OGH 15Os156/23i

OGH15Os156/23i15.5.2024

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. Mai 2024 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Dr. Mann und Dr. Sadoghi sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Riffel in Gegenwart der Schriftführerin FI Jäger in der Strafsache gegen * T* wegen des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 15 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Schöffengericht vom 29. August 2023, GZ 7 Hv 31/23b‑20, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0150OS00156.23I.0515.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

 

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen 1./ und 4./, ferner in der Subsumtion nach § 147 Abs 3 StGB und in der zum Schuldspruch gebildeten Subsumtionseinheit, demzufolge auch im Strafausspruch sowie im die B* GmbH betreffenden Adhäsionserkennntis aufgehoben und die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Wels verwiesen.

Mit ihren Berufungen wegen des Ausspruchs über die Strafe werden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.

Die Entscheidung über die gegen das Adhäsionserkenntnis in Ansehung der F* GmbH gerichtete Berufung des Angeklagten kommt dem Oberlandesgericht Linz zu.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * T* des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 15 StGB schuldig erkannt.

[2] Danach hat er am 28. Juni 2019 in M* mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz Nachgenannte durch die Vorgabe, ein zahlungswilliger und ‑fähiger Auftraggeber zu sein, zu Handlungen verleitet und zu verleiten versucht, wodurch diese in einem 300.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen geschädigt wurden und geschädigt hätten werden sollen, und zwar

1./ Dr. * L* zum Abschluss eines Kaufvertrags über eine Eigentumswohnung inklusive zweier KFZ‑Abstellplätze im Betrag von 4.060.000 Euro, wobei es mangels Vertragsabschlusses beim Versuch blieb;

2./ Dr. * W* zur Errichtung eines Kaufvertrags und zu einer Gesellschaftsgründung in Höhe von 48.781,16 Euro;

3./ Verfügungsberechtigte der A* zur Vornahme von Umbauarbeiten infolge seiner Sonderwünsche in Höhe von 154.603 Euro;

4./ Mag. * B* zur Erbringung von Makler-Dienstleistungen im Gesamtwert von 146.160 Euro.

Rechtliche Beurteilung

[3] Gegen dieses Urteil richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a und 9 lit b StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.

 

Zu den amtswegigen Maßnahmen:

[4] Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof zunächst davon (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO), dass dem angefochtenen Urteil in den Schuldsprüchen 1./ und 4./ sich zum Nachteil des Angeklagten auswirkende, nicht geltend gemachte Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO anhaftet.

[5] Nach den Urteilskonstatierungen zu 1./ (US 1 iVm US 3) versuchte der Angeklagte Dr. L* durch die Vorgabe, er sei ein zahlungswilliger und -fähiger Auftraggeber, zum Abschluss eines Kaufvertrags über eine Eigentumswohnung inklusive zweier KFZ‑Abstellplätze zu einem Kaufpreis von 4.060.000 Euro zu verleiten, wobei er selbst die Unterfertigung dieses Vertrags mehrfach hinauszögerte und einen Notartermin kurzfristig absagte. Es kam weder zum schriftlichen Abschluss des Kaufvertrags noch zur Übergabe der Liegenschaft an den Angeklagten (US 4, US 5 und US 6).

[6] Betrug erfordert als Selbstschädigungsdelikt, dass der Täter, der sich (oder einen anderen) unrechtmäßig bereichern will, zu diesem Zweck eine Täuschungshandlung vornimmt und dadurch beim Getäuschten einen Irrtum herbeiführt, der diesen zu einer Vermögensverfügung verleitet, die ihn (oder einen anderen) am Vermögen schädigt (Kirchbacher/Sadoghi in WK2 StGB § 146 Rz 2, 15). Auf der inneren Tatseite ist Vorsatz auf Verwirklichung der angeführten Betrugsmerkmale und darüber hinaus auf unrechtmäßige Bereicherung nötig (Kirchbacher/Sadoghi in WK2 StGB § 146 Rz 5).

[7] Erfasst ist nur der unmittelbar aus der Täuschung bewirkte Vermögensschaden, nicht aber bloß ein mittelbar bewirkter (Folge‑)Schaden (RIS‑Justiz RS0094410; Kirchbacher/Sadoghi in WK2 StGB § 146 Rz 71; Kert SbgK § 146 Rz 265).

[8] Der Schadenseintritt im Fall einer (wie hier) herausgelockten Liegenschaft tritt nicht (schon) mit der (anfechtbaren) Vertragserrichtung, sondern erst mit der tatsächlichen Übergabe – dh einer einen effektiven Verlust an Vermögenssubstanz bewirkenden Überlassung – des unbeweglichen Gutes ein (RIS‑Justiz RS0094563 [T1]; vgl Kirchbacher/Sadoghi in WK2 StGB § 146 Rz 93; Kert SbgK § 146 Rz 285).

[9] Feststellungen, wonach der Angeklagte Dr. L* zur Überlassung der in Rede stehenden Wohnung samt KFZ‑Abstellplätzen verleiten wollte, traf das Erstgericht nicht. Solcherart bleiben in Ermangelung von Urteilsannahmen zu einer intendierten Vermögensverfügung der Getäuschten in Ansehung der Eigentumswohnung samt KFZ‑Abstellplätzen die Konstatierungen zum Schädigungs- und Bereicherungsvorsatz (US 6 f) ohne Sachverhaltsbezug (RIS‑Justiz RS0119090).

[10] Dieser Rechtsfehler mangels Feststellungen erfordert die Aufhebung von Schuldspruch 1./, weshalb sich in diesem Umfang ein Eingehen auf die Nichtigkeitsbeschwerde erübrigt.

[11] Zu Schuldspruch 4./ ist festzuhalten, dass entgangene Vermittlungsprovision (US 5) keinen unmittelbaren Vermögensschaden darstellt, wenn der Angeklagte durch Täuschung über seinen Abschlussvorsatz einen Immobilienmakler (bloß) zur Durchführung von Besichtigungen verleitet (RIS‑Justiz RS0094410 [T2]; vgl auch Kert SbgK § 146 Rz 341). Der Provisionsanspruch entsteht nämlich bloß als Folge des rechtswirksamen Abschlusses eines Geschäfts zwischen Auftraggeber und Drittem (§ 7 MaklerG; RIS‑Justiz RS0128478) und resultiert hier – der erstgerichtlichen Annahme zuwider – nicht aus der „Vermögensverfügung“ der Mag. B* in Form der Übermittlung eines Exposés und der „Abhaltung von Terminen“ (US 3 f), von der der Provisionsanspruch gar nicht abhängt.

[12] Solcherart ist die erstgerichtliche Annahme, durch die zu Schuldspruch 4./ beschriebene Tat sei ein Betrugsschaden in Form der entgangenen Vermittlungsprovision (US 5, US 14) entstanden, rechtlich verfehlt.

[13] Die von der Rechtsrüge (Z 9 lit a) aufgeworfene Frage, ob es zur Begründung des Provisionsanspruchs unter der Ägide des Bauträgervertragsgesetzes der (hier nicht vorliegenden) Schriftform bedarf, kann daher dahin stehen.

[14] Arbeitsleistungen, zu denen die Maklerin den Urteilsannahmen zufolge (US 3, 5) durch Täuschungen des Angeklagten (unmittelbar) verleitet wurde, käme nur dann die Bedeutung eines – dessen Vermögen mehrenden und jenes des Maklerunternehmens mindernden, demnach als Betrugsschaden in Betracht kommenden – Wirtschaftsguts zu, wenn sie unter Umständen erbracht worden wären, die nach den Gepflogenheiten des Geschäftslebens (an sich bereits) eine vermögenswerte Gegenleistung (des Angeklagten gegenüber dem Maklerunternehmen) bedingen würden (RIS‑Justiz RS0094204 [T3]; Kert SbgK § 146 Rz 221). Hiezu enthält das angefochtene Urteil, das generell von „Makler-Dienstleistungen“ (US 2) ausgeht, keine Feststellungen.

[15] Folge davon ist die Aufhebung auch des Schuldspruchs 4./ sowie des die B* GmbH betreffenden Adhäsionserkenntnisses bereits in nichtöffentlicher Beratung.

 

Zur Nichtigkeitsbeschwerde im Übrigen:

[16] Vorauszuschicken ist, dass aus der wiederholt unterbliebenen deutlichen und bestimmten Bezeichnung des konkret bekämpften Schuldspruchs resultierende Unklarheiten zu Lasten des Beschwerdeführers gehen (§§ 285 Abs 1 zweiter Satz, 285a Z 2 StPO; RIS‑Justiz RS0100183 [T2]).

[17] Die Mängelrüge (Z 5 erster Fall) leitet Undeutlichkeit zu Schuldspruch 2./ aus einer aus ihrer Sicht verfehlten Fassung des Urteilstenors ab. Dabei geht sie nicht von der Gesamtheit der Entscheidungsgründe aus (siehe aber RIS‑Justiz RS0117995 [T1]). Ausgehend von den Feststellungen über das für die Errichtung des Kaufvertrags verrechnete Honorar von 48.781,16 Euro (US 5 f) kommt den überschießenden Ausführungen zum Honorar auch für die Gesellschaftsgründung im Referat der entscheidenden Tatsachen keine Bedeutung zu (RIS‑Justiz RS0098734).

[18] Der Erledigung der Rechtsrüge ist vorauszuschicken, dass die gesetzmäßige Ausführung eines materiell‑rechtlichen Nichtigkeitsgrundes das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist, zur Voraussetzung hat (RIS‑Justiz RS0099810).

[19] Daran scheitert die zu Schuldspruch 2./ erhobeneRüge (Z 9 lit a), die den festgestellten Auftrag an den Vertragserrichter (US 5) in Zweifel zieht.

[20] Die auf Schuldspruch 3./ bezogene Rechtsrüge (Z 9 lit a) leitet nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab, weshalb ein Schaden auf Seiten der A* infolge des Verkaufs der Liegenschaft an einen anderen Interessenten nicht eingetreten wäre, ist doch Betrug bei Vorliegen entsprechenden Vorsatzes bereits mit Eintritt des festgestellten (US 4) Vermögensschadens, der kein dauernder sein muss (RIS‑Justiz RS0094383), vollendet (RIS‑Justiz RS0103999 [T2]).

[21] Eben dies gilt auch für den Beschwerdeeinwand, wonach mangels Vorliegens einer unrechtmäßigen Bereicherung im objektiven Sinn auch die subjektive Tatseite verneint werden müsste, weil der tatsächliche Eintritt der Bereicherung nicht zum Tatbestand des Betrugs gehört (RIS‑Justiz RS0103999 [T1]).

[22] Das Vorbringen, wonach der Angeklagte keine Sonderwünsche in Auftrag gegeben hat, orientiert sich prozessordnungswidrig nicht an den dazu getroffenen Urteilsannahmen (US 4).

[23] Indem die Beschwerde letztlich den Urteilskonstatierungen zur subjektiven Tatseite eigenständige Erwägungen entgegensetzt, übt sie bloß unzulässige Beweiswürdigungskritik.

[24] All dies erfordert – (überwiegend) in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – Urteilskassation wie aus dem Spruch ersichtlich sowie die Zurückweisung der Nichtigkeitsbeschwerde (§ 285d StPO) bereits in nichtöffentlicher Beratung.

[25] Darauf war der Angeklagte mit seiner Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe ebenso zu verweisen wie die Staatsanwaltschaft.

[26] Die Entscheidung über die gegen das Adhäsionserkenntnis in Ansehung der F* GmbH (betrifft Schuldspruch 2./) gerichtete Berufung des Angeklagten kommt dem Oberlandesgericht Linz zu (§ 285i StPO).

[27] Die Kostenentscheidung, die die amtswegige Maßnahme nicht umfasst (Lendl, WK‑StPO § 390a Rz 12), stützt sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte