen Fehlbetrag, den sie verheimlicht hatte, damit zu erklären, daß ein anderer Dienstnehmer den Betrag von S 24.000.- erhalten habe. Da dieser Versuch, den Fehlbetrag aufzuklären, daran scheiterte, daß dieser Dienstnehmer entgegen der Darstellung der Klägerin behauptete, das Geld nicht bekommen zu haben, und die Klägerin keine Erklärung für das Entstehen des Fehlbetrages geben konnte, bezahlte sie die geltend gemachte Ersatzforderung. Daraus hat das Erstgericht mit Recht den Schluß gezogen, daß die vorbehaltlose Zahlung der Klägerin unter diesen Umständen dahin zu verstehen war, daß die strittige Angelegenheit bereinigt und endgültig erledigt werden sollte. Damit liegt aber eine irrtümliche Erfüllung einer Nichtschuld im Sinne des § 1431 ABGB nicht vor.
Die Klägerin bestreitet den vom Erstgericht angenommenen Zweck der Zahlung, die Schadensangelegenheit zu bereinigen, nicht, macht aber geltend, daß ein "konstitutives Anerkenntnis" der Klägerin gegen die Vorschriften des Dienstnehmerhaftpflichtgesetzes verstoße und während des Bestandes des Dienstverhältnisses unwirksam sein müsse. Diese Ansicht kann nicht geteilt werden. Allerdings läßt § 5 DHG eine Beschränkung oder Aufhebung der dem Dienstnehmer nach den §§ 2 bis 4 zustehenden Rechte nur durch Kollektivvertrag zu. Ob damit nur eine Vereinbarung ausgeschlossen werden sollte, durch welche die Rechte des Dienstnehmers unabhängig von einem bereits eingetretenen, bestimmten Schadensfall beschränkt oder aufgehoben werden sollen (so Haslmayr, ÖJZ 1968, 625) oder diese Bestimmung auch der vollen Wirksamkeit einer Einzelvereinbarung über die Bereinigung einer bestimmten Schadensangelegenheit entgegensteht (so Klein, RdA 1969, 145 ff), kann für den vorliegenden Fall offen bleiben, weil jedenfalls die Erfüllung einer Schadenersatzforderung durch den Dienstnehmer ohne Berufung auf die im Dienstnehmerhaftpflichtgesetz festgelegten Rechte zu dem Zweck, einen Streit darüber zu bereinigen, ob und wie weit der Dienstnehmer ersatzpflichtig ist, nicht die Zahlung einer Nichtschuld bedeutet (so auch Klein aaO). Die Bestimmungen des Dienstnehmerhaftpflichtgesetzes zwingen die Vertragsteile keineswegs, das Gericht in jedem Fall anzurufen, um eine strittige Schadensangelegenheit verbindlich erledigen zu können. In den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage (631 BlgNR, 10 GP, 5) wird vielmehr ausdrücklich betont, daß eine "gütliche Einigung" durch eine außergerichtliche Regelung des Streites zulässig sein soll. Dies ergibt sich auch aus § 7 des DHG, wonach es eines ausdrücklichen Widerspruches des Dienstnehmers bedarf, um eine Aufrechnung von Ansprüchen gegen den Dienstnehmer während des Bestandes des Dienstverhältnisses zu verhindern. Ohne Erhebung eines solchen Widerspruches ist demnach eine außergerichtliche Erledigung der Schadensangelegenheit durch Aufrechnung grundsätzlich zulässig. Aus dieser Bestimmung und der Vorschrift des § 6 DHG, wonach die dort angeführten Ansprüche innerhalb von sechs Monaten geltend gemacht werden müssen, ergibt sich weiter, daß eine Schadensregelung auch während des Bestandes des Dienstverhältnisses zulässig ist. Es kann daher der einer Anerkennung entsprechende Zweck der Zahlung, den Streit zu erledigen, und die damit verbundene Wirkung, eine Rückforderung nach § 1431 ABGB auszuschließen, auch nicht deswegen verneint werden, weil eine außergerichtliche Schadensbereinigung während des aufrechten Bestandes des Dienstverhältnisses nicht zulässig sei, sondern gegen ein gesetzliches Verbot verstoße.
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