OGH 15Os8/17s

OGH15Os8/17s5.4.2017

Der Oberste Gerichtshof hat am 5. April 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Adamowitsch als Schriftführerin in der Strafsache gegen Zafer A***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 2, Abs 4 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Zafer A*****, Ziaurahman R***** und Shahid D***** sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 18. Oktober 2016, GZ 36 Hv 94/16z‑84, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0150OS00008.17S.0405.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen – auch einen unbekämpften Freispruch enthaltenden – Urteil wurden Zafer A***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 3 SMG (I./A./), Ziaurahman R***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 2, Abs 4 Z 3 SMG (I./B./I./), „des“ Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 12 zweiter Fall StGB, § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 2 Z 2 SMG (I./B./II./), des Vergehens der Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB (II./1./) und des Vergehens der falschen Beweisaussage nach §§ 15, 12 zweiter Fall, 288 Abs 1 StGB (II./2./), sowie Shahid D***** der Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall (zu ergänzen:) SMG, § 12 dritter Fall StGB (I./C./I./) und der Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall SMG (I./C./II./) schuldig erkannt.

Danach haben

I./ in der Zeit von Dezember 2015 bis Mitte April 2016 in W*****, I***** und anderen Orten vorschriftswidrig Suchtgift

A./ Zafer A***** in einer das Fünfzehnfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge anderen überlassen, indem er in Wien eine Menge von insgesamt zumindest 4,5 kg Cannabiskraut mit einem Reinsubstanzgehalt von zumindest 7,2 % Delta‑9‑THC (324 g reines Delta‑9‑THC) an andere in mehreren Teilhandlungen übergab, und zwar

I./ am 30. März 2016 dem abgesondert verfolgten Mohammad Da***** mindestens 2 kg;

II./ am 8. April 2016 dem abgesondert verfolgten Nazar H***** und einem unbekannten „Mittäter“ zumindest 1,5 kg;

III./ am 10. April 2016 einem nicht näher bekannten, vom abgesondert verfolgten Jawed W***** beauftragten Kurier zumindest 1 kg;

B./ Ziaurahman R*****

I./ in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge anderen überlassen, indem er in Wien „zumindest 17,65 kg Cannabiskraut mit einem Reinsubstanzgehalt von je zumindest 7,2 % (1.270 g reines Delta‑9‑THC)“ in mehreren Teilhandlungen an andere übergab, und zwar

1./ am 17. Dezember 2015 zumindest 1.965 g mit einem Reinsubstanzgehalt von zumindest 7,2 % Delta‑9‑THC (141 g reines Delta‑9‑THC) über Bestellung der abgesondert verfolgten Rafiullah Ar***** und Abdul Dau***** an einen nicht näher bekannten Kurier;

2./ im Zeitraum von Anfang des Jahres 2016 bis 11. April 2016 jeweils über Bestellung des abgesondert verfolgten Aref M***** insgesamt zumindest 16 kg Cannabiskraut mit einem Reinsubstanzgehalt von zumindest 7,2 % Delta‑9‑THC (1.152 g reines Delta‑9‑THC) an Zafer A*****, Shahid D***** sowie weitere nicht näher bekannte „Mittäter“, wobei er diese Taten als Mitglied einer kriminellen Vereinigung beging;

II./ am 11. April 2016 Shahid D***** zur Aus- und Einfuhr einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) mehrfach übersteigenden Menge von zumindest 2 kg Cannabiskraut mit einem Reinsubstanzgehalt von zumindest 7,2 % Delta‑9‑THC (144 g reines Delta‑9‑THC) bestimmt (C./II./), indem er ihn aufforderte, das Suchtgift mit dem Zug von Wien nach Tirol über das „deutsche Eck“ zu Aref M***** zu bringen, wobei er diese Tat als Mitglied einer kriminellen Vereinigung beging;

C./ Shahid D*****

I./ in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) vielfach übersteigenden Menge, nämlich eine Menge von zumindest 3,5 kg Cannabiskraut mit einem Reinsubstanzgehalt von zumindest 7,2 % Delta‑9‑THC (252 g reines Delta‑9‑THC) anderen teils überlassen, teils dazu beigetragen, und zwar:

1./ in W***** zu der unter A./II./ genannten Überlassung von zumindest 1,5 kg Cannabiskraut durch Zafer A***** beigetragen, indem er seine im Urteil näher bezeichnete Bankverbindung für die Überweisung (eines Teils) des Kaufpreises des Suchtgifts zur Verfügung stellte, den Geldbetrag abhob und an Ziaurahman R***** übergab;

2./ am 11. April 2016 in N***** dem abgesondert verfolgten Aref M***** zumindest 2 kg Cannabiskraut durch Übergabe überlassen;

II./ am 11. April 2016 in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) mehrfach übersteigenden Menge von zumindest 2 kg Cannabiskraut mit einem Reinsubstanzgehalt von zumindest 7,2 % Delta-9-THC (144 g reines Delta-9-THC) durch den mit dem Zug erfolgten Schmuggel über das „deutsche Eck“ von Salzburg nach Deutschland aus- und in der Folge in Kufstein nach Österreich eingeführt;

II./ Ziaurahman R***** zwischen 1. September 2016 und 16. September 2016 in der Justizanstalt Innsbruck durch die wiederholten Äußerungen gegenüber Aref M*****, dieser solle seine Aussage widerrufen und sagen, dass ein anderer „Zia“ die Drogen verkauft habe, sonst würde M***** Probleme bekommen, er würde Leute kennen, die M***** „in den Arsch ficken“ würden, wenn dieser wieder „draußen“ wäre, und der Ukrainer und der Russe, die mit M***** die Zelle teilen, würden diesen fertig machen,

1./ Aref M***** durch gefährliche Drohung mit zumindest einer Verletzung am Körper dazu zu nötigen versucht, seine bisher im Strafverfahren gegen Ziaurahman R***** gemachten Angaben zu widerrufen;

2./ Aref M***** dazu zu bestimmen versucht, in der Hauptverhandlung zu AZ 36 Hv 94/16z des Landesgerichts Innsbruck als Zeuge bei seiner förmlichen Vernehmung zur Sache falsch auszusagen, indem er seine bisher gemachten, wahrheitsgemäßen Angaben über Ziaurahman R***** widerruft und angibt, nicht dieser, sondern ein anderer habe ihm die Drogen verkauft.

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses Urteil richten sich die getrennt ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerden der drei Angeklagten, wobei sich Zafer A***** auf Z 3, 4 und 5 des § 281 Abs 1 StPO stützt, Ziaurahman R***** auf Z 4, 5, 9 lit a und 10 und Shahid D***** auf Z 4, 5, 9 lit a und 11.

Mit Verfahrensrügen (Z 4) kritisieren sämtliche Beschwerdeführer die Abweisung (ON 83 S 22) ihrer in der Hauptverhandlung am 18. Oktober 2016 gestellten Anträge auf neuerliche Übersetzung der Aufnahmen der Telefonüberwachungen.

Der Angeklagte A***** beantragte, jene Mitschnitte, die ihn betreffen, „von einem gerichtlich beeideten Dolmetscher nochmals übersetzen zu lassen“, weil seine Verantwortung, er habe es nicht getan und könne sich nicht erklären, dass man so über ihn gesprochen habe, die Fehlerhaftigkeit der Übersetzungen indiziere (ON 83 S 20). Der Angeklagte R***** begehrte die neuerliche Übersetzung zum Beweis dafür, dass nach seiner Verantwortung bei den Telefonaten auch von der Organisation von Partys die Rede gewesen sei, dafür Lebensmittel eingekauft worden seien und Details über den Teppichhandel besprochen worden seien, und führte dazu aus „Wenn man nicht weiß, wer das übersetzt, in einem Telefonprotokoll kann man alles übersetzen oder nichts“ (ON 83 S 21). Der Angeklagte D***** verlangte die Neuübersetzung, weil es „Indizien“ gebe, dass es schwierig sei, aus dem Afghanischen oder einem seiner Dialekte ins Deutsche zu übersetzen, und es (nicht näher bezeichnete) „Missverständnisse“ gegeben habe (ON 83 S 21).

Im Ermittlungsverfahren AZ 20 St 31/16m der Staatsanwaltschaft Innsbruck war ein von Aref M***** verwendeter Mobiltelefonanschluss überwacht worden (ON 2 S 23 ff, ON 65, ON 70; vgl US 15–18, 21 f, 26 f), im Verfahren AZ 20 UT 11/16 w der Staatsanwaltschaft Innsbruck eine von „Ahmed alias Jawed“ (Jawed W*****, vgl ON 57 S 1 f) benutzte Rufnummer (ON 57 S 5 ff; vgl US 18). Die von diesen Anschlüssen geführten Gespräche wurden aufgezeichnet, (soweit relevant) ins Deutsche übersetzt und verschriftlicht. In der Hauptverhandlung wurden die betreffenden Transkripte (ON 2 S 23 ff, ON 57 S 5 ff, ON 65, ON 70) vom Vorsitzenden sodann referiert (ON 83 S 19).

Der Beschwerdeansicht zuwider wurden durch die Abweisung der erwähnten Anträge Verteidigungsrechte der Angeklagten nicht beeinträchtigt. Denn auch ein Begehren auf neuerliche Übersetzung von Aufnahmen einer Telefonüberwachung hat den allgemeinen Anforderungen an Beweisanträge zu entsprechen (RIS‑Justiz RS0114573 [T2]). Demgegenüber ließen die Anträge des Erst- und des Drittangeklagten weder ein klares Beweisthema noch einen für die Schuld- oder Subsumtionsfrage erheblichen Umstand erkennen. Der Zweitangeklagte wiederum legte nicht dar, weshalb der behauptete Umstand, dass im Rahmen der überwachten Gespräche auch über die Organisation von Partys und den Teppichhandel gesprochen wurde, für die Schuldfrage von Relevanz sein soll.

Sollte mit den Anträgen der Nachweis angestrebt worden sein, dass den aufgezeichneten Gesprächen ein in Bezug auf erhebliche Umstände anderer Inhalt zu entnehmen sei als ihrer schriftlichen Übersetzung, ließen sie nicht erkennen, aus welchen nicht bloß auf Spekulationen beruhenden Gründen dieses Ergebnis zu erwarten gewesen wäre (vgl US 17), und waren insofern – im Stadium der Hauptverhandlung unzulässig – auf Erkundungsbeweisführung gerichtet (vgl 14 Os 5/14p und 11 Os 135/16m, jeweils mwN).

Das erst in den Rechtsmitteln als Versuch einer Antragsfundierung erstattete weitere Vorbringen ist prozessual verspätet und daher unbeachtlich (RIS‑Justiz RS0099618).

 

Zur (übrigen) Nichtigkeitsbeschwerde des Erstangeklagten A*****:

Die Verfahrensrüge (Z 3) behauptet, das Erstgericht habe durch die „Verlesung“ der Ergebnisse der Telefonüberwachung gegen § 140 Abs 1 Z 4 iVm § 135 Abs 3 Z 3 StPO verstoßen, weil die Überwachung nicht zum Nachweis der dem Erstangeklagten vorgeworfenen Taten angeordnet worden sei und mangels Erfüllung der Voraussetzungen des § 135 Abs 3 Z 3 lit a oder lit b StPO auch nicht angeordnet werden hätte dürfen, sodass „die Verwertung“ dieser Zufallsfunde unzulässig sei.

Die erwähnten Ergebnisse der in den Ermittlungsverfahren AZ 20 St 31/16m und AZ 20 UT 11/16 w der Staatsanwaltschaft Innsbruck durchgeführten Überwachungen der von Aref M***** und Jawed W***** verwendeten Telefonanschlüsse fanden durch ein Referat des Vorsitzenden (§ 252 Abs 2 iVm Abs 2a StPO) Eingang in die Hauptverhandlung (ON 83 S 19). Da der Rechtsmittelwerber unmittelbar zuvor solcher Verwendung in der Hauptverhandlung (vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 203) ausdrücklich zugestimmt hatte, ist ihm die Geltendmachung eines Verfahrensmangels im angesprochenen Sinn von vornherein verwehrt (vgl RIS-Justiz RS0116040), sodass sich ein inhaltliches Eingehen auf das Vorbringen erübrigt.

Der weiteren Verfahrensrüge (Z 4) zuwider durfte das Schöffengericht den Antrag auf Ladung und Vernehmung des Mitarbeiters der Caritas Aleksei L***** zum Beweis dafür, „dass der Erstangeklagte nichts mit Drogen zu tun hat und ein guter Mensch ist“ (ON 83 S 20), schon deshalb ohne Verletzung von Verteidigungsrechten abweisen (ON 83 S 22), weil weder unmittelbar tatbezogene sinnliche Wahrnehmungen dieser Person behauptet wurden (RIS‑Justiz RS0097540RS0097545), noch eine Erklärung erfolgte, weshalb der Genannte im gesamten Tatzeitraum zu einer lückenlosen, die konkrete Tatbegehung ausschließenden Beobachtung des Antragstellers in der Lage gewesen sein sollte (RIS-Justiz RS0107040 [T8], RS0099189 [T20]). Die in der Beschwerde nachgetragenen Argumente sind prozessual verspätet und daher unbeachtlich (RIS-Justiz RS0099618).

Mit der Behauptung (Z 5 vierter Fall), das Erstgericht habe zur Urteilsbegründung unzulässigerweise einem Beweisverwertungsverbot (§ 140 Abs 1 StPO) unterliegende Ergebnisse der Telefonüberwachung herangezogen, scheitert das Rechtsmittel mit Blick auf die Subsidiarität von Begründungsmängeln gegenüber Verfahrensmängeln (vgl oben zu Z 3) schon am Fehlen eines Vorbringens, weshalb der Beschwerdeführer an einem zweckdienlichen Tätigwerden, um das Vorkommen der Beweismittel in der Hauptverhandlung zu verhindern (§ 258 Abs 1 StPO), gehindert gewesen wäre (RIS-Justiz RS0116259; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 65 f, 68 f).

Entgegen dem Vorbringen der weiteren Mängelrüge (nominell Z 5 dritter Fall, der Sache nach Z 5 zweiter Fall) haben die Tatrichter die entlastenden Angaben der Zeugen Mohammad Da*****, Nazar H***** und Jawed W***** in ihre beweiswürdigenden Erwägungen einbezogen, diesen Aussagen jedoch im Hinblick auf andere Beweisergebnisse keinen Glauben geschenkt (US 29 iVm 15–18). Mit den Angaben des Aref M***** in der Hauptverhandlung hat sich das Schöffengericht gleichfalls– und zwar in Bezug auf sämtliche Angeklagte – auseinandergesetzt, den abweichenden Schilderungen des Genannten vor der Polizei jedoch – unter Hinweis auf im Urteil dargelegte Umstände – mehr Glauben geschenkt (US 20 f iVm US 15 f). Die Aussage dieses Zeugen in der Hauptverhandlung, er habe „den Erstangeklagten … nie als Kurier erlebt“ (ON 83 S 15), wurde dabei – aus dem Kontext des Urteils erkennbar – gar wohl mitbedacht (US 20 f).

Die Tatrichter leiteten ihre Überzeugung vom Vorliegen der subjektiven Tatseite (und insbesondere auch vom damit verbundenen Wissen des Beschwerdeführers um den Inhalt der zu I./A./I./ im Auftrag des Zweitangeklagten R***** an Mohammad Da***** übergebenen Tasche) aus den Ergebnissen der Telefonüberwachung, einem daraus erschlossenen logistischen und konspirativen Aufwand, der nach ihrer Ansicht mit der Übergabe einer – wie vom Zweitangeklagten behauptet – bloß mit Kleidung befüllten Tasche nicht nachvollziehbar wäre (US 14 ff), dem äußeren Tatgeschehen, der Wiederholung der Taten und der Einbindung des Beschwerdeführers in Suchtgiftgeschäfte des Zweitangeklagten, seines Landsmanns und Mitbewohners in einer kleinen Wohnung, ab (US 19 iVm 16 f). Dies ist – dem Einwand bloßer Scheinbegründung (Z 5 vierter Fall) zuwider – unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden.

Soweit der Beschwerdeführer den Ausführungen der Tatrichter eigene Beweiswerterwägungen gegenüberstellt und darauf gestützt günstigere Feststellungen einfordert, bekämpft er – im schöffengerichtlichen Verfahren jedoch unzulässig – bloß die erstgerichtliche Beweiswürdigung. Dass aus den Beweisergebnissen allenfalls auch für den Angeklagten günstigere Schlüsse gezogen werden hätten können, bewirkt keine Urteilsnichtigkeit (RIS‑Justiz RS0098471).

Der behauptete Widerspruch (Z 5 dritter Fall) zwischen der Überlegung der Tatrichter, „es widerstritte jeder Erfahrung, dass er [der Erstangeklagte] nicht mitbekommen hat, dass R***** einen schwunghaften Suchtgifthandel betreibt“ (US 17), und ihrer Überzeugung, dass aus den vorliegenden Beweisergebnissen hingegen „nicht mit der nötigen Sicherheit abgeleitet werden [kann], dass A***** von der auf Dauer angelegten Verbindung zwischen R*****, T***** und M***** wusste und sich für diese kriminelle Vereinigung hat betätigen wollen“ (US 19), liegt nicht vor, weil beide Aussagen nach den Kriterien logischen Denkens und grundlegenden Erfahrungssätzen nebeneinander bestehen können (vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 439).

Zur übrigen Nichtigkeitsbeschwerde des Zweitangeklagten R*****:

Die Verfahrensrüge bemängelt (nominell aus Z 4, der Sache nach auch aus Z 3 iVm § 252 Abs 1 Z 4 StPO), die Protokolle der Telefonüberwachungen seien ohne Zustimmung des Beschwerdeführers (vgl ON 83 S 19) „verlesen“ worden. Bei solchen Transkripten handelt es sich allerdings um Schriftstücke im Sinn des § 252 Abs 2 StPO, weshalb sich der Zweitangeklagte nicht unter dem Aspekt der fehlenden Zustimmung zur Verlesung im Sinn des § 252 Abs 1 (oder Abs 4) StPO (aus Z 3) über deren Vorkommen in der Hauptverhandlung beschweren kann (vgl RIS‑Justiz RS0117025; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 228 f, 240; Kirchbacher, WK-StPO, § 252 Rz 14, 124, 129 f). Einen rechtzeitigen und förmlichen Antrag an das Schöffengericht (§ 238 Abs 2 StPO; Danek/Mann; WK-StPO § 238 Rz 7/1, 8; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 302, 304 f, 314, 338; RIS‑Justiz RS0113618), diese Aktenstücke aus deutlich und bestimmt bezeichneten anderen Gründen, die einer Verwertung derselben im Urteil entgegenstehend würden, von der Verlesung auszunehmen, hat der Beschwerdeführer– seiner Behauptung im Rechtsmittel zuwider – in der Hauptverhandlung gerade nicht gestellt (ON 83 S 19, 21), sodass auch die Anfechtung aus Z 4 ins Leere geht.

Dem weiteren Vorbringen (Z 4) zuwider wurden durch die Abweisung (ON 83 S 22) des Antrags auf Ladung und Vernehmung des Zeugen Farid Wa***** zum Beweis dafür, dass „das Darlehen des Zeugen für die Eröffnung eines Teppichgeschäfts des Zweitangeklagten diente“ (ON 83 S 20), Verteidigungsrechte nicht verletzt. Denn das Antragsvorbringen ließ nicht erkennen, inwiefern der unter Beweis zu stellende Umstand für die Lösung der Schuld- oder Subsumtionsfrage von Bedeutung sein sollte (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 327, 332; vgl auch US 23 f). Die erst in der Beschwerde nachgetragenen Gründe für die Notwendigkeit der begehrten Beweisaufnahme sind prozessual verspätet (RIS‑Justiz RS0099618).

Dem Vorwurf der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) zuwider hat das Schöffengericht die Angaben der Zeugen Najmuldin T*****, Nazar H*****, Jawed W*****, Mohammad Da*****, Rafiullah Ar***** und Atiqulla N***** sehr wohl berücksichtigt, diese jedoch im Hinblick auf die übrigen Beweisergebnisse als unglaubwürdig verworfen (US 29).

Die gegen den Schuldspruch zu II./1./ gerichtete Rechtsrüge (Z 9 lit a) vernachlässigt mit der Behauptung, bei den inkriminierten Äußerungen habe es sich nicht um Drohungen mit einer Verletzung am Körper, sondern bloß um milieubedingte Unmutsäußerungen gehandelt, die gegenteiligen erstrichterlichen Feststellungen zum Sinn und Bedeutungsinhalt sowie zur Ernstlichkeit der Äußerungen des Beschwerdeführers (US 11 f, US 25). Solcherart verfehlt die Rüge den vom Gesetz geforderten Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS-Justiz RS0099810).

Die Subsumtionsrüge (Z 10) kritisiert, das Erstgericht habe hinsichtlich des Schuldspruchs zu  I./B./I./1./ keine Feststellungen zur Tatbegehung als Mitglied einer kriminellen Vereinigung getroffen, erklärt aber nicht (RIS‑Justiz RS0116569), weshalb derartige Konstatierungen mit Blick auf die zu Schuldspruch I./B./I./2./ vom Beschwerdeführer nicht in Frage gestellte Qualifikation nach § 28a Abs 2 Z 2 SMG für die vom Schöffengericht (zu I./B./I./) nach § 28a Abs 4 Z 3 SMG gebildete Subsumtionseinheit erforderlich sein sollen (vgl RIS‑Justiz RS0112520 [T3], RS0117464; Ratz; WK-StPO § 281 Rz 578). Davon abgesehen wäre die Beschwerde, weil sie neben jener wegen eines (einzigen) Verbrechens nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 2, Abs 4 Z 3 SMG (zusätzlich) die Verurteilung wegen eines Vergehens nach § 27 Abs 1 Z 1 (achter Fall) SMG einfordert, auch gar nicht zum Vorteil des Zweitangeklagten ausgeführt.

Das weitere Vorbringen (Z 10), die Qualifikation des dem Nichtigkeitswerber zu Schuldspruch I./B./II./ angelasteten Verhaltens (auch) nach § 28a Abs 2 Z 2 SMG sei mangels Feststellungen „über die Einigung aller Mitglieder im Sinne eines Gesamtwillens bzw überhaupt eines Zusammenschlusses von mindestens drei Personen zur Ein- und Ausfuhr im Rahmen einer kriminellen Vereinigung“ sowie „dazu, dass der Zweitbeschuldigte jemand anderen zur Ein- und Ausfuhr im Rahmen einer kriminellen Vereinigung habe bestimmen wollen,“ zu Unrecht erfolgt, orientiert sich weder am Urteilssachverhalt (RIS‑Justiz RS0099810) noch leitet sie die behauptete Konsequenz methodisch vertretbar aus dem Gesetz ab (RIS-Justiz RS0116569):

Denn nach den – zum Teil disloziert getroffenen, durch das Erkenntnis auch verdeutlichten (vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 584) – Feststellungen des Schöffengerichts haben sich der Zweitangeklagte R***** und die abgesondert verfolgten Aref M***** und Najmuldin T***** Anfang des Jahres 2016 auf unbestimmte längere Zeit zu einer Vereinigung mit einem rudimentären Organisationsgrad zusammengeschlossen, die dem Zweck diente, „möglichst große Mengen Cannabiskraut in Verkehr zu setzen und daran zu verdienen“ (US 10 f, 24), wobei die Aufgabe des Zweitangeklagten die Beschaffung des Suchtgifts in W***** und dessen „Versendung“ und „Lieferung“ nach I*****, jene des Aref M***** der Kontaktschluss zwischen dem Zweitangeklagten und Najmuldin T***** und die des Letztgenannten das Inverkehrsetzen in I***** war (US 10). Die Tatrichter gingen ferner davon aus, dass R***** um die Vereinigung, das arbeitsteilige Zusammenwirken ihrer Mitglieder und seine Rolle wusste, er als Mitglied dieser Vereinigung Suchtgift besorgen und weitergeben wollte (US 10) und die vom Schuldspruch I./B./II./ erfasste Bestimmung des Drittangeklagten zum Transport von Suchtgift von W***** nach I***** über Deutschland (US 11) im Rahmen eben dieser Vereinigung in seiner Rolle als über Bestellung des Aref M***** agierender „Versender“ und „Lieferant“ beging (US 24 f).

Weshalb diese Feststellungen die Annahme der Qualifikation nach § 28a Abs 2 Z 2 SMG nicht tragen sollen, erklärt die Beschwerde nicht.

 

Zur (übrigen) Nichtigkeitsbeschwerde des Drittangeklagten D*****:

Die Ableitung der Feststellungen zur subjektiven Tatseiteaus dem äußeren Tatgeschehen und dessen lebensnaher Betrachtung (US 27 f) ist dem Vorwurf der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) zuwider unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden.

Entgegen dem weiteren Vorbringen (Z 5 zweiter Fall) haben sich die Tatrichter auch im Rahmen ihrer den Drittangeklagten betreffenden beweiswürdigenden Erwägungen mit den Angaben des Aref M***** – dem Gebot der gedrängten Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) folgend – hinreichend auseinandergesetzt (US 27 iVm US 20 f). Ihre Überzeugung von der vorsätzlichen Involvierung des Drittangeklagten in die Suchtgiftgeschäfte des Zweitangeklagten haben sie– logisch nachvollziehbar und empirisch einwandfrei – aus den Ergebnissen der Telefonüberwachung im Zusammenhalt mit von M***** vor der Polizei preisgegebenen „Codes“ abgeleitet, was unter dem von der Beschwerde weiters angesprochenen Aspekt der Begründungstauglichkeit (Z 5 vierter Fall) nicht zu beanstanden ist. Da sich die den Beschwerdeführer entlastenden Angaben dieses Zeugen in der Hauptverhandlung (ON 83 S 15 ff) hinsichtlich einer konkreten Tätigkeit des Drittangeklagten als Suchtgiftkurier zu C./I./2./ und C./II./ inhaltlich nicht von jenen vor der Polizei unterscheiden (ON 2 S 175 und 179), waren die Tatrichter auch nicht gehalten, letztere gesondert und im Detail zu erörtern.

Soweit der Rechtsmittelwerber aus einzelnen Verfahrensergebnissen für ihn günstigere Schlussfolgerungen ableitet, begibt er sich auf die Ebene einer unzulässigen Schuldberufung.

Die Behauptung, das Urteil sei zu I./C./I./1./ und 2./ zufolge Fehlens eines „Ausspruchs über den Reingehalt an Suchtmittel“ undeutlich (Z 5 erster Fall; vgl RIS‑Justiz RS0117995) ist im Hinblick auf die gerade auf einen solchen konkret Bezug nehmenden Entscheidungsgründe (US 12 ff iVm US 11) nicht verständlich. Sollte mit der Bezugnahme auf „den Urteilsspruch“ der Sache nach allenfalls Undeutlichkeit des Urteilstenors zu I./C./I./ (Z 3 iVm § 260 StPO) angesprochen werden, ist auf die im Referat der entscheidenden Tatsachen im Einleitungssatz erfolgte Präzisierung (US 4) zu verweisen, die ohnehin alle für die zu I./C./I./ vorgenommene Subsumtion (US 6) erforderlichen Tatumstände enthält.

Mit dem auf Z 9 lit a gestützten Vorwurf, das Erstgericht habe „die rechtliche Beurteilung der Tat überhaupt nicht begründet“, wird kein Nichtigkeitsgrund geltend gemacht (RIS‑Justiz RS0100877).

Ebensowenig wird mit der Behauptung, das Urteil enthalte „keine Feststellungen zur Person des Drittangeklagten und zu seinen persönlichen Verhältnissen“, Nichtigkeit iSd Z 11 aufgezeigt (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 662, 666, 691 f, 698, 700).

Die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten waren daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt.

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