Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rekursverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Die Beklagte war KFZ-Haftpflichtversicherer eines Tiefladeanhängers, dessen Halterin die H***** Gesellschaft mbH war. Am 9. 6. 2006 führte ein Angestellter der Halterin an dem auf dem Betriebsgelände der Halterin abgestellten Anhänger Arbeiten durch. Er sollte einen Bremsbelag tauschen und einen Hydraulikzylinder erneuern. Im Heck des Anhängers befanden sich zwei drehbare Auffahrtsrampen, die im Bereich der drehbaren Lagerung eine Abstützung zum Boden hin aufwiesen. Ob die hochgestellte Rampe mit einem Spanngurt gesichert war, konnte nicht festgestellt werden. Als der Mitarbeiter der Halterin mit seinen Arbeiten beinahe fertig war, wurde er von der rechten herabfallenden Rampe des Anhängers getroffen und schwer verletzt.
Der Tieflader war im Bereich der Laderampe ursprünglich mit Federn ausgestattet, durch deren Vorspannung eine Federkraft in Richtung des Tiefladers gegeben war, die Hebebewegungen der Auffahrtsrampe bewirkte bzw erleichtere. Die aufgestellte Rampe wurde durch die Federkraft in Position gehalten. Im Falle des Transports war eine Sicherung mit einer Kette oder einem Spanngewinde und einer Verriegelung mit einem Schäkelbolzen erforderlich. Im Jahr 1999 oder 2000 wurde der Anhänger bei der Halterin unter Anleitung ihres Geschäftsführers und Alleingesellschafters (offenes Firmenbuch) umgebaut. Dabei wurden die Federn durch einen Hydraulikzylinder ersetzt. Der Umbau war nicht sachgemäß, weil keine Schlauchbruchsicherung eingebaut wurde und keine ordnungsgemäße Sicherung der Rampe an der Seite erfolgte.
Die Klägerinnen (Sozialversicherer) begehren den Ersatz von für den verunfallten Arbeitnehmer erbrachten, der Höhe nach unstrittigen Leistungen, sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten für sämtliche künftige Pflegeaufwendungen der Klägerinnen im Rahmen der Versicherungssumme. Sie brachten vor, der Unfall sei darauf zurückzuführen, dass die Hebeanlage unsachgemäß umgebaut worden sei. Der Unfall habe sich beim Betrieb des Tiefladers ereignet, wobei das Lösen der Ladeklappe infolge fehlender Rückschlagsicherung und Versagen der Rückhaltegurte eine außergewöhnliche Betriebsgefahr zusätzlich zum Verschulden des Halters darstelle.
Die Beklagte wandte dagegen ein, dass sich der Anhänger nicht im Betrieb im Sinne des EKHG befunden habe. Auch eine Deckungspflicht aus der „Verwendung“ des Fahrzeugs iSd § 2 Abs 2 KHVG scheide aus, weil nach Art 8.3 der AKHB 1995, die dem Versicherungsvertrag zugrunde gelegen seien, Ersatzansprüche aus der Verwendung des versicherten Fahrzeugs als ortsgebundene Kraftquelle oder zu ähnlichen Zwecken ausgeschlossen seien. Im Übrigen sei der Arbeitsunfall auf das Alleinverschulden des Verletzten zurückzuführen, der die seinerzeitigen Umbauarbeiten selbst durchgeführt, sich unachtsam verhalten und in den Bereich der ungesicherten Auffahrtsrampe begeben habe. Der Tieflader sei überdies im Oktober 2005 gemäß § 57a Abs 4 KFG positiv begutachtet worden, weshalb ein Verschulden nicht vorliege. Deshalb verkündete die Beklagte der Republik Österreich den Streit.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Die Halterin habe einen nicht sachgemäßen Umbau am Anhänger durchgeführt und eine mangelhafte Sicherung der Rampe eingerichtet, ohne diese technisch überprüfen zu lassen, weshalb ihr Verschulden zu bejahen sei. Der Unfall sei nicht beim Betrieb des Kraftfahrzeugs im Sinne des EKHG vorgefallen, allerdings sei der Begriff „Verwendung“ iSd § 2 KHVG weiter als jener des „Betriebs“ im Sinne des EKHG und umfasse auch die Reparatur eines Anhängers. Das Verschulden des Versicherungsnehmers stelle daher im Zusammenhang mit § 2 KHVG eine taugliche Anspruchsgrundlage dar. Dagegen sei der Nachweis eines Mitverschuldens nicht gelungen.
Das Berufungsgericht hob diese Entscheidung auf und ließ den Rekurs an den Obersten Gerichtshof zu. Es schloss sich der Rechtsmeinung des Erstgerichts an, dass ein Verwenden iSd § 2 KHVG vorliege. Die Haftung der Beklagten hänge damit davon ab, ob den Klägerinnen ein vom Verletzten abgeleiteter Schadenersatzanspruch aufgrund der gesetzlichen Haftpflichtbestimmungen zukomme. Aus den AKHB 1995 könne die Beklagte nichts gewinnen, weil sich der Unfall nicht bei der Verwendung des Fahrzeugs als ortsgebundene Kraftquelle oder zu ähnlichen Zwecken, sondern bei Reparaturarbeiten ereignet habe. Da eine vorsätzliche Schädigung durch den Dienstgeber nicht hervorgekommen sei, komme § 333 Abs 1 ASVG nicht zum Tragen, wohl aber sei dessen Abs 3 zu prüfen. Danach bestehe eine Ausnahme von Haftungsprivileg des ersten Absatzes der Bestimmung, wenn der Arbeitsunfall durch ein Verkehrsmittel eingetreten sei, für dessen Betrieb aufgrund gesetzlicher Vorschriften eine erhöhte Haftpflicht bestehe. Die Bestimmung spreche nicht vom Kraftfahrzeug, sondern vom Verkehrsmittel. Hätte der Gesetzgeber die Ausnahmebestimmung auf Kraftfahrzeuge beschränken wollen, hätte er dies durch Verwendung dieses Begriffs deutlich machen können. Verkehrsmittel im Sinne der Bestimmung seien nach der Literatur auch Motorfahrräder, Eisenbahnen sowie Luftfahrzeuge im Sinne des LFG. Auch Anhänger seien darunter zu verstehen. Im Übrigen schloss sich das Berufungsgericht der Rechtsmeinung der Entscheidung 2 Ob 203/02w an, wonach die Bestimmung des § 1014 ABGB eine Nähe zur Gefährdungshaftung aufweise, und somit unter den Begriff der gesetzlichen Haftpflichtbestimmung iSd § 2 Abs 1 KHVG falle. Es sei daher die Anspruchsgrundlage der Kläger zu bejahen.
Das Erstgericht werde im fortgesetzten Verfahren den Allein- bzw Mitverschuldenseinwand in der Richtung, dass der verletzte Arbeitnehmer selbst den Hydraulikzylinder unsachgemäß eingebaut habe, näher zu prüfen haben. Den Rekurs an den Obersten Gerichtshof ließ das Berufungsgericht zu, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zum Begriff des „Verkehrsmittels“ iSd § 333 Abs 3 ASVG fehle und die Judikatur zur Qualifikation des § 1014 ABGB als gesetzliche Haftpflichtbestimmung iSd § 2 Abs 1 KHVG divergiere.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der Rekurs der beklagten Partei mit dem Abänderungsantrag, das Klagebegehren zur Gänze abzuweisen.
Die Klägerinnen beantragen in ihrer Rekursbeantwortung, den Rekurs zurückzuweisen in eventu ihm nicht Folge zu geben.
Der Rekurs ist zulässig, weil Judikatur zum Begriff des Verkehrsmittels iSd § 333 Abs 3 ASVG im Zusammenhang mit einem Anhänger fehlt, er ist aber nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
1. Zur Frage des „Verkehrsmittels“ iSd § 333 Abs 3 ASVG:
Der Gesetzgeber bezieht sich in der Bestimmung des § 333 Abs 3 ASVG nicht nur auf Kraftfahrzeuge, für die eine erhöhte Haftpflicht besteht, sondern - allgemeiner - auf „Verkehrsmittel“. In diesem Sinne führt Neumayr in Schwimann, Praxiskommentar³ § 333 ASVG Rz 60 (vgl Teschner/Widlar/Pöltner, ASVG Bd 3, § 333 Anm 8) aus, dass auch Motorfahrräder, Eisenbahnen, Seilbahnen und Schlepplifte sowie Luftfahrzeuge im Sinne des LFG unter diese Bestimmung fallen. Zur Qualifikation von Anhängern wird nichts ausgesagt, es lässt sich daher aus diesen Literaturmeinungen weder positiv noch - wie die Rekurswerberin meint - negativ eine Aussage treffen.
Das Kraftfahrgesetz nimmt wiederholt auf Anhänger Bezug. So regelt bereits § 1 Abs 1, dass das Gesetz auf Kraftfahrzeuge und Anhänger, die auf Straßen mit öffentlichem Verkehr verwendet werden, anzuwenden ist. § 2 Abs 1 Z 2 KFG definiert den Anhänger als ein nicht unter Z 1 (Kraftfahrzeug) fallendes Fahrzeug, das nach seiner Bauart und Ausrüstung dazu bestimmt ist, mit Kraftfahrzeugen auf Straßen gezogen zu werden. § 3 KFG enthält besondere Vorschriften für die Einteilung von Kraftfahrzeugen und Anhängern. Weiters dürfen nach § 104 Abs 1 lit a KFG mit Kraftfahrzeugen grundsätzlich nur zum Verkehr zugelassene Anhänger gezogen werden. Für solche zum Verkehr zugelassenen Anhänger bestimmt aber wiederum § 59 Abs 1 lit a KFG die Haftpflichtversicherungspflicht, die auch den Anhänger im abgehängten Zustand decken muss (vgl Grubmann, KHVG³ [II 1] § 59 KFG, Anm 4).
Bedenkt man, dass durch § 333 Abs 3 ASVG eine Ausnahme vom Dienstgeberhaftungsprivileg bei (Kfz-)Haftpflichtversicherung dergestalt getroffen werden sollte, dass im Zusammenhang mit der Verpflichtung zur Entrichtung von (Kfz-)Haftpflichtversicherungsprämien in der obligatorischen Haftpflichtversicherung für diesen haftpflichtversicherungsrechtlich orientierten Bereich die Anwendung des Haftungsprivilegs ausgeschlossen wird (Neumayr aaO Rz 56) und dass nach den genannten Bestimmungen des KFG für einen - wie hier - zum Verkehr zugelassenen Anhänger eine Pflicht zur Haftpflichtversicherung besteht, fallen auch solche Anhänger - trotz des weitergehenden Wortlauts (2 Ob 316/97b) - unter den Begriff des „Verkehrsmittels“ iSd § 333 Abs 3 ASVG. Die Ausnahmeregelung dieser Bestimmung umfasst sämtliche durch eine Haftpflichtversicherung gedeckte Schäden (RIS-Justiz RS0085140; RS0085182; RS0109871) und stellt ausschließlich auf die obligatorische Haftpflichtversicherung ab (9 ObA 48/11s; 2 Ob 316/97b).
2. Zur „Verwendung“ iSd § 2 Abs 1 KHVG:
Nach der ständigen Rechtsprechung liegt der „Verwendung“ iSd § 2 Abs 1 KHVG ein weiterer Begriff zu Grunde als dem „Betrieb“ nach § 1 EKHG (RIS-Justiz RS0116494). Auch dass ein Reparaturvorgang an einem Kfz als vom Begriff der Verwendung iSd § 2 Abs 1 KHVG umfasst anzusehen ist, wurde bereits judiziert (7 Ob 46/05y = RIS-Justiz RS0088976 [T10]). Dies muss nach Ansicht des erkennenden Senats auch für einen selbständig haftpflichtversicherten, abgestellten Anhänger gelten.
Dem EKHG dagegen unterliegen Anhänger - weil sie zwar Fahrzeuge aber nicht Kraftfahrzeuge sind - für sich allein grundsätzlich nicht (2 Ob 301/04k).
Auch aus dem vom Rekurs zitierten Artikel 8.3. AKHB 1995, wonach Ersatzansprüche aus der Verwendung des versicherten Fahrzeugs als ortsgebundene Kraftquelle oder zu ähnlichem Zweck nicht vom Versicherungsschutz umfasst sind, ist - wie bereits das Berufungsgericht ausgesprochen hat - nichts zu gewinnen. Im Gegensatz zu den Ausführungen der Rekurswerberin kann in der Reparatur des Anhängers keine „Verwendung zu einem ähnlichen Zweck“ gesehen werden.
3. § 333 Abs 3 ASVG normiert, dass eine Ausnahme vom Dienstgeberhaftungsprivileg dann besteht, wenn der Arbeitsunfall durch ein Verkehrsmittel eingetreten ist, für dessen Betrieb aufgrund gesetzlicher Vorschrift eine erhöhte Haftpflicht besteht. Dass aufgrund dieser Bestimmung der Unfall „beim Betrieb“ vorgefallen sein muss, ergibt sich aus der Bestimmung - entgegen der Auffassung der Rekurswerberin - nicht. Hier ist aber der Unfall durch das Verkehrsmittel, nämlich den Anhänger und seine herunterfallende Rampe, eingetreten.
4. Auf die vom Berufungsgericht und Rekurs angeführte Judikaturdivergenz zur Frage, ob § 1014 ABGB als „gesetzliche Haftpflichtbestimmung“ iSd § 2 Abs 1 KHVG anzusehen ist, braucht ebenfalls nicht näher eingegangen zu werden (vgl nunmehr auch den Lösungsansatz in 2 Ob 109/04z):
Im vorliegenden Fall erfolgte der seinerzeitige unsachgemäße Umbau des Anhängers unter Aufsicht des Geschäftsführers und Alleingesellschafters der Haltergesellschaft. Damit ist aber davon auszugehen, dass auf Seiten der Halterin des Anhängers ein schuldhaftes - aber nicht vorsätzliches - Verhalten gesetzt wurde. Der Versicherungsfall nach dem KHVG ist daher bereits deshalb eingetreten, weil die Versicherungsnehmerin nach den allgemeinen Schadenersatzvorschriften des ABGB für ihr fahrlässiges Fehlverhalten haftet (vgl RIS-Justiz RS0065615, RS0081163). Auf die Frage einer allfälligen verschuldensunabhängigen gesetzlichen Haftpflicht nach § 1014 ABGB kommt es also nicht mehr an.
Zu prüfen bleibt das behauptete Mitverschulden des Verletzten, wie schon das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat.
5. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 zweiter Satz ZPO.
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