European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E131719
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Begründung:
[1] Am 13. 9. 2017 ereignete sich ein Verkehrsunfall zwischen einem bei der Klägerin kaskoversicherten Kraftfahrzeug und einer vom Erstbeklagten gehaltenen und vom Zweitbeklagten gelenkten Arbeitsmaschine („Muldenkipper“) ohne amtliches Kennzeichen. Beim Klagsfahrzeug handelt es sich – imRechtsmittelverfahren unstrittig – um ein Leasingfahrzeug. Zum Zeitpunkt des Unfalls standes im Eigentum der M* GmbH (Leasinggeberin), Versicherungsnehmer war M* D*. Die Klägerin brachte die von ihr ermittelte Versicherungsleistung von 12.595,53 EUR an die Leasinggeberin zur Auszahlung.
[2] Die Klägerin begehrt den Ersatz des im Wege der Legalzession gemäß § 67 VersVG im Ausmaß ihrer Leistungen für das kaskoversicherte Fahrzeug auf sie übergegangenen Anspruchs in Höhe des Klagsbetrags. Der Zweitbeklagte habe das Beklagtenfahrzeug wegen mangelnder Aufmerksamkeit, Nichteinhaltung einer rechts gelegenen Fahrlinie, Einhaltung einer überhöhten, den gegebenen Verhältnissen nicht angepassten Fahrgeschwindigkeit, Verletzung des Gebots des Fahrens auf halbe Sicht sowie Reaktionsverspätung nicht rechtzeitig zum Stillstand bringen können, weshalb ihn das Alleinverschulden treffe.
[3] Die Beklagten behaupteten das Alleinverschulden des Lenkers des Klagsfahrzeugs und brachten zuletzt noch vor, dass eine Legalzession nach § 67 VersVG nicht eingetreten und die Klägerin daher nicht aktiv legitimiert sei. Die Klägerin habe nicht an den Versicherungsnehmer, sondern an die Fahrzeugeigentümerin Ersatz geleistet.
[4] Das Erstgericht wies die Klage ab. Es verneinte die Legalzession, weil diese nach dem Wortlaut des § 67 VersVG die Leistung an den Versicherungsnehmer voraussetze, die hier nicht erfolgt sei.
[5] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge und hob das Urteil des Erstgerichts auf. Es sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Nach § 67 VersVG gehe der Anspruch des Versicherten auf Ersatz des Schadens nicht nur im Fall der Zahlung der Versicherungssumme an den Versicherungsnehmer sondern auch dann auf den Versicherer über, wenn dieser an den Versicherten geleistet habe. Auch ohne dass es dazu weiteren Vorbringens der Klägerin bedurft hätte, sei von einer Versicherung auf fremde Rechnung auszugehen. Die Zahlung der Versicherungssumme direkt an die versicherte Leasinggeberin lasse auch ohne Zustimmung des Versicherungsnehmers den Schadenersatzanspruch gegen einen Dritten auf den Versicherer übergehen. Da zum Unfallshergang keine Sachverhaltsfeststellungen getroffen worden seien, sei die Sache noch nicht entscheidungsreif.
[6] Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, weil zur Frage, ob im Fall einer Versicherung auf fremde Rechnung die Zahlung der Versicherungsleistung direkt an den Versicherten den Anspruchsübergang nach § 67 VersVG auslöse, noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung existiere.
[7] Dagegen richtet sich der Rekurs der Beklagten mit dem Abänderungsantrag, das Urteil des Erstgerichts wiederherzustellen. Sie stehen auf dem Standpunkt, aus dem festgestellten Sachverhalt ergebe sich kein Hinweis auf die Berechtigung der Klägerin, die Versicherungsleistung an die Fahrzeugeigentümerin statt an den Versicherungsnehmer zu erbringen. Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut des § 67 VersVG habe daher „denklogisch“ kein Anspruch auf die Klägerin übergehen können.
[8] Die Klägerin beantragt in ihrer Rekursbeantwortung, dem Rekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[9] Der Rekurs ist im Sinn der Ausführungen des Berufungsgerichts zulässig; er ist aber nicht berechtigt.
[10] 1. Nach § 67 Abs 1 VersVG, der sich unter den Vorschriften für die gesamte Schadensversicherung befindet und daher auch die Kaskoversicherung betrifft (Ertl in Fenyves/Perner/Riedler, VersVG § 67 Rz 3), geht der Anspruch auf Ersatz des Schadens, der dem Versicherungsnehmer gegen einen Dritten zusteht, auf den Versicherer über, soweit dieser dem Versicherungsnehmer den Schaden ersetzt.
[11] 2. Gemäß § 74 Abs 1 VersVG kann die Versicherung von demjenigen, welcher den Vertrag mit dem Versicherer abschließt, im eigenen Namen für einen anderen, mit oder ohne Benennung der Person des Versicherten, genommen werden (Versicherung für fremde Rechnung).
[12] Eine solche Versicherung für fremde Rechnung liegt dann vor, wenn ein Versicherungsnehmer im eigenen Namen mit einem Versicherer einen Vertrag abschließt, der fremdes Interesse zum Gegenstand hat (7 Ob 48/86 SZ 59/220; 7 Ob 74/05s; RS0017123 [T3]), sodass ohne Abschluss des Versicherungsvertrags ein anderer (der nunmehr Versicherte) den Schaden tragen müsste (Ertl in Fenyves/Perner/Riedler, VersVG § 74 Rz 1).
[13] 3. Die Besonderheit bei der Fremdversicherung besteht darin, dass bei dieser die materielle Berechtigung des Versicherten und die formelle Verfügungsberechtigung des Versicherungsnehmers auseinanderfallen (RS0080863). Nach § 75 Abs 1 VersVG stehen bei einer Versicherung für fremde Rechnung die Rechte aus dem Versicherungsvertrag zwar dem Versicherten zu. Dieser kann aber gemäß § 75 Abs 2 VersVG ohne Zustimmung des Versicherungsnehmers über seine Rechte nur dann verfügen, wenn er im Besitz des Versicherungsscheins ist. Der Versicherte hat also grundsätzlich kein eigenes Klage‑ bzw Verfügungsrecht, aufgrund dessen er den Anspruch auf die Versicherungsleistung gegen den Versicherer ohne Zustimmung des Versicherungsnehmers durchsetzen kann (vgl RS0080792 [T3]). Insoweit handelt es sich beim Verhältnis des Versicherungsnehmers zum Versicherten um eine Art gesetzliches Treuhandverhältnis (RS0080862; RS0080792) bzw beim Versicherungsvertrag um einen unechten Vertrag zugunsten Dritter (7 Ob 67/12x; RS0080792 [T9]).
[14] Der Versicherungsnehmer ist demnach (formeller) Vertragspartner des Versicherers, der Versicherte aber der (materielle) Gläubiger und Inhaber der Ansprüche (RS0017123 [T3]; Ertl in Fenyves/Perner/Riedler, VersVG § 75 Rz 1 mwN). Der Versicherungsnehmer ist deshalb verpflichtet, eine allenfalls bereits erhaltene Versicherungsleistung dem Versicherten weiterzuleiten, weil er andernfalls bereichert wäre (7 Ob 151/05f; RS0080862 [T2]; Ertl aaO).
[15] 4. Im Falle der Kaskoversicherung eines fremden Fahrzeugs, die der Versicherungsnehmer für Rechnung des Eigentümers abschließt, handelt es sich (auch) um eine solche Fremdversicherung nach §§ 74 ff VersVG (vgl 7 Ob 19/95; RS0080829). Schließt daher ein Leasingnehmer für das Leasingfahrzeug eine Kaskoversicherung ab, wird dadurch regelmäßig nicht nur das Eigeninteresse des Leasingnehmers (zu diesem jüngst 2 Ob 29/20h Rz 27 ff), sondern auch das Interesse des Leasinggebers am Sachwert des Fahrzeugs geschützt (7 Ob 10/89; 7 Ob 11/93; 7 Ob 35/95; vgl ferner 7 Ob 123/09b SZ 2009/90 = ZVR 2011/8 [Huber] und 7 Ob 132/12f mwN zum „Sachersatzinteresse“ des Leasingnehmers und „Sacherhaltungsinteresse“ des Leasinggebers).
[16] Da es sich auch im vorliegenden Fall um die Kaskoversicherung eines fremden Leasingfahrzeugs handelt, ist auch das Sachinteresse des Eigentümers von der Versicherung umfasst.Den ihnen obliegenden Beweis, dass dies ausnahmsweise nicht zutreffe (RS0080528), haben die Beklagten nicht erbracht.
[17] 5. Im Falle der Fremdversicherung tritt nach ständiger Rechtsprechung in Bezug auf § 67 VersVG der Versicherte derart an die Stelle des Versicherungsnehmers, dass sein Schadenersatzanspruch gegen den Ersatzpflichtigen im Umfang der Versicherungsleistung auf den Versicherer übergeht (8 Ob 17/08w; RS0081312; vgl Armbrüster/Prölss/Martin, VVG31 [2021] § 86 Rn 21), würde doch ansonsten, wenn der Versicherte nach Entschädigung durch den Versicherer weiter seinen Anspruch gegen den Schädiger behielte, gerade der Erfolg eintreten, den § 67 VersVG verhindern will (7 Ob 27/91 SZ 64/140).
[18] 6. Von der Frage, wessen Ansprüche nach § 67 VersVG auf den Versicherer übergehen, ist jene zu unterscheiden, ob – dem Wortlaut des § 67 VersVG entsprechend – nur die Zahlung an den Versicherungsnehmer oder auch jene an den Versicherten den Anspruchsübergang bewirkt. Letzteres ist für den vorliegenden Fall zu bejahen:
[19] Gesetzliche Voraussetzung ist zwar die tatsächliche Leistung an den Versicherungsnehmer, wozu aber auch die Leistung an den empfangsberechtigten Versicherten zählt (Armbrüster/Prölss/Martin, VVG31 § 86 Rn 32; Ertl in Fenyves/Perner/Riedler, VersVG § 67 Rz 20). An der grundsätzlichen Empfangsberechtigung der Versicherten besteht hier aber kein Zweifel, hätte doch auch der als Treuhänder fungierende Versicherungsnehmer eine erhaltene Versicherungsleistung an die Versicherte weiterzuleiten gehabt (vgl Punkt 3.). Die Klägerin hat durch ihre Berufung auf die Legalzession nach § 67 VersVG der Sache nach die schuldtilgende Wirkung ihrer Zahlung behauptet. Konkrete Umstände, die dagegen sprechen könnten, haben die Beklagten nicht vorgebracht; ihr Einwand gegen die Aktivlegitimation beschränkte sich auf die Behauptung, dass die Klägerin die Versicherungsleistung an die Versicherte ausbezahlt hat. Soweit sie nunmehr von einer fehlenden Zustimmung des Versicherungsnehmers ausgehen, unterstellen sie einen nicht vorgebrachten und daher auch nicht festgestellten Sachverhalt. Aus demselben Grund ist für die Beklagten auch aus fehlenden Feststellungen zu einer allfälligen Vinkulierung zugunsten der Versicherten nichts zu gewinnen (vgl 7 Ob 123/09b). All dies hat zur Folge, dass unter den gegebenen Umständen die (direkte) Zahlung an die Versicherte die Legalzession nach § 67 VersVG bewirkt.
[20] 7. Als Ergebnis ist daher festzuhalten:
[21] Erbringt der Kaskoversicherer nach einem Verkehrsunfall die Versicherungsleistung nicht an den Versicherungsnehmer, sondern direkt an den Versicherten (hier: Fahrzeugeigentümer und Leasinggeber), so bewirkt dies den Forderungsübergang nach § 67 Abs 1 VersVG, wenn der Versicherte empfangsberechtigt ist. Der Kaskoversicherer ist in diesem Fall zum Regress gegen den Schädiger aktiv legitimiert.
[22] 8. Das Berufungsgericht hat daher zu Recht den Anspruchsübergang an den klagenden Versicherer und damit dessen Aktivlegitimation bejaht, sodass es bei seiner aufhebenden Entscheidung zu verbleiben hat.
[23] 9. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 zweiter Satz ZPO.
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