OGH 3Ob196/09h

OGH3Ob196/09h25.11.2009

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie die Hofräte und Hofrätinnen Hon.-Prof. Dr. Sailer, Dr. Lovrek, Dr. Jensik und Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei Edith W*****, vertreten durch Nemetz & Nemetz, Rechtsanwalts-KEG in Wien, gegen die verpflichtete Partei Stefan H*****, vertreten durch Mag. Stephan Zinterhof, Rechtsanwalt in Wien, wegen 218.000 EUR sA, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Mag. Petra B*****, vertreten durch Dr. Philip Jessich, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 23. Juli 2009, GZ 4 R 249/09k-37, womit deren Rekurs gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Innsbruck vom 12. Juni 2009, GZ 23 E 1115/08v-34, zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 78 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die betreibende Partei führt Exekution auf den Anteil des Verpflichteten an einer GmbH. Mit Beschluss vom 12. Juni 2009 setzte das Erstgericht den Schätzwert dieses Anteils mit 90.500 EUR fest (Punkt 1.) und forderte (in Punkt 2.) die einzige weitere Gesellschafterin auf, binnen vierzehn Tagen zu erklären, ob sie den Geschäftsanteil zu diesem Schätzwert übernehme, widrigenfalls der Verkauf nach den Bestimmungen der Exekutionsordnung durchgeführt werde, den es zugleich (in Punkt 3.) für den Fall der Nichtäußerung bedingt anordnete.

Das Gericht zweiter Instanz wies den Rekurs, der Mitgesellschafterin, die ein Vorkaufsrecht nach dem Gesellschaftsvertrag behauptete, zurück. Wenn nicht einmal einem nach § 76 Abs 4 GmbHG Zustimmungsberechtigten ein Rekursrecht gegen den festgestellten Schätzwert und die angeordnete Verwertungsart zustehe, gelte dies umso mehr für einen bloß Vorkaufsberechtigten. Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht zulässig, weil das Rekursgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs - insbesondere auch von der im Rechtsmittel angeführten Entscheidung 3 Ob 203/93 - nicht abgewichen ist.

1. Die Rechtsstellung des an einem Exekutionsobjekt Vorkaufsberechtigten ist in der EO mit Ausnahme des Zwangsversteigerungsverfahrens nicht speziell geregelt. Nur in jenem besteht für das Exekutionsgericht die Verpflichtung, demjenigen, für den auf der zu versteigernden Liegenschaft ein Vorkaufsrecht einverleibt ist bzw der ein Einverleibungsgesuch gestellt hat, das Versteigerungsedikt zuzustellen (§§ 171 f EO) und ihn vom Termin einer Wiederversteigerung zu verständigen (§ 154 Abs 4 EO). Bei der Versteigerung einer gemeinschaftlichen Liegenschaft, für die die Regeln der Zwangsversteigerung sinngemäß gelten, ist einem solchen Vorkaufsberechtigten zusätzlich schon die Exekutionsbewilligung zuzustellen (§ 352 Z 3 EO). Insofern entspricht die EO dem § 1076 ABGB. Bei nicht nach § 1073 ABGB verdinglichten Vorkaufsrechten gibt es diese Pflichten nicht. Es könnte bei solchen auch in der Zwangsversteigerung nur den mit dem Recht Belasteten eine allfällige Anbietungspflicht nach § 1072 ABGB (s 6 Ob 536/86 = SZ 59/54; 3 Ob 199/02i, je mwN) treffen.

Inner- und außerhalb des Zwangsversteigerungsverfahrens sind also Vorkaufsberechtigte, deren Recht aus dem Grundbuch nicht ersichtlich ist, dem Verfahren nicht beizuziehen. Sie sind daher auch nicht kraft eines solchen obligatorischen Vorkaufsrechts zu Rechtsmitteln legitimiert. Die Verständigung iSd § 1072 ABGB obläge daher in allen diesen Fällen - wenn überhaupt (dagegen etwa F. Bydlinski in Klang IV/2² 856) - allein dem mit dem Vorkaufsrecht belasteten Verpflichteten (so Aicher in Rummel, ABGB² § 1076 Rz 5; Apathy in KBB² § 1076 ABGB Rz 3).

2. Auf die Erwägungen der Entscheidung 3 Ob 203/93 kann sich die Revisionswerberin für ihren Standpunkt, ganz abgesehen davon, dass kein Fall des § 76 Abs 4 GmbHG behauptet wird, schon deshalb nicht berufen, weil sie - anders als die Rechtsmittelwerberin im genannten Fall - nicht nur vor dem Rekurs keine Übernahmeerklärung abgab, sondern auch in diesem nur erklärte, sie wäre bei früherer Verständigung vom Verfahren zur Übernahme - allerdings nur zu einem ihr angemessen scheinenden, nach ihrem Vorbringen aber vom ermittelten Schätzwert wohl erheblich nach unten abweichenden Übernahmspreis - bereit gewesen. Damit bleibt es bei der Anwendung der allgemeinen Voraussetzungen einer Beteiligtenstellung (RIS-Justiz RS0002150 [T8, T10]; RS0002134), deren Vorliegen sie nicht einmal behauptet. Gerade die ohne jede gesetzliche Verpflichtung (s oben zu 1.) erfolgte Verständigung vom Vorkaufsfall - als nichts anderes ist ja Punkt 2. des erstinstanzlichen Beschlusses zu verstehen - ermöglicht ihr den Erwerb des gepfändeten Geschäftsanteils des Verpflichteten. Auch ein dingliches Vorkaufsrecht verschafft schließlich nach § 1076 ABGB nicht mehr als das Recht auf persönliche Ladung zur Versteigerungstagsatzung (5 Ob 71/06m = SZ 2006/84 = NZ 2007/671, 62 [zust Hoyer 64]; Apathy aaO Rz 2). Somit greift der Beschluss des Erstgerichts, wie das Rekursgericht ganz richtig erkannte, in die Rechte der Revisionsrekurswerberin nicht ein. Dass zur Anfechtung selbst einer nach den zu § 332 EO entwickelten Grundsätzen unrichtig gewählten Verwertungsart nur die Parteien des Exekutionsverfahrens legitimiert sind, wurde bereits entschieden (3 Ob 83/08i = GesRZ 2008, 301 [zust Frauenberger]).

3. Die (seit der EO-Novelle 2000 anders als vorher auch im Zwangsversteigerungsverfahren) einer gesetzlichen Grundlage entbehrende „Festsetzung" des Schätzwerts (3 Ob 215/05x = EvBl 2006/42 zum exekutiven Verkauf von GmbH-Anteilen) durch das Erstgericht ist überhaupt keine anfechtbare Entscheidung, wie der erkennende Senat bereits mehrfach darlegte (3 Ob 214/02w; 3 Ob 236/02f; 3 Ob 187/09k; RIS-Justiz RS0116953; ebenso Angst in Angst, EO² § 144 Rz 1, § 145 Rz 1). Dass § 76 Abs 4 GmbHG nach wie vor vorsieht, den Schätzwert gerichtlich „festzustellen", ist schon deshalb unerheblich, weil hier zum einen eine Vinkulierung des Geschäftsanteils nicht geltend gemacht wird und zum anderen auch das Rekursrecht einer für eine Anteilsübertragung Zustimmungsberechtigten, die einem Vorkaufsberechtigten gleich gehalten wurde, zu verneinen wäre; einem Vorkaufsberechtigten steht auch kein Recht auf Einwendungen gegen den Schätzwert nach § 144 EO zu (3 Ob 83/08i mwN).

Der außerordentliche Revisionsrekurs ist daher zurückzuweisen.

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