OGH 2Ob42/24a

OGH2Ob42/24a23.4.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Grohmann als Vorsitzende und die Hofräte MMag. Sloboda, Dr. Thunhart und Dr. Kikinger sowie die Hofrätin Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. I *, 2. K*, und 3. P*, alle vertreten durch Dr. Borns Rechtsanwalts GmbH & Co KG in Korneuburg, gegen die beklagten Parteien 1. J*, 2. N*, und 3. N*, alle vertreten durch Anzböck & Brait Rechtsanwälte GmbH in Tulln, wegen 1) 38.528,33 EUR sA,2) 32.093,33 EUR sA,und 3) 40.712,90 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 30. Jänner 2024, GZ 11 R 5/24x‑30, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0020OB00042.24A.0423.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Schadenersatz nach Verkehrsunfall

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

I. Die außerordentliche Revision wird, soweit sie sich gegen die Abweisung jeweils eines Teilbegehrens von 800 EUR sA (im Erbweg übergegangene Schmerzengeldansprüche) richtet, zurückgewiesen.

II. Im Übrigen wird die außerordentliche Revision gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Zu I:

[1] 1. Hinterbliebene, die Ansprüche nach § 1327 ABGB geltend machen, sind als formelle Streitgenossen zu qualifizieren (RS0035615 [T5, T7]), weshalb die Ansprüche der Kläger für die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision nicht zusammenzurechnen sind (RS0035710 ; RS0035615).

[2] 2. Werden in einer Klage mehrere Forderungen geltend gemacht, dann bilden sie nur dann einen einheitlichen Streitgegenstand – und damit einen einheitlichen Entscheidungsgegenstand des Berufungsgerichts –, wenn die Voraussetzungen des § 55 Abs 1 JN vorliegen; andernfalls sind sie getrennt zu behandeln (RS0053096).

[3] 3. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs sind die im Erbweg auf sie übergegangenen Ansprüche der Erben mit jenen, die gemäß § 1327 ABGB auf den Ersatz von Todfallskosten (hier: Trauerschmerzengeld; vgl dazu auch 3 Ob 23/22m Rz 9) gerichtet sind, mangels rechtlichen oder tatsächlichen Zusammenhangs nicht nach § 55 Abs 1 Z 1 JN zusammenzurechnen. Während die im Erbweg übergegangenen Ansprüche als solche des Verstorbenen bereits zu dessen Lebzeiten entstanden sind (Anspruchsgrundlage für die vom Verstorbenen abgeleiteten Schmerzengeldansprüche ist daher § 1325 ABGB), entsteht der Anspruch auf Ersatz der Todfallskosten aus Anlass des Todes originär denjenigen, die sie zu tragen verpflichtet sind oder sie tatsächlich getragen haben (vgl 2 Ob 32/21a Rz 17 mwN).

[4] 4. Wenn eine Zusammenrechnung nicht stattfindet, ist die Zulässigkeit der Revision für jeden Anspruch gesondert zu prüfen. Die Revision der Kläger ist im Umfang der im Erbweg übergegangenen zusammenrechnenden (2 Ob 32/21a Rz 20 mwN) Schmerzengeldansprüche von insgesamt 2.400 EUR (jeweils 800 EUR sA je Kläger) jedenfalls unzulässig (§ 502 Abs 2 ZPO).

Zu II:

[5] Die außerordentliche Revision der Kläger zeigt keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf:

[6] 1.1. Seit der Entscheidung 2 Ob 84/01v bejaht der Oberste Gerichtshof aufgrund einer Analogie einen Anspruch auf Trauerschmerzengeld für den Verlust naher Angehöriger. Voraussetzung des Anspruchs ist eine intensive Gefühlsgemeinschaft, wie sie zwischen nächsten Angehörigen typischerweise besteht. Ein Ersatz dieses „bloßen Trauerschadens“ ohne Krankheitswert kommt jedoch nur bei grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz des Schädigers in Betracht (RS0115189). An dieser Voraussetzung hat der Oberste Gerichtshof trotz einiger kritischer Stimmen in der Lehre ausdrücklich festgehalten (vgl etwa 2 Ob 189/16g).

[7] 1.2. Grobe Fahrlässigkeit ist anzunehmen, wenn eine ungewöhnliche und auffallende Vernachlässigung einer Sorgfaltspflicht vorliegt und der Eintritt des Schadens als wahrscheinlich und nicht bloß als möglich voraussehbar ist (vgl etwa RS0030644; RS0030477; RS0030438). Es muss sich um einen objektiv besonders schweren Sorgfaltsverstoß handeln, der bei Würdigung aller Umstände des Falls auch subjektiv schwerstens vorzuwerfen ist (RS0030272). Auch Vorrangverletzungen sind nicht stets als grobe Fahrlässigkeit zu werten, sondern lediglich unter den oben beschriebenen Voraussetzungen (vgl 2 Ob 181/18h mwN). Ob der Schädiger leichte oder grobe Fahrlässigkeit zu verantworten hat, ist nach den konkreten Umständen des Falls zu beurteilen und bildet daher nur dann eine erhebliche Rechtsfrage, wenn dem Berufungsgericht eine Fehlbeurteilung unterlaufen wäre, die im Interesse der Rechtssicherheit korrigiert werden müsste (RS0087606 [T8]).

[8] 1.3. Hier hat der Erstbeklagte, der mit einem Mähdrescher unterwegs war, seinen Nachrang an der Kreuzung nicht bewusst missachtet, sondern trotz seiner Blicke in beide Richtungen – unter schlechten Sichtbedingungen aufgrund aufgewirbelten Staubes und aufziehender Gewitterwolken – das mit dem Fahrrad herannahende spätere Unfallopfer übersehen. Dass die Vorinstanzen unter diesen Umständen nicht von einem groben Verschulden des Erstbeklagten ausgegangen sind, ist vertretbar und nicht korrekturbedürftig.

[9] 2. Die Revisionswerber ziehen die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, dass im Fall der Tötung des Unterhaltsverpflichteten der Ersatzpflichtige nicht für die zur Zeit der Zufügung der Beschädigung rückständigen Unterhaltsbeträge haftet (vgl RS0031436), nicht in Zweifel. Entgegen der Ansicht der Revisionswerber hat der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen, dass der Zweck des Ausstattungsanspruchs nach § 1220 ABGB eine angemessene Starthilfe bei der Gründung einer eigenen Familie durch das Kind ist und Eltern damit ihre Unterhaltsverpflichtung erfüllen. Der Anspruch auf Bestellung einer Ausstattung ist daher seiner Rechtsnatur nach im weitesten Sinn ein Unterhaltsanspruch und unterliegt – soweit hier relevant – unterhaltsrechtlichen Grundsätzen (2 Ob 57/10m mwN; vgl auch RS0022246). Die Vorinstanzen haben daher auch ohne Korrekturbedarf die Haftung der Beklagten für den Ausstattungsanspruch des Drittklägers verneint.

[10] 3. Die außerordentliche Revision der Kläger war damit zurückzuweisen.

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