OGH 4Ob33/23s

OGH4Ob33/23s28.3.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Kodek als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, MMag. Matzka sowie die Hofrätinnen Mag. Istjan, LL.M., und Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B* GmbH, *, gegen die beklagte Partei D*, vertreten durch Mähr Rechtsanwalt GmbH in Götzis, wegen 25.101,84 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 15. November 2022, GZ 5 R 35/22v‑24, mit dem das Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 8. August 2022, GZ 43 Cg 96/21h‑14 abgeändert wurde, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0040OB00033.23S.0328.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.647,18 EUR (darin enthalten 274,53 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

 

Entscheidungsgründe:

[1] Am 22. 6. 2021 fand zu zwei Liegenschaften dreier Miteigentümer eine private Feilbietung durch den Gerichtskommissär statt. Die klagende Rechtsanwalts GmbH erstellte dafür über Auftrag dieser Miteigentümer vorab die Feilbietungsbedingungen, deren Unterfertigung Voraussetzung für die Teilnahme an der freiwilligen Feilbietung war. Sie wurden unter anderem von den veräußernden Miteigentümern und vom Beklagten unterschrieben; die Klägerin selbst unterschrieb die Feilbietungsbedingungen zu keinem Zeitpunkt. Der Beklagte ersteigerte die Liegenschaften danach um einen Gesamtpreis von 1.900.000 EUR.

[2] Die Feilbietungsbedingungen lauten auszugsweise:

XII.

Kosten:

A)  Die Miteigentümer tragen sämtliche mit der Errichtung und Durchführung dieser freiwilligen Feilbietung verbundenen Kosten, Gebühren und Abgaben nach Maßgabe ihrer Miteigentumsanteile, wobei die Kosten für die Errichtung der Feilbietungsbedingungen seitens der [Klägerin] nach den Bestimmungen des RATG und NTG abgerechnet werden, dies unter Hinweis auf die im Korrespondenzweg getroffene Vereinbarung.

B)  Ein außenstehender Erwerber, welcher nicht zum Kreis der Miteigentümer der Feilbietungsgegenstände gehört, hat ebenfalls die Kosten der freiwilligen Feilbietung inkl. der Kosten der Errichtung der Feilbietungsbedingungen der [Klägerin] zu tragen, dies nach den Bestimmungen des RATG und des NTG berechnet auf Basis des Ausrufpreises (geringstes Gebot).

[...]“

[3] Die vormaligen Miteigentümer zahlten insgesamt zumindest 7.200 EUR an mit der Errichtung und Durchführung dieser freiwilligen Feilbietung verbundenen Kosten an die Klägerin.

[4] Die Klägerin begehrte vom Beklagten die Zahlung von 25.101,84 EUR an Honorar, weil der Beklagte sich gegenüber der Klägerin vertraglich verpflichtet habe, die Kosten der Feilbietung inklusive der Kosten der Errichtung der Feilbietungsbedingungen zu bezahlen.

[5] Der Beklagte wendete – soweit für das Revisionsverfahren von Interesse – ein, dass zwischen ihm und der Klägerin gar kein Vertragsverhältnis vorliege. Die Klauseln seien überdies intransparent und gröblich benachteiligend.

[6] Das Erstgericht sprach der Klägerin 4.891,43 EUR sA zu. Das Mehrbegehren in Höhe von 20.210,41 EUR sA wies es ab. Bei lebensnaher Betrachtung solle die Klausel die Miteigentümer für den Fall, dass keiner von ihnen, sondern ein außenstehender Dritter die Liegenschaften erwerben würde, von der Kostentragungspflicht entlasten. Eine gröbliche Benachteiligung des Beklagten sei darin nicht zu erkennen, weil der Gesetzgeber die Überwälzung der Kosten auf den Meistbieter mit der Bestimmung des § 87a Abs 5 NO ausdrücklich für zulässig erklärt habe.

[7] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin keine Folge; der Berufung des Beklagten gab es Folge und wies das Klagebegehren zur Gänze ab.

[8] Es wertete dabei die Feilbietungsbedingungen als Vertragsformblatt und wendete aufgrund des Vorliegens eines Verbrauchergeschäfts § 6 Abs 3 KSchG an. Zwischen der Klägerin als Verfasserin der Bedingungen und dem Liegenschaftserwerber sei ein Rechtsverhältnis zustandegekommen, weil die Kostentragungsregel in den Feilbietungsbedingungen auch für einen außenstehenden Erwerber gelte. Klar sei nur, dass die Kostentragungsklausel die Vergütung der anwaltlichen Tätigkeit der Klägerin regeln wolle. In der Klausel A sei eine Kostentragung der eigenen Mandantschaft vorgesehen. Zwar sei eine Überwälzung auf den Meistbietenden gemäß § 87a Abs 5 NO erlaubt; eine klare und verlässliche Auskunft über das Ausmaß der daraus erwachsenen Honorarverpflichtung enthalte der Vertragspunkt B – insbesondere in Zusammenschau mit Punkt A – aber gerade nicht. Es werde völlig offen gelassen, wie die Klausel, wonach ein außenstehender Erwerber dieselben Kosten ebenfalls zu tragen habe, bei objektiver Beurteilung der Sachlage zu verstehen sei, könne doch der Honoraranspruch für eine bestimmte anwaltliche Leistung nicht doppelt verrechnet werden. Die beiden Klauseln seien daher als intransparent anzusehen und damit unwirksam. Eine derart undeutliche Vertragsklausel, deren Bedeutung sich selbst durch eine Vertragsauslegung nicht eruieren lasse, sei im Übrigen auch außerhalb des Verbraucherkontexts und unabhängig von einer Qualifikation als Vertragsformblatt gemäß § 915 ABGB zu Lasten desjenigen auszulegen, der sich ihrer bediene.

[9] Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zur Wahrung der Rechtssicherheit – nachträglich – zu.

[10] Gegen das Berufungsurteil richtet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung der Urteile der Vorinstanzen im gänzlich klagsstattgebenden Sinn, hilfsweise stellt die Klägerin einen Aufhebungsantrag.

[11] Der Beklagte beantragte in seiner Revisionsbeantwortung die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

[12] Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

[13] 1. Ein unmittelbares Vertragsverhältnis zwischen der Klägerin und dem Beklagten liegt entgegen der Ansicht der Klägerin in ihrer Revision nicht vor, hat doch die Klägerin die Feilbietungsbedingungen nie unterfertigt oder auf andere Weise ein vertragliches Verhältnis mit dem Beklagten begründet.

[14] 1.1. Eine aktive Klagslegitimation der Klägerin für einen vertraglichen Honoraranspruch kann damit nur bestehen, wenn die Kostentragungsklausel in den Feilbietungsbedingungen als ein echter Vertrag zugunsten Dritter anzusehen ist. Bei der kumulativen Schuldübernahme genügt ein Vertrag zwischen Altschuldner und Neuschuldner, der in seinen Auswirkungen diesfalls einem Vertrag zugunsten Dritter gleichkommt. Dem Gläubiger erwachsen im Zweifel unmittelbar Rechte aus dem Vertrag, wenn die Leistung hauptsächlich ihm zum Vorteil gereichen soll (RS0017057). Entscheidend ist, ob aufgrund der Vereinbarung der an dieser nicht beteiligte Dritte nicht nur Leistungsempfänger, sondern Forderungsberechtigter sein soll (RS0017149), was anhand Wortlaut, Natur und Zweck des Vertrags zu beurteilen ist. Ob ein echter Vertrag zugunsten Dritter vorliegt, ist eine Auslegungsfrage (RS0017113 [T1]), die nach den Umständen des Einzelfalls zu lösen ist (RS0017145 [T1]).

[15] 1.2. In der von der Klägerin für ihren Standpunkt ins Treffen geführten Entscheidung 8 Ob 150/18v beurteilte der 8. Senat eine Kostentragungsklausel in einem vom dortigen Kläger ausgearbeiteten Erbteilungsübereinkommen des Inhalts: „Alle mit der Errichtung und grundbücherlichen Durchführung der in dieser Urkunde enthaltenen Verträge verbundenen Kosten […] tragen, ungeachtet der bestehenden Solidarhaftung sämtlicher Vertragsparteien gegenüber […] dem Vertragsverfasser im Außenverhältnis, die Erben zur Gänze“ als echten Vertrag zugunsten Dritter. Zweck der Klausel sei in erster Linie eine Besicherung des Vertragserrichters. Ihm sollten für sein Honorar nicht mehr nur seine ursprünglichen Auftraggeber, sondern alle als Partei in den Genuss des Vertrags Kommenden haften. Die Klausel sei die Vereinbarung eines Schuldbeitritts der anderen (vorgesehenen) Vertragsparteien zur weiterhin bestehenden Haftung der ursprünglichen Auftraggeber für die Vertragserrichtungskosten und damit eine solche zugunsten des klagenden Vertragserrichters im Sinne des § 881 ABGB (vgl 8 Ob 150/18v mwN).

[16] 1.3. Diese Überlegungen lassen sich – soweit sie ein direktes Klagerecht des dortigen Klägers bejahen – auf den vorliegenden Fall übertragen. Auch hier ist Sinn und Zweck der Kostentragungklausel, wonach der außenstehende Erwerber die Kosten der Errichtung der Feilbietungsbedingungen der explizit genannten Klägerin zu tragen hat, die Besicherung der Klägerin, weshalb sie grundsätzlich aus dieser Vereinbarung ein direktes Klagerecht gegen den Erwerber ableiten kann.

[17] 2. Ob die Feilbietungsbedingungen als Vertragsformblatt zu werten wären, der Klägerin aufgrund ihres Eigeninteresses die Verwendereigenschaft zukäme (vgl RS0129535) und ob der Beklagte ihr seine (unstrittige) Verbrauchereigenschaft überhaupt entgegenhalten könnte, braucht hier nicht weiter untersucht zu werden.

[18] 2.1. Bei Auslegung einer Willenserklärung nach den §§ 914 ff ABGB ist zunächst vom Wortsinn in seiner gewöhnlichen Bedeutung auszugehen, dabei aber nicht stehen zu bleiben, sondern der Wille der Parteien, das ist die dem Erklärungsempfänger erkennbare Absicht des Erklärenden zu erforschen. Letztlich ist die Willenserklärung so zu verstehen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht, wobei die Umstände der Erklärung und die im Verkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche heranzuziehen sind (RS0017915). Allgemeine Vertragsbedingungen sind so auszulegen, wie sie sich einem durchschnittlichen Angehörigen aus dem angesprochenen Adressatenkreis erschließen. Ihre Klauseln sind, wenn sie nicht auch Gegenstand und Ergebnis von Vertragsverhandlungen waren, objektiv unter Beschränkung auf den Wortlaut auszulegen (RS0008901).

[19] 2.2. Erst wenn der Inhalt einer unklaren und zweifelhaften Äußerung mit den Auslegungsregeln des § 914 ABGB nicht ermittelt werden kann, ist § 915 ABGB subsidiär heranzuziehen (RS0109295; RS0017951). Die undeutliche Äußerung ist dabei zum Nachteil desjenigen auszulegen, der sich ihrer bediente (RS0017802 [T1]). Kommt § 915 Halbsatz 2 ABGB zur Anwendung, so gehen unklare Äußerungen zu Lasten des Verwenders.

[20] 2.3. Die beiden Kostentragungsregeln stehen in einem unauflösbaren Widerspruch zueinander. Klausel A lässt keinen Zweifel daran, dass die Miteigentümer sämtliche mit der Errichtung und Durchführung der freiwilligen Feilbietung verbundenen Kosten zu tragen haben. Klausel B ergänzt, dass ein außenstehender Erwerber diese Kosten ebenfalls zu tragen hat. Eine Doppelverrechnung kann vernünftigen Vertragsparteien nicht unterstellt werden; der zweiten Klausel ist aber auch keine Solidar- oder Ausfallshaftung des außenstehenden Erwerbers (zweifelsfrei) zu entnehmen, ebensowenig ergibt sich aus den Bestimmungen, dass sie – wie die Klägerin in ihrer Revision meint – auf zwei verschiedene Kaufverträge bezogen wären.

[21] Die Unklarheit geht jedenfalls zu Lasten der Klägerin, weshalb sie aus der Klausel gegen den Beklagten keine Ansprüche gemäß § 881 ABGB ableiten kann.

[22] 3. Die Berufung der Klägerin auf bereicherungsrechtliche Ansprüche gegenüber dem Beklagten geht ins Leere, weil kein Verwendungsanspruch nach § 1041 ABGB zusteht, wenn ein Vertragsverhältnis oder ein vertragsähnliches Verhältnis besteht (RS0020101; RS0028179).

[23] 4. Der Revision war daher insgesamt keine Folge zu geben.

[24] 5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

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