OGH 7Ob19/95

OGH7Ob19/9522.11.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I. Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H*****-Leasing Gesellschaft mbH & Co KG, ***** vertreten durch Dr.Norbert Rabitsch, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei E***** Versicherungs AG, ***** vertreten durch Dr.Josef Flaschberger, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen S 290.000,-- s.A., infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 10.Februar 1995, GZ 1 R 18/95-10, mit dem das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 10.November 1994, GZ 29 Cg 100/94p-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig der klagenden Partei die mit S 13.725,-- (darin S 2.287,50 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin hat mit Leasingvertrag vom 23.10.1991 an die Firma S***** Transporte GesmbH einen Hangler 3-Achs-Sattelauflieger verleast. Vertragsgemäß hat die Leasingnehmerin eine Vollkaskoversicherung bei der beklagten Partei für das Leasingobjekt mit Vinkulierung der Polizze zugunsten des Leasinggebers auf Grundlage der AFIB 1986 und der KKB 1986 abgeschlossen. Mit Schreiben vom 16.7.1991 hat die Beklagte die Klägerin vom Versicherungsvertrag und von der Vinkulierung verständigt.

Im Februar 1993 wurde der Sattelauflieger in Deutschland gestohlen. Die polizeilichen Ermittlungen wurden eingestellt und die Beklagte davon am 7.9.1993 in Kenntnis gesetzt. Über das Vermögen der Firma S***** Transporte GesmbH war mit Beschluß des Landesgerichtes K***** vom 7.4.1993 das Konkursverfahren eröffnet und Dr.Josef P***** zum Masseverwalter bestellt worden. Der Masseverwalter hat am 9.6.1994 gegenüber der Klägerin schriftlich bestätigt, daß er der Auszahlung des Vergütungsbetrages an sie und der Prozeßführung zustimme, allfällige aus dem Versicherungsverhältnis resultierende Ansprüche der Masse wurden gleichzeitig an die Klägerin abgetreten. Im Konkurs der Firma S***** Transporte GesmbH hat die beklagte Versicherung offene Forderungen (aus anderen Versicherungsverträgen) in Höhe von S 767.423,-- angemeldet, die vom Masseverwalter auch anerkannt worden sind.

Der Prämienrückstand aus dem gegenständlichen Kaskoversicherungsvertrag betrug S 10.680,-- , der Zeitwert des Sattelaufleigers S 315.680,--, die Höhe des Kaskoselbstbehaltes S 15.000,--.

Mit Schreiben vom 12.1.1994 gab die Beklagte der Klägerin bekannt, daß für das gegenständliche Schadensereignis prämienmäßige Deckung zum Vorfallszeitpunkt gegeben sei, jedoch weit höhere Forderungen der Beklagten an die Firma S***** Transporte GesmbH auf Prämienzahlungen aus bei ihr bestehenden Versicherungsverträgen bzw Regressen aus anderen Schadensfällen bestünden, mit denen (hiemit) aufgerechnet werde.

Die Klägerin begehrt letztlich den der Höhe nach nicht mehr strittigen Bertrag von S 290.000,-- sA. Es liege eine Versicherung auf fremde Rechnung isd §§ 74 ff VersVG vor. Gemäß § 35 b VervG könne der Versicherer nur mit Forderungen aus dem nämlichen Versicherungsvertrag auch gegenüber einem Dritten aufrechnen.

Die beklagte Partei beantragte die Klagsabweisung und wendete, soweit dies im Revisionsverfahren noch erheblich ist, ein, daß der Entschädigungsanspruch der Klägerin auf Grund einer Aufrechnung erloschen sei. Aus den zahllosen von der Firma S***** Transporte GesmbH bei ihr abgeschlossenen Versicherungsverträgen habe sie offene Prämienforderungen von S 767.423,--, mit denen gemäß § 19 KO aufgerechnet werde.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Eine Aufrechnung durch die Beklagte sei mangels Gegenseitigkeit (soweit sie über dem Prämienrückstand aus dem gegenständlichen Versicherungsvertrag von S 10.680,--, den sich die Klägerin bereits selbst angerechnet habe, hinausgehe) unzulässig. Die Klägerin sei zwar "Dritte" iSd § 35 b VersVG, jedoch könne nach dieser Bestimmung nur mit Forderungen aus dem nämlichen Vertrag aufgerechnet werden.

Das Berufungsgericht bestätigte mit der angefochtenen Entscheidung dieses Urteil. Es sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Bei der Kaskoversicherung sei das jeweilige Eigentümerinteresse versichert. Bei einer Kaskoversicherung, die der Leasingnehmer für ein im Eigentum des Leasinggebers stehendes Fahrzeug abschließe, handle es sich um eine Versicherung für fremde Rechnung iSd §§ 74 ff VersVG. Gemäß § 75 VersVG stünden die Rechte aus diesem Versicherungsvertrag dem Versicherten zu. Die Leistung des Versicherers stelle hier immer nur eine Leistung an den Versicherten dar. Der Klägerin stehe daher der Anspruch auf Leistung aus dem Versicherungsvertrag zu. Gegen sie bestünden aber keine aufrechten Gegenforderungen. Eine Aufrechnung mit offenen Forderungen gegen den Versicherungsnehmer nach § 35 b VersVG scheide aus, weil diese Forderungen aus anderen Versicherungsverträgen resultierten.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Entscheidung erhobene Revision ist nicht berechtigt.

Nach der Rechtsprechung wird mit der Kaskoversicherung regelmäßig das Interesse des Eigentümers am Sachwert des Fahrzeuges geschützt (vgl VR 1988/92 uva). Im Falle der Kaskoversicherung eines fremden Fahrzeuges, die der Versicherungsnehmer für Rechnung des Eigentümers abschließt, handelt es sich demnach um eine Fremdversicherung, auf die die §§ 74 ff VersVG anzuwenden sind. Diese Ansicht wird sowohl in der deutschen (vgl Stiefel/Hofmann, Kraftfahrzeugversicherung15 § 12 AKB Anm 2) als auch in der österreichischen Lehre (vgl Petrasch ZVR 1979, 322) geteilt. Was unter der dem Gesetz unbekannten Rechtsfigur der "Vinkulierung" zu verstehen ist, ist primär der Parteienvereinbarung zu entnehmen. In der Lehre wird die Vinkulierung teils als schlichte Zahlungssperre zugunsten des Vinkulargläubigers, teils als Verpfändung oder Sicherungszession des Anspruches beurteilt (vgl Schauer, Das österreichische Versicherungsvertragsrecht3 284 ff mwN). Der erkennende Senat hat in seiner Entscheidung 7 Ob 11/93 (= VersR 1994, 459 = VR 1993, 275 = ZVR 1994/24) ausgesprochen, daß bei einer Vinkulierung einer vom Versicherungsnehmer abgeschlossenen Kaskoversicherung zugunsten des Leasinggebers dieser (Mit-)Versicherter wird. Die Ansicht, daß es sich hier um eine Fremdversicherung, auf die die §§ 74 ff VersVG anzuwenden sind, handelt, wurde damit begründet, daß die Einrichtung eines Versicherungsscheines, wie sie im deutschen Rechtsbereich üblich ist, und nach dessen Inhalt der Versicherungsnehmer dem Kreditgeber ein in dem Schein näher bezeichnetes Kraftfahrzeug zur Sicherung gegenwärtiger und zukünftiger Forderungen übereignet, im Ergebnis in Fällen der Autofinanzierung mit einer Vinkulierung der Kaskoversicherung zugunsten des Leasinggebers verglichen werden kann. Auch durch die Erteilung des Versicherungsscheines an den Kreditgeber wird das Versicherungsverhältnis des Vollkaskoversicherers mit dem Versicherungsnehmer zu einem Fremdversicherungsvertrag, wobei der Kreditgeber der Versicherte ist (vgl Stiefel/Hofmann aaO § 3 AKB Rz 87).

Die Bestimmung des § 35 b VersVG trägt den Besonderheiten des Versicherungsvertragsrechtes Rechnung. Versicherungsverträge werden häufig mit einem Inhalt abgeschlossen, der nicht nur dem Versicherungsnehmer Leistungsansprüche gegen den Versicherer einräumt, sondern auch Personen, die im Vertrag genannt sind oder auf die sich der Vertrag bezieht. Im Hinblick auf den Umstand, daß die Kompensation in der Regel Gegenseitigkeit der beiderseitigen Forderungen voraussetzt, hätte der Versicherer, falls ihm eine Prämienforderung aus dem Vertrag nur gegen den Versicherungsnehmer zusteht, keine Möglichkeit, seinen Prämienanspruch mit aus dem Versicherungsvertrag entstehenden Forderungen Dritter aufzurechnen. Das besondere Spezifikum des Versicherungsvertrages mit erkennbarer Begünstigung eines Dritten würde demnach den Versicherer im Vergleich zu anderen Gläubigern wesentlich schlechter stellen. Obwohl der Versicherer von vornherein damit rechnen muß, daß er die Leistung nicht seinem Vertragspartner, sondern einem Dritten zu erbringen haben wird, wird ihm die zur Befriedigung seines Prämienanspruches wirksamste Möglichkeit der Kompensation gegenüber demjenigen, dem er die Leistungen zu erbringen hat, genommen. Diesen Nachteil des Versicherers wollte der Gesetzgeber durch § 35 b VersVG ausgleichen (EvBl 1988/51 = ZVR 1988/157 = VersR 1989, 419). "Dritter" im Sinne des § 35 b VersVG ist aber der Versicherte in einem Versicherungsvertrag zu seinem Gunsten, insbesondere bei unwiderruflicher Bezugsberechtigung nach Eintritt des Versicherungsfalles (vgl Bruck-Möller VVG8 I, 480). Dem Versicherer steht daher gegenüber dem anspruchsberechtigten Dritten ein über die §§ 1438 ff ABGB hinausgehendes Aufrechnungsrecht zu. Das Erfordernis der Gegenseitigkeit ist zum Schutz des Versicherers aufgehoben, jedoch wird eine qualifizierte Konnexität verlangt. Die Prämienforderung und der Anspruch auf die Versicherungsleistung müssen auf demselben Vertrag beruhen (Prölss/Martin, VVG25, 285 sowie Ehrenzweig, Deutsches (österreichisches) Versicherungsvertragsrecht 134). Würde man auch die Aufrechenbarkeit der Kaskoentschädigung mit anderen gegenüber dem Versicherungsnehmer bestehenden Forderungen des Versicherers zulassen, wäre die mit dem Kaskoversicherungsvertrag bezweckte Sicherung des Eigentumsrechtes des Leasinggebers vereitelt oder gemindert gefährdet.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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