OGH 1Ob198/20d

OGH1Ob198/20d27.11.2020

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*****, vertreten durch die Poduschka Anwaltsgesellschaft mbH, Linz, gegen die beklagte Partei V***** AG, *****, Deutschland, vertreten durch die Pressl Endl Heinrich Bamberger, Rechtsanwälte GesmbH, Salzburg, wegen 6.000 EUR, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Berufungsgericht vom 24. Juni 2020, GZ 21 R 90/20y‑28, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Purkersdorf vom 5. März 2020, GZ 6 C 579/18z‑23, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0010OB00198.20D.1127.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 605,64 EUR (darin 83,54 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Die Klägerin erwarb von ihrem Vater einen von der Beklagten hergestellten gebrauchten PKW um 20.000 EUR und verkaufte diesen etwa viereinhalb Jahre später um 12.000 EUR. Der zwischen An- und Verkauf eingetretene Wertverlust ist auf die Benutzung des Fahrzeugs zurückzuführen und nicht darauf, dass in diesem eine unzulässige Software, die den Schadstoffausstoß im Testbetrieb manipulierte, verwendet wurde. Ob die Klägerin das Fahrzeug bei Kenntnis der unzulässigen „Manipulationssoftware“ überhaupt oder allenfalls nur zu einem geringeren Kaufpreis erworben hätte, konnte nicht festgestellt werden.

[2] Die Klägerin begehrt den Ersatz jenes Schadens, der ihr dadurch entstanden sei, dass das Fahrzeug wegen der unzulässigen Software im Zeitpunkt des Erwerbs um 6.000 EUR weniger wert gewesen sei, als sie dafür bezahlt habe.

[3] Das Erstgericht wies die Klage ab, weil durch den Erwerb des Fahrzeugs kein Schaden im Vermögen der Klägerin eingetreten sei. Der Wertverlust zwischen An- und Verkauf des Fahrzeugs hätte sich auch bei einem vergleichbaren Fahrzeug ergeben und könne nicht auf die Verwendung der „Manipulationssoftware“ zurückgeführt werden. Ein weiterer Vermögensnachteil sei der Klägerin nicht entstanden.

[4] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und die ihr zugrundeliegende Rechtsansicht. Es begründete die Klageabweisung aber auch damit, dass der Klägerin der Nachweis der Kausalität des behaupteten rechtswidrigen Verhaltens der Beklagten (dem wissentlichen Inverkehrbringen des mit der unzulässigen Software ausgestatteten PKW und der Verheimlichung dieses Umstands) für den Erwerb des Fahrzeugs – woraus die Klägerin einen Vermögensschaden ableitete – nicht gelungen sei. Die Revision sei zulässig, weil sich nach Ansicht des Berufungsgerichts – auch im Hinblick auf die Vielzahl an anhängigen Parallelverfahren – erhebliche Rechtsfragen im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO stellten.

Rechtliche Beurteilung

[5] Entgegen diesem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts ist die von der Klägerin erhobene Revision nicht zulässig.

[6] Die Revisionswerberin vertritt – unter Berufung auf Riedler (VW-Abgasskandal, Irrtum, List, Gewährleistung und Schadenersatz – auch vor dem Hintergrund der BGH‑E VI ZR 252/19, ZVR 2020/186) – die Auffassung, dass ihr (realer) Schaden als Käuferin des mit einer „Manipulationssoftware“ ausgestatteten Fahrzeugs im ungewollten (Kauf‑)Vertrag liege. Dafür, dass dieser Schaden auf das rechtswidrige Verhalten der Beklagten zurückzuführen ist, wäre nach allgemeinen Regeln die Klägerin als behauptetermaßen Geschädigte beweispflichtig (vgl RIS‑Justiz RS0037797 [T27]; RS0022664 [T4]; siehe auch 5 Ob 62/18f und 4 Ob 167/19s). Das Berufungsgericht hat einen Ersatzanspruch (auch) deshalb abgelehnt, weil nicht festgestellt werden konnte, dass die Klägerin das Fahrzeug in Kenntnis der Manipulation um einen geringeren Preis erworben hätte; damit sei die Kausalität des Verhaltens der Beklagten zu verneinen. Diesem Argument tritt die Klägerin in ihrer Revision nicht entgegen, sodass davon auszugehen ist, dass ihr der Nachweis, wegen der Machenschaften der Beklagten einen Vertrag mit ungewolltem Inhalt – mit allen damit allenfalls verbundenen Nachteilen – abgeschlossen zu haben, nicht gelungen ist. Ist aber bereits der Kausalitätsbeweis misslungen, stellen sich die umfassend erörterten Fragen der Schadensberechnung nicht mehr.

[7] Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 Abs 1 und 50 Abs 1 ZPO. Die Beklagte hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die fehlende Zulässigkeit der Revision hingewiesen, weshalb die diesbezüglichen Kosten als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich anzusehen sind (vgl RS0035979 [T16]). Da die Beklagte ihren Sitz in Deutschland hat, ist bei den begehrten Rechtsanwaltskosten lediglich die in Deutschland zu entrichtende Umsatzsteuer zuzusprechen (RS0114955 [T10]), die gemäß Art 3 Z 3 des Zweiten Gesetzes zur Umsetzung der steuerlichen Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona‑Krise (dBGBl I 2020/31) im Zeitraum vom 1. 7. 2020 bis 31. 12. 2020 16 % beträgt.

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