OGH 1Ob103/22m

OGH1Ob103/22m14.9.2022

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofrätin und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Wessely‑Kristöfel und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Familienrechtssache der Antragstellerin B*, vertreten durch die Dr. Borns Rechtsanwalts GmbH & Co KG in Gänserndorf, gegen den Antragsgegner J*, vertreten durch Mag. Alain Danner, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Korneuburg als Rekursgericht vom 22. März 2022, GZ 20 R 97/22p‑20, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0010OB00103.22M.0914.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] Das Erstgericht sprach mit seiner als „Zwischenbeschluss“ bezeichneten Entscheidung aus, dass – soweit im Revisionsrekursverfahren von Bedeutung – eine bestimmte Liegenschaft nicht der Aufteilung unterliege, das darauf errichtete Superädifikat jedoch in die Aufteilung der ehelichen Errungenschaften einzubeziehen sei.

[2] Das Rekursgericht gab dem nur von der Antragstellerin erhobenen Rechtsmittel nicht Folge. Es ging wie das Erstgericht davon aus, dass die Liegenschaft, die zunächst Betriebsvermögen eines in der Rechtsform einer GmbH geführten Unternehmens war und im Zuge deren Umwandlung in ein Einzelunternehmen unentgeltlich in das Privatvermögen des Antragsgegners übertragen wurde, gemäß § 82 Abs 1 Z 1 EheG nicht der Aufteilung unterliege. Demgegenüber gehöre das im Alleineigentum der Antragstellerin stehende Superädifikat, das sie an die vom Antragsgegner (später) gegründete GmbH vermiete, nicht im Sinn des § 82 Abs 1 Z 3 EheG zu diesem. Es sprach aus, dass der Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

[3] 1. Der Fachsenat hat bereits in der Entscheidung zu 1 Ob 112/18d mit ausführlicher Begründung dargelegt, dass in einem Verfahren nach den §§ 81 ff EheG ein Zwischenbeschluss im Sinn des § 36 Abs 2 AußStrG über die Vorfragen, welche Aktiva (oder Passiva) der Ehegatten in die Aufteilung einzubeziehen sind, nicht zulässig ist.

[4] Die Zulässigkeit eines Zwischenbeschlusses nach § 36 Abs 2 AußStrG ist aber analog wie die eines Zwischenurteils grundsätzlich eine prozessuale Frage, deren unrichtige Lösung eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens erster Instanz bedeutet (RS0040918 [T10]). Damit muss ein prozessualer Verstoß, weil eine solche Zwischenentscheidung getroffen wurde, ausdrücklich gerügt werden, um im Prüfungsverfahren Beachtung finden zu können. Von Amts wegen ist darauf nicht Bedacht zu nehmen (RS0040918 [T23]).

[5] Die Antragstellerin hat die Fassung eines Zwischenbeschlusses durch das Gericht erster Instanz bereits in ihrem Rekurs nicht releviert, sodass die prozessuale Unzulässigkeit des Beschlusses über die (Vor‑)Frage, ob die Liegenschaft und/oder das Superädifikat der Aufteilung unterliegen, nicht aufgegriffen werden kann.

[6] 2. Dass die Vorinstanzen die Frage der (Nicht‑)Zugehörigkeit der Liegenschaft bzw des Superädifikats zur Aufteilungsmasse materiell‑rechtlich unrichtig gelöst hätten (vgl dazu RS0040918 [T22]), kann die Antragstellerin in ihrem außerordentlichen Rechtsmittel nicht aufzeigen.

3. Zur Liegenschaft:

[7] 3.1 Ziel des Aufteilungsverfahrens ist die billige Aufteilung der ehelichen Errungenschaft. Damit ist das während der Ehe, genauer bis zur Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft, Erarbeitete oder Ersparte gemeint (RS0057486). § 82 Abs 1 Z 1 EheG hält daher fest, dass Sachen, die ein Ehegatte in die Ehe eingebracht, von Todes wegen erworben oder ihm ein Dritter geschenkt hat, nicht der Aufteilung unterliegen. Nach den Materialien wird dadurch zum Ausdruck gebracht, dass der Aufteilung grundsätzlich nur Vermögen unterliegen soll, zu dessen Erwerb die Ehegatten während der Ehe beigetragen haben (AB 916 BlgNR XIV. GP  14).

[8] 3.2 Die Antragstellerin beruft sich selbst auf den festgestellten Sachverhalt, nach dem die Liegenschaft bereits vom Vater des Antragsgegners in die damals bestehende GmbH, deren Anteile in weitere Folge auf den Antragsgegner als Alleinerben übergegangen sind, eingebracht und darauf von einem Dritten ein Gebäude errichtet worden war, das von der GmbH zu betrieblichen Zwecken geleast war. Richtig ist, dass der Antragsgegner nach der Eheschließung die GmbH aus wirtschaftlichen Gründen in ein Einzelunternehmen umgewandelt und den Transportbetrieb als Einzelunternehmer weitergeführt hat, bevor er das Unternehmen in weiterer Folge wieder in eine (neu gegründete) GmbH einbrachte. Dass er bei der Umwandlung der ursprünglichen GmbH die Liegenschaft in sein Privateigentum übertrug und diese in weiterer Folge bei neuerlicher Gründung einer GmbH nicht wieder in das Unternehmen einbrachte, sondern diese bereits davor an die Antragstellerin vermietet hatte, führt entgegen der Ansicht der Antragstellerin aber nicht dazu, dass sie in die Aufteilung einzubeziehen wäre. Der Fachsenat hat bereits in der Entscheidung zu 1 Ob 262/15h (Pkt 2.5.3.) ausgesprochen, dass auch eingebrachtes unternehmerisches Vermögen, wenn keine Wertsteigerung oder Veränderung durch eheliche Leistungen vorliegt, gemäß § 82 Abs 1 Z 1 EheG von der Aufteilung grundsätzlich auszunehmen ist. Dem lag zugrunde, dass mit dem Erlös aus der Veräußerung des vom Mann eingebrachten Unternehmens eine Liegenschaft angeschafft worden war, die als klar abgrenzbares Vermögen nach dem Surrogationsprinzip nicht der Aufteilung unterlag.Der Senat hielt ausdrücklich fest, dass in einem solchen Fall kein Grund ersichtlich sei, aus dem ein Ehepartner schlechter gestellt sein sollte, nur weil das von ihm eingebrachte Vermögen aus einem Unternehmen stammt.

[9] 3.3 Diese Überlegung kommt auch im hier zu beurteilenden Fall zum Tragen: Der Antragsgegner war Alleingesellschafter einer GmbH, die er in weiterer Folge aus wirtschaftlichen Überlegungen in ein Einzelunternehmen umwandelte, wobei er die Liegenschaft seinem Privatvermögen widmete. Die (dann an die Antragstellerin vermietete) Liegenschaft dient nach den Festellungen nach wie vor betrieblichen Zwecken, sodass Anhaltspunkte für eine Umwidmung als eheliche Ersparnis fehlen. Aus welchen Gründen sonst in einem solchen Fall eine eheliche Ersparnis anzunehmen sein soll, wie die Antragstellerin meint, ist nicht zu erkennen. Damit ist nicht zweifelhaft, dass die Liegenschaft als vom Antragsgegner in die Ehe im Sinn des § 82 Abs 1 Z 1 EheG eingebracht anzusehen ist. Auf die von der Antragstellerin thematisierte Frage, ob der Übertragungsakt als Schenkung gemäß §§ 938 ff ABGB zu qualifizieren ist, kommt es damit nicht an. Gewinne aus einem Unternehmen sind hier nicht zu beurteilen, sodass sie auch mit ihrem Hinweis auf die dazu ergangene Rechtsprechung (dazu für viele RS0057752) keine Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht darlegen kann.

4. Zum Superädifikat:

[10] 4.1 Nach § 82 Abs 1 Z 3 EheG unterliegen Sachen, die zu einem Unternehmen gehören, nicht der Aufteilung. Der Zweck dieser Vorschrift liegt im Schutz der Unternehmenssubstanz (vgl RS0057534). Grundsätzlich zutreffend ist, dass bei Beurteilung der Frage, welche Sachen als Unternehmensbestandteile zu betrachten sind, auf die Zubehör-/Zugehöreigenschaft gemäß § 294 ABGB abzustellen ist (1 Ob 135/17k mwN) und es dabei auf eine wirtschaftliche Betrachtungsweise ankommt (RS0057521 [T1]). Ob eine Sache zum Unternehmen gehört, hängt aber maßgeblich davon ab, ob sie dafür gewidmet ist. Entscheidend ist dabei die Widmung durch den Eigentümer zu Zwecken des Unternehmens (RS0057521; vgl auch 3 Ob 553/90).

[11] 4.2 Dazu hat das Rekursgericht die Feststellungen des Erstgerichts aber dahin beurteilt, dass der Ankauf des Superädifikats durch die Antragstellerin mit ehelichen Ersparnissen als Wertanlage erfolgte und eine Einbeziehung in das Unternehmen gerade nicht bezweckt war. Dabei hat es eine Widmung des Überbaus für Zwecke des Unternehmens durch die Antragstellerin ausdrücklich verneint und damit im Ergebnis eine bloße Vermietung des Gebäudes an die GmbH angenommen, die ihrerseits nicht als unternehmerische Tätigkeit der Antragstellerin anzusehen ist (vgl 1 Ob 182/16w). Gegen diese Beurteilung wendet sich die Revisionswerberin nicht substantiell, wenn sie lediglich darauf verweist, „Motive“ und „Zwecke“ würden der Bestimmung des § 82 Abs 1 Z 3 EheG zuwiderlaufen und „Wertanlagen“ würden als Unternehmensanteile nur im Rahmen des § 82 Abs 1 Z 4 EheG Berücksichtigung finden. Im Ergebnis kann sie daher mit ihrer allgemein gehaltenen Wiedergabe der in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze, wann eine Sache als Bestandteil eines Unternehmens anzusehen ist, auch keine im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung durch das Gericht zweiter Instanz aufzeigen.

[12] 5. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

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