Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die verpflichtete Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Begründung
Der Betreibenden wurde zur Hereinbringung ihrer vollstreckbaren Forderung von 63.588,75 EUR an rückständigem Unterhalt sowie des laufenden Unterhalts von 2.543,55 EUR monatlich die Exekution durch Pfändung der Gesamtrechte des Verpflichteten aus seinem Geschäftsanteil an einer bestimmten GmbH durch Doppelverbot bewilligt. Die Entscheidung über die beantragte Verwertung durch Verkauf nach Schätzung wurde zunächst vorbehalten. Bei der zur Entscheidung über den Verwertungsantrag anberaumten Tagsatzung kam keine Einigung über den Übernahmspreis zustande. Das Erstgericht bestellte hierauf einen Sachverständigen und trug ihm die Schätzung des zur Verwertung durch Veräußerung vorgesehenen GmbH-Geschäftsanteils des Verpflichteten auf. Alleiniger Geschäftsführer dieser Gesellschaft ist der Verpflichtete. Nach dem Gesellschaftsvertrag sind die Geschäftsanteile frei übertragbar, die Zustimmung der Gesellschaft ist nicht erforderlich. In seinem am 18. Februar 2005 erstatteten Gutachten bezifferte der Sachverständige den Schätzwert der Geschäftsanteile des Verpflichteten mit (zumindest) 3 Mio EUR.
Der Verpflichtete erhob gegen dieses Gutachten Einwendungen und beantragte, dem Sachverständigen die Ergänzung seines Gutachtens aufzutragen.
Der Gutachter äußerte sich zu diesen Einwendungen dahin, dass er eine Ergänzung seines Gutachtens für nicht erforderlich erachte. Das Erstgericht stellte den Schätzwert des Geschäftsanteils des Verpflichteten an der GmbH mit 3 Mio EUR fest, bewilligte den Verkauf dieses Geschäftsanteils im Wege der öffentlichen Versteigerung und sprach aus, dass dieser Verkauf nach den Bestimmungen der EO vorgenommen werde, falls die Anteile nicht innerhalb von einundzwanzig Tagen nach Zustellung der Entscheidung an die Gesellschaft durch einen von ihr zugelassenen Käufer gegen einen den Schätzwert erreichenden Kaufpreis übernommen würden. Das Rekursgericht wies den vom Verpflichteten mit dem Antrag, die Bewilligung des Verkaufs mangels ausreichender Feststellung des Schätzwerts aufzuheben, hilfsweise, die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen, als unzulässig zurück. Es sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil zur Anfechtung von Beschlüssen über die Festsetzung des Schätzwerts von GmbH-Anteilen Rsp des Obersten Gerichtshofs fehle.
Auch wenn § 76 Abs 4 GmbHG nicht anwendbar sei, weil die Veräußerung der Geschäftsanteile nicht an die Zustimmung der GmbH gebunden sei, sei der Schätzwert stets mit Beschluss festzusetzen. Vor der Beschlussfassung sei dem Beteiligten die Gelegenheit zur Äußerung zu geben. Nach der durch die EO-Nov 2000 geschaffenen Rechtslage habe das Exekutionsgericht bei der Zwangsversteigerung von Liegenschaften nach Ablauf der Frist zur Erstattung von Einwendungen gegen den Schätzwert von Amts wegen alle nötigen Ergänzungen, Richtigstellungen und Verbesserungen des Schätzgutachtens zu veranlassen. Im Verfahren sei sodann ohne Weiteres der letzte vom Sachverständigen (allenfalls nach Ergänzung, Richtigstellung oder Verbesserung seines Gutachtens) ermittelte Schätzwert zugrunde zu legen, ohne dass die Möglichkeit bestünde, sich mit einem Rechtsmittel gegen den angenommenen Schätzwert zur Wehr zu setzen. Diese Rechtslage habe die Verfahrensbeschleunigung zum Ziel, um - ebenso wie im Fahrnisexekutionsverfahren - dem Beteiligten mangels beschlussmäßiger Festsetzung des Schätzwerts dessen Anfechtung zu verwehren. Nach § 145 EO sei auch über erhobene Einwendungen nicht beschlussmäßig zu entscheiden. Dies müsse auch für die Feststellung des Schätzwerts eines Geschäftsanteils zum Tragen kommen. Spezielle anderslautende Verfahrensvorschriften seien nicht ersichtlich. In diesem Fall sei auch das rechtliche Gehör des Verpflichteten nicht verletzt worden, weil er Einwendungen gegen den Schätzwert ohnehin habe geltend machen können und der Sachverständige keine Veranlassung gesehen habe, von seinem Gutachten abzugehen. Dass hier kein Zwangsverkauf aus freier Hand angeordnet worden sei, mache der Verpflichtete ebensowenig geltend, wie dass er sich durch die Möglichkeit der Übernahme des Geschäftsanteils durch einen der Gesellschaft genehmen Käufer als beschwert erachte. Der allein erhobene Rekurseinwand, das Verfahren zur Feststellung des Schätzwerts wäre mangelhaft geblieben, habe aber nicht releviert werden können, weil zufolge der Verfahrensregeln der EO der Schätzwert nicht angefochten werden könne.
Der Revisionsrekurs des Verpflichteten ist zulässig, aber nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Nach hM ist bei der Zwangsvollstreckung auf die GmbH-Anteile des Verpflichteten nur die Verwertung durch Verkauf zulässig (3 Ob 151/83 = SZ 57/30 = EvBl 1984/78 = GesRZ 1984, 166 = NZ 1985, 71 ua; Oberhammer in Angst, § 331 EO Rz 28; Frauenberger in Burgstaller/Deixler-Hübner, § 331 EO Rz 46 je mwN). Gemäß § 332 Abs 1 EO hat primär Zwangsverkauf aus freier Hand zu erfolgen, der Verkauf in öffentlicher Versteigerung ist nur subsidiär zulässig (3 Ob 151/83; Oberhammer aaO; Frauenberger aaO § 332 EO Rz 1, je mwN). Der Verkauf der GmbH-Geschäftsanteile hat nach den Bestimmungen über den Verkauf gepfändeter beweglicher Sachen zu geschehen (§ 332 Abs 2 EO). Diese sehen bei Kostbarkeiten, Warenlagern und anderen Gegenständen, deren Schätzung bei der Versteigerung selbst untunlich ist, eine Schätzung schon vor der Versteigerung vor (vorgängige Schätzung; § 275 Abs 2 EO). Eine gerichtliche Festsetzung des Schätzwertes mittels Beschluss sieht das Gesetz ebensowenig vor wie ein Anfechtungsrecht der Beteiligten; die Parteien des Exekutionsverfahrens können den Schätzwert daher nicht mit Rekurs anfechten (Mohr in Angst, § 275 EO Rz 12; ErlBem EO-Nov 2000, 93 BlgNR 21. GP. 36).
Die in 3 Ob 109/92 (= EvBl 1993/53 mwN) vertretene Ansicht, wonach der Schätzwert stets mit Beschluss festzusetzen wäre, kann nicht mehr aufrechterhalten werden, zumal mittlerweile auch im Zwangsversteigerungsverfahren betreffend Liegenschaften zur Beschleunigung des Verfahrens vorgesehen ist, dass - wie im Fahrnisexuktionsverfahren - der Schätzwert nicht mehr beschlussmäßig festgesetzt wird; er ist nach allfälliger Ergänzung, Richtigstellung und Verbesserung (vgl. § 145 EO) dem Zwangsversteigerungsverfahren zugrunde zu legen. Nach wie vor ist zwar dem Verpflichteten, dem betreibenden Gläubiger sowie den dinglich Berechtigten der Schätzwert bekanntzugeben; diese können binnen der zu setzenden Frist Einwendungen gegen das Gutachten erheben, aufgrund derer allenfalls nach § 145 EO vorzugehen ist. Diese Bekanntgabe des Schätzwerts erfolgt zwar gemäß § 62 letzter Halbsatz EO in Form eines Beschlusses (so zutreffend Angst in Angst, EO, § 144 Rz 1), die Parteien des Exekutionsverfahrens und die im § 144 EO genannten Buchberechtigten haben jedoch kein Rekursrecht gegen diesen Beschluss, sondern nur die Möglichkeit, gegen den ihnen bekanntgegebenen Schätzwert Einwendungen zu erheben (Angst aaO § 144 Rz 2; Neumayr in Burgstaller/Deixler-Hübner, EO, § 144 Rz 2 f). Gemäß § 145 EO hat das Exekutionsgericht spätestens nach Ablauf der Frist zur Erstattung von Einwendungen gegen den Schätzwert alle nötigen Ergänzungen, Richtigstellungen und Verbesserungen des Schätzungsgutachtens von Amts wegen zu veranlassen. Selbst wenn also Einwendungen gemäß § 144 EO erhoben werden, ist die beschlussmäßige Festsetzung des Schätzwerts nicht (mehr) vorgesehen; es ist über die Einwendungen auch dann nicht beschlussmäßig zu entscheiden, wenn sie der Richter als unzulässig oder unberechtigt ansieht. Aber auch wenn der Richter Einwendungen als berechtigt ansieht, führt dies nicht zur Erlassung eines Beschlusses, sondern erforderlichenfalls zur Einvernahme des Sachverständigen. Dem Verfahren ist dann ohne Weiteres der letzte vom Sachverständigen allenfalls nach Ergänzung, Berichtigung oder Verbesserung seines Gutachtens ermittelte Schätzwert zugrunde zu legen (3 Ob 208/03i = EvBl 2004/160 = RpflE 2004/60 mwN). Die Betroffenen haben daher mangels einer anfechtbaren Entscheidung keine Möglichkeit, sich mit einem Rechtsmittel gegen die entsprechende Annahme des Exekutionsgerichts zur Wehr zu setzen; es ist Sache der Bietinteressenten, die wahre Sach- und Rechtslage abzuschätzen. Diese Verminderung des Rechtsschutzes gegenüber der Rechtslage vor der EO-Nov 2000 hat der Gesetzgeber im Interesse der Beschleunigung des Verfahrens und der darauf gegründeten Beseitigung des Beschlusses über die Festsetzung des Schätzwerts ganz offensichtlich in Kauf genommen. Die Sachverständigenhaftung nach § 1299 ABGB soll für den Entfall der Rekursmöglichkeit Ersatz bieten (3 Ob 208/03i mwN). Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs des Verpflichteten, welche ausnahmsweise die Anfechtung des Beschlusses ermöglicht, die den unter Beeinträchtigung der Verfahrensrechte des Verpflichteten ermittelten Schätzwert dem weiteren Verfahren zugrundelegt (Versteigerungsedikt, Festsetzung einer Frist für einen Übernahmsantrag; vgl 3 Ob 208/03i) liegt hier nicht vor, zumal sich der Verpflichtete zu dem vom Sachverständigen ermittelten Schätzwert äußern konnte und auch Einwendungen erhoben hat.
Zusammenfassend ist festzuhalten: Auch bei der zwangsweisen Veräußerung von GmbH-Anteilen ist der Schätzwert nicht beschlussmäßig festzusetzen; er ist nach allfälliger Ergänzung, Richtigstellung und Verbesserung dem Verwertungsverfahren zugrunde zu legen. Die Parteien des Exekutionsverfahrens haben kein Rekursrecht gegen die (beschlussmäßige) Bekanntgabe des Schätzwerts, ebensowenig gegen allfällige Entscheidungen über ihre Einwendungen.
Dem gegen die Zurückweisung des unzulässigen Rekurses des Verpflichteten gerichteten Revisionsrekurs ist daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung fußt auf §§ 40, 50 ZPO iVm § 78 EO.
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