OGH 2Ob229/23z

OGH2Ob229/23z20.2.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Grohmann als Vorsitzende, die Hofräte MMag. Sloboda, Dr. Thunhart und Dr. Kikinger sowie die Hofrätin Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K*, vertreten durch Dr. Karlheinz de Cillia und Mag. Michael Kalmann, Rechtsanwälte in Klagenfurt am Wörthersee, gegen die beklagte Partei W*, vertreten durch Dr. Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in Wien, wegen Zustimmung zur Einverleibung des Eigentums, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 21. September 2023, GZ 13 R 82/23h‑45, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 14. Februar 2023, GZ 24 Cg 33/21f‑40, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0020OB00229.23Z.0220.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.599,90 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin enthalten 266,65 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Die Klägerin erhielt im Jahr 2000 von ihrer (im Jahr 2008 verstorbenen) Großmutter (in der Folge: Erblasserin) eine Eigentumswohnung samt Stellplatz mit nicht in Notariatsaktsform errichtetem „Schenkungsvertrag“ geschenkt, verpflichtete sich aber im Gegenzug zur Rückzahlung aushaftender Darlehen. Eine (rechtskräftige) Einverleibung des Eigentumsrechts der Klägerin erfolgte nicht, vielmehr scheintim Grundbuch der Beklagte (als Gesamtrechtsnachfolger der Erblasserin) als Eigentümer auf.

[2] Die Vorinstanzen gaben dem auf Erteilung der Zustimmung zur Einverleibung des Eigentumsrechts der Klägerin gerichteten Klagebegehren statt. Sie beurteilten den „Schenkungsvertrag“ als gemischte Schenkung mit Überwiegen des entgeltlichen Teils. Ausgehend davon sei der nicht in Form eines Notariatsakts abgeschlossene Vertrag formgültig. Im Übrigen sei auch eine wirkliche Übergabe erfolgt, weil die Erblasserin die Schlüssel zur von ihr von persönlichen Gegenständen geräumten Wohnung übergeben und die Hausverwaltung über die Übergabe informiert habe.

[3] Das Berufungsgerichtließ die ordentliche Revision zu, weil die höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Formbedürftigkeit gemischter Schenkungen uneinheitlich sei.

Rechtliche Beurteilung

[4] Die Revision des Beklagten ist – entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) Ausspruch des Berufungsgerichts – mangels Aufzeigens einer für den Verfahrensausgang entscheidenden Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

[5] 1. Von einer zur Nichtigkeit nach § 477 Abs 1 Z 4 ZPO (iVm § 503 Z 1 ZPO) führenden Verletzung des rechtlichen Gehörs in Folge angeblich unterlassener Auseinandersetzung mit einzelnen Berufungsargumenten des Beklagten kann keine Rede sein. Die aus rechtlichen Erwägungen unterlassene Behandlung der Beweisrüge verwirklicht ebenfalls keinen Nichtigkeitsgrund.

[6] 2. Wie der Oberste Gerichtshof geprüft hat, liegen für den Verfahrensausgang relevante Aktenwidrigkeiten oder Mängel des Berufungsverfahrens nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

[7] 3. Ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, stellt nur dann eine erhebliche Rechtsfrage dar, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RS0042936). Die Auslegung durch das Berufungsgericht, das den Vertrag als von der Klägerin angenommene gemischte Schenkung qualifizierte, ist nicht korrekturbedürftig. Die auf einzelne Worte im schriftlichen Vertrag abstellenden Überlegungen des Beklagten vermögen hingegen nicht zu überzeugen. Die Annahme der gemischten Schenkung durch die Klägerin lässt sich zwanglos aus der Feststellung ableiten, wonach sie „mit allem ausdrücklich einverstanden“ war. Inwiefern das dem Vater der Klägerin eingeräumte Fruchtgenussrecht einem intendierten Eigentumserwerb der Klägerin entgegen stehen sollte, erschließt sich nicht. In welchem Umfang das im Vertragstext erwähnte „Verfügungs- und Nutzungsrecht“ über die mit dem Fruchtgenussrecht ohnehin verbundenen Rechte (§ 509 ABGB) hinausgehen sollte, vermag der Beklagte in der Revision nicht nachvollziehbar zu erklären.

[8] 4. Eine wirkliche Übergabe im Sinn des § 943 ABGB bzw § 1 lit d NotariatsaktsG kann durch die körperliche Übergabe, die Übergabe durch Zeichen, die Besitzauflassung und die Besitzanweisung bewirkt werden (RS0011143). Bei Liegenschaften genügt dazu die außerbücherliche Übergabe (RS0011228 [T11]). Der Ausdruck „wirkliche Übergabe“ bedeutet nichts anderes als das Gegenteil der bloßen Zusicherung oder des bloßen Schenkungsversprechens (RS0011383 [T6]). Das Erfordernis der „wirklichen“ Übergabe dient dem Übereilungsschutz (2 Ob 122/17f [verst Senat] Punkt 4.1.d. mwN). Aufgrund dieses Regelungszwecks ist eine solche Übergabe dann anzunehmen, wenn der Geschenkgeber einen vom Schenkungsvertrag verschiedenen und als Übergabe erkennbaren Akt setzt, der nach außen (aber nicht notwendig gegenüber Dritten: vgl RS0011383 [T14]) in Erscheinung tritt und geeignet ist, seinem ernstlichen Willen Ausdruck zu verleihen, das Schenkungsobjekt aus seiner Gewahrsame in die des Beschenkten zu übertragen (RS0011383).

[9] Die Beurteilung, ob nach den Tatsachenfeststellungen eine wirkliche Übergabe erfolgt ist, hängt von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab und bildet damit grundsätzlich keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO (8 Ob 129/22m Rz 13).

[10] Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das Berufungsgericht in nicht korrekturbedürftiger Weise eine „wirkliche Übergabe“ der Wohnung samt Stellplatz bejaht, hat doch die Erblasserin die Wohnung von ihren persönlichen Fahrnissen geräumt, bereits vor Unterfertigung des Vertrags sämtliche Schlüssel für die Wohnung übergeben und zusätzlich die Hausverwaltung von der Übertragung an ihre Enkelin informiert. Damit hat sie das Objekt der (gemischten) Schenkung nach außen hin erkennbar aus ihrer Gewahrsame in jene der Klägerin entlassen. Dass die Übergabe der Schlüssel (in Gegenwart der Klägerin und mit deren Einverständnis) an deren Vater als Fruchtgenussberechtigten (und als Besitzmittler: vgl RS0010104) erfolgte, vermag an der „wirklichen Übergabe“ nichts zu ändern.

[11] Ein Abweichen des Berufungsgerichts von der einen nicht unmittelbar vergleichbaren Fall betreffenden Entscheidung 2 Ob 59/22y liegt nicht vor.

[12] 5. Bei Annahme einer wirklichen Übergabe ist die vom Berufungsgericht (und auch vom Beklagten in der Revision) als erheblich bezeichnete Frage der Formbedürftigkeit einer gemischten Schenkung für den Verfahrensausgang nicht entscheidend.

[13] 6. Insgesamt war die Revision damit zurückzuweisen.

[14] 7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs 1 iVm § 50 Abs 1 ZPO. Da die Klägerin in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen hat, diente ihr Schriftsatz der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung.

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