European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0240DS00006.23A.0913.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Fachgebiet: Standes- und Disziplinarrecht der Anwälte
Spruch:
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Dem Disziplinarbeschuldigten fallen auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde *, Rechtsanwalt in *, der Disziplinarvergehen des Suspensionsbruchs nach § 17 zweiter Fall DSt und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 zweiter Fall DSt schuldig erkannt und nach § 16 Abs 1 Z 4 DSt (iVm § 17 DSt) zur Disziplinarstrafe der Streichung von der Liste verurteilt.
[2] Danach hat * ungeachtet der am 6. Dezember 2022 in seinem persönlichen Beisein mündlich verkündeten Entscheidung des Obersten Gerichtshofs als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter, GZ 24 Ds 6/22z‑10, mit welcher über ihn die Disziplinarstrafe der Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft in der Dauer von sechs Monaten (wobei ein Teil von vier Monaten für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde) verhängt wurde, die Rechtsanwaltschaft ausgeübt, indem er
a./ im Verfahren AZ * des Bezirksgerichts V* als ausgewiesener rechtsfreundlicher Vertreter der beklagten Partei am 9. Dezember 2022 einen Schriftsatz einbrachte und am 12. Dezember 2022 in der Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung – vertreten durch einen Substituten – einschritt,
b./ im Verfahren AZ * des Bezirksgerichts N* als ausgewiesener rechtsfreundlicher Vertreter der beklagten Partei am 15. Dezember 2022 einen Schriftsatz einbrachte und
c./ im Verfahren AZ * des Bezirksgerichts Vö* als rechtsfreundlicher Vertreter der beklagten Partei am 14. Dezember 2022 eine Berufung einbrachte.
Rechtliche Beurteilung
[3] Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die – auch Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 5 StPO) relevierende (vgl RIS‑Justiz RS0128656 [T1]) – Berufung des Beschuldigten wegen der Aussprüche über die Schuld und die Strafe (§ 49 letzter Satz DSt).
[4] Die Berufung ist nicht berechtigt.
[5] Mit der in subjektiver Hinsicht leugnenden Einlassung des Disziplinarbeschuldigten hat sich der Disziplinarrat – dem Vorbringen der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) zuwider – hinreichend ausführlich auseinandergesetzt (ES 4 vorletzter Abs iVm ES 7 erster Abs). Eine darüber hinausgehende Erörterung sämtlicher Details seiner Aussage ist unter dem Aspekt der Vollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) nicht erforderlich, sie würde vielmehr dem Gebot zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) zuwiderlaufen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 428 mwN).
[6] Entgegen dem weiteren Vorbringen (Z 5 zweiter Fall) hat der Disziplinarrat die (mündlichen und schriftlichen) Anfragen des Disziplinarbeschuldigten puncto des Wirksamwerdens der vom Obersten Gerichtshof verkündeten Disziplinarstrafe der Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft ohnedies berücksichtigt (vgl abermals ES 4 vorletzter Abs). Dass der Disziplinarrat daraus – in Verbindung mit [weiteren] Angaben des Beschuldigten – nicht den von der Berufung gewünschten Schluss (nämlich auf Verneinung eines bedingten Vorsatzes) gezogen hat, stellt keine Unvollständigkeit dar (vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 421); die (wenn auch dislozierte) Feststellung des bedingten Vorsatzes (ES 7) ist als Ergebnis freier Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden.
[7] Inwieweit das an den Disziplinarbeschuldigten gerichtete E-Mail des Mag. * S* (StV. Kammeramtsdirektor) vom 16. Dezember 2022 (Beilage ./2 zur Berufung) den getroffenen (entscheidungs-wesentlichen) Konstatierungen zur subjektiven Tatseite in Bezug auf die zuvor, nämlich am 9., 12., 14. und 15. Dezember 2022 gesetzten Tathandlungen erörterungsbedürftig entgegenstehen sollte, macht die Beschwerde nicht deutlich.
[8] Die Behauptung, dass die „Wirkungen“ des vom Obersten Gerichtshof mündlich verkündeten Urteils frühestens mit Zustellung der schriftlichen Urteilsausfertigung eintreten können, wird nicht methodengerecht aus dem Gesetz abgeleitet (vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 588 ff mwN). Im Übrigen wird zu dieser Frage auf die zutreffenden rechtlichen Ausführungen des Disziplinarrats verwiesen (ES 5 f).
[9] Die (mit rechtlichen Erwägungen zum Eventualvorsatz versehene) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld vermag mit dem erneuten Hinweis auf die leugnende Verantwortung des Disziplinarbeschuldigten zur subjektiven Tatseite und der daran anknüpfenden Behauptung, dass dieser „einem Rechtsirrtum erlegen“ sei, keine Bedenken gegen die – ohne Verstoß gegen die Kriterien logischen Denkens und grundlegende Erfahrungssätze begründeten – Feststellungen des Disziplinarrats zu wecken.
[10] Mit der – nicht am tatsächlichen Erkenntnisinhalt (s ES 7 f) orientierten – Behauptung, das Erkenntnis enthalte keine die Verhängung der Höchststrafe rechtfertigenden Gründe, wird eine Nichtigkeit nicht zur Darstellung gebracht (RIS‑Justiz RS0117723).
[11] Der Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld war daher – in Übereinstimmung mit der Äußerung des Kammeranwalts und dem Croquis der Generalprokuratur – nicht Folge zu geben.
Zur Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe:
[12] § 17 DSt ordnet an, dass die Disziplinarstrafe der Streichung von der Liste zu verhängen ist, wenn ein Rechtsanwalt die Rechtsanwaltschaft ausübt, obwohl ihm die Ausübung der Rechtsanwaltschaft vom Disziplinarrat untersagt worden ist, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falls mit einer geringeren Strafe das Auslangen gefunden werden kann.
[13] Die Argumentation des Disziplinarbeschuldigten, die ihm angelasteten Vertretungshandlungen – notwendig und einzig – zur Abwehr von (schweren) Nachteilen der in den Streitverfahren von ihm Vertretenen gesetzt zu haben, überzeugt nicht.
[14] Denn der Disziplinarbeschuldigte wäre – wie schon der Disziplinarrat im angefochtenen Erkenntnis zutreffend aufgezeigt hat – gehalten gewesen, rechtzeitig vor der Verhandlung am 6. Dezember 2022 die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, insbesondere da im Hinblick auf die dort angefochtene Strafe der Streichung von der Liste auch diese Strafe bestätigt hätte werden können und die letztlich erfolgte Strafherabsetzung auf die Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft ebenfalls durchaus im erwartbaren Rahmen lag (ES 6).
[15] Spezielle Umstände, die es nahegelegt hätten, dass der Disziplinarbeschuldigte bei der damals gegebenen Sachlage die Rechtsanwaltschaft nach der Verhandlung am 6. Dezember 2022 (sofort) ausüben hätte können, macht der Disziplinarbeschuldigte selbst nicht geltend.
[16] Auch das vom Disziplinarbeschuldigten behauptete „Nichtwissen“, wann die „Wirkungen“ des Erkenntnisses GZ 24 Ds 6/22z‑10 eintreten, und seine vergeblichen Versuche diesbezügliche Aufklärung von der Rechtsanwaltskammer Wien zu erhalten, vermögen ihn nicht zu exkulpieren.
[17] Denn es gehört zu den elementaren Pflichten eines Rechtsanwalts, sich über alle Richtlinien für die Ausübung des Rechtsanwaltsberufes eingehend zu informieren (vorliegend § 398 StPO iVm § 77 Abs 3 DSt). Wenn sich ein Rechtsanwalt auf einen Rechtsirrtum beruft, kann nicht grundsätzlich von der Geringfügigkeit eines Verschuldens ausgegangen werden (RIS‑Justiz RS0123018, RS0054965). Eine solche kann vielmehr nur in Ausnahmefällen zum Tragen kommen (25 Os 3/15a, RIS‑Justiz RS0123018 [T2]).
[18] Insbesondere in der eingetretenen Situation hätte der Disziplinarbeschuldigte die angeblich offenen Fragen für sich selbst so vorsichtig wie nur möglich zu beurteilen gehabt, sodass ihm bloß geringfügiges Verschulden nicht zu Gute gehalten werden kann.
[19] Somit liegen – unter Berücksichtigung (vgl 20 Ds 22/21x) auch der vom Disziplinarrat in Anschlag gebrachten Erschwerungsgründe (die doppelte Qualifikation und der dreifache Suspensionsbruch) – keine besonderen Umstände (kein Ausnahmefall vgl ErlRV 1188 BlgNR 17. GP 21; Feil/Wennig, Anwaltsrecht8 903) vor, die eine Korrektur der Sanktion rechtfertigen würden.
[20] Gemäß § 54 Abs 4 DSt war schließlich auszusprechen, dass dem Disziplinarbeschuldigten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last fallen.
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