Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Text
Begründung
Die Ehe der Eltern wurde mit Urteil des Erstgerichtes *****, geschieden. Der Mutter steht die Obsorge für die beiden Kinder zu. Sie bewohnt mit den Kindern das ehemals als Ehewohnung genutzte Einfamilienhaus in M*****, an welchem ihr im Verfahren ***** des Erstgerichtes das Alleineigentum zugesprochen wurde. Aus dem Titel dieser Eigentumszuweisung hat sie dem Vater eine Ausgleichszahlung in Höhe von S 1,150.000,- -, zahlbar in drei Raten von S 350.000,-- und zweimal S 400.000,- -, binnen eines Jahres ab Rechtskraft des Aufteilungsbeschlusses zu leisten.
Mit Beschluß des Erstgerichtes vom 28.12.1990 (ON 13) wurde der Vater ab 1.9.1990 zur Leistung von monatlichem Unterhalt von S 4.000,-- für Werner und S 3.500,-- für Karin verpflichtet. Der Unterhaltbemessung lag ein in der Zeit vom November 1989 bis Oktober 1990 bezogenes durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen von rund S 24.200,-- zugrunde. Mit Beschluß des Erstgerichtes vom 27.8.1991 (ON 24) wurde der Vater zusätzlich zu dieser Unterhaltsleistung zur Zahlung des durch die Kosten von Schulsportwochen der Kinder verursachten Sonderbedarfes von S 5.140,-- verhalten.
Mit Anträgen vom 19.11.1992 (ON 30) und vom 15.2.1993 (ON 42) begehrten die Kinder zuletzt folgende Unterhaltserhöhung: Für die Zeit vom 1.1.1991 bis 30.11.1991 für Werner auf S 5.500,-- und für Karin auf S 5.000,- -; für die Zeit vom 1.12.1991 bis 31.5.1992 für Werner auf S 6.000,-- und für Karin auf S 5.500,-- und ab 1.6.1992 für Werner auf S 6.500,-- und für Karin auf S 6.000,- -. Weiters wurde mit Antrag vom 8.1.1993 (ON 35) an Sonderbedarf für Karin ein Betrag von S 4.225,-- für Kosten einer Zahnspange und für Werner ein Betrag von S 6.600,-- für Kosten von Kontaktlinsen sowie die Anschaffung einer Schreibmaschine begehrt. Die finanzielle Situation des Vaters habe sich verbessert, da sich seit 1.1.1991 sein Einkommen auf S 27.500,-- und ab 1.12.1991 auf S 29.778,-- erhöht habe. Darüber hinaus verfüge der Vater über zwei Teilleistungen der Ausgleichszahlung im Betrag von S 800.000,- -, welches Kapital er zinsbringend anlegen könne, was ihm die Erwirtschaftung eines weiteren monatlichen Durchschnittseinkommens von S 3.333,- ermögliche. Der Vater habe seinen PKW im Schätzwert von S 88.000,-- seiner Lebensgefährtin überlassen und selbst im April/Mai 1992 ein neues Auto um S 176.000,-- angeschafft.
Mit Beschluß vom 30.März 1993 (ON 48) bestimmte das Erstgericht den vom Vater monatlich zu leistenden Unterhalt für die Zeit vom 1.10.1991 bis 30.9.1992 für Werner mit S 4.500,-- und für Karin mit S 4.000,-- sowie ab 1.Oktober 1992 für Werner mit S 5.000,-- und für Karin mit S 4.500,- -. Es verpflichtete weiters den Vater, zusätzlich zu dieser Unterhaltsleistung zur Abdeckung eines Sonderbedarfs der Kinder den Betrag von S 4.800,-- zu bezahlen und wies darüber hinausgehende Anträge der Kinder auf Unterhaltserhöhung ebenso ab wie den Antrag des Vaters, ihn hinsichtlich Werner von der Unterhaltsverpflichtung gänzlich zu befreien. Der Vater, welchen keine weiteren Sorgepflichten treffen, sei bei der Elektrizitätswerk ***** AG als technischer Angestellter beschäftigt. In der Zeit vom 1.12.1991 bis 28.2.1993 habe er unter Berücksichtigung der Sonderzahlungen, Zulagen und des Überstundenentgelts sowie der Hälfte der Taggelder ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen von rund S 30.500,-- erzielt. Das Brutto-(richtig: Netto-)Gehalt habe bis 30.9.1992 monatlich S 30.910,-- betragen und belaufe sich seither auf S 32.419,-- bzw. S 34.105,- -. Der Vater besitze einen PKW im Wert von rund S 140.000,- -, verfüge über rund S 400.000,-- Bargeld und habe keine Schulden. Rechtlich folgerte das Erstgericht, daß das Einkommen des Vaters als überdurchschnittlich zu betrachten sei, weshalb die Kinder Anspruch auf den Regelbedarf übersteigenden Unterhalt haben. Eine Neubemessung des Unterhalts sei jedoch nur bei einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse berechtigt. Die Unterhaltserhöhung sei daher erst ab 1.10.1991 gerechtfertigt und dann wiederum ein Jahr später, weil sich zu diesem Zeitpunkt das Einkommen des Vaters erheblich erhöht habe. Die Ausgleichszahlung sei nicht in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen, da die eheliche Wohnung nun zur Gänze der Mutter gehöre und auch den Kindern zugutekomme. Die im Spruch festgesetzten Unterhaltsbeträge seien dem Alter der Kinder einerseits und dem Einkommen des Vaters andererseits angemessen. Auch der begehrte Sonderbedarf habe nur in angemessener Höhe zuerkannt werden können.
Das Gericht zweiter Instanz gab den dagegen erhobenen Rekursen beider Parteien nicht Folge. Gemäß § 140 Abs. 1 ABGB habe der Unterhaltspflichtige auch bei einem über dem Durchschnitt liegenden Einkommen seine Kinder angemessen zu alimentieren. In diesem Sinne habe das Erstgericht zu Recht den Unterhalt über den Regelbedarfssätzen ausgemittelt. Allerdings könne eine darüber hinausgehende Mehrbelastung des Unterhaltsschuldners nicht vertreten werden, da er für zwei Kinder zu sorgen und für die Sonderbedarfskosten aufzukommen habe. Die von den Kindern ins Treffen geführten Sachleistungen in Form günstigen Energiebezuges könnten bei der Bemessung nicht entscheidend ins Gewicht fallen. Auch der Erhalt der Ausgleichszahlung rechtfertige eine Mehrbelastung nicht. Es sei dem Vater in vertretbarem Umfang zuzugestehen, auch Anschaffungen zu finanzieren und Dispositionen zu treffen, welche ihm sonst nicht möglich gewesen wären. Dies müsse umso mehr dann gelten, wenn der Vater in der Lage sei, aus dem laufenden Einkommen die Bedürfnisse der Kinder in einem den Durchschnitt übersteigenden Ausmaß zu befriedigen. Daß der Vater infolge des Verlustes der Ehewohnung, in der auch die Einrichtungsgegenstände und der Hausrat verblieben seien, „zu solchen Anschaffungen“ genötigt gewesen sei, liege auf der Hand, weshalb nicht unterstellt werden könne, daß er aus S 800.000,-- ins Gewicht fallende Zinseinkünfte lukrieren habe können. Die Unterhaltserhöhungen ab Oktober 1991 und ab Oktober 1992 seien in Anbetracht der jeweiligen Einkommenserhöhungen angemessen und ohnedies über den Regelbedarfssätzen liegend. Allein der Wegfall der Sorgepflicht für die Gattin mit rund S 3.500,-- monatlich ab 1.6.1992 rechtfertige eine frühere Unterhaltserhöhung noch nicht. Der für den Zeitraum vor dem 1.10.1991 liegende Erhöhungsantrag sei zu Recht abgewiesen worden, da weder im Unterhaltsbedarf der Kinder noch in der Leistungsfähigkeit des Vaters eine wesentliche Änderung eingetreten sei. Zwar fehlten Erhebungen über die Einkommensverhältnisse im Jahre 1991, doch lasse sich aus der Entwicklung der gesamten Einkommensstruktur auf ein Einkommen im Jahr 1991 von S 26.000,-- bis S 27.000,-- schließen, was die Neubemessung nicht rechtfertigen könne, zumal der Unterhaltsschuldner im August 1991 zur Leistung eines Sonderbedarfs verhalten worden sei. Die vom Rekurswerber angesprochene Prozentjudikatur führe im Falle überdurchschnittlichen Einkommens zu unbrauchbaren Ergebnissen bzw. zu einer Überalimentierung der Kinder und werde zudem vom Rekursgericht auch in durchschnittlichen Fällen nicht angewendet.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen erhobene Revisionsrekurs der Kinder - die nach Anspruchserhebung und nach Einbringung des Revisionsrekurses eingetretene Volljährigkeit von Werner berührt das Verfahren nicht (EFSlg. 37.101) - ist im Sinne der Aufhebung der Beschlüsse der Vorinstanzen berechtigt.
Gemäß § 140 Abs. 1 ABGB hat sich die Unterhaltsbemessung unter anderem an der Leistungsfähigkeit des zur Zahlung von Geldunterhalt verpflichteten Elternteiles zu orientieren (SZ 63/60 ua). Maßgeblich für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit ist in erster Linie die sich aus dem Gesamteinkommen des Unterhaltspflichtigen nach Abzug von Steuern und öffentlichen Abgaben vom Einkommen ergebende tatsächliche wirtschaftliche Lage, somit die Summe der dem Unterhaltsschuldner tatsächlich zufließenden verfügbaren Mittel (1 Ob 535/92; 8 Ob 1614/92; 5 Ob501/93). Zu diesen Mitteln zählen grundsätzlich auch die Früchte des Vermögens (Pichler in Rummel ABGB2 § 140 Rdz 4). Das Vermögen selbst ist jedenfalls dann für Unterhaltspflichten in Anspruch zu nehmen, wenn die erforderlichen Unterhaltsleistungen nicht aus dem laufenden Einkommen bestritten werden können (SZ 54/52; RZ 1991/44; 5 Ob 576/90; 6 Ob 625/91; Pichler aaO § 140 Rdz 4). Greift der Unterhaltspflichtige die Substanz seines Vermögens an, um damit die Kosten der von ihm gewählten Lebensführung zu decken, dann kann dieses Maß der Inanspruchnahme auch als Grundlage für die Bemessung des Unterhaltsanspruches der Kinder dienen (6 Ob 625/91).
Den Vorinstanzen ist darin beizupflichten, daß der Oberste Gerichtshof zu 1 Ob 595/91 ausgesprochen hat, daß aus dem vom Gesetzgeber der Ausgleichszahlung gemäß § 94 EheG im Regelfall zugedachten Zweck zu schließen ist, daß diese Zahlung in die Bemessungsgrundlage nicht einzubeziehen ist, weil sie in den allermeisten Fällen zur Beschaffung einer Ersatzwohnung, deren Einrichtung und ganz allgemein auch zur Sicherung der wirtschaftlichen Grundlagen verwendet werden muß. Von dieser grundsätzlichen Rechtsansicht abzugehen besteht kein Anlaß. Bedenkt man, daß im gegenständlichen Fall die Ausgleichszahlung das Surrogat für das Hälfteeigentum an einem Einfamilienhaus darstellt, erscheint es unter Bedachtnahme auf die Geldwertverdünnung einerseits und die Wertsteigerung von Immobilien andererseits sachgerecht, auch die Verzinsung eines derartigen Kapitalbetrages nicht der Bemessungsgrundlage zuzuschlagen, solange sichergestellt ist, daß Kapital zuzüglich Zinsen wieder zur Anschaffung von Wohnraum oder sonstiger notwendiger, langlebiger im Aufteilungsverfahren aufgegebener Gegenstände, wie etwa von Wohnungseinrichtung verwendet wird. Diese Ausnahme kann jedoch nur gelten, wenn das Geld nachweislich für diesen Zweck gebunden ist und in üblicher Zeit nach Erhalt für die beschriebenen Anschaffungen verwendet wird.
Wird das Vermögen zwar gespart, soll aber nicht den genannten Zwecken dienen, etwa weil der Unterhaltspflichtige anderweitig für die Wohnmöglichkeit vorsorgen konnte, ist der Vermögensstamm unter den genannten Voraussetzungen, somit bei gegebener Zumutbarkeit und Unfähigkeit, die erforderlichen Unterhaltsleistungen aus dem laufenden Einkommen zu bestreiten, heranzuziehen. Die Zinsen sind dem die Bemessungsgrundlage bildenden Gesamteinkommen zuzuschlagen. Verwendet der Unterhaltspflichtige auch das Vermögen selbst, um damit einen höheren Lebensstandard zu finanzieren, ohne die dargestellten Zwecke der Ausgleichszahlung zu verwirklichen, ist in diesem Umfang auch der Vermögensstamm in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen.
Der für das Außerstreitverfahren geltende Untersuchungsgrundsatz hat grundsätzlich nicht zur Folge, daß für die Parteien die Beweislast entfällt. Die subjektive Beweislast, das ist die Verpflichtung der Parteien, den Beweis der für ihren Rechtsstandpunkt günstigeren Tatsachen zu erbringen, wird nur durch die Verpflichtung des Gerichtes ergänzt, auch ohne Parteienbehauptungen die zur Entscheidung erforderlichen Tatsachen zu erheben (EvBl 1978/146; RZ 1992/48; SZ 53/54; SZ 43/40). Die Frage der Verwendung der Ausgleichszahlung wird im allgemeinen nicht ohne Mitwirkung des Unterhaltspflichtigen geklärt werden können (vgl. EvBl 1992/20; 3 Ob 609/90; 1 Ob 507/92), so daß den auf Unterhaltsleistung in Anspruch genommenen Vater infolge der „Nähe zum Beweis“ (vgl. Fasching, Lehr- und Handbuch2 Rdz 883) dafür die Beweislast trifft, daß er die erhaltene Ausgleichszahlung einschließlich deren Verzinsung dem mehrfach genannten Zweck entsprechend verwendet hat oder zu verwenden beabsichtigt.
Beide Vorinstanzen haben trotz Vorbringens der Unterhaltsberechtigten, die Ausgleichszahlungen seien zumindest teilweise anderweitig verwendet worden und der Behauptung des Vaters, er beabsichtige, eine Wohnung zu erwerben, auf Grund ihrer vom Obersten Gerichtshof nicht geteilten Rechtsansicht keine Feststellungen darüber getroffen, welche Zahlungen der Unterhaltspflichtige erhalten und wie diese verwendet wurden bzw. verwendet werden sollen. Hiezu wird im fortgesetzten Verfahren die Vernehmung der beiden Elternteile, allenfalls unter Anleitung, entsprechende Urkunden vorzulegen, unumgänglich sein.
Erst wenn der Sachverhalt in dieser Richtung entsprechend geklärt ist, wird auch darüber abgesprochen werden können, ab wann wegen wesentlicher Änderung der Verhältnisse eine Änderung der Unterhaltsbemessung für die Vergangenheit zu erfolgen hat (RZ 1991/52; 3 Ob 1570/91). Im Rahmen der hiebei erforderlichen Sachverhaltserhebungen wird auch die im Teilakt ON 23 erliegende Gehaltsauskunft für die Zeit vom 1.1.1991 bis 1.6.1991 für die zweite Jahreshälfte zu vervollständigen sein, um so einen ausreichenden Überblick über die Gehaltssituation und deren jeweilige Änderungen erlangen zu können.
Der Oberste Gerichtshof hat schon wiederholt ausgesprochen, daß die Unterhaltsbemessung nach Prozentsatzkomponenten im Interesse der Gleichbehandlung gleichgelagerter Fälle erfolgen kann und für durchschnittliche Verhältnisse eine brauchbare Handhabe gibt, um den Unterhaltsberechtigten an den Lebensverhältnissen des Unterhaltspflichtigen teilhaben zu lassen. Diese Methode trägt auch den Grundsätzen einer angemessenen Berücksichtigung konkurrierender Unterhaltspflichten Rechnung (JBl. 1991, 40; RZ 1991/26; RZ 1991/50; 5 Ob 544/91; 4 Ob 512/92). Entgegen der Ansicht des Rekursgerichtes kann keine Rede davon sein, daß diese Berechnungsmethode bei überdurchschnittlichen Verhältnissen völlig unbrauchbare Ergebnisse liefere, da auch bei Berechnung nach der Prozentsatzkomponente die im § 140 ABGB verankerte Angemessenheitsgrenze nicht außer acht gelassen werden darf. Dieser sogenannte „Unterhaltsstop“ wurde von der Rechtsprechung mit rund dem Zweieinhalbfachen des Durchschnittsbedarfs angesetzt (vgl die Zitate in Purtscheller-Salzmann, Unterhaltsbemessung Rdz 17). Der bisher vom Vater geleistete Sonderbedarf wäre bei der Bemessung dann in Abzug zu bringen, wenn die Unterhaltsberechtigten nicht dartun können, daß sie trotz der den Regelbedarf erheblich überschreitenden Unterhaltsbeträge außerstande wären, diesen Sonderbedarf selbst zu tragen (SZ 63/81).
Beide Vorinstanzen haben nicht dargelegt, nach welchen nachvollziehbaren Erwägungen die Unterhaltsfestsetzung vorgenommen wurde. Der mehrfache Hinweis auf die Angemessenheit des Betrages vermag eine substantiierte Begründung nicht zu ersetzen.
Es war daher dem Rekurs Folge zu geben.
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