OGH 14Os5/14p

OGH14Os5/14p25.2.2014

Der Oberste Gerichtshof hat am 25. Februar 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Marek sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Ent als Schriftführer in der Strafsache gegen Seka S***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall und Abs 4 Z 3 SMG und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 14. August 2013, GZ 7 Hv 59/13b‑230, sowie seine Beschwerde gegen den zugleich gefassten Beschluss auf Widerruf einer bedingten Strafnachsicht und einer bedingten Entlassung nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Seka S***** ‑ im zweiten Rechtsgang (vgl 14 Os 33/13d) erneut ‑ des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall und Abs 4 Z 3 SMG (1) und „mehrerer“ Vergehen der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 (zweiter Fall) SMG (2) schuldig erkannt.

Danach hat er in G***** und an anderen Orten vorschriftswidrig Suchtgift

(1) in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge anderen überlassen, indem er von Februar 2011 bis 8. Juli 2011 mindestens 13.000 Gramm Cannabiskraut (mit einem Reinheitsgehalt von zumindest 5 % Delta-9-THC) an die abgesondert verfolgten Daniel A***** und Artem Ab***** sowie an nicht bekannte Abnehmer gewinnbringend veräußerte, und

(2) in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge mit dem Vorsatz besessen, dass es in Verkehr gesetzt werde, indem er am 11. Mai 2011 800 Gramm Cannabiskraut (mit einem Reinheitsgehalt von zumindest 5 % Delta-9-THC), das er zum Zwecke des Verkaufs in Wien erworben hatte, besaß, bis es ihm von unbekannten Tätern gestohlen wurde.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen vom Angeklagten aus Z 4, 5, 5a und 10 des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde geht fehl.

Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurde der Antrag auf „Ausforschung, Ladung und Vernehmung der unter dem Aliasnamen 'K*****'“ „bekannten“ Person (ON 197 S 31 iVm ON 190) ohne Verletzung von Verteidigungsrechten abgewiesen (vgl ON 229 S 15 f). Denn mangels Bekanntgabe von Name oder Anschrift war der Kriminalpolizei eine Ermittlung von Identität oder Aufenthaltsort einer solchen Person nicht möglich (vgl ON 195 sowie ON 218 S 19), sodass die verlangte Beweisaufnahme nicht durchführbar war (RIS-Justiz RS0099502, RS0099119; Kirchbacher, WK-StPO § 246 Rz 31).

Der vom Schöffensenat abgewiesene (ON 218 S 23 f) Antrag auf Vernehmung von Bakary San***** zum Beweis dafür, „dass dieser als Informant der Polizei diente und aufgrund einer mit dem Angeklagten stattgefundenen Rauferei diesen unrichtig belastet hat“ sowie „dass es sich (bei) den Bezeichnungen 'lange Hose' und 'kurze Hose' nicht um Begriffe für unterschiedliche Mengen von Drogen handelt“ (ON 218 S 23 iVm ON 215 S 7), ließ ‑ auch mit Blick auf die Depositionen des Zeugen BI Stefan Sa***** in der Hauptverhandlung (wonach der ihm bekannte Bakary San***** nichts mit dem Angeklagten zu tun und es in „dieser Sache keinen Informanten gegeben“ hat [ON 218 S 17 und 19]) ‑ nicht erkennen, warum die begehrte Beweisaufnahme das behauptete Ergebnis erwarten lasse, sodass er auf eine im Erkenntnisverfahren unzulässige Erkundungsbeweisführung abzielte (RIS‑Justiz RS0118444; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 327, 330).

Dies gilt auch für den Antrag auf „Abspielen der Schallträger“ zu sämtlichen im schriftlichen Beweisantrag ON 227 aufgelisteten Telefonüberwachungsprotokollen (vgl ON 90) „unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Mandingo“, weil bei Beiziehung des im Ermittlungsverfahren eingesetzten Dolmetschers Kaban I***** eine „unabhängige Überprüfung der Richtigkeit der Übersetzung“ nicht möglich sei, zusammengefasst zum Nachweis (vgl ON 227 S 21), dass die den Telefonüberwachungsprotokollen jeweils zu Grunde liegenden Gespräche keinen den Angeklagten in Richtung von „Beschaffungsfahrten“ und der „ihm vorgeworfenen Taten“ belastenden Inhalt haben, und „außerdem zum Beweis dafür“, dass das jeweilige „Tonbandprotokoll nicht authentisch, aus dem Zusammenhang gerissen, insbesondere zu Lasten des Erstangeklagten im verkürzten Sinn entstellt ist und sich überdies aus dem Tonfall ein völlig anderer Sinn als der dem Tonbandprotokoll unterstellte ergibt“. Denn auch das Begehren auf Vorführung von Aufnahmen einer Überwachung in der Hauptverhandlung hat den allgemeinen Anforderungen an Beweisanträgen zu entsprechen (15 Os 13/04, 12 Os 156/07v = RIS‑Justiz RS0114573 [T1 und T2]; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 349), sodass der Antrag, der auch nicht konkret erklärte, inwiefern der beigezogene Dolmetscher bei der Übersetzung und Verschriftung der abgehörten Telefonate fehlerhaft, unkorrekt oder lückenhaft gearbeitet haben soll, mangels der gebotenen Angabe von nachvollziehbaren (und nicht bloß auf Spekulationen basierenden) Gründen, aus denen das angestrebte ‑ den Angeklagten restlos entlastende ‑ Ergebnis zu erwarten gewesen wäre, auf einen Erkundungsbeweis (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 330) gerichtet war, dessen Aufnahme das erkennende Gericht demnach mit Recht abgelehnt hat (ON 229 S 13 f).

Das die Beweisanträge ergänzende Beschwerdevorbringen hat mit Blick auf das aus dem Wesen des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes resultierende Neuerungsverbot auf sich zu beruhen (RIS‑Justiz RS0099618, RS0099117).

Soweit die Mängelrüge Konstatierungen zu „Beschaffungsfahrten“ des Angeklagten nach Wien zum Suchtgifterwerb (US 8 bis 10) als offenbar unzureichend begründet (Z 5 vierter Fall) und insoweit als undeutlich (Z 5 erster Fall) kritisiert, weil „bei objektiver Betrachtung“ nicht erkennbar sei, „ob das Schöffengericht überhaupt bzw. welchen Reinheitsgehalt“ in Bezug „auf nahezu alle Beschaffungsfahrten und das dabei transportierte Suchtgift“ feststellte und das Gericht diesbezüglich zudem „Beiläufigkeitsausdrücke ('etwa', 'cirka' etc.) verwendet“ habe, spricht sie keine entscheidenden Tatsachen (vgl RIS‑Justiz RS0117264) an, weil dem Angeklagten ‑ abgesehen vom im gegebenen Zusammenhang nicht relevanten Schuldspruch 2 (vgl dazu den Hinweis im Rechtsmittel ON 236 AS 33 letzter Absatz) ‑ ausschließlich das den „Beschaffungsfahrten“ folgende Überlassen von Suchtgift (§ 28a Abs 1 fünfter Fall SMG) zur Last liegt.

Wegen des nach den Feststellungen anlässlich der letzten von ihm in Auftrag gegebenen und von Lucky A***** am 8. Juli 2011 durchgeführten „Beschaffungsfahrt“ sichergestellten Suchtgifts (947 g Cannabiskraut mit einem Reinheitsgehalt von zumindest 55 g Delta-9-THC; vgl US 10) wurde der Angeklagte nicht verurteilt (vgl US 11 zweiter Absatz), sodass das darauf bezogene Beschwerdevorbringen auf sich beruhen kann.

Weshalb konkrete Feststellungen zur „Zahl der angeblichen Beschaffungsfahrten“ und dazu, ob der Angeklagte „überhaupt an den Fahrten teilgenommen bzw. diese angeordnet hat“, für eine rechtsrichtige Subsumtion des hier gegenständlichen Sachverhalts „unter die Tatbestände der §§ 28 und 28a SMG“ erforderlich sein sollen, legt die Rüge (nominell Z 5) auch mit der Behauptung, von solchen Feststellungen hänge „die Menge an Reinsubstanz ab“, nicht nachvollziehbar dar.

Indem die Urteilsfeststellungen, wonach der Angeklagte Ende Juni 2011 von „K*****“ 2.000 g Cannabiskraut erworben hat und ihm diese Suchtgiftmenge jedenfalls auch zugekommen ist (US 9 f), mit dem Hinweis als offenbar unzureichend begründet (Z 5 vierter Fall) kritisiert werden, dass das Schöffengericht zugestehe, nicht eindeutig konstatieren zu können, ob er bei der bezughabenden „Beschaffungsfahrt“ mitgefahren oder der bereits verurteilte Lucky A***** alleine nach Wien gefahren ist (US 10 oben), wird erneut keine entscheidende Tatsache angesprochen. Im Übrigen haben die Tatrichter die kritisierte Feststellung aus den Ergebnissen der Telefonüberwachung (ON 90 S 669 ff, 699 und 701) bei vernetzter Betrachtung mit den weiters von ihnen ins Treffen geführten Beweisergebnissen mängelfrei erschlossen (US 9 iVm 13 ff).

Die ‑ wiederum ohnedies keine entscheidende Tatsache betreffenden ‑ Annahmen zur Bedeutung der Codewörter „kurze Hose“ und „lange Hose“ wurden ‑ der weiteren Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) zuwider ‑ logisch und empirisch einwandfrei begründet (insbesondere US 15 f). Das dagegen gerichtete Vorbringen erschöpft sich im bloßen Versuch, nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehen Berufung wegen Schuld die Beweiswürdigung der Tatrichter in Zweifel zu ziehen.

Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) liegt vor, wenn das Urteil den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 467).

Entgegen dem Vorbringen wurden anlässlich der Verhaftung des Angeklagten im Zuge der Durchsuchung seiner Oberbekleidung sowie einer Hausdurchsuchung nicht nur ‑ wie die Rüge moniert ‑ zwei, sondern drei Mobiltelefone sichergestellt (ON 2 S 149 f und S 153 f), sodass der Ausspruch der Tatrichter, es seien mehrere Mobiltelefone sichergestellt worden (US 7), schon unter diesem Aspekt nicht aktenwidrig ist.

Ebenso wenig wird mit dem ‑ für sich erneut keine entscheidende Tatsache (nämlich wiederum die „Beschaffungsfahrten“) betreffenden ‑ Einwand von Aktenwidrigkeit, weil bei keinem der als Beweismittel herangezogenen Gespräche (Telefonüberwachungsprotokolle in ON 90) eines der beim Angeklagten sichergestellten Mobiltelefone benutzt worden sei, eine unrichtige Wiedergabe eines Beweismittelinhalts durch Vergleich von Zitat und Aktenlage aufgezeigt, sondern bloß isoliert ‑ unter gesetzwidriger Missachtung der Gesamtheit der Entscheidungsgründe (vgl RIS-Justiz RS0119370) ‑ in eigenständiger Würdigung ein anderer, für Seka S***** günstigerer Schluss ‑ nämlich dahin, dass er keine Telefongespräche geführt und keine „Beschaffungsfahrten“ angeordnet oder an solchen teilgenommen hat ‑ angestrebt, womit wiederum bloß die Beweiswürdigung des Erstgerichts auf hier unzulässige Weise bekämpft wird (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 468).

Eine deutliche und bestimmte Bezeichnung jener Umstände, die den nominell geltend gemachten Nichtigkeitsgrund der Z 5a herstellen sollen, ist den Beschwerdeausführungen nicht zu entnehmen (Ratz, WK‑StPO § 285d Rz 10).

Die Subsumtionsrüge (Z 10) moniert das Fehlen von Feststellungen zum Reinheitsgehalt des bei 14 der insgesamt 16 „Beschaffungsfahrten“ transportierten Suchtgifts. Damit geht sie ‑ wie bereits zur Mängelrüge ausgeführt ‑ bloß prozessordnungswidrig (vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 581, 584 und 593) daran vorbei, dass dem Angeklagten ‑ abgesehen vom Schuldspruch 2 ‑ das den „Beschaffungsfahrten“ folgende Überlassen von Suchtgift zur Last liegt, wozu das Urteil auch eindeutige Konstatierungen zur Reinsubstanz des in Verkehr gesetzten Wirkstoffs Delta‑9‑THC enthält (US 11, 12 und 28 f).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

Bleibt anzumerken, dass das Erstgericht den zum Schuldspruchpunkt 2 umschriebenen Sachverhalt rechtsirrig unter mehrere (US 2; statt richtig: ein) Vergehen der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 (zweiter Fall) SMG subsumiert hat (RIS-Justiz RS0119836, RS0128234).

Diese Gesetzesverletzung wirkte sich im konkreten Fall jedoch nicht nachteilig im Sinn des § 290 Abs 1 StPO aus, weil bei der Strafbemessung (US 32) zwar zu Unrecht das Zusammentreffen eines Verbrechens mit mehreren Vergehen, nicht aber ‑ wie es statt dessen richtig gewesen wäre ‑ die mehrfache Überschreitung der Grenzmenge als erschwerend angelastet wurde (jüngst 14 Os 113/13v; RIS‑Justiz RS0114927). Nach Maßgabe dieser Klarstellung entfällt eine Bindung des Oberlandesgerichts an die fehlerhafte Subsumtion im Berufungsverfahren (RIS‑Justiz RS0118870).

Die Kostenersatzpflicht beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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