Normen
ABGB §140
ABGB §140
ABGB §141
FamLAG §2 Abs2
FamLAG §11 Abs2
FamLAG §12a
ABGB §140
ABGB §140
ABGB §141
FamLAG §2 Abs2
FamLAG §11 Abs2
FamLAG §12a
Spruch:
Die Heranziehung des Stammes eigenen Vermögens der Großeltern zur Deckung des Unterhaltes einkommens- und vermögensloser Enkel kommt nur dann in Betracht, wenn die primär unterhaltspflichtigen Eltern den Unterhalt auch unter zumutbarer Heranziehung des Stammes ihres Vermögens nicht leisten können
Bezieht ein Elternteil die Familienbeihilfe, ist sie bei Beurteilung der Frage mitzuberücksichtigen, inwieweit die primär unterhaltspflichtigen Eltern nach ihren Kräften zur Leistung des Unterhaltes ihrer Kinder imstande sind bzw. inwieweit, weil dies nicht der Fall ist, die subsidiäre Unterhaltspflicht der Großeltern einzutreten habe
OGH 8. April 1981, 1 Ob 570/81 (LG Salzburg 33 R 13/81; BG Mittersill P 133/80)
Text
Das Erstgericht wies den Antrag der minderjährigen ehelichen Kinder (Antragsteller), die väterliche Großmutter (Antragsgegnerin) als subsidiär Unterhaltspflichtige zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von 500 S pro Kind zu verpflichten, ab. Es stellte im wesentlichen fest, daß der eheliche Vater der Antragsteller als Landwirt und Liftbediensteter monatlich 8490.40 S verdiene, wovon er 1940 S monatlich (1800 S bar, Rest Naturalleistungen) an die austragsberechtigte Antragsgegnerin leisten müsse. Der Vater sei Eigentümer eines Bergbauerngutes mit
17.35 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche und 5.30 ha Erlenwaldbestand. Die Antragsgegnerin verfüge über eine monatliche Pension von 2541 S, die oben erwähnten Auszugsleistungen und monatlichen Mieteinnahmen von 1500 S, von denen sie die Instandhaltungskosten ihrer zwei Häuser in U zu tragen habe. Das Erstgericht war der Ansicht, daß die subsidiäre Unterhaltspflicht der Antragsgegnerin nicht zum Tragen komme, da der primär unterhaltspflichtige Vater nicht mittellos sei. Der Vater habe auch die Familienbeihilfe zweckentsprechend zur Erziehung der Kinder zu verwenden.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragsteller Folge und verpflichtete die väterliche Großmutter zur beantragten Unterhaltsleistung. Die Eltern der Antragsteller - die Mutter scheide mangels eines eigenen Einkommens aus - seien bei weitem nicht imstande, den Kindern den Unterhalt in der Höhe des Regelbedarfes zu bezahlen, auch wenn man berücksichtige, daß verschiedene Produkte am Bauernhof billiger produziert werden könnten. Die vom Vater bezogene Familienbeihilfe sei nicht in Anschlag zu bringen, da sie gemäß § 12a FamLAG nicht als Einkommen des Kindes gelte und dessen Unterhaltsanspruch nicht mindere. Die väterliche Großmutter sei daher zur Bezahlung des Differenzbetrages auf die angemessenen Bedürfnisse der Kinder insoweit zu verpflichten, als sie dadurch den eigenen Unterhalt nicht gefährde. Die väterliche Großmutter beziehe einschließlich der 13. und 14. Pension und ihrer sonstigen Einkünfte monatlich 6 404.50 S. Besondere Instandhaltungskosten für ihre Häuser habe sie nicht nachgewiesen. Nach Abzug der Unterhaltsleistungen bleibe ihr ein Betrag von 3 904.50 S, mit dem sie ohne weiteres das Auslangen finden könne. Erforderlichenfalls müsse sie auch ihr Stammvermögen zur Unterhaltsdeckung heranziehen.
Über Revisionsrekurs der Großmutter hob der Oberste Gerichtshof den Beschluß des Rekursgerichtes auf und trug diesem die neuerliche Entscheidung über den Rekurs der Antragsteller auf.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Gemäß § 14 Abs. 2 AußStrG sind Rekurse gegen Entscheidungen der zweiten Instanz über die Bemessung gesetzlicher Unterhaltsansprüche unzulässig. Nach dem Jud. 60 neu (SZ 27/177) gehört zur Bemessung des gesetzlichen Unterhaltes die Beurteilung der Bedürfnisse des Unterhaltsberechtigten, der zur Deckung dieser Bedürfnisse vorhandenen Mittel, die vor der Leistung des Unterhaltspflichtigen heranzuziehen sind, sowie der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen. Der OGH hat dazu aber klargestellt, daß der Ausdruck "Bemessung" ein Bemessen voraussetzt, was nur der Fall ist, wenn die Entscheidung abwägt, wie hoch der Unterhalt innerhalb eines gegebenen Spielraumes zu sein habe, wenn es also um das Wieviel und nicht um das Ob geht (SZ 45/87; SZ 39/196 u. a.). Es kommt darauf an, ob das Gericht zweiter Instanz unter Berücksichtigung aller nach dem Gesetz wesentlicher Umstände die sodann unanfechtbare Bemessung des Unterhaltes mit einem bestimmten Betrag vornimmt (oder zur Ablehnung des Anspruches gelangt, weil die Bemessung "Null" ergibt) oder ob es aus rechtlichen Gründen nach dem Gesetz für die Unterhaltsbemessung maßgebende Voraussetzungen verkennt. Ein Revisionsrekurs, der solche Umstände geltend macht, richtet sich nicht gegen die Bemessung des gesetzlichen Unterhalts, sondern bekämpft die Rechtsgrundlagen der Bemessung, so daß insoweit die Rechtsmittelbeschränkung des § 14 Abs. 2 AußStrG nicht gilt (EFSlg. 35 008, 32 560; SZ 49/95; RZ 1974/84; JBl. 1973, 368; SZ 45/87 u. v. a.).
Die Revisionsrekurswerberin macht mit ihren Ausführungen zum Teil solche Umstände geltend. Allerdings kann ihrer Ansicht, sie bekämpfe schon deshalb den Grund des Anspruches, weil ihre subsidiäre Unterhaltspflicht überhaupt nicht zu Tragen komme, nicht gefolgt werden. Nach ständiger Rechtsprechung betrifft die Beantwortung der Frage, ob und in welchem Ausmaß eine subsidiär unterhaltspflichtige Person mit Rücksicht auf die Leistungsfähigkeit von Vorverpflichteten ganz oder teilweise zu Unterhaltsleistungen heranzuziehen ist, nicht den Grund des Anspruches, sondern seine Bemessung (EFSlg. 34 996, 32 557; ÖA 1974, 22 u. a.). Auch die Beurteilung, inwieweit hiebei vom tatsächlichen Einkommen der primär Unterhaltspflichtigen auszugehen oder ein fiktives, bei Anspannung ihrer Kräfte zu erzielendes höheres Einkommen zugrunde zu legen ist, betrifft die Leistungsfähigkeit der Vorverpflichteten und gehört damit zum Bemessungskomplex (EFSlg. 32 545, 30 508). Dies gilt auch dann, wenn geltend gemacht wird, daß sich bei angemessener Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit der primär Unterhaltspflichtigen überhaupt keine Zahlungspflicht des subsidiär Unterhaltspflichtigen ergibt. Den Grund des Anspruches betrifft hingegen die Frage, unter welchen Voraussetzungen das Subsidiaritätsprinzip überhaupt zum Tragen kommt, wenn es also etwa darum geht, ob die subsidiäre Unterhaltspflicht erst bei (teilweiser) Leistungsunfähigkeit der Vorverpflichteten oder aber schon dann eintritt, wenn der Unterhalt von den Vorverpflichteten nur nicht rechtzeitig oder vollständig hereingebracht werden kann (SZ 51/110). Rechtsgrundlagen der Bemessung berührt aber auch die Rüge der Revisionsrekurswerberin, daß das Rekursgericht die vom primär Unterhaltspflichtigen bezogene Familienbeihilfe überhaupt nicht in den Bemessungsvorgang miteinbezogen hat und daß ihr als subsidiär Unterhaltspflichtiger die Inanspruchnahme des Stammes ihres Vermögens zugemutet wurde, ohne daß vorher eine Heranziehung des Stammes des Vermögens der primär Unterhaltspflichtigen auch nur erwogen wurde.
§ 12a FamLAG i.d.F. BGBl. 646/1977 ordnet an, daß die Familienbeihilfe nicht als eigenes Einkommen des Kinds gilt und dessen Unterhaltsanspruch nicht mindert. Sie gehört also nicht zu den den Unterhaltsanspruch des Kindes mindernden Einkünften im Sinne des § 140 Abs. 3 ABGB. Die Neufassung des § 12a FamLAG ordnet damit weitergehend als zuvor, als die Hälfte der Familienbeihilfe bei Bemessung des Unterhaltsanspruches nicht zu berücksichtigen war, an, daß die Familienbeihilfe in ungeschmälerter Höhe dem Haushalt zuzukommen hat, in dem das Kind betreut wird, und keine Entlastung der Person zu bringen hat, die zwar für das Kind unterhaltspflichtig ist, bei der es jedoch nicht haushaltszugehörig ist (RV 636 BlgNR, XIV. GP, 11). Dieser Regelungszweck wird noch dadurch unterstützt, daß in den Fällen, in denen das Kind zu einem Haushalt gehört, nur mehr die Person Anspruch auf Familienbeihilfe hat, zu deren Haushalt das Kind gehört (§ 2 Abs. 2 FamLAG). Diese Regelung ist nach ihrem Zweck offensichtlich auf die unvollständige Familie (Zugehörigkeit des Kindes zum Haushalt eines Elternteils) abgestellt. Bei Zugehörigkeit zum gemeinsamen Haushalt beider Elternteile sind grundsätzlich beide Elternteile nach § 2 Abs. 2 FamLAG bezugsberechtigt; die Sonderregelung des § 11 Abs. 2 FamLAG (Anspruchsberechtigung des Elternteils, der das Kind überwiegend pflegt) kommt nur zur Anwendung, wenn beide Elternteile (konkurrierend) die Familienbeihilfe begehren. Gilt die Familienbeihilfe aber nicht als Einkommen des Kindes, sondern jenes Haushaltes, in dem das Kind betreut wird, hat sie als Einkommen des nach § 2 Abs. 2 (bzw. nach § 11 Abs. 2) FamLAG Anspruchsberechtigten und damit vor allem desjenigen zu gelten, der die Beihilfe bezieht und dessen Haushalt das Kind teilt (Ent im Vortragsbericht, Anw. 1979, 395 ff., 397). Gilt demnach aber im vorliegenden Fall die Familienbeihilfe als Einkommensbestandteil des Vaters bzw. der Eltern, so ist sie bei der Beurteilung der Frage mitzuberücksichtigen, inwieweit die gemäß § 140 Abs. 1 und 2 ABGB primär unterhaltspflichtigen Eltern nach ihren Kräften zur Leistung des Unterhaltes imstande sind (§ 141 ABGB) bzw. inwieweit, weil dies nicht der Fall ist, die subsidiäre Unterhaltspflicht der Revisionsrekurswerberin als väterlicher Großmutter einzutreten habe.
Eine ausdrückliche Regelung über die Heranziehung des Stammes eigenen Vermögens zur Unterhaltsdeckung enthält das Gesetz nur in bezug auf den Unterhaltsberechtigten. § 141 ABGB ordnet - aber nur für die subsidiäre Unterhaltspflicht der Großeltern - an, daß sich der Unterhaltsanspruch eines Enkels insoweit mindert, als ihm die Heranziehung des Stammes eigenen Vermögens zumutbar ist. Der primär Unterhaltspflichtige muß hingegen im Rahmen des Zumutbaren zur Erfüllung seiner Unterhaltsverpflichtungen auch sein Vermögen angreifen, soweit die erforderlichen Unterhaltsleistungen nicht aus seinen laufenden Einkommen bestritten werden können, da nach § 140 Abs. 1 ABGB die Eltern zur Deckung der Bedürfnisse des Kindes ..... nach ihren Kräften beizutragen haben. Die daraus abgeleitete sogenannte Anspannungstheorie deckt auch die Verpflichtung zur Leistung des Unterhaltes unter zumutbarer Heranziehung des Stammes des Vermögens der Eltern. Da hingegen die Unterhaltspflicht der Großeltern nur insoweit eintritt, als die Eltern nach ihren Kräften zur Leistung des Unterhaltes nicht imstande sind und dem Unterhaltsberechtigten die Heranziehung des Stammes allfälligen eigenen Vermögens nicht zumutbar ist, kommt eine Heranziehung des Stammes eigenen Vermögens der Großeltern jedenfalls nur insoweit in Betracht, als die zuvor heranzuziehenden Eltern den Unterhalt auch unter zumutbarer Heranziehung des Stammes ihres Vermögens nicht aufbringen können. Der angefochtene Beschluß verkennt somit auch in dieser Frage Rechtsgrundlagen der Bemessung, indem er der Großmutter zumutet, den Stamm ihres Vermögens, nämlich ihre beiden Häuser, anzugreifen, ohne sich damit auseinanderzusetzen, inwieweit zunächst der - nach der Aktenlage vorhandene - Stamm des elterlichen Vermögens heranzuziehen wäre.
Das Rekursgericht hat somit Voraussetzungen des Bemessungsvorganges unrichtig beurteilt, so daß es eines neuerlichen Bemessungsvorganges unter Berücksichtigung der Familienbeihilfe als Einkommen des Vaters sowie unter Prüfung der Frage der Heranziehung des Stammes des elterlichen (väterlichen) Vermögens zur Unterhaltsdeckung bedarf. Diese Bemessung steht dem OGH zufolge der Rechtsmittelbeschränkung des § 14 Abs. 2 AußStrG funktionell nicht zu (JBl. 1980, 382; EFSlg. 34 970/2), weshalb sich die Zurückweisung der Sache an das Rekursgericht als erforderlich erweist.
Die zweite Instanz wird bei der neuerlichen Bemessung von den angemessenen Bedürfnissen der Kinder (§ 140 Abs. 1 ABGB) und nicht von einem sogenannten Regelbedarf (vgl. JBl. 1971, 41) sowie bei neuerlicher Annahme einer Unterhaltsverpflichtung der Revisionsrekurswerberin von der als offenkundig (§ 269 ZPO) anzusehenden und damit nicht beweisbedürftigen Tatsache, daß Häuser nicht nur Mieteinnahmen ermöglichen, sondern auch Aufwendungen verursachen, auszugehen haben.
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