OGH 1Ob66/24y

OGH1Ob66/24y25.6.2024

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer und Mag. Wessely‑Kristöfel als weitere Richter in der Familienrechtssache der Antragstellerin N* T*, vertreten durch Mag. Daniel Wolff, Rechtsanwalt in Bregenz, gegen den Antragsgegner B* T*, vertreten durch Mag. Manuel Dietrich, Rechtsanwalt in Hard, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch als Rekursgericht vom 22. Februar 2024, GZ 10 R 189/23b‑16, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0010OB00066.24Y.0625.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Familienrecht (ohne Unterhalt)

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Als Ehewohnung diente den vormaligen Ehegatten eine während aufrechter ehelicher Lebensgemeinschaft vom Mann gekaufte Eigentumswohnung. Während das von der Frau eingeleitete Ehescheidungsverfahren (seit Mitte Februar 2021) ruhte, schlossen die Eheleute am 22. 7. 2021 eine „Trennungsvereinbarung“, die auszugsweise wie folgt lautet:

[Der Mann] darf in der gemeinsamen Wohnung weiterhin bleiben.

Ich [die Frau] verzichte auf meinen Recht von der Wohnung da Sie es mit Familie zusammengebaut haben. Im Falle einer Scheidung erfolgt der Versorgungsausgleich nach den gesetzlichen Vorschriften.“

[2] Rund einen Monat später beantragte die Frau die Fortsetzung des Scheidungsverfahrens, das mit der Scheidung der Ehe der Parteien endete.

[3] Die Frau begehrte im Aufteilungsantrag unter anderem die angemessene Aufteilung der vormaligen Ehewohnung. Nachdem der Mann ihren Verzicht auf allfällige Aufteilungsansprüche bezüglich der Ehewohnung eingewendet hatte, brachte sie vor, dass sie zu keinem Zeitpunkt auf die „Geltendmachung eines Aufteilungsantrags verzichtet“ habe. Sie habe keine Einwände, wenn er die frühere Ehewohnung behalte, allerdings müsse er eine Ausgleichszahlung leisten.

[4] Das Erstgericht sprach aus, dass die Frau „durch die Unterfertigung der Trennungsvereinbarung [...] nicht auf ihre Aufteilungsansprüche betreffend die Ehewohnung verzichtet“ habe.

[5] Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

[6] Der gegen diese Entscheidung vom Mann erhobene außerordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.

[7] 1. Der Fachsenat hat bereits in der Entscheidung zu 1 Ob 112/18d (SZ 2019/37 = RS0132700 = RS0040918 [T21]) mit ausführlicher Begründung dargelegt, dass in Rechtssachen nach den §§ 81 ff EheG ein Zwischenbeschluss im Sinn des § 36 Abs 2 AußStrG über die Vorfrage, welche Aktiva (oder Passiva) der Ehegatten in die Aufteilung einzubeziehen sind, nicht zulässig ist.

[8] Die Zulässigkeit eines Zwischenbeschlusses nach § 36 Abs 2 AußStrG ist aber – ebenso wie die Zulässigkeit eines Zwischenurteils (RS0040918 [insbesondere T10]) – grundsätzlich eine prozessuale Frage, deren unrichtige Lösung eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens erster Instanz begründet (RS0040918 [T16, T20]). Damit muss ein prozessualer Verstoß, weil eine solche Zwischenentscheidung getroffen wurde, ausdrücklich gerügt werden, um im Prüfungsverfahren Beachtung finden zu können. Von Amts wegen ist darauf nicht Bedacht zu nehmen (RS0040918). Der Mann hat die Fassung eines Zwischenbeschlusses durch das Gericht erster Instanz bereits in seinem Rekurs nicht releviert, sodass die prozessuale Unzulässigkeit des Beschlusses über die (Vor‑)Frage, ob die Liegenschaftsanteile des Mannes trotz der „Trennungsvereinbarung“ (wertmäßig) der Aufteilung unterliegen, nicht aufgegriffen werden kann.

[9] Der Zwischenbeschluss ist in einem solchen Fall nur dann aufzuheben, wenn die zugrunde liegende Rechtsfrage materiell‑rechtlich falsch gelöst wurde (1 Ob 112/18d = RS0040918 [T22]; 1 Ob 103/22m; 1 Ob 125/22x, jeweils mwN).

[10] 2. Dass dies zuträfe, kann der Mann nicht aufzeigen.

[11] 2.1. Ob die Rechtsansicht des Rekursgerichts zutrifft, das infolge einer vorübergehenden Versöhnung der Ehegatten während des ruhenden Scheidungsverfahrens den ursächlichen Zusammenhang zwischen der fünf Monate nach Eintreten des Ruhens getroffenen Vereinbarung über die Aufteilung der Ehewohnung und dem Scheidungsverfahren im Sinn des § 97 Abs 5 EheG verneinte und gemäß § 97 Abs 1 EheG mangels eingehaltener Notariatsaktspflicht von der Unwirksamkeit der Vereinbarung ausging, braucht nicht geklärt werden.

[12] Denn auch bei Annahme der Rechtswirksamkeit der Vereinbarung über die Aufteilung der Ehewohnung, weil dafür gemäß § 97 Abs 5 EheG keine Notariatsaktspflicht bestehe, sind die Entscheidungen der Vorinstanzen aus den nachstehend genannten Gründen im Ergebnis materiell‑rechtlich richtig. Die im Revisionsrekurs als erheblich bezeichnete Rechtsfrage ist daher für die Entscheidung nicht relevant, sodass sie die Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht begründen kann (1 Ob 121/23k mwN).

[13] 2.2. Die vom Rekursgericht unterlassene Erledigung der Beweisrüge des Mannes ist im Ergebnis aus rechtlichen Gründen nicht relevant. Das Erstgericht konnte nicht feststellen, ob die Frau die „Trennungsvereinbarung“ durchgelesen hatte, bevor sie diese unterfertigte. Wenn der Mann im Rekurs die Ersatzfeststellung anstrebt, dass sie diese doch vor der Unterfertigung durchgelesen habe, ist dieser Umstand für die Auslegung des Inhalts der Vereinbarung nicht relevant. Die weiters begehrte „Feststellung“, sie habe damit „auf die Aufteilungsansprüche betreffend die Ehewohnung“ verzichtet, betrifft die rechtliche Beurteilung und ist damit nicht feststellungsfähig.

[14] 2.3. Die Formulierungen in der „Trennungsvereinbarung“ stammen vom Mann. Kann der Inhalt einer unklaren und zweifelhaften Äußerung mit den Auslegungsregeln des § 914 ABGB nicht ermittelt werden, ist § 915 ABGB subsidiär anzuwenden (RS0017951; RS0109295). Eine undeutliche Formulierung ist dabei zum Nachteil desjenigen auszulegen, der sich ihr bediente. Die Unklarheitenregel des § 915 Satz 2 ABGB geht zu Lasten des Verfassers des Vertragstextes (2 Ob 26/10b = RS0017992 [T2]; 4 Ob 33/23s [Rz 19] = RS0017802 [T28], jeweils mwN), hier des Mannes.

[15] Der erste Satz der „Trennungsvereinbarung“ regelt, dass der Mann allein in der Ehewohnung bleiben darf. Wenn die Frau auf ihr „Recht von der Wohnung“ verzichtet, bedeutet dies, dass sie keine Nutzungsrechte an der Ehewohnung anstrebt (so zutreffend das Erstgericht) und auch – wovon beide Parteien ausgehen – die Eigentumswohnung im Miteigentum des Mannes verbleiben soll.

[16] Die unmittelbar anschließende Regelung, dass „im Falle einer Scheidung [...] der Versorgungsausgleich nach den gesetzlichen Vorschriften“ erfolgt, ist unklar. Dem österreichischen Recht ist ein „Versorgungsausgleich“ (vgl § 1587 dBGB; Art 122 Schweizer ZGB) durch die Aufteilung von Versorgungsanwartschaften für geschiedene Ehegatten fremd (RS0119984). Zu solchen Anwartschaften erstatteten die Parteien auch kein Vorbringen. Entsprechend der Unklarheitenregel des § 915 Satz 2 ABGB ist der Ausdruck „Versorgungsausgleich“ im gegenständlichen Zusammenhang zu Lasten des Mannes als Vertragsverfasser so zu verstehen, dass im Fall der Scheidung der Frau für ihren Verzicht auf die Ehewohnung ein (wertmäßiger) gesetzlicher Ausgleichsanspruch zusteht. Der Frau soll für ihren Verzicht auf die Ehewohnung der Anspruch auf eine Ausgleichszahlung erhalten bleiben. Damit hat im Aufteilungsverfahren zwar keine Übertragung der Miteigentumsanteile des Mannes an der früheren Ehewohnung an die Frau zu erfolgen (was sie auch nicht anstrebt), jedoch eine wertmäßige Einbeziehung.

[17] Die Frau begehrt vom Mann die Leistung einer Ausgleichszahlung für die während aufrechter ehelicher Lebensgemeinschaft gekaufte Eigentumswohnung. Der erstinstanzliche Spruch, dass sie durch die „Trennungsvereinbarung“ nicht auf „ihre“ Aufteilungsansprüche betreffend die (frühere) Ehewohnung verzichtet hat, ist so zu verstehen, dass darunter – entsprechend ihrem Begehren – nur der Anspruch auf eine Ausgleichszahlung fällt. Ob und wieweit eine solche Ausgleichszahlung zusteht, ist im fortgesetzten Verfahren zu entscheiden.

[18] 2.4. Aus den dargelegten Gründen ist die Rechtsfrage, ob die Frau auf einen allfälligen Ausgleichsanspruch im Zusammenhang mit der Ehewohnung verzichtet hat und dieser damit Gegenstand des Aufteilungsverfahrens ist, von den Vorinstanzen im Ergebnis materiell‑rechtlich richtig gelöst worden. Auf die im Revisionsrekurs als erheblich bezeichnete Rechtsfrage (Notariatsaktpflicht) kommt es auf dieser Grundlage nicht an.

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