OGH 2Ob46/24i

OGH2Ob46/24i23.4.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Grohmann als Vorsitzende sowie die Hofräte MMag. Sloboda, Dr. Thunhart, Dr. Kikinger und die Hofrätin Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*, vertreten durch Poduschka Partner Anwaltsgesellschaft mbH in Linz, gegen die beklagte Partei V*, vertreten durch Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen 10.785 EUR sA und Feststellung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Ried im Innkreis als Berufungsgericht vom 11. Dezember 2023, GZ 18 R 44/23k‑56, mit dem einer Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichts Braunau am Inn vom 28. September 2023, GZ 6 C 822/20h‑51, nicht Folge gegeben wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0020OB00046.24I.0423.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.118,01 EUR (darin enthalten 178,51 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Der Kläger erwarb im Oktober 2010 einen PKW der Marke Audi um 35.950 EUR. Im Fahrzeug ist ein von der Beklagten produzierter, mit einer nach der Verordnung (EG) 715/2007 unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestatteter Motor des Typs EA189 verbaut. Im Jahr 2016 ließ der Kläger ein sogenanntes Software‑Update (Umprogrammierung des Motorsteuergeräts) durchführen. Ob der Kläger das Fahrzeug bei Kenntnis der Nichteinhaltung der im Ankaufszeitpunkt geltenden Abgasnormen überhaupt oder nur zu einem geringeren Preis gekauft hätte, kann nicht festgestellt werden. Der PKW war vor und nach dem Aufspielen des Software‑Updates immer betriebssicher und fahrbereit. Am (österreichischen) Gebrauchtwagenmarkt gab und gibt es – nach den unbekämpft gebliebenen Feststellungen– seit dem Ankauf des Fahrzeugs durch den Kläger auch für vom Dieselabgasskandal betroffene Fahrzeuge unabhängig von der Entfernung der Abschalteinrichtung durch das Software‑Update keinen Wertverlust.

[2] Der Kläger begehrt mit seiner im Juli 2020 eingebrachten Klage – neben der schon rechtskräftig abgewiesenen Feststellung der Haftung der Beklagten – den Ersatz des mit 10.785 EUR (30 % des Kaufpreises) bezifferten Schadens, der ihm dadurch entstanden sei, dass er aufgrund der Unkenntnis der wahren Sachlage für das Fahrzeug um 30 % des Kaufpreises zu viel bezahlt habe, was auch dem objektiven Minderwert entspreche.

[3] Die Vorinstanzen wiesen die Klage mangels Schadens und deshalb ab, weil allfällige Schadenersatzansprüche ohnehin verjährt seien. Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zur Anwendbarkeit der dreißigjährigen Verjährungsfrist bei Vorliegen eines zivilrechtlichen (objektive Unsicherheit hinsichtlich der Fahrzeugnutzung), aber Fehlen eines strafrechtlich relevanten Schadens zu.

Rechtliche Beurteilung

[4] 1. Die – von der Beklagten beantwortete – Revision des Klägers ist ungeachtet des – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruchs des Berufungsgerichts nicht zulässig. Sie kann keine erhebliche Rechtsfrage aufzeigen. Die Begründung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).

[5] 2. Von einer Nichtigkeit eines Berufungsurteils kann nur gesprochen werden, wenn dessen Fassung zumindest so unklar ist, dass sich daraus logisch begründete Zweifel an der Überprüfbarkeit dieses Urteils ergeben (RS0042921 [T1]). Die Übermittlung einer – im Übrigen eindeutig die Parteien betreffenden – anonymisierten Entscheidungsausfertigung erfüllt den Nichtigkeitsgrund nicht, sondern stellt bloß eine Abweichung von der Urschrift dar (RS0041530; vgl RS0041601).

[6] 3. Nach mittlerweile gefestigter Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs kann ein individueller Fahrzeugkäufer nur die Person oder Stelle für einen deliktischen Schadenersatzanspruch aus der (schuldhaften) Verletzung des als Schutzgesetz zu qualifizierenden Art 5 Abs 2 VO 715/2007/EG in Anspruch nehmen, die im Typengenehmigungsverfahren als Herstellerin des Fahrzeugs aufgetreten ist und die Übereinstimmungsbescheinigung ausgestellt hat (6 Ob 149/23i Rz 10 mwN; 2 Ob 139/23i Rz 13 mwN; zuletzt 8 Ob 71/23h Rz 18 mwN). Die gegenteiligen Revisionsausführungen ignorieren diese aktuelle Rechtsprechung.

[7] 4. Gegenüber der hier beklagten Motorenherstellerin kommt (nur) ein durch nationales Recht determinierter Schadenersatzanspruch wegen arglistiger Irreführung (§§ 874, 1295 Abs 2 ABGB) in Betracht (2 Ob 139/23i Rz 14 mwN; 4 Ob 147/22d Rz 12). Die Schadenersatzpflicht nach § 874 ABGB greift auch dann Platz, wenn die arglistige Irreführung nicht durch den Vertragspartner, sondern durch einen Dritten erfolgt ist. Auch wenn feststeht, dass der Kläger bei ordnungsgemäßer Aufklärung das Fahrzeug nicht erworben hätte, kann er durch die Veranlassung der Leistung eines überhöhten Kaufpreises am Vermögen geschädigt worden sein (8 Ob 71/23h Rz 20 mwN). Der Schaden ist nach der relativen Berechnungsmethode zu berechnen (10 Ob 31/23s Rz 51; 2 Ob 139/23i Rz 24), wobei das Verhalten des Täuschenden für den Irrtum kausal sein muss (10 Ob 31/23s Rz 52 mwN; 7 Ob 83/23s Rz 23 mwN). Den Geschädigten trifft die Beweislast dafür, wegen der behaupteten Manipulation einen Vertrag mit ungewolltem Inhalt abgeschlossen zu haben. Allfällige Unklarheiten zur Kausalität der behaupteten Manipulation gehen daher zu seinen Lasten (vgl 5 Ob 62/18f Pkt 3.2; 1 Ob 198/20d Rz 6 mwN).

[8] 5. Da – nach der hier vorliegenden Feststellungsgrundlage – auch zum Kaufzeitpunkt kein auf die Manipulationssoftware zurückzuführender Minderwert bestand, der im Rahmen der relativen Berechnungsmethode zu einem geringeren Kaufpreis führen könnte, und die Auswirkungen der Manipulation auf den Vertragsabschluss und den vereinbarten Preis unklar blieben, ist die Abweisung der Klage durch die Vorinstanzen schon deshalb nicht korrekturbedürftig. Ob durch das Software‑Update eine Klaglosstellung erfolgt ist, ist mangels Feststehens eines (vorgelagerten) kausalen schädigenden Verhaltens irrelevant. Auch die von Berufungsgericht und Kläger relevierten Rechtsfragen zur Verjährung stellen sich daher nicht.

[9] 6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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