OGH 28Ds6/21b

OGH28Ds6/21b10.11.2021

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 10. November 2021 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden, durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Gitschthaler als weiteren Richter und durch die Rechtsanwälte Dr. Strauss und Dr. Wippel als Anwaltsrichter in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Vizthum in der Disziplinarsache gegen *****, Rechtsanwalt in *****, wegen der Disziplinarvergehen der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 zweiter Fall DSt über die

Berufung des Disziplinarbeschuldigten gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich vom 21. September 2020, GZ D 22/19‑19, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Oberstaatsanwältin Mag. Poppenwimmer, des Kammeranwalts Mag. Enzenhofer, des Disziplinarbeschuldigten und seines Verteidigers Mag. Kispert zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0280DS00006.21B.1110.000

 

Spruch:

 

Der Berufung wird Folge gegeben und über *****unter Bedachtnahme auf das Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich vom 8. Juni 2020, GZ D 14/19‑15, eine Zusatzgeldbuße von 2.000 Euro verhängt.

Dem Disziplinarbeschuldigten fallen auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen, auch einen in Rechtskraft erwachsenen Freispruch enthaltenden Erkenntnis wurde *****des Disziplinarvergehens der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes schuldig erkannt und zu einer Geldbuße von 3. 000 Euro verurteilt, weil er im Zeitraum vom 1. Juni 2018 bis 20. Februar 2019 seinen Verpflichtungen nach dem WiEReG nicht nachgekommen ist, sodass die wirtschaftliche Beteiligung seines Klienten DDr. ***** T***** an sechs im Erkenntnis genannten Gesellschaften nicht offengelegt war.

Rechtliche Beurteilung

[2] Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die Berufung des Disziplinarbeschuldigten wegen des Ausspruchs über die Strafe, welche eine Herabsetzung der verhängten Geldbuße sowie deren bedingte Nachsicht anstrebt.

[3] Als erschwerend wertete der Disziplinarrat den sechsfachen Verstoß gegen die Meldepflicht, als mildernd demgegenüber sein Bemühen, zur Wahrheitsfindung beizutragen.

[4] Der Einwand, der in der schriftlichen Ausfertigung des angefochtenen Erkenntnisses angeführte Erschwerungsgrund, dass der Disziplinarbeschuldigte bei insgesamt sechs Gesellschaften seine Meldepflichten verletzte und er sich dadurch zumindest scheinbar zum Mittäter in einem behaupteten Betrugsfall gemacht habe, sei in der Verhandlung vom 21. September 2020 laut Protokoll bei der Begründung des verkündeten Erkenntnisses nicht angeführt worden, kann schon deshalb auf sich beruhen, weil eine Bindung des Disziplinarrats an die verkündeten Entscheidungsgründe nicht besteht (vgl RIS‑Justiz RS0098421) und das Berufungsgericht einen eigenständigen Ausspruch zu fällen hat, der an die Stelle des von einem Berufungspunkt betroffenen Ausspruchs tritt (Fabrizy/Kirchbacher, StPO14 § 295 Rz 1; RIS‑Justiz RS0120535 [T1]).

[5] Zutreffend hat der Disziplinarrat jedoch als erschwerend den Verstoß gegen die Meldepflicht bei sechs Gesellschaften angenommen und auch – unabhängig vom Ausgang des Strafverfahrens – die ganz erhebliche Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes gewertet, die durch die mediale Wahrnehmung des mehrfachen Verstoßes des Disziplinarbeschuldigten gegen die Meldepflicht in der breiten Öffentlichkeit eingetreten ist.

[6] Angesichts des vom Disziplinarrat festgestellten, die subjektive Tatseite begründenden Bewusstseins um die Unrichtigkeit der von ihm veranlassten Meldung (ES 14) kann der Berufung zuwider von einem die Schuld nicht ausschließenden Rechtsirrtum (§ 34 Abs 1 Z 12 StGB) nicht ausgegangen werden. Ebenso zutreffend nicht als ernstliches Bemühen um Schadensgutmachung oder um Verhinderung weiterer nachteiliger Folgen (§ 34 Abs 1 Z 15 StGB) in Anschlag gebracht wurde die immerhin erst mehr als acht Monate unter dem Eindruck der Medienberichterstattung erfolgte (vgl ES 9) Änderung der ursprünglichen Meldung.

[7] Zutreffend reklamiert die Berufung jedoch, es wäre weiters als mildernd zu berücksichtigen gewesen (§ 34 Abs 1 Z 19 StGB), dass die unterlassene Offenlegung der Treuhandschaft maßgeblich dazu beitrug, dass gegen den Disziplinarbeschuldigten ein noch anhängiges, breite mediale Erörterung findendes Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde (ES 19; vgl 13 Os 142/14b, 13 Os 143/14z).

[8] Die von der Berufung begehrte bedingte Nachsicht der Geldbuße kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil die entsprechende Änderung des § 16 Abs 2 DSt in der Fassung des BRÄG 2020, BGBl I 19/2020, nach der Übergangsbestimmung des § 80 Abs 6 DSt nur auf Disziplinarvergehen anzuwenden ist, die nach dem 31. März 2020 begangen wurden (vgl jüngst 20 Ds 3/21b).

[9] Allerdings ergibt sich aus dem Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich vom 8. Juni 2020, GZ D 14/19‑15, das mit Entscheidung des Obersten Gerichtshofs als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter vom 24. August 2021, AZ 28 Ds 8/20w, in Rechtskraft erwuchs, dass der Disziplinarbeschuldigte der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes schuldig erkannt wurde, weil er von 2. Juni 2017 bis 22. Mai 2018 einen Treuhandbetrag für eigene Honorarforderungen in Höhe von 2.025,41 Euro trotz deren Bestreitung zurückbehalten hat.

[10] Da die hier abgeurteilte Tat vor dieser Verurteilung gesetzt wurde, liegen die Voraussetzungen des § 31 StGB iVm § 16 Abs 5 DSt vor. Auf diese, eine Geldbuße von 1.000 Euro festsetzende Vorstrafe war daher nunmehr vom Rechtsmittelgericht Bedacht zu nehmen (vgl Ratz in WK² § 31 Rz 3; RIS‑Justiz RS0090964, RS0090926).

[11] Unter Berücksichtigung des weiteren Erschwerungsgrundes einer einschlägigen Vorstrafe und der im Vorerkenntnis angeführten Erschwerungs‑ und Milderungsgründe (Zusammentreffen zweier Disziplinarvergehen gegenüber dem Umstand, dass kein Schaden der beteiligten Personen eingetreten ist) wäre über den Beschuldigten eine tat‑ und schuldangemessene, seinen Einkommens‑ und Vermögensverhältnissen entsprechende Zusatzgeldbuße von 2.500 Euro zu verhängen gewesen.

[12] Eine überlange Verfahrensdauer allein durch die erst nach etwa fünf Monaten erfolge Ausfertigung des angefochtenen Erkenntnisses läge der Rüge zuwider nicht vor, zumal diese nicht nur den gegenständlichen Vorwurf, sondern auch den zwischenzeitig in Rechtskraft erwachsenen Freispruch hinsichtlich zwei anderen Fakten umfasste und somit einer ausführlichen Begründung bedurfte. Die nicht vom Disziplinarbeschuldigten zu vertretende, insgesamt unverhältnismäßig lange Verfahrensdauer von über zwei Jahren (Art 6 Abs 1 MRK, vgl § 34 Abs 2 StGB) war jedoch durch (weitere) Strafreduktion um 500 Euro auszugleichen, woraus die im Spruch genannte Sanktion resultiert.

[13] Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 54 Abs 5 DSt.

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