OGH 1Ob556/80

OGH1Ob556/8026.3.1980

SZ 53/54

Normen

ABGB §140
AußstrG §2 Abs2 Z5
AußstrG §2 Abs2 Z6
AußstrG §14 Abs2
ZPO §266
ABGB §140
AußstrG §2 Abs2 Z5
AußstrG §2 Abs2 Z6
AußstrG §14 Abs2
ZPO §266

 

Spruch:

Wird ein Unterhaltserhöhungsantrag eines Minderjährigen gegen einen Unterhaltspflichtigen, der unbekannten Aufenthaltes ist, lediglich auf die allgemeine Veränderung der Lebenshaltungskosten und der Einkommensverhältnisse sowie den erhöhten Bedarf des älter gewordenen Kindes gestützt, trifft die Beweislast, zur Bezahlung des entsprechend erhöhten Unterhaltsbetrages nicht in der Lage zu sein, den Unterhaltspflichtigen

OGH 26. März 1980, 1 Ob 556/80 (LGZ Wien 44 R 3102/79; BG Favoriten 2 P 257/77)

Text

Der Vater des am 24. Oktober 1971 unehelich geborenen Bernhard N, der Elektrotechniker Leo S, der zuletzt in Wien wohnhaft gewesen war, ist seit mindestens 1976 unbekannten Aufenthaltes. Auf Grund der am 21. Jänner 1975 vor dem Bezirksjugendamt für den 10. Bezirk in Wien geschlossenen Vereinbarung ist der Vater verpflichtet, zum Unterhalt des Minderjährigen ab 1. Feber 1975 einen Unterhaltsbetrag von monatlich 850 S zu bezahlen.

Das Erstgericht bestellte Rechtsanwalt Dr. Karl K gemäß §§ 116 ZPO, 6 AußstrG zum Prozeßkurator des Abwesenden und wies den Antrag des Unterhaltssachwalters, den Vater ab 25. April 1979 zu einer weiteren monatlichen Unterhaltsleistung von 450 S (insgesamt also 1300 S monatlich) zu verpflichten, mit der Begründung ab, daß weder der Aufenthalt noch der Arbeitgeber des Abwesenden festgestellt werden könne, sodaß die Voraussetzungen für die begehrte Unterhaltsverpflichtung nicht überprüfbar seien.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Unterhaltssachwalters statt und erhöhte den vom Unterhaltspflichtigen ab 25. April 1979 monatlich zu leistenden Unterhalt auf 1300 S. Wenn es ein unterhaltspflichtiger Elternteil vorsätzlich oder grob fahrlässig unterlasse, einem ihm zumutbaren Erwerb nachzugehen, der es ihm ermöglichen würde, zumindest den Durchschnittsbedarf seines Kindes zu decken, komme er der Verpflichtung, nach Kräften (§§ 140, 166 ABGB) zum Unterhalt des Kindes beizutragen, nicht nach, sodaß nach der herrschenden Rechtsprechung die sogenannte Anspannungstheorie anzuwenden sei. Die bisherige Rechtsprechung sei allerdings zur Ansicht gelangt, daß die Anspannungstheorie im Falle des unbekannten Aufenthaltes des Unterhaltspflichtigen nicht zur Anwendung gelangen könne, da nicht geprüft werden könne, ob der Unterhaltsschuldner überhaupt arbeitsfähig sei und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine angemessene Beschäftigung finden könne. Diese Begründung sei jedoch nicht stichhältig, weil die Partei auch in Verfahren, die vom Untersuchungsgrundsatz beherrscht seien, die subjektive Beweislast treffe, die ihr günstigen rechtserheblichen strittigen Tatsachen zu beweisen. Die Pflicht werde allerdings durch die amtswegige Wahrheitsforschungspflicht des Gerichtes ergänzt. Sei aber eine streiterhebliche Tatsache nicht beweisbar, so müsse nach den Normen der subjektiven Beweislast bestimmt werden, zu wessen Lasten die Unmöglichkeit der Beweisführung gehe. Im allgemeinen müsse derjenige, der ein Recht in Anspruch nehme, die rechtsbegrundenden und rechtsgestaltenden Tatsachen beweisen; wer sich hingegen auf den Nichteintritt oder auf die Beseitigung eines rechtserheblichen Tatbestandes berufe, müsse die rechtshindernden oder rechtsvernichtenden Tatsachen beweisen. Im Unterhaltsverfahren habe der Unterhaltsberechtigte die Abstammung, das Wissen des Unterhaltspflichtigen von seiner Unterhaltsverpflichtung und seinen Bedarf, der Unterhaltspflichtige hingegen seine Unfähigkeit zur Leistung der gesetzlichen Verpflichtung trotz Anspannung seiner Kräfte (§ 1298 ABGB) zu beweisen. Sei im Falle unbekannten Aufenthaltes des Unterhaltspflichtigen der von ihm zu erbringende Nachweis weder durch ihn noch durch amtswegige Erhebungen des Vormundschaftsgerichtes möglich, so sei im Falle des Nachweises der dem Unterhaltsberechtigten obliegenden Umstände der Unterhaltsbeitrag in jener Höhe festzusetzen, der dem Durchschnittsbedarf entspreche und dem Unterhaltspflichtigen unter Berücksichtigung seiner sonstigen Sorgepflichten zumutbar wäre, wenn er eine auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt angebotene Stellung annähme. Im gegenständlichen Fall sei erwiesen, daß der Unterhaltspflichtige der uneheliche Vater des Minderjährigen sei, er von seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht wisse - sein Tod sei gemäß § 10 TEG nicht zu vermuten -, der Unterhaltsbedarf des unterhaltsberechtigten Kindes den geforderten Unterhaltsbetrag übersteige und nach der allgemeinen Lebenserfahrung ein Elektrotechniker auf dem Arbeitsmarkt unter Anspannung seiner Kräfte zumindest 8000 S monatlich verdienen könne.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Dr. K nicht Folge und wies dessen Antrag auf Kostenzuspruch zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Durch § 14 Abs. 2 AußStrG wird eine Anfechtung der Entscheidung zweiter Instanz über die Bemessung gesetzlicher Unterhaltsansprüche ausgeschlossen. Zur Bemessung gehört die Beurteilung der Bedürfnisse des Unterhaltsberechtigten, der zur Deckung dieser Bedürfnisse vorhandenen Mittel, die vor der Leistung des Unterhaltspflichtigen heranzuziehen sind, und der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen (Jud. 60 neu = SZ 27/177 u. v. a.). Auch die Frage nach der Zumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit des Unterhaltspflichtigen nach der sogenannten Anspannungstheorie betrifft dessen Leistungsfähigkeit und gehört damit zum Fragenkomplex der Unterhaltsbemessung (EFSlg. 30 508 u. a.). Die Ausführungen des Revisionsrekurswerbers richten sich aber nicht gegen einen fehlerhaften Bemessungsvorgang. Er macht geltend, der Grundsatz, daß jede Partei die für ihren Rechtsstandpunkt günstigen Tatsachen zu beweisen habe, müßte dazu führen, daß der Unterhaltserhöhungsantrag abzuweisen sei, weil weder dem Antragsteller der Beweis, daß der Unterhaltspflichtige gesund sei und tatsächlich 8000 S monatlich verdiene, noch dem Unterhaltspflichtigen der Beweis des Gegenteils gelungen sei. Damit greift aber das Rechtsmittel die vom Rekursgericht vorgenommene Beweislastverteilung an, wonach der Unterhaltsverpflichtete seine Unfähigkeit zur Leistung der gesetzlichen Verpflichtung trotz Anspannung seiner Kräfte zu beweisen habe. Werden bei der Bemessung gesetzlicher Unterhaltsansprüche, insbesondere bei unterhaltspflichtigen Personen unbekannten Aufenthaltes, einzelne Bemessungskomponenten mangels entsprechender Tatsachengrundlagen auf Grund einer Beweislastverteilung als gegeben oder nicht gegeben angenommen - wird also von fiktiven Annahmen ausgegangen -, ist die Beurteilung, zu wessen Lasten die Unmöglichkeit der Beweisführung geht, eine solche der Voraussetzungen der Unterhaltsbemessung und gehört damit nicht zum Bemessungskomplex (EFSlg. 32 561).

Es ist der Auffassung des Rekursgerichtes zu folgen, daß die Beweislastregeln auch für die vom Untersuchungsgrundsatz beherrschten Verfahren von Bedeutung sind. Der Untersuchungsgrundsatz hat also keineswegs zur Folge, daß es für die Parteien keine Beweislast gibt (so aber Ott, Rechtsfürsorgeverfahren, 181; Gögl, Der Beweis im Verfahren außer Streitsachen, ÖJZ 1956, 346). Die subjektive Beweislast, das ist die Verpflichtung der Parteien, den Beweis der für ihren Rechtsstandpunkt günstigen Tatsachen zu erbringen, wird nur durch die Verpflichtung des Gerichtes ergänzt, auch ohne Parteienbehauptungen die zur Entscheidung erforderlichen Tatsachen zu erheben (EvBl. 1978/146). Wird aber trotz des Untersuchungsgrundsatzes der Beweis für streiterhebliche Tatsachen nicht erbracht, dann muß auch in den von diesem Grundsatz beherrschten Verfahren dem Gericht eine Regel an die Hand gegeben werden, nach der es zu bestimmen hat, zu wessen Lasten die Unmöglichkeit der Beweisführung geht (vgl. Fasching, Komm. III, 237; derselbe, Verfahren zur Feststellung der ehelichen und unehelichen Abstammung, 75 f.; Rosenberg, Beweislast[5], 24 ff. und 28 ff.).

Im vorliegenden Fall geht der angefochtenen Entscheidung eine Unterhaltsfestsetzung aus dem Jahre 1975 voraus.

Es handelt sich somit nicht um eine Erstbemessung. Bis zum Beweis des Gegenteils ist dann aber von jenen Verhältnissen auszugehen, die dieser Erstfestsetzung zugrunde lagen. Dem auch vom Rechtsmittelwerber anerkannten allgemeinen Grundsatz, daß jede Partei die für ihren Rechtsstandpunkt günstigen Tatsachen zu beweisen hat (JBl. 1975, 100; SZ 48/92; EvBl. 1959/38 u. a.; Fasching, Komm. III, 234; Rosenberg a.a.O., 98 f.), entspricht es nämlich, daß derjenige, der eine für die Unterhaltsbemessung maßgebliche, sich nicht bloß aus der allgemeinen Veränderung der Lebenshaltungskosten und Einkommensverhältnisse und dem erhöhten Bedarf älter gewordener Kinder ergebende Änderung der auf seiner Seite eingetretenen, zu seinen Gunsten ausschlagenden Verhältnisse behauptet, dies zu beweisen hat. Der Antrag des unterhaltsberechtigten Kindes stellt sich nur als Anpassung an die seit der Erstfestsetzung des Unterhaltes eingetretene Geldentwertung und seinen erhöhten Bedarf dar. Eine erhöhte Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen war also gar nicht Gegenstand der Entscheidung. Sache des Unterhaltspflichtigen wäre es dann gewesen, eine ihn entlastende Änderung der Verhältnisse im Sinne einer verminderten Leistungsfähigkeit zu beweisen. Der Beweislastverteilung des Rekursgerichtes ist demnach jedenfalls für den vorliegenden Fall beizupflichten. Der Beweis verminderter Leistungsfähigkeit wurde aber vom Unterhaltspflichtigen nicht erbracht. Ob, wie das Rekursgericht meint, der Unterhaltspflichtige in jedem Fall seine Unfähigkeit zur Leistung des gesetzlichen Unterhaltes zu beweisen habe, kann vorerst dahingestellt bleiben. Daß das Rekursgericht als Bemessungsinstanz davon ausging, der im Jahre 1975 5000 S netto verdienende Vater könne nunmehr 8000 S netto verdienen und den geforderten Unterhaltsbetrag bezahlen, unterliegt nicht mehr der Überprüfung durch den OGH.

Der Antrag auf Kostenzuspruch des Prozeßkurators an den OGH ist zurückzuweisen, da über die Kosten des Prozeßkurators nur das Gericht zu entscheiden hat, das ihn bestellte (EvBl. 1972/299 u. a.).

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