Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der Beschluß des Rekursgerichtes wird aufgehoben, diesem eine neue Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Text
Begründung
Der am 10. November 1959 geborene Vater der drei unterhaltsberechtigten ehelichen Kinder leidet seit 1983 an einem Morbus Crohn, einer schweren Darmerkrankung. Er hat aus diesem Grund (derzeit) einen finanziellen Mehrbedarf (von monatlich S 4.000) für Lebensmittel und Medikamente. Er bezog 1989 im Schnitt eine monatliche Nettopension von S 9.770, 1990 eine solche von S 9.960.
Mit (Scheidungs-)Vergleich vom 17. Juni 1988 verpflichtete sich der Vater, für Dominik einen monatlichen Unterhaltsbetrag von S 1.500 und für Daniel und Nadine einen solchen von je S 1.300 zu Handen der Mutter zu bezahlen. Zufolge Entzuges der ihm zuerkannten vorübergehenden Invaliditätspension wurden diese Unterhaltsbeiträge mit Beschluß des Erstgerichtes vom 6. Dezember 1988 ab 1. August 1988 auf je S 400 pro Kind herabgesetzt. Dem nach neuerlicher Pensionszuerkennung gestellten Begehren des Bezirksjugendamtes für den 10. Bezirk als besonderem Sachwalter der Kinder auf Erhöhung der Alimentation auf das ursprüngliche Vergleichsausmaß hielt Erich J***** bei seiner Einvernahme am 22. Februar 1989 entgegen, daß er auf Grund seiner Erkrankung "einen Mehraufwand für Diät" habe. Da er jedoch seiner Ankündigung, eine Bestätigung für diese Mehrauslagen innerhalb von 14 Tagen vorzulegen, nicht nachkam, setzte das Erstgericht mit Beschluß vom 16. März 1989 die Unterhaltsverpflichtung wie im Scheidungsvergleich mit Wirkung ab 1. August 1988 fest. Dieser Beschluß erwuchs mangels Erhebung eines Rechtsmittels in Rechtskraft.
Im Herabsetzungsantrag vom 12. Dezember 1989 brachte der Vater vor, daß er zufolge seiner Erkrankung mit monatlichen Mehrkosten für Diät und Medikamente in Höhe von S 4.000 belastet sei. Das Erstgericht setzte nach Einholung eines medizinischen Sachverständigen-Gutachtens antragsgemäß die Unterhaltsverpflichtung für die drei Kinder auf je S 650 monatlich herab.
Das Rekursgericht wies mit der angefochtenen Entscheidung den Herabsetzungsantrag des unterhaltspflichtigen Vaters ab. Es erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs als zulässig. Der Zustand des Vaters habe sich bereits im Jänner 1989 erheblich verschlechtert, sodaß an ihm eine ausgedehnte Darmresektion vorgenommen werden mußte. Die Mehraufwendungen seien bereits ab diesem Zeitpunkt angefallen, also bereits vor seiner Stellungnahme zum Unterhaltserhöhungsantrag der Kinder. Aus dem nunmehrigen Sachverhalt könne keine wesentliche Verschlechterung gegenüber Jänner 1989 erschlossen werden, vielmehr habe der Vater nur einen Sachverhalt bewiesen, dessen Nachweis er im Rahmen des letzten Unterhaltsfestsetzungsverfahrens versäumt habe.
Der Revisionsrekurs des Vaters ist berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Nach Lehre und Rechtsprechung kommt auch Beschlüssen im außerstreitigen Verfahren im Hinblick auf § 18 Abs 1 AußStrG materielle und formelle Rechtskraft zu (EFSlg 47.280; ÖA 1984, 44; SZ 44/181; JBl 1974, 268 ua; Fasching III, 699), die aber einer nachträglichen Änderung der Verhältnisse nicht standhält (JBl 1974, 268 ua). Zufolge der jeder Unterhaltsbemessung stillschweigend innewohnenden Umstandsklausel (EFSlg 46.272, 43.711 f uva; Rummel in Rummel, ABGB2, Rz 8a zu § 901; Schlemmer/Schwimann in Schwimann, § 140 ABGB Rz 90) kann das Gericht bei einer wesentlichen Änderung der für die Unterhaltsbemessung maßgeblichen Verhältnisse - Bedürfnisse des Berechtigten oder Leistungsfähigkeit des Verpflichteten - eine andere Entscheidung treffen (EFSlg 46.272; JBl 1974, 268; EFSlg 26.489 uva; Rummel aaO). Der für das Außerstreitverfahren geltende Untersuchungsgrundsatz hat grundsätzlich nicht zur Folge, daß es für die Parteien keine Beweislast gibt (RZ 1981, 39 = ÖA 1980, 23). In der Regel ist es dem Gericht im Rahmen der amtswegigen Wahrheitserforschung nicht möglich, Umstände, wie sie hier der Revisionswerber am 16. Februar 1989 geltend gemacht hat, ohne seine Mitwirkung zu erfassen. Fraglich ist jedoch, ob dies dem Rekurs selbst damals schon möglich war. Beim Morbus Crohn (enteritis regionalis Crohn) handelt es sich um eine sich schubweise verschlechternde Darmerkrankung ohne günstige Heilungsprognose (vgl. Pschyrembel254, 312). Das wahre Ausmaß der finanziellen Mehrbelastung nach der ausgedehnten Darmresektion im Jänner 1989 war wohl erst in einem gewissen Abstand nach der Operation abschätzbar, sodaß sich die wirtschaftlich existenzbedrohende Belastung durch Mehrausgaben um Diät und Arzneien erst einige Monate danach klar herausstellen mußte. Einerseits verleitet die Hoffnung auf Besserung zur Annahme, daß mit der Operation eine Wende im gesundheitlichen Zustand eingetreten sei, andererseits kann der finanzielle Aufwand einer offensichtlich erst einige Zeit nach der Operation wirksam greifenden Diät schwer wenige Wochen oder Monate nach diesem Geschehen abgeschätzt werden. Unter diesem Gesichtspunkt kann der zunächst nicht erbrachte Nachweis des unterhaltspflichtigen Vaters über den Umfang seiner krankheitsbedingten Mehrausgaben und die unterlassene Bekämpfung der Unterhaltsneufestsetzung ihm nicht zum Nachteil gereichen, weil sich gegenüber dem seinerzeit beurteilten ein neuer Sachverhalt ergeben hat. Letztlich fällt auch noch ins Gewicht, daß durch eine Unterhaltsverpflichtung die Erhaltung des Gesundheitszustandes des Unterhaltsverpflichteten nicht gefährdet werden darf, um den Unterhaltsberechtigten einen Weiterbezug der Alimentation zu ermöglichen. Beim Revisionswerber liegt es nahe, daß er bei Aufrechterhaltung der bisherigen Unterhaltsverpflichtung nicht in der Lage wäre, sich eine lebenserhaltende Diät zu verschaffen.
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