OGH 15Os97/17d

OGH15Os97/17d19.9.2017

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. September 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Mann in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Wetter als Schriftführer im Verfahren zur Unterbringung des Florian Z***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Schöffengericht vom 16. Mai 2017, GZ 7 Hv 14/17v‑46, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0150OS00097.17D.0919.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Florian Z***** gemäß § 21 Abs 1 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen, weil er in V***** und andernorts unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB), der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht, nämlich „einer leichtgradigen Intelligenzminderung und einer paranoiden Schizophrenie“,

1./ am 7. Jänner (gemeint [US 3]:) 2017 Sandra K***** außer den Fällen des § 201 StGB mit Gewalt zur Duldung einer geschlechtlichen Handlung zu nötigen versucht hat, indem er sie bei ihren Schultern packte, sie zu seinem Körper zog, ihr die Knöpfe der Arbeitsjacke aufriss, sie sodann trotz ihrer körperlichen Gegenwehr fest zu seinem Körper drückte, sie im Bereich ihres Gesäßes ergriff und sie im Bereich ihrer Scheide intensiv zu betasten und zu streicheln versuchte, wobei dies sowie weitere gewaltsam erzwungene geschlechtliche Handlungen nur deshalb unterblieben, weil es K***** gelang, sich wegzureißen und zu flüchten;

2./ am 20. März 2017 Margit R***** durch Gewalt zur Vornahme oder Duldung des Beischlafs oder einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung zu nötigen versucht hat, indem er sie fest an ihrem Handgelenk packte und in das Bad zu zerren versuchte, um dort mit ihr einen vaginalen Geschlechtsverkehr durchzuführen, wobei es infolge der heftigen Gegenwehr des Opfers beim Versuch blieb;

sohin Taten begangen hat, die als die Verbrechen der geschlechtlichen Nötigung nach §§ 15, 202 Abs 1 StGB (1./) und der Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 1 StGB (2./) jeweils mit ein Jahr übersteigender Freiheitsstrafe bedroht sind.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5, 5a, 9 lit b und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen, die ihr Ziel verfehlt.

Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) wurden durch die Abweisung des Antrags auf „Beischaffung der im W*****Krankenhaus durchgeführten Erhebungsergebnisse, und zwar der vom Sachverständigen angeführten PCL- und HCE-Scores“, und auf anschließende Ergänzung des „medizinischen“ Gutachtens „zum Beweis dafür, dass beim Betroffenen keine geistige oder seelische Abartigkeit höheren Grades vorliegend ist und dass nicht zu befürchten ist, dass der Betroffene in seinem geistigen und seelischen Zustand eine mit Strafe bedrohte Handlung mit schweren Folgen begehen wird“ (ON 45 S 20), Verteidigungsrechte nicht geschmälert. Denn der Antrag ließ nicht erkennen, weshalb die beantragte Beweisaufnahme das behauptete Ergebnis erbringen sollte, womit er auf eine unzulässige

Erkundungsbeweisführung abzielte (RIS‑Justiz RS0118444; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 327 f und 330 f).

Auf die Kritik an den Erwägungen des Schöffengerichts für die Ablehnung der begehrten Beweisaufnahme ist nicht einzugehen, weil die Richtigkeit der für die Abweisung eines Beweisantrags gegebenen Begründung ohnehin nicht unter Nichtigkeitssanktion steht, sofern dem Antrag auch nach der – auf den Zeitpunkt der Antragstellung bezogenen – Ansicht des Obersten Gerichtshofs (im Ergebnis) keine Berechtigung zukam (RIS‑Justiz RS0116749).

Der Antrag auf Einholung eines psychologischen Sachverständigengutachtens zum Beweis, „dass es möglich ist, die Behandlung der Erkrankung auch außerhalb einer geschlossenen Anstalt sicherzustellen“ (ON 45 S 20 f), ließ wiederum nicht erkennen, inwieweit dieser Umstand für die Begehung und Subsumtion der Anlasstaten sowie für den in § 

21 Abs 1 StGB beschriebenen Zustand von Bedeutung wäre. Auf das zur Fundierung des Antrags erstattete Beschwerdevorbringen

war nicht einzugehen, weil bei Prüfung der Berechtigung eines solchen von der Verfahrenslage im Zeitpunkt der Antragstellung und den dort vorgebrachten Gründen auszugehen ist (RIS‑Justiz RS0099618).

Mit dem Hinweis, dass das Referat zu 1./ im Erkenntnis die Tatzeit 7. Jänner 2016 anführt (US 1), obwohl „aktenkundig“ sei, dass die dem Betroffenen vorgeworfene Tat am 7. Jänner 2017 stattgefunden habe, wird weder die behauptete Nichtigkeit aus Z 5 dritter Fall (vgl RIS‑Justiz RS0117402; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 437), noch eine solche aus Z 3 (s RIS‑Justiz

RS0117435; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 272 ff) prozessförmig zur Darstellung gebracht (zur Frage, unter welchen Prämissen die Tatzeit einen entscheidungswesentlichen Umstand darstellt, vgl im Übrigen RIS‑Justiz

RS0098557).

Indem die Mängelrüge (Z 5) die Krankheiten des Betroffenen und seinen Umgang mit diesen interpretiert, auf dessen Umfeld und Verhalten in der Vergangenheit verweist, die Tat zu 1./ mit Verliebtheit in das Opfer erklärt und zum Schluss kommt, dass es notwendig gewesen wäre, „das Vorleben und die Vergangenheit des Betroffenen näher zu erörtern und in ein spezielles Gutachten eines für den Sachbereich der Psychiatrie eingetragenen Sachverständigen sowie in ein psychologisches Gutachten einfließen zu lassen“, wird ein Begründungsmangel nicht aufgezeigt, sondern in unzulässiger Form Beweiswürdigungskritik geübt.

Der Beschwerde (Z 5 zweiter Fall) zuwider blieben die Umstände einer veränderten Medikamenteneinnahme und eines längeren Klinikaufenthalts des Betroffenen nicht unerörtert, sondern hat sich das Schöffengericht damit ausführlich auseinandergesetzt (US 7 iVm US 11 f). Dass aus diesen auch andere Schlüsse gezogen werden könnten, stellt keinen Begründungsmangel dar (RIS‑Justiz RS0099455).

Ob eine geistige oder seelische

Abartigkeit höheren Grades vorliegt, ist eine vom Gericht und nicht vom Sachverständigen zu beantwortende Rechtsfrage (RIS‑Justiz RS0090441), weshalb die Behauptung, es fände sich im Sachverständigengutachten „keine ausreichende Begründung“ dafür, dass beim Betroffenen eine solche vorliege, ins Leere geht. Die weitere Kritik an dem von den Tatrichtern als „nachvollziehbar, lebensnah, widerspruchsfrei und sorgfältig“ gewerteten (US 10) Sachverständigengutachten läuft auf eine Bekämpfung der Beweiswürdigung nach Art einer (im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen) Schuldberufung hinaus und kann daher dahingestellt bleiben.

Die vermisste Begründung zu den Feststellungen zur subjektiven Tatseite (nominell Z 9 lit b, der Sache nach Z 5 vierter Fall), somit auch zum Vorsatz des Fehlens eines Einverständnisses der Opfer, befindet sich auf US 10 und wurde mängelfrei (vgl RIS‑Justiz RS0116882) teils aus den Angaben des Betroffenen und teils aus seiner Vorgangsweise abgeleitet.

Die Tatsachenrüge (Z 5a)

weckt – soweit sie überhaupt einen direkten Bezug zu aktenkundigem Beweismaterial herstellt und nicht bloß eine „intensivere Auseinandersetzung“ mit der medizinischen Behandlung des Betroffenen und seiner Medikation reklamiert – mit dem Hinweis einerseits auf die Angaben der Zeugen Michael P*****, Laura C*****, Bürsa G*****, Vanessa S***** und Uwe Z*****, welche „ein völlig anderes Bild des Betroffenen“ gezeigt hätten, und andererseits auf die Verantwortung des Betroffenen keine erheblichen

Bedenken an der Richtigkeit der Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (RIS‑Justiz RS0118780).

Weshalb das Erstgericht „notwendige Feststellungen dahingehend“ zu treffen gehabt hätte, „ob die Tathandlungen des Betroffenen objektiv geeignet waren, mit Gewalt zur Duldung einer geschlechtlichen Handlung zu nötigen bzw durch Gewalt zur Vornahme oder Duldung des Beischlafs oder einer dem Beischlaf gleichzusetzenden Handlung zu nötigen“, leitet die Beschwerde (nominell Z 5 und 5a, der Sache nach Z 9 lit a) nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab (RIS‑Justiz RS0116565; vgl zum Gewaltbegriff im Übrigen RS0095260). Soweit damit die Abgrenzung von

Versuch und Vollendung oder die Tauglichkeit des Versuchs angesprochen werden soll, übersieht die Beschwerde, dass erstere nicht subsumtionsrelevant ist (vgl RIS‑Justiz RS0122138) und zu zweiterer nicht einmal behauptet wird, dass die Ausführungshandlungen (bei der gebotenen Ex-ante-Betrachtung [RIS‑Justiz RS0102826, RS0115363]) untauglich im Sinn des § 15 Abs 3 StGB gewesen seien. Welche Bedeutung es hat, dass das Opfer zu 2./ „nicht davon ausgehen konnte, dass es zur Verwirklichung des Beischlafs kommen könnte“, bleibt unklar.

Dass Feststellungen zur „Eignung der vom Gericht festgestellten Handlungen, als Mittel zur Willensbeugung eingesetzt zu werden“ erforderlich gewesen wären, wird bloß behauptet.

Indem die Sanktionsrüge (Z 11 erster Fall) vermeint, das Erstgericht habe bei seiner Ermessensentscheidung sämtliche prognostisch günstigen Faktoren vernachlässigt, zeigt sie eine Überschreitung der Anordnungsbefugnis des Schöffengerichts nicht auf, sondern erstattet bloß ein Berufungsvorbringen (RIS‑Justiz RS0090341, RS0090200).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits in nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

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