OGH 14Os33/13d

OGH14Os33/13d9.4.2013

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. April 2013 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Marek, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Fürnkranz in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Wancata als Schriftführer in der Strafsache gegen Seka S***** (auch: Lamin C*****) wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall und Abs 4 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Seka S***** sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 18. September 2012, GZ 6 Hv 6/12z‑168, weiters über die Beschwerde des Seka S***** gegen den gemeinsam mit dem Urteil gefassten Beschluss auf Widerruf einer bedingten Strafnachsicht und einer bedingten Entlassung nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:0140OS00033.13D.0409.000

 

Spruch:

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde werden das angefochtene Urteil und der Beschluss auf Widerruf einer bedingten Strafnachsicht und einer bedingten Entlassung aufgehoben, eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache an das Landesgericht für Strafsachen Graz verwiesen.

Der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft werden mit ihren Berufungen, der Angeklagte auch mit seiner Beschwerde, auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Seka S***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall und Abs 4 Z 3 SMG (1) und der Vergehen der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 (zweiter Fall) SMG (2) schuldig erkannt.

Danach hat er in Graz und anderen Orten vorschriftswidrig Suchtgift

1. in einer das 25-fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge anderen überlassen, indem er von Februar 2011 bis 8. Juli 2011 mindestens 13.000 Gramm Cannabiskraut (704,54 Gramm Reinsubstanz Delta-9-THC) an die abgesondert verfolgten Daniel A*****, Artem Ab***** sowie weitere, nicht ausgemittelte Abnehmer gewinnbringend veräußerte,

2. in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge mit dem Vorsatz besessen, dass es in Verkehr gesetzt werde, indem er am 11. Mai 2011 800 Gramm Cannabiskraut (43,2 Gramm Reinsubstanz Delta-9-THC), das er zum Zwecke des Verkaufs in Wien erworben und besessen hatte, bis es ihm von unbekannten Tätern gestohlen wurde.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 5, 5a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist berechtigt:

Zutreffend zeigt die Mängelrüge (nominell Z 5 erster Fall, der Sache nach Z 5 vierter Fall) auf, dass das Erstgericht die - unter Verwendung der Worte des gesetzlichen Tatbestands (wegen des hergestellten Sachverhaltsbezugs) ‑ gerade noch hinreichend deutlich getroffenen (vgl RIS-Justiz RS0098644; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 8 und 19; 14 Os 134/07y und 13 Os 158/97) ‑ Feststellungen zur subjektiven Tatseite (US 13 und 30 f) zu (1) überhaupt nicht und auch zu (2) in Ansehung eines die Grenzmenge im Sinne des § 28b SMG (§ 28 Abs 1 SMG) übersteigenden Suchtgiftquantums (vgl US 27) - nicht begründet hat.

Dieser Begründungsmangel erfordert die gänzliche Aufhebung des Urteils und des gemeinsam mit diesem gefassten Beschlusses auf Widerruf einer bedingten Strafnachsicht und einer bedingten Entlassung bereits bei der nichtöffentlichen Beratung (§§ 285e, 498 Abs 3 letzter Satz StPO), weil auch nach Aufhebung eines Schuldspruchs nach §§ 28 oder 28a SMG wegen fehlender Begründung der - für die insoweit selbständige Qualifikation des „Grundtatbestands“ nach § 27 Abs 1 SMG ‑ subsumtionsrelevanten subjektiven Tatseite auch jene Annahmen, die einen ‑ insoweit nicht erfolgten ‑ Schuldspruch nach § 27 SMG allenfalls zu tragen vermögen, nicht bestehen bleiben (vgl RIS-Justiz RS0115884; Ratz , WK‑StPO § 289 Rz 18). Eine Erörterung des weiteren Beschwerdevorbringens erübrigt sich daher.

Mit ihren Berufungen waren der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft, der Angeklagte auch mit seiner Beschwerde, auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

Im zweiten Rechtsgang wird im Hinblick auf das Recht des Angeklagten, nicht von einer ihm unbekannten Gerichtsnotorietät im Tatsachenbereich überrascht zu werden (RIS-Justiz RS0119094; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 463), in der Hauptverhandlung auch eine als gerichtsnotorisch angesehene Wirkstoffkonzentration der tatverfangenen Suchtgiftmengen zu erörtern sein, zumal diese nach allgemeiner Gerichtserfahrung bei Cannabiskraut (Delta-9-THC) ohne nähere Qualitätsabstufung im Bereich von 0,25 % bis 8 % und durchschnittlich ohne Weiteres bei 4 % liegt (vgl RIS-Justiz RS0111350, RS0087895), während im ersten Rechtsgang zur Berechnung eines Mittelwerts (abweichend von der Anklagebegründung, die sich insoweit auf eine aus der Auswertung von bei anderen Personen sichergestellten und von denselben Bezugsquellen stammenden Suchtgiftmengen ermittelte Bandbreite bezog; vgl ON 109 S 6) ohne weitere Begründung als Vergleichswert ein „durchschnittlicher“ Reinheitsgehalt allerdings bloß „minderer“ Straßenqualität von immerhin 5 % herangezogen wurde (US 30).

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