OGH 1Ob151/16m

OGH1Ob151/16m27.2.2017

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der Pflegschaftssache der Minderjährigen 1. J* L*, geboren am * 1999, 2. P* L*, geboren am * 2001, beide *, vertreten durch die Hochstaffl & Rupprechter Rechtsanwälte GmbH, Wörgl, über den Revisionsrekurs des Vaters E* L*, vertreten durch Dr. Marco Nademleinsky, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 26. April 2016, GZ 51 R 27/16v, 51 R 28/16s‑65, mit dem die Beschlüsse des Bezirksgerichts Rattenberg vom 27. Oktober 2015, GZ 2 Pu 58/14s‑50, und vom 29. Jänner 2016, GZ 2 Pu 58/14s‑58, bestätigt wurden, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E117387

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

 

Begründung:

Die Ehe der Eltern der beiden Minderjährigen wurde mit Urteil des Erstgerichts vom 10. 3. 2014 geschieden. Die Obsorge kommt dem Revisionsrekurswerber gemeinsam mit der Mutter zu.

Das durchschnittliche Monatseinkommen des Vaters beträgt inklusive der von ihm erzielten Mieteinkünfte 5.515,05 EUR netto unter Berücksichtigung der Sonderzahlungen aus seiner nicht selbständigen Tätigkeit. Die Mutter verdient inklusive Sonderzahlungen monatlich netto 1.167 EUR.

J* besucht eine Tourismusschule und ist während des Schulbetriebs unter der Woche in einem Internat untergebracht. Die Internatskosten, die zehn Mal im Jahr zu bezahlen sind, betragen monatlich 355 EUR; für die Verpflegung ist ein Kostenbeitrag von 12,50 EUR im Monat zu zahlen. Diese Kosten trägt zur Gänze die Mutter, die auch für alle weiteren notwendigen Anschaffungen wie Bekleidung und dergleichen aufkommt.

Während der Schulzeit verbringt J* die Wochenenden abwechselnd bei seiner Mutter und seinem Vater. In den Ferien hält sich der Minderjährige ebenfalls abwechselnd bei seinen Eltern auf, sodass er sich, wenn er nicht im Internat ist, in etwa im gleichen zeitlichen Umfang bei beiden Elternteilen aufhält.

Auch hinsichtlich des Sohnes P* praktizieren die Eltern ein Modell, bei dem sich der Minderjährige jeweils in etwa im gleichen zeitlichen Umfang bei den Elternteilen aufhält. Er verbringt die Montage und Dienstage bei der Mutter, und ist am Mittwoch und am Donnerstag bei seinem Vater. Die Wochenenden verbringt er abwechselnd bei den Elternteilen. Er ist Mitglied der freiwilligen Feuerwehr im Wohnort seines Vaters und nimmt dort an Übungen teil, weswegen die Wochenenden bei der Mutter öfter unterbrochen sind.

P* bekommt von seinem Vater nur sehr gelegentlich ein Taschengeld; bis Anfang November 2015 beschränkte sich dieses auf zweimal je 50 EUR. Darüber hinaus bezahlt der Vater den Busausweis für die Fahrten des Sohnes zu ihm, die Prämie für eine Unfallversicherung und die Kosten für das Handy des Minderjährigen von monatlich 13 EUR. Einmal hat er die Kosten für einen Schulausflug von 300 EUR getragen. Die darüber hinaus anfallenden Kosten für schulische Ausgaben, für die Bekleidung und dergleichen werden ausschließlich von der Mutter getragen.

Die von der Mutter vertretenen Minderjährigen beantragten die Festsetzung eines angemessenen Unterhalts nach der Prozentsatzmethode.

Mit Beschluss vom 1. 10. 2014 verpflichtete das Erstgericht den Vater, ab 1. 10. 2014 für P* monatlich 640 EUR und für J* vorläufig monatlich 400 EUR Unterhalt zu zahlen.

Mit der Begründung, J* habe sich entschieden, seinen Hauptaufenthaltsort bei ihr zu nehmen, begehrte die Mutter in Vertretung des Minderjährigen mit einem weiteren Antrag rückwirkend ab 1. 10. 2014 die Erhöhung des Unterhalts auf 730 Euro.

Der Vater sprach sich dagegen aus und beantragte am 14. 9. 2015 die Herabsetzung des Unterhalts für P* auf 420 EUR monatlich, weil die Kinder zumindest zu gleichen Teilen bei ihm aufhältig seien. Die durch die Mutter vertretenen Kinder wendeten dagegen ein, ihre Mutter komme für sämtliche Ausgaben und Aufwendungen etwa für die Schule, Bekleidung oder Arztkosten auf.

Mit den angefochtenen Beschlüssen erhöhte das Erstgericht den Unterhalt für J* rückwirkend ab 1. 10. 2014 um 330 EUR auf monatlich 730 EUR und setzte den Unterhalt für P* rückwirkend ab 15. 10. 2014 um 60 EUR auf 580 EUR herab. Das Herabsetzungsmehrbegehren des Vaters von 160 EUR im Monat wies es ab.

Rechtlich vertrat es die Auffassung, der Unterhaltsberechtigte müsse sich nicht mit dem Durchschnittsbedarf begnügen, sondern habe Anspruch darauf, an den Lebensverhältnissen des Vaters angemessen teilzuhaben. Dem werde durch die Prozentsatzmethode entsprochen, nach der J* unter Berücksichtigung der weiteren Sorgepflicht des Vaters grundsätzlich Anspruch auf 20 % von dessen Nettoeinkommen habe. Für P* errechne sich danach ein Anspruch von 18 %, sodass sich unter Berücksichtigung der an die Mutter ausbezahlten Familienbeihilfe für J* ein monatlicher Unterhaltsanspruch von 926,80 EUR und für P* ein solcher von 835,40 EUR errechne. Für die weit über das übliche Ausmaß hinausgehenden Kontakte des Vaters zu seinen Söhnen sei eine Reduktion von 20 % (J*) bzw 30 % (P*) vorzunehmen, sodass sich für den älteren Sohn ein Unterhaltsbetrag von monatlich 730 EUR und für den jüngeren Sohn ein solcher von monatlich (gerundet) 580 EUR errechne.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. In seiner rechtlichen Beurteilung setzte es sich mit der vom Vater zur Begründung seines Standpunkts herangezogen jüngeren Judikatur auseinander, nach der bei gleichwertigen Betreuungs‑ und Naturalleistungen kein Geldunterhaltsanspruch mehr bestehe, wenn das Einkommen der Eltern etwa gleich hoch sei. Die vom Vater zitierte Entscheidung 1 Ob 158/15i des Obersten Gerichtshofs sei auf den vorliegenden Sachverhalt nicht anwendbar, weil dem darin beurteilten Fall zugrunde gelegen sei, dass sich das Kind im gleichen zeitlichen Umfang bei den Elternteilen aufgehalten habe und die bedarfsdeckenden Naturalleistungen von beiden Elternteilen nahezu zu gleichen Teilen erbracht worden seien. Demgegenüber übernehme der Vater hier lediglich Pflege‑ und Erziehungsleistungen, bestreite aber im Wesentlichen keine bedarfsdeckenden Aufwendungen bzw Naturalleistungen. Das die übliche Dauer deutlich überschreitende Kontaktrecht des Vaters führe daher zu keinen weiteren Ersparnissen der Mutter, sodass das Erstgericht zu Recht auf die Ausmittlung des Unterhaltsanspruchs nach Prozenten zurückgegriffen und die das übliche Ausmaß überschreitenden Betreuungsleistungen des Vaters durch Abschläge hiervon angemessen berücksichtigt habe.

Den Revisionsrekurs erklärte das Rekursgericht über Antrag des Vaters gemäß § 63 Abs 1 AußStrG für zulässig, weil der Frage, ob das für die gleichteilige Betreuung vertretene „betreuungsrechtliche Unterhaltsmodell“ auch dann zur Anwendung gelange, wenn nahezu sämtliche bedarfsdeckenden Aufwendungen und Naturalleistungen vom Domizilelternteil getragen werden, eine über den Einzelfall hinausgehende erhebliche Bedeutung im Sinne des § 62 Abs 1 AußStrG zukomme.

Rechtliche Beurteilung

Der von den Minderjährigen beantwortete Revisionsrekurs des Vaters ist aus dem vom Rekursgericht angeführten Grund zulässig; er ist jedoch nicht berechtigt.

Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens ist ausschließlich die vom Vater angestrebte Anwendung des „betreuungsrechtlichen Unterhaltsmodells“. Er beruft sich dazu auf die Entscheidung 1 Ob 158/15i, deren Grundsätze er weiter entwickelt wissen will. J* halte sich im Schnitt rund 200 Tage im Jahr, im Internat auf und befinde sich damit jedenfalls weniger als 100 Tage im Jahr bei jedem der Elternteile. Daher sei es angemessen, wenn er von den gehobenen Lebensverhältnissen des Vaters zu einem Viertel der Zeit (1:1:2 – Vater/Mutter/Internat) profitiere. Ausgehend von dem durch das Erstgericht unter Berücksichtigung der Transferleistungen ermittelten Unterhaltsanspruch von 835,40 EUR für P* folge aus den Grundsätzen der Entscheidung 1 Ob 158/15i ein Unterhaltsbetrag von 252 EUR.

Dazu hat der Senat erwogen:

1. Derjenige Elternteil, der den Haushalt führt, in dem er das Kind betreut, erfüllt dadurch gemäß § 231 Abs 2 erster Satz ABGB seine Unterhaltspflicht, während der andere Elternteil geldunterhaltspflichtig wird. Damit ist – wie schon wiederholt ausgesprochen wurde (4 Ob 16/13a; 6 Ob 11/13f ua) – gegenüber der Rechtslage vor dem Kindschafts- und Namensrechts-Änderungsgesetz 2013 (KindNamRÄG 2013, BGBl I 2013/15) keine Änderung eingetreten. Der nicht geldunterhaltspflichtige Elternteil hat vom Unterhalt grundsätzlich alle über die tägliche Versorgung des Kindes hinausgehenden Kosten bis hin zur Grenze des Sonderbedarfs zu tragen (Stabentheiner/Reiter in Rummel/Lukas, ABGB4 § 231 Rz 27).

2.1 Betreut und versorgt der geldunter-haltspflichtige Elternteil das Kind im Rahmen des üblichen Kontaktrechts in seinem Haushalt, hat dies keine Auswirkungen auf seine Unterhaltspflicht. Aufwendungen während der Ausübung eines üblichen Kontaktrechts schmälern den Geldunterhalt grundsätzlich nicht (Barth/Neumayr in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang³ § 140 ABGB aF Rz 123 mwN).

2.2 Teilen die Eltern die Betreuung in einem Ausmaß, das über den Rahmen der üblichen persönlichen Kontakte des Elternteils hinausgeht, bei dem sich das Kind nicht hauptsächlich aufhält, ist nach der jüngeren Rechtsprechung der zu leistende Geldunterhalt zu reduzieren, wenn der Geldunterhaltspflichtige – über ein übliches Kontaktrecht hinaus – Naturalunterhalt leistet (RIS‑Justiz RS0047452 [T6]). Unter Heranziehung des bei Unterhaltsentscheidungen grundsätzlich anzuwendenden Ermessens erfolgt die Berücksichtigung übermäßiger Betreuungsleistungen durch den geldunterhaltspflichtigen Elternteil allgemein in Form von prozentmäßigen Abschlägen. Die Rechtsprechung neigt dazu, in der Regel den Unterhaltsanspruch altersunabhängig um 10 % pro wöchentlichen Betreuungstag zu reduzieren, an dem sich das Kind über das übliche Ausmaß des Kontaktrechts hinaus beim geldunterhaltspflichtigen Elternteil befindet. Als üblich und damit unterhaltsneutral wird dabei ein Kontaktrechtstag pro Woche angesehen. Für jeden weiteren Tag wird eine Minderung von 10 % des Geldunterhalts als angemessen erachtet (10 Ob 17/15w mwN). Es wurde auch schon eine Reduktion der Geldunterhaltspflicht des Vaters um 20 % gebilligt, weil das Kind insgesamt in etwa einem Drittel der Zeit vom Vater betreut wurde (7 Ob 178/06m). Auch wurde bereits judiziert, dass eine bloße Gegenüberstellung von Kontakt‑ oder Betreuungstagen allein nicht abschließend maßgeblich sein könne (5 Ob 2/12y). Der Abzug von 10 % von der Unterhaltsschuld pro zusätzlichem Besuchstag entspricht demnach lediglich einer generalisierenden Betrachtungsweise und daher umso weniger den wechselseitigen Leistungen, je mehr sich die Situation einer gemeinsamen gleichwertigen Betreuung des Kindes durch beide Elternteile annähert (6 Ob 55/16f = RIS‑Justiz RS0128043 [T5]). Nach der Entscheidung 5 Ob 2/12y (iFamZ 2012/206, 283 [kritisch Beclin: zu hoher Abzug] = EF‑Z 2012/163, 272 [kritisch Gitschthaler: kein Geldunterhaltsanspruch des Kindes]) führt eine Betreuung durch den Vater im Verhältnis 40 : 60 zu einer Reduktion der Geldunterhaltspflicht um ca 40 %.

3. Die Vorinstanzen sind diesen Grundsätzen gefolgt und haben die vom Vater über das Ausmaß der üblichen Besuchskontakte eines Elternteils hinausgehende Betreuung der Kinder mit einem prozentuellen Abschlag von dessen Geldunterhaltsverpflichtung berücksichtigt. Dass sie – bleibt es bei der Anwendung dieser Grundsätze – das ihnen eingeräumte Ermessen (RIS‑Justiz RS0047419 [T23]) überschritten hätten, macht der Revisionsrekurswerber nicht geltend.

4.1 Zutreffend ist, dass nach der neueren Judikatur vertreten wird, bei gleichwertigen Betreuungs‑ und Naturalleistungen bestehe kein Geldunterhaltsanspruch des Kindes, wenn das Einkommen der Eltern etwa gleich hoch ist oder den Eltern ein solches Einkommen zur Verfügung steht, das jeweils zu einem über der Luxusgrenze liegenden Unterhaltsanspruch des Kindes führt (4 Ob 16/13a; 6 Ob 11/13f; 10 Ob 17/15w; 7 Ob 172/16v ua). Dabei wurde eine etwa gleichteilige Betreuung auch dann angenommen, wenn kein Elternteil mindestens zwei Drittel der Betreuungsleistungen erbringt; von etwa gleich hohen Einkommen sei auch dann auszugehen, wenn das Einkommen eines Elternteils, das des anderen nicht beträchtlich übersteige, wobei Unterschiede bis zu einem Drittel hinzunehmen seien (4 Ob 16/13a EF‑Z 2013/115, 173 [Gitschthaler]; vgl Neuhauser in Schwimann/Kodek, ABGB4 Ia § 231 Rz 489).

4.2 Voraussetzung für den gänzlichen Entfall des Geldunterhalts ist nach dieser Judikatur neben der (völlig: so 7 Ob 172/16v und Neuhauser aaO) gleichwertigen Betreuungs‑ und Einkommenssituation, dass auch die sonstigen (bedarfsdeckenden) Naturalleistungen von beiden Elternteilen etwa gleichwertig erbracht werden. Ist dies nicht der Fall, steht dem Kind weiterhin ein Restgeldunterhaltsanspruch gegen den leistungsfähigeren und/oder weniger betreuenden Elternteil zu, der das unterschiedliche Betreuungsverhältnis bzw den höheren Lebensstandard, an dem das Kind beim anderen Elternteil dann mitpartizipieren kann, ausgleicht (8 Ob 69/15b = EF‑Z 2016/39, 91 [Gitschthaler] mwN; 7 Ob 172/16v).

4.3 Ausgehend von diesen Grundsätzen hat sich der erkennende Senat in der vom Vater herangezogenen Entscheidung 1 Ob 158/15i mit Fragen des Unterhaltsanspruchs eines Kindes bei gleichem Betreuungsausmaß, aber unterschiedlichem Einkommen der Eltern auseinandergesetzt und ist dabei – zusammengefasst – zum Ergebnis gelangt, dass der (fiktive) Geldunterhaltsanspruch des Kindes gegen jeden Elternteil nach der Prozentwertmethode zu ermitteln, die derart ermittelten Beträge unter Berücksichtigung der Transferzahlungen zu halbieren und dann zu saldieren seien. Die so errechnete Differenz ergibt den Geldunterhaltsanspruch des Kindes gegenüber dem (im Anlassfall) leistungsfähigeren Vater. Die von ihm tatsächlich erbrachten Naturalleistungen wie Taschengeld und Handykosten sind vom verbleibenden Geldunterhalt nicht abzuziehen. Durch diesen Geldunterhalt soll das Kind bei sonst gleichteiligen Betreuungs‑ und Versorgungsleistungen durch die Eltern in die Lage versetzt werden, während der Zeit der Betreuung im Haushalt des schlechter verdienenden Elternteils am (höheren) Lebensstandard des anderen weiterhin teilzunehmen (1 Ob 158/15i = EF‑Z 2016/3, 15 [Gitschthaler] = iFamZ 2015/201, 277 [Neuhauser] = Zak 2015/683, 394 [Kolmasch]).

Der Entscheidung 1 Ob 158/15i lag zugrunde, dass beide Elternteile die Betreuungs‑ und Versorgungsleistungen gegenüber ihrem Kind sowohl in zeitlicher Hinsicht als auch im Leistungsumfang auf annähernd gleichwertige Weise, insbesondere die bedarfsdeckenden Naturalleistungen im gleichen Ausmaß erbrachten. Der Ergänzungsunterhalt sollte lediglich die aus den deutlich unterschiedlichen Einkommen resultierenden verschiedenen Lebensverhältnisse ausgleichen. Davon unterscheidet sich der vorliegende Fall grundlegend:

5. Zum minderjährigen J*:

5.1 J* befindet sich nach den maßgeblichen Feststellungen während der Schulzeit in einem Internat und verbringt die Wochenenden und die Ferienzeit in etwa gleichem Ausmaß bei seinen Eltern. Die Kosten für das Internat sowie der monatliche Kostenbeitrag für die Verpflegung und die Kosten für die sonst notwendigen Anschaffungen wie Bekleidung etc trägt aber die Mutter alleine.

5.2 Betreuung im eigenen Haushalt gemäß § 231 Abs 2 erster Satz ABGB bedeutet die altersabhängige übliche Versorgung des Kindes in einem geordneten und funktionierenden Haushalt. Unter diesem Gesichtspunkt wird eine teilweise „außerhäusliche Betreuung“ etwa in einem Internat der elterlichen Betreuung zugerechnet, solange der haushaltsführende Elternteil in seinem Haushalt die sonst üblichen Betreuungsleistungen wenigstens regelmäßig zu bestimmten Restzeiten erbringt. In einem solchen Fall liegt immer noch Betreuung im Sinne des § 231 Abs 2 ABGB vor (Neuhauser in Schwimman/Kodek, ABGB4 Ia § 231 Rz 92; Barth/Neumayr in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang³ § 140 ABGB Rz 115; Schwimann/Kolmasch, Unterhaltsrecht8, 108 f).

5.3 Die Mutter kommt nach den Feststellungen für die gesamten mit dem Internatsaufenthalt des Sohnes verbundenen Kosten auf. Dafür, diese Zeiten als „neutral“ zu werten, wie es dem Vater offensichtlich vorschwebt, wenn er meint, J* müsse lediglich zu einem Viertel der Gesamtzeit an seinem Lebensstandard teilhaben, fehlt jede Grundlage. Solange keine Beiträge des Vaters erfolgen, bedeutet diese Form der Drittunterbringung des Minderjährigen immer noch „Betreuung durch die Mutter“ im Sinne des § 231 Abs 2 erster Satz ABGB, auch wenn sich J* während der Schulzeiten nicht bei ihr aufhält. Dem Vater unter dem Titel eines „Ausgleichsanspruchs“ (dazu gleich unten) einen Teil der Internatskosten aufzuerlegen, wie er unter anderem anstrebt, um auf diesem Weg Betreuungszeiten zu neutralisieren und so das „betreuungsrechtliche Unterhaltsmodell“ zu rechtfertigen, kann mit den Grundsätzen des Unterhalts, der in erster Linie die laufenden Lebensbedürfnisse eines Kindes decken soll, nicht in Einklang gebracht werden.

5.4 Die Anwendung des „betreuungsrechtlichen Unterhaltsmodells“ scheidet daher aus, weil es schon an einer völlig gleichwertigen Betreuungssituation fehlt. Die Höhe des von den Vorinstanzen nach der Prozentsatzmethode ausgemittelten Unterhalts beanstandet der Vater nicht.

6. Zum minderjährigen P*:

6.1 Nach den Feststellungen trägt die Mutter – von hier nicht ins Gewicht fallenden Ausnahmen abgesehen (vgl dazu 1 Ob 158/15i) – die Kosten für sämtliche bedarfsorientierten Naturalleistungen. Die Betreuungs-leistungen hingegen werden von beiden Elternteilen in etwa gleichwertig erbracht. Für den Fall, dass bei gleichwertigen Betreuungsleistungen ein Elternteil neben der Betreuung im Haushalt zusätzlich die notwendigen Aufwendungen für Bekleidung, Schuhwerk und dergleichen überwiegend trägt, wird vertreten, dass dies zu einem Ausgleichsanspruch gegen den minderleistenden Elternteil führe (4 Ob 16/13a [im Anschluss an Gitschthaler]; 4 Ob 206/15w; 6 Ob 55/16f ua). Dieser Ausgleichsanspruch soll dem Kind gegenüber dem mehrleistenden zu Handen des minderleistenden Elternteils zustehen (so wohl zu verstehen Gitschthaler, Neue Betreuungsmodelle – neue Unterhaltsmodelle, EF-Z 2010/122, 172 [177]; ders in ÖRPfl 2012 H 2, 22 [27]; iglS 4 Ob 206/15w).

Nach anderer Meinung soll das „betreuungsrechtliche Unterhaltsmodell“ nur anwendbar sein, wenn neben der gleichteiligen Betreuung auch die Naturalleistung in annähernd gleichem Umfang erbracht wird. Ist dies nicht der Fall, soll es bei der Unterhaltsbemessung nach der Prozentsatzmethode bleiben (Stabentheiner/Reiter aaO § 231 ABGB Rz 28; Tews, Berechnung des betreuungsrechtlichen Unterhaltsanspruchs, EF‑Z 2016/110, 244 [246]

6.2 Auszugehen ist von dem Grundsatz, dass nach dem „betreuungsrechtlichen Unterhaltsmodell“ ein Geldunterhaltsanspruch des Kindes gegenüber seinen Eltern nur dann nicht mehr bestehen soll, wenn die Betreuungs‑ und Naturalleistungen der Eltern völlig gleichwertig sind und das maßgebliche Einkommen der Eltern etwa gleich hoch ist. Im vorliegenden Fall beträgt das Einkommen der Mutter ca ein Fünftel jenes des Vaters, was nach den Grundsätzen der Entscheidung 1 Ob 158/15i zu einem Geldunterhaltsanspruch führt. Hinzu kommt, dass die Mutter über die (gleichteilig mit dem Vater ausgeübte) Betreuung des Minderjährigen hinausgehend im Wesentlichen alle Kosten trägt, die erforderlich sind, um die angemessenen Kindesbedürfnisse regelmäßig oder für längere Dauer zu befriedigen. Die Verteilung dieser Kosten entspricht dem Grundtatbestand des § 231 Abs 2 ABGB. Damit sind nach Ansicht des Senats die tatsächlichen Verhältnisse in Bezug auf P* nicht mit jenen Voraussetzungen vergleichbar, die nach der Rechtsprechung für die Annahme eines „betreuungsrechtlichen Unterhaltsmodells“ erforderlich sind.

6.3 Für die Anwendung des „betreuungsrechtlichen Unterhaltsmodells“ spricht lediglich die gleichteilige Betreuungssituation. Damit verbunden ist aber nur die Versorgung des Minderjährigen durch den Vater während der Zeiten des Aufenthalts bei ihm, ohne dass sich der Vater sonst an den für die Befriedigung der Kindesbedürfnisse erforderlichen Aufwendungen beteiligen würde. Abgesehen von der – wenn auch weit über das Maß üblicher Kontakte hinausgehenden – Versorgung des Minderjährigen im Haushalt während dessen Aufenthalte bei ihm entspricht die Stellung des Vaters in allen Belangen der des geldunterhaltspflichtigen Teils, wie sie § 231 Abs 2 ABGB gegenüber dem hauptbetreuenden Elternteil vor Augen hat. Allein der Umstand, dass der Vater gleichteilige Betreuungsleistungen übernimmt, führt zu keiner nennenswerten Ersparnis der Mutter und gibt nach Ansicht des Senats daher keinen Anlass, vom gesetzlichen Ansatz abzugehen. Der vom Vater aufgrund der Aufenthalte des Minderjährigen bei ihm geleistete Naturalunterhalt ist, weil die Aufenthalte über ein übliches Kontaktrecht weit hinausgehen, mit einem prozentuellen Abschlag vom Geldunterhalt zu berücksichtigen. Die vom Vater geforderte Ergänzung des Verfahrens zur Ermittlung der monatlichen Kosten für die bedarfsorientierten Naturalunterhalts-leistungen, um einen Ausgleichsanspruch des Kindes ihm als den minderleistenden Elternteil gegenüber feststellen zu können, um das „betreuungsrechtliche Unterhaltsmodell weiterzuentwickeln“, ist damit entbehrlich.

6.4 Der Vater hat das von den Vorinstanzen nach der Prozentsatzmethode ausgemittelte Ergebnis selbst zur Grundlage seiner Ausführungen gemacht und beanstandet in seinem Revisionsrekurs auch nicht die Höhe des von diesem vorgenommenen Abschlags, sodass darauf nicht mehr eingegangen werden muss.

7. Dem Revisionsrekurs des Vaters ist damit insgesamt ein Erfolg zu versagen.

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