OGH 11Os135/16m

OGH11Os135/16m17.1.2017

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. Jänner 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger, Mag. Michel und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Oeljeschläger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Mema S***** wegen des Verbrechens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 15 StGB, § 28 Abs 1 erster und zweiter Fall, Abs 2, Abs 3 SMG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 23. August 2016, GZ 65 Hv 40/15z‑90, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0110OS00135.16M.0117.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch einen in Rechtskraft erwachsenen Freispruch des Angeklagten enthaltenden Urteil wurde Mema S***** des Verbrechens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 15 StGB, § 28 Abs 1 erster und zweiter Fall, Abs 2, Abs 3 SMG schuldig erkannt.

Danach hat er in Wien als Mitglied einer kriminellen Vereinigung vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich Kokain in einer das Fünfzehnfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge mit dem Vorsatz, dass es in Verkehr gesetzt werde, zu erwerben und zu besitzen versucht, und zwar

(a) am 11. November 2014 durch Übernahme von 615 Gramm (mit einem Wirkstoffgehalt an Cocain von 47,09 %) von dem gesondert Verfolgten Blessing D*****, wobei die Tatvollendung aufgrund der (US 5:) unmittelbar vor der geplanten Suchtgiftübergabe durchgeführten Festnahme des Genannten unterblieb;

(b) am 6. Dezember 2014 durch Übernahme einer jedenfalls 7,4 Gramm (mit einem Wirkstoffgehalt an Cocain von zumindest 20 %) übersteigenden Menge von einem Unbekannten und deren Verwahrung bis zum geplanten Weiterverkauf.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen wendet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4 und 5 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Im Ermittlungsverfahren wurden vom Mobiltelefonanschluss des Angeklagten (in verschiedenen fremden Sprachen) geführte Telefongespräche überwacht und akustisch aufgezeichnet (vgl ON 3 f, 6). Diese Aufzeichnungen wurden ins Deutsche übersetzt und verschriftlicht; die betreffenden Transkripte (ON 18) wurden in der Hauptverhandlung (richtig: gemäß § 252 Abs 2 StPO – RIS‑Justiz RS0117025; Kirchbacher , WK‑StPO § 252 Rz 124) verlesen (ON 89 S 5).

Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) wurden durch die Ablehnung (ON 89 S 5) des Antrags, „zum Beweis dafür, dass es sich bei den Aussagen des Beschuldigten um die Wahrheit handelt, einen Dolmetscher beizuziehen und die verfahrensrelevanten Aufzeichnungen in der Hauptverhandlung anzuhören“, weil „aufgrund der Mittelbarkeit der Wortprotokolle“ „erhebliche Umstände wie die Stimmlage der Gesprächsteilnehmer, allfällige Unverständlichkeiten und andere Eigenheiten der verbalen Kommunikation“ darin „nicht ausreichend beachtet“ würden (ON 83 S 3 verso iVm ON 89 S 4 f), Verteidigungsrechte des Angeklagten nicht geschmälert.

Mangels eines Vorbringens, der Wahrheitsgehalt welcher Tatsachenbehauptungen des Angeklagten damit unter Beweis gestellt werden sollte, enthielt das – an den allgemeinen Anforderungen an Beweisanträge zu messende (15 Os 13/04, 12 Os 156/07v, 14 Os 5/14p = RIS‑Justiz RS0114573 [T1, T2]) – Begehren nämlich (schon) kein klares Beweisthema (§ 55 Abs 1 zweiter Satz StPO). Einen konkreten, für die Schuld- oder die Subsumtionsfrage erheblichen Umstand ( Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 321) sprach der Antrag nicht an. Sollte damit der Nachweis angestrebt worden sein, dass den aufgezeichneten Gesprächen ein – in Bezug auf solche Umstände – anderer Inhalt zu entnehmen sei als ihrer schriftlichen Übersetzung (ON 18), ließ er auch nicht erkennen, aus welchen nachvollziehbaren (und nicht bloß auf Spekulationen beruhenden) Gründen dieses Ergebnis zu erwarten gewesen wäre, und war insofern – im Stadium der Hauptverhandlung unzulässig – auf Erkundungs-beweisführung gerichtet ( Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 330).

Der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) zuwider stützten die Tatrichter ihre den Schuldspruch in objektiver Hinsicht tragenden Feststellungen weder bloß darauf, dass sie der leugnenden Verantwortung des Angeklagten den Glauben versagten (US 7 f), noch allein auf das Ergebnis der Überwachung seiner Telefonate (US 7 ff, 9, 10), sondern – willkürfrei – auf in vernetzter Betrachtung einer Mehrzahl von Beweisergebnissen angestellte Plausibilitätserwägungen (unter anderem zur Verwendung von codierten Bezeichnungen für Suchtgift in den überwachten Gesprächen). Jene zur Tatbegehung durch den Angeklagten gründeten sie dabei zusätzlich auf diesen belastende Angaben des Zeugen D***** sowie den Umstand, dass die vom Schuldspruch (a) erfasste Suchtgiftquantität in dessen Besitz und die vom Schuldspruch (b) erfasste in der Wohnung des Angeklagten sichergestellt wurde (US 6 bis 10), jene zur kriminellen Vereinigung überdies auf Aussagen des Zeugen H***** (US 10).

Indem die Rüge solcherart verabsäumt, an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe Maß zu nehmen, bringt sie den geltend gemachten Nichtigkeitsgrund (schon deshalb) nicht zu prozessförmiger Darstellung (RIS‑Justiz RS0119370). Soweit sie den überwachten Telefongesprächen aufgrund eigener Überlegungen einen anderen, unverfänglichen Inhalt unterlegt wissen will, verliert sie sich (ebenfalls) in einem Angriff auf die tatrichterliche Beweiswürdigung nach Art einer – im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen – Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld.

Ob die (US 9 f: von den einschreitenden Polizeibeamten wahrgenommene) „Betätigung der Spülung der Toilette“ (in der Wohnung des Angeklagten) „mit der Entsorgung von Suchtgift zu tun“ hatte, ist ebenso wenig für die Schuld- oder die Subsumtionsfrage bedeutsam wie die Staatsangehörigkeit des Angeklagten. Das darauf bezogene Beschwerdevorbringen verfehlt den – im Ausspruch des Schöffengerichts über entscheidende Tatsachen gelegenen – Bezugspunkt der Mängelrüge ( Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 391, 399).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Stichworte