European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0010OB00058.22V.0420.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
[1] 1. Der Kläger – ein Rechtsanwalt – leitet Amtshaftungsansprüche aus angeblich unrichtigen Entscheidungen eines Landesgerichts und des Oberlandesgerichts als Rechtsmittelgericht in dem von ihm als Kläger gegen einen gerichtlich beeideten Sachverständigen geführten Prozess ab.
[2] Soweit er beanstandet, dass das Erstgericht aus diesem Anlassverfahren nur kursorische Feststellungen getroffen hat, die vom Berufungsgericht nur unzureichend ergänzt wurden, ist darauf zu verweisen, dass der Inhalt der Akten unstrittig ist und daher auch ohne explizite Urteilsfeststellungen der Entscheidung zugrunde gelegt werden kann (vgl 1 Ob 15/21v mwN; RIS‑Justiz RS0121557 [T4]). Ein Verfahrensmangel wird damit nicht aufgezeigt.
[3] Zur behaupteten Aktenwidrigkeit des Berufungsverfahrens enthält die Revision keine Ausführungen.
[4] 2. Aus einer unrichtigen Beweiswürdigung eines Richters kann grundsätzlich kein Amtshaftungsanspruch abgeleitet werden, es sei denn, es läge Willkür vor, weil sich der Richter über wesentliche Verfahrensergebnisse ohne ersichtlichen Grund hinweggesetzt hat (RS0049947).
[5] Mit seinen schwer verständlichen Darlegungen über den Zuspruch seines Honorars durch das Erstgericht im ersten Rechtsgang seines Vorprozesses vermag er keine willkürliche Beweiswürdigung des Erstgerichts im Anlassprozess aufzeigen, das die Kausalität des Gutachtens des gerichtlichen Sachverständigen für den Prozessverlust des Klägers betreffend bestimmte Honoraransprüche im Vorprozess verneinte. Die erstmals erstatteten Ausführungen zu einem teilweisen Tatsachengeständnis des beklagten Sachverständigen im Anlassprozess verstoßen gegen das Neuerungsverbot und sind unbeachtlich (§ 504 Abs 2 ZPO).
[6] 3.1. Zutreffend hat das Berufungsgericht dem Revisionswerber auch die Verletzung der Rettungspflicht nach § 2 Abs 2 AHG entgegengehalten, weil er in der Berufung im Anlassprozess die Bekämpfung jener Tatsachenfeststellungen des Erstgerichts, mit denen der Kausalzusammenhang zwischen dem Gutachten und den Honoraransprüchen des Klägers verneinenden Entscheidungen im Vorprozess verneint worden war, unterließ. Eine gesetzmäßige Beweisrüge (vgl RS0041835 [T4, T5]) erhob er insoweit jedenfalls nicht.
[7] In § 2 Abs 2 AHG kommt der Grundsatz zum Ausdruck, dass nur für unkorrigierbares Organverhalten Ersatz zu leisten ist. Der spätere Amtshaftungswerber muss bereits im Anlassverfahren alle prozessualen Rechtsbehelfe – im weiten Sinn (RS0050097) – erheben, die dazu dienen, fehlerhafte gerichtliche Entscheidungen zu beseitigen (RS0050080 [T1]; RS0110188). Das Gesetz überlässt so zunächst dem Betroffenen selbst die Wahrung seiner Interessen und gewährt Amtshaftungsansprüche nur dort, wo er innerhalb des betreffenden Verfahrens alle Anfechtungsmittel vergeblich ausgeschöpft hat (RS0026901). Damit ist selbstverständlich die Konsequenz verbunden, dass die Partei das Rechtsmittel nicht nur überhaupt erheben, sondern es darüber hinaus auch so formulieren muss, dass die darüber entscheidende Instanz in der Lage ist, den behaupteten Beurteilungs‑ oder Verfahrensfehler aufzugreifen und zu korrigieren (1 Ob 68/16f = RS0026901 [T14]).
[8] 3.2. Wenn der Kläger behauptet, ein bestimmter Prozessakt wäre nicht beigeschafft worden, ist er darauf hinzuweisen, dass er diese Unterlassung in seiner Berufung im Anlassverfahren nicht releviert und damit seine Rettungspflicht nach § 2 Abs 2 AHG nicht erfüllt hat.
[9] 4.1. Gemäß § 2 Abs 3 AHG können aus Erkenntnissen der Höchstgerichte keine Amtshaftungsansprüche abgeleitet werden, weil dies die nachträgliche Überprüfung eines höchstgerichtlichen Erkenntnisses durch ein ordentliches Gericht („unterer Instanz“) bedeuten würde und eine andere Regelung theoretisch zu einer unendlichen Prozesskette führen könnte. § 2 Abs 3 AHG statuiert somit eine Grenze des Rechtsschutzes, um letztlich eine endgültige Entscheidung zu gewährleisten. Amtshaftungsansprüche sind im Allgemeinen auch dann ausgeschlossen, wenn der Amtshaftungskläger seine Klage auf eine behauptete unvertretbare Rechtsansicht stützt, der Oberste Gerichtshof – wie hier im Anlassprozess – die Revision aber mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen hat. Die Entscheidung des Berufungsgerichts ist in solchen Fällen vom Zurückweisungsbeschluss des Obersten Gerichtshofs gedeckt, auch wenn nicht die Berechtigung des Rechtsmittels, sondern lediglich die Frage, ob eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn dieser Bestimmung vorliegt, geprüft und verneint wurde (vgl RS0102269 [T3]). Der Ausspruch des Obersten Gerichtshofs, es lägen die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht vor, kann nämlich nur so verstanden werden, dass er das Vorliegen eines für den Streitausgang erheblichen groben Auslegungs- oder Denkfehlers verneinte, hätte er doch sonst einen solchen schon zur Wahrung der Rechtssicherheit und aus Erwägungen der Einzelfallgerechtigkeit wahrzunehmen und in die sachliche Prüfung der Berechtigung der Revision einzutreten gehabt. Damit hat der Oberste Gerichtshof bei seiner Entscheidung über die (außerordentliche) Revision denknotwendigerweise die Vertretbarkeit der der zweitinstanzlichen Entscheidung zugrunde liegenden Rechtsauffassung unterstellt, weil er bei Annahme einer unvertretbaren Rechtsansicht selbst in einem Fall, in dem der zur Lösung anstehenden Rechtsfrage keine über den konkreten Einzelfall hinausgehende allgemeine Bedeutung zuzumessen ist, aus Erwägungen der Einzelfallgerechtigkeit das (diese Fehlbeurteilung aufzeigende) Rechtsmittel meritorisch zu erledigen gehabt hätte (RS0107173).
[10] Die vom Kläger zitierte, davon abweichende Meinung von T. Rabl (in ecolex 1997, 573 [Glosse zu 1 Ob 2147/96h]), zu der der Oberste Gerichtshof bereits zu 1 Ob 41/97d (= SZ 70/260) Stellung genommen und sie abgelehnt hat, bildet weiterhin keinen Anlass, von dieser Rechtsansicht abzugehen.
[11] 4.2. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, soweit der Kläger Feststellungsmängel aufgrund unrichtiger rechtlicher Beurteilung im Anlassprozess geltend mache, und die unterbliebene Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage der Fehlerhaftigkeit des Gutachtens im Vorprozess rüge, wobei das Berufungsgericht im Anlassprozess eine Mangelhaftigkeit wegen fehlender rechtlicher Relevanz verneint habe, und der Oberste Gerichtshof bei allfälliger unrichtiger rechtlicher Beurteilung dieses Gerichts den Mangel des Berufungsverfahrens im Anlassprozess wahrnehmen hätte können (vgl RS0043051), greife jeweils der Haftungsausschluss nach § 2 Abs 3 AHG, ist damit nicht zu beanstanden. Ebenfalls nicht korrekturbedürftig ist dessen Rechtsansicht, dass die Abweisung des Widerrufsbegehrens sowie der Feststellungsbegehren im Anlassprozess aus rein rechtlichen Überlegungen erfolgt sei, sodass im Hinblick auf die Zurückweisung der Revision durch den Obersten Gerichtshof ebenfalls der Haftungsausschluss des § 2 Abs 3 AHG zu beachten sei.
[12] 5. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
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