European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E130890
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Den Angeklagten K*, Mag. M*, * D*, H*, S*, J*, A* und G* fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurden – soweit hier von Bedeutung – folgende Angeklagte schuldig erkannt, nämlich * K* (A/I), Mag. * M* (B [iVm § 12 zweiter Fall StGB]), * D* (D/V [iVm § 12 zweiter Fall StGB]), * H* (D/XX [iVm § 12 zweiter Fall StGB]), * S* (D/XXIII [iVm § 12 zweiter Fall StGB]), * J* (D/XXVII [iVm § 12 zweiter Fall StGB]), * A* (D/LX [iVm § 12 zweiter Fall StGB]) und * G* (C/)V [iVm § 12 dritter Fall StGB]) jeweils des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB, weiters K* mehrerer Vergehen der Bestechlichkeit nach § 304 Abs 1 StGB (A/II/1) und mehrerer Verbrechen der Bestechlichkeit nach § 304 Abs 1 und 2 erster Fall StGB (A/II/2), Mag. M* mehrerer Vergehen (E/I/1), * D*, H* und S* (jeweils E/II) je eines Vergehens der Bestechung nach § 307 Abs 1 StGB, Mag. M* mehrerer Verbrechen (E/I/2 [teils iVm § 12 dritter Fall StGB]), J* (E/III), A* (E/III) und G* (F/IV [iVm § 12 dritter Fall StGB]) je eines Verbrechens der Bestechung nach § 307 Abs 1 und 2 erster Fall StGB (soweit das Erstgericht bei indirekter Vorteilsgewährung an den Amtsträger unmittelbare Täterschaft annahm vgl aber 14 Os 44/20g; Nordmeyer/Stricker in WK2 StGB § 307 Rz 24 und 36).
[2] Danach haben in T* und an anderen Orten
A/ K* von 2014 bis 2016 als Beamter des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA), Regionaldirektion *,
I/ mit dem Vorsatz, dadurch „die Republik Österreich in ihrem Recht auf ordnungsgemäße Durchführung fremdenpolizeilicher Verfahren und Einhaltung der Vorschriften des AsylG“ (ersichtlich gemeint [vgl US 198 f und 420 f]: den Staat an dessen Recht, den Zuzug und den Aufenthalt von Fremden an bestimmte Voraussetzungen zu knüpfen und solcherart zu regulieren) zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich dadurch missbraucht, dass er in 45 – im angefochtenen Urteil einzeln angeführten – Fällen ausländischen Staatsangehörigen ohne Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen und deren Prüfung Aufenthaltstitel nach dem AsylG ausstellte;
II/ als Amtsträger in 21, im angefochtenen Urteil näher bezeichneten Fällen für die pflichtwidrige Vornahme von zu A/I beschriebenen Amtsgeschäften einen Vorteil, nämlich Bargeld, gefordert (US 81 f und 92 f) und angenommen, wobei er die Tat in sechs einzeln angeführten Fällen (Punkt 2) in Bezug auf einen 3.000 Euro übersteigenden Vorteil beging;
B/ Mag. M* von 2014 bis 2016 (zu ergänzen: im Wissen um dessen vorsätzlichen Befugnisfehlgebrauch und mit dem Vorsatz, den Staat an dessen Recht, den Zuzug und den Aufenthalt von Fremden an bestimmte Voraussetzungen zu knüpfen und solcherart zu regulieren [vgl US 96 iVm US 421], zu schädigen) K* zu 21 der von A/I erfassten strafbaren Handlungen durch entsprechende Aufforderung bestimmt;
D/ jeweils über Vermittlung von Mitangeklagten (zu ergänzen: im Wissen um dessen vorsätzlichen Befugnisfehlgebrauch und mit dem Vorsatz, den Staat an dessen Recht, den Zuzug und den Aufenthalt von Fremden an bestimmte Voraussetzungen zu knüpfen und solcherart zu regulieren [vgl US 104 iVm US 421], zu schädigen) K* zu von A/I erfassten strafbaren Handlungen bestimmt, indem sie ihn dazu aufforderten, nämlich
V/ * D* vor dem 31. März 2014;
XX/ H* vor dem 8. Juni 2015;
XXIII/ S* vor dem 17. November 2014;
XXVII/ J* vor dem 3. November 2014;
XL/ A* vor dem 4. April 2014;
C/IV/ G* vor dem 4. April 2014 (zu ergänzen: im Wissen um den vorsätzlichen Befugnisfehlgebrauch des K* und mit dem Vorsatz, den Staat an dessen Recht, den Zuzug und den Aufenthalt von Fremden an bestimmte Voraussetzungen zu knüpfen und solcherart zu regulieren [vgl US 102 iVm US 421], zu schädigen) zur Ausführung der zu A/I/40 angeführten strafbaren Handlung beigetragen, indem sie A* dem K* über Mag. M* vermittelte;
E/ K*, mithin einem Amtsträger, für die pflichtwidrige Vornahme von zu A/I beschriebenen Amtsgeschäften einen Vorteil, nämlich Bargeld, gewährt, und zwar
I/ Mag. M*
1/ in fünfzehn, im angefochtenen Urteil näher bezeichneten Fällen in nicht festgestellter Höhe;
2/ in sechs, im angefochtenen Urteil näher bezeichneten Fällen in Bezug auf einen 3.000 Euro übersteigenden Wert des Vorteils;
II/ * D*, H* und S* (jeweils Zahlungen in nicht festgestellter Höhe);
III/ in Bezug auf einen 3.000 Euro übersteigenden Wert des Vorteils, nämlich J* (Zahlung von 7.000 Euro), und A* (Zahlung von 5.000 Euro);
F/IV/ G* zu der zu E/III angeführten strafbaren Handlung der A* beigetragen, indem sie diese an K* vermittelte.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richten sich Nichtigkeitsbeschwerden, die sich auf folgende Gründe des § 281 Abs 1 StPO stützen, nämlich von K* auf Z 3 und 5a, * D* auf Z 5, 5a und 9 (lit) a, H* auf Z 5, 5a und 10a, S* auf Z 5, J* auf Z 9 lit a, A* und G*, jeweils auf Z 3, 5 und 9 (lit a). Sie sind durchwegs nicht berechtigt. Die Nichtigkeitsbeschwerde von Mag. M* blieb unausgeführt.
[4] Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten K*:
[5] Die Verfahrensrüge (Z 3) moniert einen faktischen Ausschluss der Öffentlichkeit (vgl RIS‑Justiz RS0117048), weil neben dem Eingangstor des Gerichtsgebäudes zwar ein Hinweisschild mit dem Text, „Für Zutritt zu Verhandlungen nach 16:00 Uhr bitte läuten“ angebracht gewesen, dies jedoch durch den Zusatz bei der Glocke „Montag bis Freitag von 07:00 Uhr bis 16:00 Uhr“ „konterkariert“ worden sei. Sie scheitert bereits daran, dass sie nicht deutlich und bestimmt vorbringt, an welchem der (insgesamt 18) Verhandlungstage und in welchem Zeitraum potentiell Interessierte durch diesen Umstand vom Betreten des Verhandlungssaals abgehalten worden seien. Im Übrigen ist die in der Beschwerde vage angesprochene Phase nach der Urteilsverkündung nicht Teil der Hauptverhandlung und damit nicht vom Öffentlichkeitsgebot umfasst (vgl RIS-Justiz RS0125616, RS0098132 [T4]).
[6] Die gegen A/II des Schuldspruchs gerichtete Tatsachenrüge (Z 5a) verweist pauschal auf Aussagen von freigesprochenen Mitangeklagten, ohne klarzumachen, weshalb sich daraus erhebliche Bedenken gegen den Ausspruch über entscheidende Tatsachen zu davon verschiedenen (von Schuldsprüchen erfassten) Vorwürfen ergäben. Im Ergebnis wird damit bloß die tatrichterliche Annahme von der Glaubhaftigkeit der den Beschwerdeführer belastenden Aussagen zweier weiterer Angeklagter (US 242 ff) nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung in Frage gestellt.
[7] Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Mag. M*:
[8] Mag. M* meldete unmittelbar nach der Urteilsverkündung Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an (ON 478 S 32). Schriftlich führte sie bloß die Berufung aus, ohne die Nichtigkeitsbeschwerde zurückzuziehen (ON 577). Diese war zurückzuweisen, weil auch bei ihrer Anmeldung Nichtigkeitsgründe nicht deutlich und bestimmt bezeichnet wurden (§ 285d Abs 1 Z 1 iVm § 285a Z 2 StPO).
[9] Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten * D*:
[10] Tatsachenfeststellungen sind nur insoweit mit Mängelrüge (Z 5) anfechtbar, als sie für die Schuld- oder die Subsumtionsfrage entscheidend sind (RIS-Justiz RS0117499). Einen solchen Umstand spricht die zu E/II ausgeführte Kritik, es sei ungeklärt geblieben, ob der Beschwerdeführer K* „direkt oder über eine andere Person“ einen Vorteil gewährt habe, nicht an, betrifft dies doch bloß die – rechtlich gleichwertige (RIS-Justiz RS0117604) – Beteiligungsform (14 Os 44/20g; Nordmeyer/Stricker in WK2 StGB § 307 Rz 24 und 36).
[11] Die Aussagen der Angeklagten Mag. M* und * Sy*, einschließlich darin enthaltener Unsicherheiten und Abweichungen, hat das Erstgericht ohnehin erörtert (US 210 ff, 254 ff und 286). Zu einer Auseinandersetzung mit sämtlichen Details dieser Angaben war es – unter dem Aspekt der geltend gemachten Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) – zufolge des Gebots zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) nicht verhalten (RIS-Justiz RS0106642).
[12] Mit der Berufung auf den Zweifelsgrundsatz macht die Mängelrüge keinen Fehler im Sinn der Z 5 geltend (RIS-Justiz RS0117445).
[13] Indem die Tatsachenrüge (Z 5a) aus den von den Tatrichtern angeführten Prämissen (den Aussagen der Mitangeklagten Mag. M* und Sy* [US 289 iVm US 210 ff und 254 ff] für den Beschwerdeführer günstigere Schlussfolgerungen zieht, weckt sie keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen (RIS-Justiz RS0099674).
[14] Die auf den einen Mitangeklagten betreffenden Freispruch gestützte weitere Tatsachenrüge unterlässt die gebotene konkrete Bezugnahme auf aktenkundiges Beweismaterial (RIS-Justiz RS0117446). Im Übrigen bleibt unklar, was aus der Negativfeststellung zur subjektiven Tatseite des Mitangeklagten (US 121 f iVm US 289 ff) für den Standpunkt des Beschwerdeführers zu gewinnen sei.
[15] Die Behauptung der Rechtsrüge (Z 9 lit a), das Erstgericht habe zur subjektiven Tatseite bloß die verba legalia ohne Sachverhaltsbezug verwendet (vgl hingegen US 104 ff), verfehlt die gebotene Bezugnahme auf die Gesamtheit des Urteilssachverhalts (RIS-Justiz RS0099810). Welche weiteren Feststellungen als Grundlage eines Schuldspruchs erforderlich gewesen wären, legt der Beschwerdeführer nicht dar (RIS-Justiz RS0099620).
[16] Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten H*:
[17] Die Kritik der Mängelrüge, das Urteil sei undeutlich (Z 5 erster Fall), weil „das Erstgericht ungeprüft von einem Fehlverhalten“ des Beschwerdeführers ausgegangen sei (vgl aber US 322 ff und 266 ff [zur subjektiven Tatseite]), nimmt prozessordnungswidrig nicht Maß an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe (RIS-Justiz RS0119370).
[18] Die rechtliche Wertung, der Beschwerdeführer habe durch sein Verhalten K* zum Missbrauch der Amtsgewalt bestimmt (vgl US 25), ist nicht gesetzlicher Bezugspunkt des nominell geltend gemachten Einwandes eines Widerspruchs (Z 5 dritter Fall; vgl RIS‑Justiz RS0117402; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 437).
[19] Die Tatsachenrüge (Z 5a) unterlässt die gebotene Ableitung erheblicher Bedenken „aus den Akten“, also unter Bezugnahme auf konkrete Beweismittel (RIS-Justiz RS0117446).
[20] Die Diversionsrüge (Z 10a) ist auf Basis der Urteilskonstatierungen unter Beachtung der Notwendigkeit des kumulativen Vorliegens der Diversionsvoraussetzungen methodisch korrekt zu entwickeln (RIS-Justiz RS0124801). Diese Vorgaben verfehlt der Beschwerdeführer, indem er zwar behauptet, es lägen „sämtliche Voraussetzungen für eine diversionelle Erledigung auch ausgehend von den getroffenen Feststellungen“ vor, dabei jedoch vernachlässigt, dass er nach den Urteilsannahmen (US 326) eine vom Unrechtsbewusstsein getragene Bereitschaft zur Verantwortungsübernahme nicht erkennen ließ (vgl zu dieser Diversionsvoraussetzung jedoch RIS-Justiz RS0116299 [T3]).
[21] Weshalb im Übrigen – ungeachtet des im Zusammentreffen von Missbrauch der Amtsgewalt und Bestechung zum Ausdruck kommenden, signifikant hohen Unrechts- und Schuldgehalts (vgl RIS-Justiz RS0129834) – nicht schwere Schuld im Sinn des § 198 Abs 2 Z 2 StPO als Bedingung einer in solchen Konstellationen zur Tatzeit noch nicht ausgeschlossenen Diversion (vgl nunmehr § 198 Abs 3 StPO) vorliege, legt der Beschwerdeführer nicht dar.
[22] Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten S*:
[23] Das Erstgericht begründet die zu E/II getroffene Feststellung, der Beschwerdeführer habe K* für die pflichtwidrige Ausstellung einer Aufenthaltsberechtigung einen Vorteil in der Form von Bargeld gewährt (US 143), unter anderem mit der Aussage der Mitangeklagten Mag. M*, wonach K* „keine Karte ohne Geld mache“ (US 336). Soweit die Mängelrüge einen Widerspruch (Z 5 dritter Fall) zu „negativen Feststellungen zu den Freisprüchen“ (von Mitangeklagten) erblickt, unterlässt sie die deutliche und bestimmte Bezeichnung von Urteilspassagen, die nach Maßgabe von Denkgesetzen und grundlegenden Erfahrungswerten (vgl RIS-Justiz RS0117402) nicht mit der den Beschwerdeführer betreffenden Begründung vereinbar seien. Weshalb dies im Übrigen auf – mangels konkret belastender Anhaltspunkte (im Zweifel) getroffene – Negativfeststellungen zu Mitangeklagten (vgl etwa US 283 f und 291) zutreffen soll, wird nicht klar.
[24] Solche (Negativ‑)Feststellungen stellen – der weiteren Rüge zuwider – auch kein Verfahrensergebnis dar, das unter dem Aspekt der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) im Rahmen der Beweiswürdigung zu erörtern wäre.
[25] Gleiches gilt für den in ähnlicher Form zu D/XXIII geäußerten Einwand. Welche Aussagen von Mitangeklagten das Erstgericht in diesem Zusammenhang zudem nicht erörtert habe, unterlässt der Beschwerdeführer deutlich und bestimmt anzugeben (RIS-Justiz RS0118316 [T5], RS0124172 [zu Bezeichnungsobliegenheiten bei – wie hier – umfangreichem Aktenmaterial]).
[26] Mit der Aussage des Beschwerdeführers setzten sich die Tatrichter ohnehin auseinander, verwarfen diese jedoch mit mängelfreier Begründung als unglaubhaft (US 337 f), weshalb sie nicht verhalten waren, näher auf sie einzugehen (RIS-Justiz RS0098642 [T1]).
[27] Die Kritik, der Verweis auf die Aussage des Mitangeklagten Sy* stelle keine ausreichende Begründung dar, verfehlt die Bezugnahme auf die Gesamtheit der Entscheidungsgründe (RIS-Justiz RS0119370), die etwa auch auf das Ergebnis einer „Rufdatenrückerfassung“ (§ 134 Z 2 StPO) oder den von K* geführten Akt betreffend den Beschwerdeführer verweist (US 335 ff).
[28] Das weitere Vorbringen erschöpft sich darin, der leugnenden Verantwortung des Beschwerdeführers nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung zum Durchbruch zu verhelfen.
[29] Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten J*:
[30] Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) argumentiert, der Beschwerdeführer habe als kroatischer Staatsangehöriger zur Tatzeit ohnehin eine Aufenthaltsberechtigung in Österreich gehabt, ihm sei es lediglich um die Erteilung einer – von ihm zufolge Übergangsbestimmungen des AuslBG benötigten – Arbeitsbewilligung gegangen, zu der K* nicht einmal abstrakt befugt gewesen sei (vgl §§ 19 und 32a AuslBG). Sie orientiert sich dabei prozessordnungswidrig nicht am Urteilssachverhalt, insbesondere an den Feststellungen zur subjektiven Tatseite (US 154 iVm US 104 ff; RIS-Justiz RS0099810). Nach diesem war es dem Beschwerdeführer egal, „auf welcher Rechtsgrundlage“ er die Beschäftigungsbewilligung erhalten würde. K* ermöglichte dies durch missbräuchliche Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung plus“ (vgl § 54 Abs 1 Z 1 AsylG 2005 iVm § 17 Z 3 AuslBG [jeweils in der zur Tatzeit geltenden Fassung]) – im Rahmen seiner (abstrakten) Befugnis (US 72 ff und 151 ff).
[31] Zu den Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten A* und G*:
[32] Vorweg wird angemerkt, dass die Nichtigkeitsbeschwerden dieser beiden Angeklagten zwar getrennt ausgeführt wurden, jedoch inhaltsgleich argumentieren, weshalb sie gemeinsam beantwortet werden.
[33] Die Verfahrensrügen (Z 3) bemängeln einen faktischen Ausschluss der Öffentlichkeit, weil am Tag der Urteilsverkündung vor dem Verhandlungssaal ein Schild mit der Aufschrift „Öffentlichkeit Saal 180“ angebracht gewesen sei. In diesen (benachbarten) Saal wurde die Verhandlung– bei Bedarf – in Ton und Bild übertragen. Da sich am 20. Februar 2020 nur eine Zuschauerin im Saal 180 befand, ließ die Vorsitzende diese – wie auch die Beschwerdeführerinnen zugestehen – noch vor der Urteilsverkündung in den Verhandlungssaal bringen und die Übertragung in Bild und Ton beenden (zur Vorgangsweise vgl US 413 ff). Dass nach dem Beschwerdevorbringen dieses Schild – (laut Aktenvermerk der Vorsitzenden vom 21. Februar 2020) für wenige Minuten – noch während der Urteilsverkündung vor dem Verhandlungssaal angebracht gewesen sei, bewirkt keinen nichtigkeitsrelevanten (faktischen) Ausschluss der Öffentlichkeit. Es ist nämlich von vornherein nicht erforderlich, allen potentiellen Zuhörern während der gesamten Dauer der Hauptverhandlung ein uneingeschränktes Betreten (und Verlassen) des Verhandlungssaals zu ermöglichen, vielmehr kann dies – schon zwecks Aufrechterhaltung der Ordnung im Gerichtssaal (§ 233 Abs 1 StPO) – auf die Zeitpunkte des Aufrufs der Hauptverhandlung, der Aufrufe von Zeugen und Sachverständigen sowie von Unterbrechungen der Hauptverhandlung beschränkt werden (RIS-Justiz RS0128996; 13 Os 145/18z). Diesen Anforderungen entspricht das Vorgehen der Vorsitzenden des Schöffengerichts, indem sie in der Verhandlungsunterbrechung noch vor der Urteilsverkündung den Zutritt aller interessierten Zuschauer sicherstellte. Im Übrigen ist auch dem Beschwerdevorbringen nicht zu entnehmen, dass der Verhandlungssaal danach (faktisch) nicht zugänglich gewesen wäre.
[34] Soweit die Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) Feststellungen unter dem Gesichtspunkt der Frage kritisiert, ob die Kriterien für die Erteilung eines Aufenthaltstitels für A* vorlagen, spricht sie keine entscheidende Tatsache an, weil Missbrauch der Amtsgewalt eine tatsächliche Schädigung des Staates an dessen Recht, Zuzug und Aufenthalt von Ausländern zu regulieren, gar nicht verlangt und sich die (in Aussicht genommene) Pflichtwidrigkeit des Vorgehens von K* als Voraussetzung der Bestechung bereits aus dem konstatierten Unterlassen jeglicher Prüfung der Voraussetzungen (US 85 f) ergibt. Im Übrigen hat das Erstgericht die unter dem Aspekt der Unvollständigkeit ins Treffen geführten Verfahrensergebnisse ohnehin berücksichtigt (US 86).
[35] Die (im Zuge des Verfahrens teilweise geänderte) Aussage der Angeklagten Mag. M* haben die Tatrichter ausführlich erörtert (vgl etwa US 213 und 217 ff). Zu einer Auseinandersetzung mit deren vollständigem Inhalt im Urteil waren sie schon mit Blick auf das Gebot zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) nicht verhalten (RIS-Justiz RS0106642). Gleiches gilt für die Angaben des Angeklagten Sy* (zu deren Erörterung vgl US 255 ff). Das in diesem Zusammenhang erstattete Vorbringen der Mängelrüge erschöpft sich darin, eigene Beweiswerterwägungen jenen des Erstgerichts nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung entgegenzustellen.
[36] Die Argumentation der Rechtsrüge (Z 9 lit a), K* habe außerhalb seiner abstrakten Befugnis gehandelt, verfehlt die gebotene Bezugnahme auf den Urteilssachverhalt (US 72 iVm 183 ff und 418), demzufolge K* zwar (zufolge behördeninterner Zuständigkeitsverteilung) nicht konkret, wohl aber abstrakt für die Erteilung von Aufenthaltstiteln nach dem AsylG zuständig gewesen sei (vgl RIS-Justiz RS0096134; Nordmeyer in WK2 StGB § 302 Rz 23, 27 und 116).
[37] Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
[38] Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen (§ 285i StPO). Dieses wird zu berücksichtigen haben, dass der Angeklagte * D* verfehlt (Z 10) mehrerer Verbrechen des Missbrauchs der Amtsgewalt schuldig erkannt wurde (US 24). Dies blieb jedoch in concreto ohne Nachteil, weil das Erstgericht zwar das Zusammentreffen mehrerer Verbrechen, nicht aber auch die mehrfache Tatbegehung erschwerend wertete (US 446; vgl RIS-Justiz RS0114927; Ratz, WK-StPO § 290 Rz 24). Angesichts dieser Klarstellung ist das Oberlandesgericht bei der Entscheidung über die Berufung dieses Angeklagten nicht an den insoweit fehlerhaften Schuldspruch gebunden (RIS-Justiz RS0118870).
[39] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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