European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:E133514
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
[1] 1. Nur eine unvertretbare Rechtsanwendung begründet Amtshaftungsansprüche (RIS‑Justiz RS0050216; RS0049955). Eine Unvertretbarkeit der Rechtsansicht und damit ein Verschulden des Organs wird in der Regel verneint, wenn sie auf einer bei pflichtgemäßer Überlegung vertretbaren Rechtsauslegung oder Rechtsanwendung beruht (RS0049974 [T2], RS0050216 [T1]). Der Beurteilung der Richtigkeit der Vorgehensweise eines Organs kommt daher im Amtshaftungsprozess keine entscheidungswesentliche Bedeutung zu, wenn das Handeln des Organs – ohne aufzugreifende Fehlbeurteilung – als jedenfalls vertretbar beurteilt wurde (vgl 1 Ob 184/18f = RS0049951 [T12]).
[2] Die Prüfung der Vertretbarkeit einer Rechtsauffassung ist von den Umständen des Einzelfalls abhängig und entzieht sich deshalb regelmäßig einer Beurteilung als erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (RS0110837).
[3] 2. Der Kläger leitet Amtshaftungsansprüche aus angeblich unrichtigen Entscheidungen von Zivilgerichten in dreiverschiedenen Anlassverfahren ab.
[4] Soweit erbeanstandet, dass das Erstgericht aus diesen Anlassverfahren nur kursorische Feststellungen getroffen hat, die vom Berufungsgericht unzulässig ergänzt wurden, ist er darauf zu verweisen, dass der Inhalt der Akten unstrittig ist und daher auch ohne Feststellungen der Entscheidung zugrunde gelegt werden kann (vgl 2 Ob 206/09x = RS0121557 [T4] ua). Ein Verfahrensmangel wird damit nicht aufgezeigt.
[5] 3.1. Im Anlassverfahren AZ 11 Cg 86/13d des Handelsgerichts Wien begehrte der Kläger als Gesellschafter einer GmbH gegenüber den Mitgesellschaftern die Enthebung des Geschäftsführers. Er fordert Amtshaftung, weil sein damit verbundener Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, womit dem Geschäftsführer mit sofortiger Wirkung die Vertretungsbefugnis entzogen, diese im Firmenbuch gelöscht und er selbst als Notgeschäftsführer bestellt und eingetragen wird, abgewiesen wurde.
[6] 3.2. Durch das IRÄG 1997 wurde in § 16 Abs 2 Satz 3 GmbHG die Möglichkeit zur gerichtlichen Abberufung von Fremdgeschäftsführern aus wichtigem Grund neu geschaffen. Die nur die Abberufung von Gesellschafter-Geschäftsführern regelnde Vorläuferbestimmung war nach herrschender Ansicht auf Fremdgeschäftsführer nicht, auch nicht analog, anwendbar. Eine Ausnahme machte die Rechtsprechung, wenn ein Geschäftsführer zwar mangels Beteiligung an der Gesellschaft „formell“ Fremdgeschäftsführer war, wegen der „tatsächlichen wirtschaftlichen Identität“ mit einem Gesellschafter der GmbH aber denselben beherrschenden Einfluss wie der Gesellschafter selbst ausüben konnte. An dieser Rechtsprechung festzuhalten bestand aber nach der neuen Rechtslage unter Rechtsschutzaspekten kein Grund mehr (6 Ob 212/10k).
[7] 3.3. Wenn die Gerichte im Anlassverfahren die Abberufung des Geschäftsführers, der unstrittig nicht selbst Gesellschafter war, unabhängig von allfälligen wirtschaftlichen Verflechtungen mit einem der Gesellschafter als Abberufung eines Fremdgeschäftsführers behandelten, steht dies mit der Rechtslage nach dem IRÄG 1997 und der zuvor zitierten Entscheidung in Einklang. Gegen die Beurteilung der Vorinstanzen, dass diese Vorgehensweise daher vertretbar war, bestehen keine Bedenken.
[8] Soweit der Kläger sich darauf beruft, dass durch das IRÄG 1997 der Rechtsschutz der Gesellschafter gegen Fremdgeschäftsführer gestärkt werden sollte, so liegt darin kein Widerspruch. Durch die neu geschaffene Möglichkeit zur gerichtlichen Abberufung von Fremdgeschäftsführern wurden die Rechte der Gesellschafter durch Beseitigung einer Regelungslücke erweitert, weshalb eine Analogie zu den Bestimmungen zur Absetzung von Gesellschafter-Geschäftsführern gerade nicht mehr erforderlich und aufgrund der nunmehr ausdrücklichen Regelung auch nicht mehr zulässig ist.
[9] 3.4. Die Rechtsauffassung der Gerichte im Anlassverfahren, dass die gerichtliche Abberufung eines Fremdgeschäftsführers voraussetzt, dass zuvor eine Abstimmung über eine Abberufung erfolgt ist, entsprach der damals und jetzt überwiegenden Lehre (Koppensteiner/Rüffler, GmbHG3 [2007] § 16 Rz 30b; Ratka in Straube/Ratka/Rauter WK GmbHG [Stand 1. 8. 2020, rdb.at], § 16 Rz 56; Fantur, Prozessuales zur gerichtlichen Abberufung vom GmbH-Geschäftsführern, GES 2017, 132 ff; der darauf verweist, dass der eindeutige Wortlaut von § 16 Abs 2 GmbHG für eine gegenteilige Auslegung keinen Spielraum zulasse; aA Zib in U. Torggler, GmbHG [Stand 1. 8. 2014, rdb.at] § 16 Rz 53, N. Arnold/Pampel in Gruber/Harrer, GmbHG², § 16 Rz 58, die beide davon sprechen, dass diese Frage strittig sei).
Rechtsprechung des OGH zu dieser Frage fehlt:
[10] Die vom Kläger zur Begründung seiner gegenteiligen Ansicht zitierte Entscheidung 7 Ob 559/91 bezog sich auf die Rechtslage vor dem IRÄG 1997 und betraf im Übrigen einen Gesellschafter‑Geschäftsführer.
[11] Soweit er sich auf eine „einhellige“ anderslautende Lehre beruft, handelt es sich bei der von ihm angeführten Literatur zum Teil um Stellungnahmen ebenfalls zur Rechtslage vor Inkrafttreten des IRÄG 1997 (etwa Reich‑Rohrwig, GmbH-Recht², [1997] Rz 2/657; ders, Zur gerichtlichen Abberufung des GmbH‑Geschäftsführers, ecolex 1990, 87 ff), zum Teil um Kommentare zur Klage auf Abberufung des Gesellschafter-Geschäftsführers, wobei die vom Kläger zitierten Autoren zum Fremdgeschäftsführer sehr wohl von der Notwendigkeit eines vorangehenden Absetzungsversuchs ausgehen (Koppensteiner/Rüffler, GmbHG3, § 16 Rz 22; Ratka in Straube/Ratka/Rauter WK GmbHG, § 16 Rz 44).
[12] Der Vorwurf, die Vorinstanzen hätten übersehen, dass in der Gesellschafterversammlung vom 29. 10. 2013 von den Beklagten im Anlassverfahren ohnehin gegen eine Absetzung des Geschäftsführers gestimmt wurde, ist unberechtigt: Ein entsprechendes Vorbringen wurde im Anlassverfahren vor der Beschlussfassung erster Instanzam 30. 10. 2013 nicht erstattet. Ob dieser Umstand im nachfolgenden Verfahren zu Unrecht nicht berücksichtigt wurde, ist nicht von Relevanz, weil daraus vom Kläger keine Ansprüche abgeleitet werden.
[13] 3.5. Dass der Kläger im Vorfeld der Klageführung erfolglos eine Vorgangsweise nach §§ 37, 38 GmbHG versucht hätte und deshalb eine andere Beurteilung hätte erfolgen müssen, wird in der Revision nicht behauptet.
[14] 3.6. Die Rechtsauffassung der Vorinstanzen, dass der Antrag des Klägers auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung im Anlassverfahren aufgrund mangelnder Bescheinigung des Anspruchs vertretbar nicht abgewiesen wurde, ist daher nicht zu beanstanden, weshalb es nicht darauf ankommt, ob der Kläger einen drohenden Schaden der Gesellschaft überhaupt ausreichend darlegte.
[15] 4.1. Im Verfahren AZ 3 Se 393/13h des Handelsgerichts Wien wurde der Insolvenzantrag des Klägers abgewiesen, weil zwischen dem Kläger und der Gesellschaft, hinsichtlich derer er eine Eröffnung des Insolvenzverfahrens anstrebte, strittig sei, ob seine Forderung von der Rückzahlungssperre des § 14 EKEG erfasst sei und der Kläger dem keine durch parate Bescheinigungsmittel untermauerten Behauptungen entgegengesetzt habe.
[16] 4.2. Das Rekursgericht im Anlassverfahren hat entgegen den Ausführungen des Klägers weder verkannt, dass ein Gläubiger, der eine Forderung aus einer Eigenkapital ersetzenden Leistung hat, zur Stellung eines Insolvenzeröffnungsantrags berechtigt ist, noch dass solche Forderungen nach § 57a IO als, wenn auch nachrangige, Forderungen zu befriedigen sind. Es ist jedoch davon ausgegangen, dass eine Eigenkapital ersetzende Forderung des antragstellenden Gläubigers bei der Beurteilung der Zahlungsunfähigkeit nicht zu berücksichtigen ist. Der antragstellende Gläubiger habe in diesem Fall zu behaupten und zu bescheinigen, dass die Schuldnerin selbst ohne Berücksichtigung der von der Rückzahlungssperre erfassten Verbindlichkeit zahlungsunfähig sei.
[17] Gegen die Richtigkeit dieser Rechtsansicht wendet sich auch die Revision nicht.
[18] 4.3. Wenn die Vorinstanzen aber auf dieser rechtlichen Grundlage davon ausgegangen sind, dass die Gerichte im Anlassverfahren die vorgelegten Bescheinigungsmittel überzeugend dahin gewürdigt haben, dass dem Kläger diese Bescheinigung nicht gelungen ist, hält sich dies im Rahmen des gesetzlich eingeräumten Ermessensspielraums.
[19] Auch der Kläger verweist letztlich nur darauf, dass er die Fälligkeit der Forderung durch den Syndikatsvertrag ausreichend bescheinigt und darauf hingewiesen habe, dass kein Anwendungsfall des EKEG vorliege. Dies war aber nach der vom Kläger selbst vorgelegten Korrespondenz zwischen ihm und der Gesellschaft gerade strittig; die finanzielle Lage der Gesellschaft bei Darlehenshingabe war auch nicht belegt.
[20] 5. Auf Ansprüche aus dem Verfahren AZ 3 Se 447/13z des Handelsgerichts Wien kommt der Kläger im Revisionsverfahren nicht zurück.
[21] 6. Da es dem Kläger daher insgesamt nicht gelingt, das Vorliegen einer Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen, ist die außerordentliche Revision zurückzuweisen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)