OGH 1Ob131/16w

OGH1Ob131/16w23.11.2016

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der Pflegschaftssache der minderjährigen H***** D*****, geboren am ***** 2000, wegen Unterhalt, über den Revisionsrekurs des Vaters A***** D*****, vertreten durch Dr. Eva-Maria Bachmann-Lang und Dr. Christian Bachmann, Rechtsanwälte in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 3. Mai 2016, GZ 44 R 192/16k‑208, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Floridsdorf vom 4. März 2014, GZ 1 Pu 92/13k‑196, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0010OB00131.16W.1123.000

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

 

Begründung:

Mit seinem Beschluss verpflichtete das Erstgericht den Vater zusätzlich zu der von ihm mit dem Vergleich vom 12. 10. 2006 übernommenen Hälfte des Schulgelds (damals 165 EUR mtl) für die Schuljahre 2012/2013, 2013/2014 und 2014/2015 jeweils für zehn Monate pro Jahr den jeweils aus Erhöhungen des Schulgelds resultierenden Hälfteanteil zu zahlen.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Die Auswahl der Schule für ein Kind sei eine wichtige Angelegenheit, die die gemeinsam obsorgeberechtigten Eltern im Sinne des § 137 Abs 2 ABGB tunlichst einvernehmlich wahrzunehmen hätten. Sei dies nicht möglich, könne jeder Elternteil gemäß § 181 Abs 1 ABGB das Gericht anrufen. Die einvernehmlich erfolgte Auswahl der Schule durch die gemeinsam obsorgeberechtigten Eltern und die damit zusammenhängende Vereinbarung über die Tragung der Schulkosten könne nicht einseitig widerrufen werden. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fehle, ob bzw unter welchen Voraussetzungen der geldunterhaltspflichtige Elternteil seine Zustimmung zum Besuch einer Privatschule und die von ihm übernommene Zahlungsverpflichtung einseitig widerrufen könne.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts (§ 71 Abs 1 AußStG) nicht zulässig.

1. Zu der vom Vater im Vergleich vom 12. 10. 2006 übernommenen Verpflichtung hat der Oberste Gerichtshof bereits in der in dieser Sache ergangenen Entscheidung 1 Ob 143/12d ausführlich Stellung genommen und dargelegt, dass die Beurteilung des von ihm zum Teil übernommenen Schulgeldes als Abgeltung von Sonderbedarf das Ergebnis einer vertretbaren Auslegung sei. Soweit der Vater diese Qualifikation erneut in Zweifel zieht, ist darauf zu verweisen (so auch schon 1 Ob 135/14f).

2. Die Verpflichtung des Vaters, das halbe Schuldgeld zu zahlen, beruht auf einem Vergleich, sodass seiner Zahlungspflicht materiell-rechtlich ein verbindlicher Vertrag (vgl dazu RIS‑Justiz RS0032464) zugrunde liegt, der nicht einseitig widerrufen werden kann. Schon aus diesem Grund muss die Vorgangsweise des Vaters, der mit Schreiben vom 1. 2. 2013 sein Einverständnis zum Besuch der Privatschule durch seine Tochter widerrufen hat, für die Beurteilung des Schulgelds als Sonderbedarf ohne Bedeutung bleiben. Der Umstand, dass eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einer vergleichbaren Fallgestaltung fehlt, begründet hier entgegen der Ansicht des Rekursgerichts keine erhebliche Rechtsfrage (vgl RIS-Justiz RS0042656; RIS‑Justiz RS0102181).

Auch sonst spricht der Vater in seinem Rechtsmittel keine Rechtsfragen von der Bedeutung gemäß § 62 Abs 1 AußStrG an:

3. Von der Beurteilung eines Aufwands als

Sonderbedarf ist die Frage zu trennen, ob eine Deckungspflicht des unterhaltspflichtigen Elternteils nach § 231 ABGB besteht, ob diesem also die Deckung angesichts seiner Einkommens‑ und Vermögensverhältnisse zumutbar ist (RIS-Justiz RS0107179; RS0109907). Sie ist regelmäßig dann zu bejahen, wenn dieser Aufwand auch in einer intakten Familie unter Berücksichtigung der konkreten Einkommens ‑ und Vermögenssituation getätigt worden wäre (RIS‑Justiz RS0107182).

4. Wegen ihres Alimentationszwecks schließen alle gesetzlichen Unterhaltspflichten die Umstandsklausel ein ( Stabentheiner in Rummel/Lukas ABGB 4 § 231 Rz 81 mwN).

Der Anspruch auf Unterhalt – einschließlich des Sonderbedarfs – kann daher im Fall einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse neu bemessen werden (RIS‑Justiz RS0018984; vgl auch RS0107666). Der Rechtsmittelwerber beruft sich zwar auf die Umstandskausel, behauptet aber gar nicht, dass sich die Verhältnisse seit dem Abschluss des Vergleiches in wirtschaftlicher Hinsicht wesentlich geändert hätten. Soweit er darauf hinweist, er habe die Verpflichtung übernommen, als noch ein gemeinsamer Haushalt bestanden habe, und damit offensichtlich meint, der Vergleich sei nur auflösend bedingt geschlossen wurden, spricht er keine für die Beurteilung seiner Deckungspflicht wesentliche Änderung der Verhältnisse an, sondern wendet sich erneut gegen die Auslegung des Vergleiches durch die Vorinstanzen, die bereits in der Vorentscheidung 1 Ob 143/12d beurteilt wurde.

5. Die Argumentation des Vaters, der Sonderbedarf zuzüglich des „sonstigen“ Unterhaltsanspruchs seiner Tochter übersteige in Summe das 2,5 fache des Regelbedarfs, übersieht, dass der Sonderbedarf gerade aus den bei der Ermittlung des Regelbedarfs bewusst außer Acht gelassenen Umstände resultiert (RIS‑Justiz RS0047564, RS0117791; Schwimann / Kolmasch aaO 112). Darüber hinaus hängt die konkrete Ausmittlung des Unterhalts immer von den Umständen des Einzelfalls ab (RIS‑Justiz RS0053263), wobei das vom Vater angesprochene Vielfache des Regelbedarfs nach einem Teil der Rechtsprechung keine absolute Obergrenze darstellt (2 Ob 5/03d mwN; weiter Nennungen bei Gitschthaler , Unterhaltsrecht³“ Rz 501, 4; zust Stabentheiner aaO Rz 24) und für Sonderbedarf keine Rolle spielt ( Gitschthaler aaO Rz 562). Jedenfalls ist die Gefahr einer pädagogisch schädlichen Überalimentierung (vgl dazu 2 Ob 5/03d mwN) bei der Widmung des hier zu beurteilenden Sonderbedarfs gerade nicht gegeben.

6. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

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