OGH 13Os91/21p

OGH13Os91/21p12.1.2022

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. Jänner 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz-Hummel LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Richteramtsanwärterin Mag. Frisch in der Strafsache gegen * K* und einen anderen Angeklagten wegen Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall und Abs 2 Z 2 SMG über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten * K* und * S* sowie der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 8. März 2021, GZ 29 Hv 110/20g‑370, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0130OS00091.21P.0112.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurden * K* und * S* jeweils eines Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall und Abs 2 Z 2 SMG schuldig erkannt.

[2] Danach haben sie als Mitglieder einer kriminellen Vereinigung dazu beigetragen (§ 12 dritter Fall StGB),

dass der gesondert verfolgte * Sa* vom Frühling 2018 bis zum 9. Juni 2020 Suchtgift in einer das 15-Fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, nämlich insgesamt zumindest 800 Gramm Kokain mit einem Reinheitsgrad von 44,1 % (somit 352,8 Gramm Cocain), im Rahmen von wöchentlich in I*, A* Straße 112, Top 31, stattfindenden Pokerspielen sukzessive anderen überließ,

indem sie die Pokerspiele mitveranstalteten und den jeweils vorangegangenen Einkauf des tatverfangenen Suchtgifts mitfinanzierten, wobei sich ihr Vorsatz auf eine die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigende Menge bezog.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richten sich die aus Z 1, 4 und 5, von S* überdies aus Z 9 lit a, jeweils des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten. Die Staatsanwaltschaft bekämpft das Urteil mit einer zum Nachteil der Angeklagten ausgeführten, auf § 281 Abs 1 Z 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Zu den beiden Angeklagten gemeinsamen Beschwerdeeinwänden:

[4] Die Besetzungsrügen (Z 1) behaupten Ausgeschlossenheit des „gesamte[n] erkennende[n] Schöffensenat[s]“ nach „§ 43 Abs 1 Z 3 und Abs 2 StPO“ unter Hinweis auf die folgenden – im Sinn des § 281 Abs 1 Z 1 zweiter Halbsatz StPO rechtzeitig geltend gemachten (ON 351 S 2 f und 3) – (aktenkundigen) Umstände:

[5] Mit der (diesem Verfahren zugrunde liegenden) Anklageschrift vom 12. November 2020 (ON 227) wurde den Beschwerdeführern und mehreren weiteren Personen – darunter * Sa*, * D* und * B* – (unter anderem) die Weitergabe ein und desselben Suchtgifts (in unterschiedlichen Beteiligungsformen) je als Mitglied einer kriminellen Vereinigung angelastet. Nach Trennung des Verfahrens gegen die Beschwerdeführer von jenem gegen die (ursprünglich) Mitangeklagten in der Hauptverhandlung am 7. Jänner 2021 (ON 269 S 37) wurden Letztere – im Wesentlichen anklagekonform – mit dem (unbekämpft in Rechtskraft erwachsenen) Urteil desselben Schöffengerichts (vom 7. Jänner 2021 [ON 270]) verurteilt, das später – nach Abweisung der betreffenden Ablehnungsanträge (ON 351 S 4) sowie nach umfangreichen Beweisaufnahmen im (nunmehr) gesondert geführten Verfahren (ON 351 S 4 ff, ON 368 und ON 369) – in unveränderter Besetzung das (hier angefochtene) Urteil über die Beschwerdeführer gefällt hat.

[6] Im Referat der entscheidenden Tatsachen (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) jenes (ersten) Urteils heißt es, (die mit jenem Urteil schuldig erkannten) Sa*, D* und B*, aber auch „der abgesondert verfolgte * K*“ und „der abgesondert verfolgte * S*“ haben „je als Mitglieder einer kriminellen Vereinigung bestehend zumindest aus diesen Genannten und dem abgesondert verfolgten * P* vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich Kokain zumindest 44,1%igen Reinheitsgrades in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge – insoweit jedoch ausschließlich * Sa* – eingeführt und – insoweit alle Genannten – anderen überlassen“ (ON 270 S 3). In den Entscheidungsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) jenes Urteils werden die „abgesondert verfolgten“ K* und S* zudem als Personen namentlich erwähnt, „mit den[en]“ sich Sa*, D* und B* im Sinn des § 278 Abs 2 StGB (zur Begehung von Verbrechen nach dem SMG) „zusammenschlossen“ (ON 270 S 14 f).

[7] Zusammengefasst hätten (aus Beschwerdesicht) objektiv gerechtfertigte Zweifel an der Unparteilichkeit der Tatrichter deshalb bestanden, weil diese zuvor (im zuletzt gesondert geführten Verfahren) das Urteil über Beteiligte gefällt hatten und dabei – durch die oben referierten Urteilspassagen – eine „qualifizierte Beurteilung der Schuldfrage“ auch in Bezug auf die Beschwerdeführer vorgenommen, sich somit bereits eine „vorgefasste inhaltliche Meinung“ zu deren „Rolle“ gebildet gehabt hätten.

[8] Mit dem Hinweis auf diese Art der Vorbefasstheit wird keiner der Fälle des § 43 Abs 2 StPO (oder sonst einer Bestimmung über die Ausschließung, die eine ausdrückliche Aufzählung enthielte [§ 43 Abs 1 Z 1 oder 2, Abs 3 oder 4 StPO]) angesprochen. Vielmehr kommt in der vorliegenden Konstellation Ausgeschlossenheit nur nach der Generalklausel des § 43 Abs 1 Z 3 StPO – soweit es die Schöffen betrifft iVm § 46 erster Satz StPO – in Betracht.

[9] Danach ist ein Richter (oder Schöffe) vom gesamten Verfahren ausgeschlossen, wenn „andere“ Gründe vorliegen, die geeignet sind, seine volle Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit in Zweifel zu ziehen.

[10] Zur Auslegung dieser Generalklausel kommt der europäischen Menschenrechtsjudikatur zum sogenannten fair-trial-Gebot (Art 6 Abs 1 MRK) besondere Bedeutung zu. Die angesprochene Norm umfasst alle Fälle der Hemmung einer unparteiischen Entscheidungsfindung durch unsachliche Motive. Wie die übrigen Bestimmungen der StPO über die Ausschließung stellt sie auf den äußeren Anschein ab. Entscheidend ist daher unter dem Aspekt des § 43 Abs 1 Z 3 StPO, ob die äußeren Umstände geeignet sind, bei einem verständig würdigenden objektiven Beurteiler nahe liegende Zweifel an der unvoreingenommenen und unparteilichen Dienstverrichtung zu wecken (RIS-Justiz RS0097086 [T5]; zum Ganzen eingehend Lässig, WK-StPO § 43 Rz 9 ff).

[11] Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (15 Os 139/03, SSt 2003/87; 12 Os 125/08m, EvBl 2009/49, 325), welche sich diesbezüglich mit jener des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR 16. 2. 2021, 1128/17, Meng/Deutschland, Rn 47 mwN) deckt, ist die Erledigung eines – wie hier – gegen Beteiligte anhängig gewesenen Strafverfahrens per se nicht geeignet, die Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit des betreffenden Richters in Zweifel zu setzen.

[12] Zieht doch nicht schon der Umstand Ausschließung nach sich, dass sich Berufs- oder Laienrichter vor der Entscheidung eine Meinung über den Fall gebildet haben, sondern erst die begründet erscheinende Annahme, dass sie auch angesichts allfälliger gegenteiliger Verfahrensergebnisse nicht gewillt seien, von dieser Meinung abzugehen (RIS-Justiz RS0096733).

[13] Eine solche Annahme könnte im Fall der (wie hier) vorangegangenen Aburteilung von Beteiligten – nach dem oben dargestellten, objektiven Maßstab – freilich dann begründet erscheinen, wenn in jenem früheren Urteil mit Bezug auf die – den nunmehrigen Verfahrensgegenstand bildende – Tat des Angeklagten dessen Schuld in einer Vorverurteilung gleichkommender Weise bewertet wurde. Die Beurteilung, ob die Umstände des Falles insoweit Ausschließung begründen, orientiert sich an der – unter dem angesprochenen Aspekt – zu Art 6 Abs 1 MRK entwickelten (in EGMR 16. 2. 2021, 1128/17, Meng/Deutschland, Rn 48 ff ausführlich dargestellten) Judikatur des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte.

[14] Fallkonkret war die namentliche Erwähnung der Beschwerdeführer als (weitere) Personen, die Suchtgift „anderen überlassen“ haben, zur Bewertung der Schuld der Angeklagten (Sa*, D* und B*) im über diese gefällten Urteil (ON 270 S 3) keineswegs erforderlich. Dafür ebenso wenig erforderlich war die Urteilsaussage, just die Beschwerdeführer seien es gewesen, „mit den[en]“ sich die Angeklagten im Sinn des § 278 Abs 2 StGB (zur Begehung von Verbrechen nach dem SMG) zusammengeschlossen hätten (ON 270 S 14 f).

[15] Gerade dies lässt aber – umgekehrt – deutlich werden, dass ihre Namen dort nur illustrativ angeführt wurden. Sind doch die relevierten Urteilspassagen – nach ihrem Sinngehalt – auch sonst nicht als die Beschwerdeführer betreffende Schuldfeststellungen aufzufassen (vgl RIS-Justiz RS0128232 zur Unschuldsvermutung [Art 6 Abs 2 MRK]). Die Urteilsformulierungen, wonach die Beschwerdeführer „Suchtgift […] anderen überlassen“ hätten und die Angeklagten sich „mit“ ihnen zu einer kriminellen Vereinigung zusammengeschlossen hätten, beschreiben vielmehr äußere Umstände, ohne (irgend-)eine Aussage zu einem (allfälligen) Vorsatz der Beschwerdeführer zu treffen. Umso weniger kann daher gesagt werden, dass die Tatrichter schon im Urteil ON 270 auch in Ansehung des K* und des S* alle Strafbarkeitsvoraussetzungen als erfüllt angesehen hätten.

[16] Zusätzlich gegen die Annahme einer „Vorverurteilung“ spricht, dass die Beschwerdeführer im Urteil ON 270 – unmissverständlich – als „abgesondert verfolgt“ bezeichnet werden, worin ebenfalls zum Ausdruck kommt, dass damit (gerade) keine Beurteilung ihrer Strafbarkeit vorgenommen werden sollte.

[17] Schließlich wird im angefochtenen Urteil nicht auf Feststellungen im gegen die Beteiligten ergangenen Urteil (ON 270) abgestellt, sondern auf der Grundlage des im Verfahren gegen die Beschwerdeführer gewonnenen– umfangreichen – Beweisergebnisses eine eigenständige (tatsächliche und rechtliche) Würdigung vorgenommen.

[18] Hiervon ausgehend bilden die angesprochenen, auf die Beschwerdeführer bezogenen Urteilsaussagen im vorangegangenen Urteil über Beteiligte – auf der Basis des zuvor Gesagten – keinen Grund, der geeignet wäre, die volle Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit der Vorsitzenden und der Schöffen in Zweifel zu ziehen.

[19] Der Erledigung der Verfahrensrügen (Z 4) – auch, soweit jene des K* unten gesondert behandelt wird – sei vorangestellt:

[20] Die Richtigkeit der Begründung für eine abweisliche Entscheidung (§ 238 StPO) steht nicht unter Nichtigkeitssanktion, wenn nur dem Antrag auch nach der – auf den Zeitpunkt der Antragstellung bezogenen – Ansicht des Obersten Gerichtshofs (im Ergebnis) keine Berechtigung zukam (RIS-Justiz RS0116749, RS0121628 [T1]).

[21] Da allein der Antrag den Gegenstand der Entscheidung des Schöffengerichts (§ 238 StPO) bildet, überprüft auch der Oberste Gerichtshof dessen Berechtigung stets auf den Antragszeitpunkt bezogen. Was sich nach der Antragstellung ereignet, ist daher unter dem Aspekt der Z 4 bedeutungslos (RIS-Justiz RS0099618; zum Ganzen Ratz, WK-StPO § 281 Rz 318 und 325).

[22] In den Rechtsmitteln nachgetragenes, die Anträge ergänzendes Vorbringen ist daher – von vornherein – ebenso unbeachtlich wie Kritik an der Begründung abweislicher Zwischenerkenntnisse.

[23] Zwar ist die Stellung von Anträgen in der Hauptverhandlung (§ 238 StPO) bis zum Schluss der Verhandlung (§ 257 erster Satz StPO) zulässig. Allerdings wird vom Antragsteller eine umso eingehendere Begründung dafür verlangt, warum das angestrebte Beweisergebnis erwartet werden kann, je mehr sein Verhalten eine bewusste Verfahrensverzögerung erkennen lässt (vgl § 232 Abs 2 StPO). Werden – wie hier (ON 369 S 38 bis 40) – nach erheblicher Verhandlungsdauer von einem Verteidiger erst gegen Ende der Hauptverhandlung umfangreiche Beweisaufnahmen beantragt, wird die klare Fassung des Beweisthemas und dessen Erheblichkeit vom Obersten Gerichtshof besonders kritisch geprüft (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 344; Danek/Mann, WK‑StPO § 238 Rz 4; vgl RIS-Justiz RS0106468).

Im Einzelnen sei darüber hinaus erwidert:

[24] Die Verfahrensrügen (Z 4) kritisieren die Abweisung (ON 369 S 41) zweier in der Hauptverhandlung am 8. März 2021 gestellter Beweisanträge des K*, denen sich S* „mit der Maßgabe an[zuschließen]“ erklärt hat (zur Zulässigkeit RIS-Justiz RS0119854), dass „die angeführten Gründe“ auch auf ihn „zutreffen“ (ON 369 S 40).

[25] Der eine dieser Anträge bestand in der Erklärung, „den Beweisantrag vom 07. 01. 2021, Hv‑Protokoll Seite 36, hinsichtlich der Auswertung der beschlagnahmten Handys“ zu „wiederhol[en]“ (ON 369 S 38).

[26] Damit wurde – der Sache nach – der in der Hauptverhandlung am 7. Jänner 2021 gestellte Antrag (ON 269 S 36) auf „Auswertung des beschlagnahmten Handys des * K*“ „hinsichtlich der dort aufgelisteten Abrechnungen der durchgeführten Pokerabende“ sowie „Auswertung des Handys des * S*“ (von S* erstmals, von K* erneut) gestellt.

[27] Dazu ist aus den Verfahrensakten festzuhalten, dass jenem Antrag Folge gegeben worden war (ON 269 S 37). Entsprechend seiner Zielrichtung waren die Mobiltelefone der Beschwerdeführer – über Anordnung der Vorsitzenden, die den vollständigen Wortlaut des Beweisantrags exakt wiedergibt (ON 280) – auf dort gespeicherte „Abrechnungen der durchgeführten Pokerabende“ überprüft worden, die das „Stichwort Material“ (als Codewort für „Kokain“) enthielten. Das Ergebnis dieser Auswertung (Lichtbilder ON 315 S 3 bis 23) wurde – in Gestalt seines Vortrags durch die Vorsitzende (ON 369 S 43) und der Vernehmung eines mit der Sichtung der betreffenden Bilddateien befassten Polizeibeamten als Zeugen (ON 369 S 25 ff) – in die Hauptverhandlung eingebracht. Welche konkreten, darüber hinausgehenden Beweisaufnahmen sie anstrebten, machten die (am 8. März 2021 gestellten) Anträge der Beschwerdeführer nicht deutlich.

[28] Im Übrigen ging das Schöffengericht ohnehin davon aus (vgl § 55 Abs 2 Z 3 StPO), dass in „Abrechnungen“, die – über die in ON 315 dokumentierten hinaus – auf den betreffenden Mobiltelefonen gespeichert sind, „das Wort 'Material' nicht angeführt“ ist (US 78 f).

[29] Mit dem anderen Antrag (ON 369 S 38 f und 40) wurde die

- „Einholung sämtlicher Ergebnisse der Videoüberwachung seit Beginn der Überwachungstätigkeiten im Mai 2019 für den Eingang des Hauses A* Straße 112“ und die

- „Ausforschung und Ladung sowie Einvernahme der sich auf den Aufnahmen der Videoüberwachung erkennbaren Personen“ begehrt.

[30] Nach dem Vorwurf der Anklage (ON 227) haben die Beschwerdeführer an der Überlassung (nur) solchen Suchtgifts mitgewirkt, das Sa* im Zuge jener „Pokerrunden“ anderen überließ, die einmal wöchentlich in einer im Haus A* Straße 112 in I* gelegenen (eigens zu diesem Zweck angemieteten) Wohnung veranstaltet wurden. Vorliegend war – entgegen der Beschwerdebehauptung des K* – am 8. März 2021 längst aktenkundig, dass einer der Eingänge jenes (Mehrparteien‑)Hauses von Mai 2019 bis Juni 2020 (anfangs nach dem SPG, später nach der StPO) mittels einer dort angebrachten Kamera optisch überwacht worden war (siehe schon die Begründung der Anklageschrift vom 12. November 2020 [ON 227 S 15 ff]). Darüber hinaus war– auf in der Hauptverhandlung am 7. Jänner 2021 gestellten Antrag des K* (ON 269 S 36) – über Anordnung der Vorsitzenden (ON 280) eine ergänzende „Auswertung der Videoüberwachung und der Observationsberichte“ (just) „des Hauses A* Straße 112 in I*“ vorgenommen (ON 315 S 23 bis 99) und ein damit befasster Polizeibeamter hierzu (in der Hauptverhandlung am 8. März 2021) als Zeuge befragt worden (ON 369 S 25 ff).

[31] Soweit er auf den Nachweis zielte, dass sich (der unmittelbare Täter) Sa* „nur an einzelnen Abenden und auch nicht durchgängig in dem Gebäude A* Straße 112 aufgehalten hat“, hingegen „an verschiedenen Abenden gar nicht anwesend war“ (ON 369 S 39), ließ der Antrag – schon im Hinblick darauf, dass „Pokerabende“ (jeweils mit Suchtgiftüberlassung im von Sa* beschriebenen Umfang) dort ohnedies nur einmal wöchentlich stattgefunden haben sollen – keinen Konnex zur Schuld- oder zur Subsumtionsfrage erkennen (siehe aber RIS-Justiz RS0118444).

[32] Soweit der Antrag auf den Nachweis zielte, dass sich erst auszuforschende, im Eingangsbereich jenes Wohnhauses mittels Überwachungskamera aufgenommene „erkennbare Personen“ in der betreffenden Wohnung „in der Folge aufgehalten haben und bestätigen können“, dass die Beschwerdeführer „dort“ „keine“ der ihnen „vorgeworfenen Tathandlungen gesetzt“ hätten (ON 369 S 39 und 40), war er überdies – im Hauptverfahren unzulässig – auf Erkundungsbeweisführung gerichtet (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 330 f; RIS-Justiz RS0099353, RS0118123).

Zur weiteren Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten K*:

[33] In der Hauptverhandlung hat der Beschwerdeführer – nach dem darüber aufgenommenen, ungerügten Protokoll – jeweils vor dem Beginn einer Zeugenvernehmung Folgendes beantragt:

- am 1. März 2021, „dass der Zeuge ohne FFP2 Maske vernommen wird“ (ON 351 S 11),

- am 5. März 2021, „den Zeugen ohne FFP2 Maske zu vernehmen“ und „allenfalls die technischen Voraussetzungen (eine Plexiglasscheibe) zu schaffen, damit er ohne FFP2 Maske vernommen werden kann“ (ON 368 S 3) sowie

- am 8. März 2021, „die heute zu vernehmenden Zeugen ohne Mund-Nasen-Schutz zu vernehmen, allenfalls die technischen Voraussetzungen zu schaffen, wie etwa das Aufstellen von Plexiglasscheiben zu veranlassen, allenfalls in einen anderen Verhandlungssaal zu wechseln, wo die Abstände größer sind“ (ON 369 S 2).

[34] Das gegen die Abweisung (ON 351 S 11, ON 368 S 3 und ON 369 S 2) dieser Anträge gerichtete Vorbringen der Verfahrensrüge (Z 4) geht fehl:

[35] Für Anträge, die (wie hier) keine Beweisanträge sind, gelten die Begründungserfordernisse des § 55 Abs 1 StPO sinngemäß (RIS-Justiz RS0130796 [T3]). Demzufolge hätte es, um ihre Beurteilung zu ermöglichen, eines Vorbringens bedurft, zu welchem Zweck die beantragte Verfügung begehrt wird, warum die begehrte Verfügung zum angestrebten Zweck tauglich ist und warum der angestrebte Zweck mit einer (Fall‑)Norm in Verbindung steht, die ihrerseits aus dem rechtlichen Zweck des Anklage und Verteidigung sichernden, fairen Verfahrens zur Feststellung der entscheidenden Tatsachen auf die konkrete Verfahrenssituation hin gebildet wurde (dazu näher Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 333 ff).

[36] Die vorliegenden Anträge blieben – dementgegen – unbegründet.

[37] Der im Anschluss an den Antrag vom 8. März 2021 protokollierte, schlichte „[V]erweis“ des Verteidigers „auf § 162 StPO“ (ON 369 S 2) ändert daran nichts. Das bloße Zitat dieser – für (hier nicht in Rede stehende) anonyme Aussagen aufgestellten – Vorschrift ließ nämlich keineswegs erkennen, dass der Antrag – wie die Beschwerde nun nachträglich behauptet – auf die Sichtbarkeit des unverhüllten Gesichts des jeweiligen Zeugen bei dessen Vernehmung, und zwar zwecks Wahrnehmbarkeit dessen Mienenspiels zur Beurteilung der Glaubhaftigkeit dessen Aussage, unter dem Aspekt des Art 6 MRK zielte.

[38] Die Verletzung der Begründungserfordernisse des § 55 Abs 1 StPO übersieht die Generalpokuratur, die den betreffenden Rechtsmitteleinwand für berechtigt und demzufolge die Aufhebung des angefochtenen Urteils hinsichtlich des Beschwerdeführers in Stattgebung dessen Nichtigkeitsbeschwerde, hinsichtlich des Mitangeklagten aus deren Anlass (§ 290 Abs 1 zweiter Satz zweiter Fall StPO), für geboten hält.

[39] Im Übrigen vermag der in der Stellungnahme der Generalprokuratur vorgenommene Verweis auf „§ 162 letzter Satz StPO iVm § 258 Abs 3 StPO analog; RIS‑Justiz RS0124163; 13 Os 83/08t; Gölly, RZ 2020, 151 f; Koller in Schmölzer/Mühlbacher, StPO 1 § 162 Rz 11 mwN; Fabrizy/Kirchbacher, StPO14 § 162 Rz 3; Urbanek in LiK‑StPO § 162 Rz 15; Kirchbacher/Keglevic, WK-StPO § 162 Rz 5“ den Beschwerdestandpunkt auch der Sache nach nicht zu tragen. Das bloße Zitat von Rechtsprechung und Literatur teils zum Ausschluss einer Angeklagten von der Teilnahme an der Hauptverhandlung (§ 234 StPO) wegen durch die Nichtabnahme einer Gesichtsverschleierung zum Ausdruck gebrachter Missachtung des Gerichts, teils zu § 162 StPO (anonyme Aussage) lässt nämlich nicht erkennen, weshalb in Bezug auf die gegenständliche Problematik eine– zum Analogieschluss berechtigende (dazu RIS‑Justiz RS0008866) – Gesetzeslücke bestehen soll. Selbst bei Bejahung einer solchen wäre zudem das von § 281 Abs 1 Z 4 StPO eröffnete Anfechtungskalkül (dazu Ratz, WK-StPO § 281 Rz 336 ff) zu beachten: Um Nichtigkeit nach Z 4 begründen zu können, müsste der Verstoß gegen die – hier nach Meinung der Generalprokuratur durch Analogie zu bildende – Verbotsnorm den mit ausdrücklicher Nichtigkeit bedrohten nach Z 2 und 3 des § 281 Abs 1 StPO (zu denen § 162 StPO und § 258 Abs 3 StPO nicht zählen) wenigstens annähernd gleichwertig sein.

[40] Hinzugefügt sei, dass im Zuge der 2020 aufgetretenen COVID‑19‑Pandemie durch Verordnung vorgeschrieben wurde, zur Vermeidung von Ansteckung in geschlossenen Räumen öffentlicher Orte Mund- und Nasenschutzmasken zu tragen (dazu näher Danek/Mann, WK‑StPO Vor §§ 228–279 Rz 11/3). Im Fall eines in der Hauptverhandlung gestellten Beteiligtenantrags auf Tragen oder Abnehmen solcher Masken gilt § 238 Abs 2 StPO, eine Antragsabweisung unterliegt – unter den dafür normierten Voraussetzungen – der Anfechtung aus Z 4. Dass Angeklagte oder Zeugen während ihrer Vernehmungen generell keine Mund- und Nasenschutzmaske tragen dürften, weil sonst die Glaubhaftigkeit ihrer Aussage nicht beurteilt werden könne (vgl Gölly, Strafverfahren in Zeiten der COVID‑19‑Pandemie, RZ 2020, 143 [151 f]), ist dem Gesetz jedenfalls nicht zu entnehmen (erneut Danek/Mann, WK-StPO Vor §§ 228–279 Rz 11/3 f, auch unter Bezugnahme auf § 162 StPO).

[41] Soweit die Rüge moniert, das Schöffengericht habe Anträge des Beschwerdeführers auf „Einvernahme der Zeugen St*, H** und Si*“ , die er „sowohl in der Verhandlung vom 07.01.2021 als auch in jener vom 08.03.2021“ gestellt habe, zu Unrecht abgewiesen, versäumt sie bereits die zur prozessförmigen Darstellung des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes erforderliche (RIS-Justiz RS0124172) genaue Bezeichnung der Fundstelle der behaupteten Antragstellung in den – umfangreichen – Akten.

[42] Die weitere Rüge beanstandet die Abweisung eines in der Hauptverhandlung am 8. März 2021 gestellten Antrags des Beschwerdeführers auf „Vertagung der Hauptverhandlung und Übertragung der Hauptverhandlungsprotokolle vom 01.03.2021, 05.03.2021 und von heute sowie Durchführung einer weiteren Hauptverhandlung wo den Angeklagten die Möglichkeit gegeben wird Stellung zu beziehen, insbesondere zu den zwischenzeitig vorliegenden Zeugeneinvernahmen sowie zu den weiteren Beweisergebnissen, vor allem dem Aktenvermerk in ON 315, sowie auch zur Erläuterung des in der Beilage III vorgelegten Urkundenkonvoluts hinsichtlich der Abrechnungen in A*“ (ON 369 S 38).

[43] Soweit der Antrag auf „Übertragung“ (von Teilen) des Hauptverhandlungsprotokolls gerichtet war, wurde er weder abgewiesen noch ist die Übertragung der Verhandlungsmitschrift in Vollschrift (§ 271 Abs 6 StPO) insoweit unterblieben (siehe ON 351, 368 und 369).

[44] Soweit er auf Vertagung der Hauptverhandlung abzielte, verfiel er zu Recht der Abweisung (ON 369 S 41). Enthielt er doch nicht einmal ein Vorbringen, dass (und wodurch) der Beschwerdeführer daran gehindert gewesen sein sollte, zu den in der Hauptverhandlung vorgeführten Beweismitteln sogleich Stellung zu beziehen (vgl § 248 Abs 3 StPO; § 252 Abs 3 StPO). Ebenso wenig wurde sonst ein Grund (siehe aber § 226 Abs 2 StPO) genannt, aus dem es einer Vertagung der Hauptverhandlung (§ 276 StPO iVm § 226 StPO) zur Wahrung seiner Verteidigungsrechte bedurft hätte (zum Begründungserfordernis erneut RIS-Justiz RS0130796; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 333).

[45] Entgegen dem Einwand der Mängelrüge (Z 5) lassen die Feststellungen zur tatverfangenen (US 6) und zur vom Vorsatz des Beschwerdeführers umfassten (US 7) Suchtgiftmenge – im subsumtionsrelevanten Umfang – an Deutlichkeit (Z 5 erster Fall) nichts vermissen.

[46] Die behauptete Undeutlichkeit des Ausspruchs nach § 260 Abs 1 Z 1 StPO (nominell Z 5 erster Fall, der Sache nach Z 3) liegt schon deshalb nicht vor, weil den Entscheidungsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) – die unter diesem Gesichtspunkt (ebenso wie umgekehrt bei Behandlung einer Rüge aus Z 5 erster Fall) mit jenem Ausspruch eine Einheit bilden (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 278 und 580; RIS-Justiz RS0098795) – klar zu entnehmen ist, welcher Tat der Beschwerdeführer schuldig befunden worden ist, einschließlich jener Tatumstände, die den als begründet erachteten Strafsatz (§ 28a Abs 1 fünfter Fall und Abs 2 Z 2 SMG) bedingen (US 4 bis 8).

[47] Nach dem Urteilssachverhalt (US 4 bis 8) veranstaltete der Beschwerdeführer gemeinsam mit S* und Sa* eine Vielzahl von „Pokerabende[n]“ und finanzierte Suchtgiftankäufe mit, die Sa* zu dem Zweck tätigte, das Suchtgift im Rahmen dieser „Pokerabende“ „den jeweils teilnehmenden Spielern“ (als „Wachmacher“) „zur Verfügung“ zu stellen. Dadurch wirkte er – mit auf ein die Grenzmenge (§ 28b SMG) überschreitendes Suchtgiftquantum gerichtetem Additionswillen – (solcherart im Rahmen einer tatbestandlichen Handlungseinheit) daran mit, dass Sa* sukzessive insgesamt zumindest 800 Gramm Kokain mit einem Reinheitsgrad von 44,1 %, somit 352,8 Gramm Cocain, in einer Vielzahl von Angriffen anderen überließ. Diese Menge entspricht rechtlich gesehen dem 23,52-Fachen der für diesen Wirkstoff festgelegten Grenzmenge.

[48] Der Entfall einzelner (auf Teilmengen davon bezogener) Teilakte jener tatbestandlichen Handlungseinheit wäre für die Subsumtion nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG nur insoweit bedeutsam, als dadurch das insgesamt tatverfangene Suchtgiftquantum nicht einmal mehr – wie zur Verwirklichung dieses Tatbestands erforderlich – die Grenzmenge (also 15 Gramm Cocain) überschreiten würde (vgl RIS-Justiz RS0127374).

[49] Eine kriminelle Vereinigung (§ 278 Abs 2 StGB), als deren Mitglied (§ 28a Abs 2 Z 2 SMG) der Beschwerdeführer auf der Feststellungsgrundlage des angefochtenen Urteils (US 4 bis 8) handelte, erfordert den Zusammenschluss von „mehr als zwei“, also mindestens drei Personen. Die festgestellte, der Tatbegehung vorangegangene Willenseinigung (jedenfalls) des Beschwerdeführers mit S* und Sa* (US 4 f) erfüllt dieses Tatbestandsmerkmal.

[50] Überlassen von Suchtgift (§ 28a Abs 1 fünfter Fall SMG) setzt die Weitergabe an einen „anderen“, also eine vom (hier Beitrags‑)Täter verschiedene Person voraus (RIS‑Justiz RS0132558). Subsumtionsrelevant sind demnach Beitragshandlungen des Beschwerdeführers zu – nach den Feststellungen ausnahmslos bei den in der Wohnung A* Straße 112, Top 31, veranstalteten Pokerspielen erfolgten (US 5 f) – Suchtgiftweitergaben (des Sa*) an vom Beschwerdeführer verschiedene Personen. Ob diese Personen (ausschließlich) „Spieler“ oder (auch) „Kartendealer“ oder ihrerseits Mitglieder der(‑selben) kriminellen Vereinigung (§ 28a Abs 2 Z 2 SMG iVm § 278 Abs 2 StGB) waren, ist hingegen weder für die Schuld- noch für die Subsumtionsfrage von Bedeutung.

[51] Indem die Mängelrüge Feststellungen bekämpft, wonach

- sich der von S*, Sa* und dem Beschwerdeführer gebildeten kriminellen Vereinigung „kurze Zeit später“ auch noch D*, B* und P* angeschlossen hätten (US 5; siehe dazu auch die Erledigung der Mängelrüge des Angeklagten S*) sowie

- die „wöchentlich[en] Pokerrunden“ in jeder der Wochen vom Frühjahr 2018 bis zum Juni 2020 veranstaltet wurden und es sich dabei um „zumindest“ „80 Spieltage“ handelte,

versäumt sie es, den Bezug zu einer entscheidenden Tatsache deutlich und bestimmt (§§ 285 Abs 1 zweiter Satz, 285a Z 2 StPO) herzustellen. Damit verlässt sie den aus Z 5 eröffneten Anfechtungsrahmen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 391).

[52] Gleiches gilt, soweit sie – abermals ohne eine solche Bezugnahme – „Feststellungen zu den konkreten Tatzeitpunkten“ sowie zur „Anzahl der Spieltage und den überlassenen Mengen an Kokain“ bezweifelt.

[53] Der Einwand (Z 5 vierter Fall) wiederum, es sei „aus keinem Beweisergebnis abzuleiten“, dass „zwischen 15 Gramm, jedoch unter 225 Gramm an reinem Kokain in Verkehr gebracht worden sei“, geht schon deshalb ins Leere, weil das Erstgericht eine derartige Feststellung gar nicht getroffen hat. Vielmehr ging es von einer tatverfangenen Suchtgiftmenge aus, die 225 Gramm Cocain überstieg (US 6), und konstatierte eine (bloß) „deutlich über 15 g“, „jedoch nicht über 225 g an reinem Kokain“ umfassende Willensausrichtung des Beschwerdeführers (US 7).

[54] Die vermisste Begründung der Feststellungen zur Gründung der kriminellen Vereinigung im Mai 2018 (US 4 f) findet sich insbesondere auf US 27 und 72 f.

[55] Soweit die Rüge Feststellungen zum Vorliegen einer solchen Vereinigung und zur Tatbegehung des Beschwerdeführers als deren Mitglied vermisst (der Sache nach Z 9 lit a oder 10), hält sie zum einen nicht am diesbezüglichen Urteilssachverhalt (US 4 f) fest (siehe aber RIS-Justiz RS0099810). Zum anderen legt sie nicht aus dem Gesetz abgeleitet dar (siehe aber RIS-Justiz RS0116565), weshalb es zur rechtsrichtigen Beurteilung

zusätzlicher Konstatierungen zur Willenseinigung des Beschwerdeführers mit zumindest zwei weiteren Personen (hier nach den Feststellungen S* und Sa*) und zur kriminellen Ausrichtung des betreffenden Zusammenschlusses sowie

- der Feststellungen zur Mitgliedschaft von (insgesamt) mehr als drei Personen und dazu bedurft haben sollte, „in welcher Form“ der Beschwerdeführer zu (hier nicht in Rede stehenden) strafbaren Handlungen solcher anderer Personen (D*, B* und P*) „Tatbeiträge geleistet haben soll“.

[56] Ebenso lässt sie offen, weshalb – über die ohnedies getroffenen hinausgehende – Konstatierungen dazu erforderlich gewesen sein sollten, auf „welche konkreten Suchtgiftweitergaben“ und „welche Suchtgiftquanten“ sich die dem Beschwerdeführer „zurechenbaren“ „Ausführungshandlungen“ beziehen.

[57] Die weitere Rüge behauptet, die Tatrichter hätten bestimmte – im Rechtsmittel isoliert hervorgekehrte – Angaben des Sa* und mehrerer Zeugen sowie die „internen Aufzeichnungen“ der Angeklagten „unvollständig“ (Z 5 zweiter Fall) berücksichtigt, aus deren eigenständiger „Würdigung“ sie – zusammengefasst – die These entwickelt, es ergäben sich „schon rein rechnerisch nie die vom Erstgericht zu Lasten der Angeklagten an die jeweiligen Spieler überlassenen Suchtgiftmengen“. Damit bezieht sie sich – abermals – nicht deutlich und bestimmt (§§ 285 Abs 1 zweiter Satz, 285a Z 2 StPO) auf entscheidende Tatsachen.

[58] Entgegen dem Vorwurf, die Feststellungen zur subjektiven Tatseite (US 7 f) seien „ohne ausreichende Begründung“ geblieben, erschloss sie das Erstgericht – willkürfrei (RIS-Justiz RS0116882, RS0098671) – aus einer „lebensnahen Betrachtung des äußeren Geschehensablaufs“ (US 70 f). Indem die Beschwerde mangelnde Berücksichtigung der teils leugnenden Verantwortung des Beschwerdeführers einwendet (siehe aber US 8 ff), die das Erstgericht (seiner Ansicht nach verfehlt) als „beinahe umfassendes Geständnis“ (US 12) gewertet habe, nimmt sie – prozessordnungswidrig (erneut RIS-Justiz RS0119370) – nicht an der Gesamtheit der diesbezüglichen Entscheidungsgründe Maß.

[59] Gleiches gilt, soweit sie aus (abermals von ihr aus dem Zusammenhang gelösten) Aussagedetails des Sa*, mit denen sich das Erstgericht „nicht auseinander[gesetzt]“ habe (siehe aber US 18 bis 28), abzuleiten versucht, der Beschwerdeführer sei – übrigens entgegen seiner eigenen Verantwortung in der Hauptverhandlung (US 12 f) – „nur Konsument“ gewesen und habe „mit den Suchtgiftweitergaben nichts zu tun“ gehabt.

[60] Das übrige Vorbringen der Mängelrüge unternimmt es anhand eigenständiger Bewertung von Verfahrensergebnissen (Aussagedetails mehrerer Zeugen und ursprünglich Mitangeklagter sowie „Auswertung Abrechnungsergebnisse Fotohandy“), daraus ihrem Standpunkt günstigere Schlussfolgerungen einzufordern und kritisiert, „all jene Zeugen oder Beschuldigten, die belastende Angaben gemacht“ hätten, seien „aus Sicht des Erstgerichtes besonders glaubwürdig“, während „sämtlichen entlastenden Zeugenaussagen mit verschiedenen Argumenten die Glaubwürdigkeit abgesprochen“ werde.

[61] Damit verliert sie sich in einem Angriff auf die tatrichterliche Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld.

Zur weiteren Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten S*:

[62] Soweit die Mängelrüge tatsächlich getroffene Urteilsfeststellungen deutlich und bestimmt anspricht (zum Erfordernis RIS-Justiz RS0130729 [T1]), bekämpft sie (aus Z 5 zweiter, dritter und vierter Fall) die Konstatierungen,

- dem Zusammenschluss des Beschwerdeführers mit K* und Sa*, als dessen Mitglied der Beschwerdeführer gehandelt habe, hätten sich überdies D*, B* und P* angeschlossen (US 5),

- Sa* habe „den jeweils teilnehmenden Spielern“ pro Spielabend ca 10 Gramm Kokain (zumindest 44,1%igen Reinheitsgrades) zur Verfügung gestellt (US 6), sowie jene

- „zu Dauer und Bestand der kriminellen Vereinigung“ „von Frühjahr 2018 bis 01.06.2020“ (vgl US 4 bis 6).

[63] Für die rechtliche Annahme einer kriminellen Vereinigung bedarf es – wie dargelegt – eines Zusammenschlusses von „mehr als zwei“ Personen (§ 278 Abs 2 StGB). Demzufolge ist weder für die Schuld- noch für die Subsumtionsfrage bedeutsam, somit nicht entscheidend (RIS-Justiz RS0117264), ob der vorliegende Zusammenschluss – neben dem Beschwerdeführer und zwei weiteren Personen (hier K* und Sa*) – noch weitere Mitglieder hatte.

[64] Ebenso wenig bildete die sachverhaltsmäßige Bejahung dieses Umstands aus der Sicht der Tatrichter (erkennbar) eine notwendige Bedingung für die Feststellung einer entscheidenden Tatsache (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 410). Geht doch aus den Urteilsgründen klar hervor, dass der Schuldspruch des Beschwerdeführers nur (Beiträge zur) Überlassung solchen Suchtgifts umfasst, das Sa* bei den von diesem gemeinsam mit K* und dem Beschwerdeführer veranstalteten Pokerspielen im Haus A* Straße 112 Dritten weitergab (US 5 ff).

[65] Ob zu diesen Dritten nur „an den Pokerspielen teilnehmende Spieler“ oder auch (vom Beschwerdeführer und von Sa* verschiedene) „Kartendealer“ zählten und ob Letztere ihrerseits Mitglieder der betreffenden kriminellen Vereinigung waren, ist – abermals – nicht entscheidend. Begründet doch Mitgliedschaft an derselben kriminellen Vereinigung keineswegs per se (von Anfang an bestehenden) Mitgewahrsam, der die Möglichkeit wechselseitigen „Überlassens“ ausschlösse (vgl RIS‑Justiz RS0088010 [insbesondere T2 und T3]).

[66] Was das zeitliche Element anlangt, genügt es für die Beurteilung eines Zusammenschlusses als kriminelle Vereinigung, dass dieser – wie hier nach den Feststellungen (US 5: „mindestens mehrere Monate“) – auf längere Zeit angelegt ist. Auf die Dauer ihres tatsächlichen Bestehens kommt es nicht an (RIS-Justiz RS0125232 [T4]).

[67] Hiervon ausgehend verfehlt die Mängelrüge zur Gänze den Bezugspunkt der unternommenen Anfechtung.

[68] Daran ändert nichts, dass bei Berücksichtigung „nur des Zeitraums Juli/August 2018 und jener Kokainquanten, die […] den Spielern (nicht auch anderen Personen, wie Kartendealern) […] zur Verfügung gestellt wurden,“ „auch nicht die Grenzmenge (§ 28b SMG) erreicht worden“ wäre. Wurde doch – wie dargelegt – eben auch Suchtgift, das Sa* (von ihm selbst und dem Beschwerdeführer verschiedenen) „anderen Personen, wie Kartendealern“ zur Verfügung stellte, (im Sinn des § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG) „anderen“ überlassen.

[69] Indem die weitere Beschwerde (nominell Z 9 lit a) die rechtliche Annahme einer kriminellen Vereinigung (§ 278 Abs 2 StGB) bekämpft, strebt sie (der Sache nach aus Z 10) den Wegfall der Qualifikation nach § 28a Abs 2 Z 2 SMG an.

[70] Gestützt auf Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (15 Os 57/08h) und eine diese referierende Stelle im wissenschaftlichen Schrifttum (Plöchl in WK2 StGB § 278 Rz 12) bringt sie vor, das Tatbestandsmerkmal der „Vereinigung“ sei nicht erfüllt, wenn „die Gemeinschaftsstruktur im Kern einer legalen Tätigkeit“ diene. Letzteres sei (ihrer Ansicht nach) hier der Fall gewesen.

[71] Dieser Einwand ignoriert die Feststellung zur strukturellen Ausrichtung auch auf Suchtgiftdelinquenz (US 5, vgl auch US 73). Indem sie es solcherart verabsäumt, ihre Argumentation auf der Basis des gesamten Urteilssachverhalts zu entwickeln, verfehlt die Rüge den – gerade darin gelegenen – Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS-Justiz RS0099810).

Hinzugefügt sei:

[72] Auf der Grundlage der Urteilsfeststellungen war die Gemeinschaft ihrer Struktur nach jedenfalls auch (US 5) auf die Erreichung des verpönten Zwecks (der Begehung von Verbrechen [§ 278 Abs 2 StGB], konkret solchen des Suchtgifthandels) ausgerichtet. Prägte doch diese – mit Blick auf die konstatierte Regelmäßigkeit der mit den veranstalteten Pokerspielen verknüpften Suchtgiftüberlassungen (US 5 f: „wöchentlich“) – das Erscheinungsbild der Gemeinschaft in nennenswerter Weise mit. Dass die Verwirklichung der Katalogtaten darüber hinaus der Erreichung eines weitergehenden, nicht unbedingt strafrechtlich verpönten (Haupt-)Zwecks diente (vgl US 5: Zurverfügungstellen von Kokain als „Wachmacher“ für die Teilnehmer der mit Gewinnausrichtung veranstalteten Pokerspiele), verschlägt nichts (Plöchl in WK2 StGB § 278 Rz 12). Hiervon ausgehend ist das (in § 28a Abs 2 Z 2 SMG verlangte) Tatbestandsmerkmal der „Vereinigung“ (§ 278 Abs 2 StGB) nach dem Urteilssachverhalt erfüllt.

[73] Des Vergehens der kriminellen Vereinigung nach § 278 Abs 1 (zweiter Fall iVm Abs 3 zweiter Fall) StGB wurde der Beschwerdeführer gar nicht schuldig erkannt (US 3).

[74] Weshalb es dennoch auf sein Wissen (§ 5 Abs 3 StGB) ankommen sollte, dass er durch seine Beteiligung an den Aktivitäten einer kriminellen Vereinigung (§ 278 Abs 2 StGB) diese oder deren strafbare Handlungen gefördert hat (§ 278 Abs 3 zweiter Fall StGB), legt das diesbezügliche Feststellungen vermissende Beschwerdevorbringen nicht aus dem Gesetz abgeleitet dar (siehe aber RIS-Justiz RS0116565).

[75] Hinzugefügt sei, dass der Beschwerdeführer (auf der Basis des Urteilssachverhalts) die Straftat nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG – durch sonstigen Beitrag (§ 12 dritter Fall StGB) – „als Mitglied“ (§ 28a Abs 2 Z 2 SMG) einer kriminellen Vereinigung (§ 278 Abs 2 StGB) begangen hat, wofür in jeder Hinsicht bedingter Vorsatz ausreicht (§ 7 Abs 1 StGB iVm § 5 Abs 1 zweiter Halbsatz StGB).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft:

[76] Weder in der Anklageschrift (ON 227 [vgl § 211 Abs 1 Z 2 StPO]) noch in der Hauptverhandlung (vgl § 262 StPO [zu möglicher Modifikation der Anklage Ratz, WK-StPO § 281 Rz 507]) erachtete die Staatsanwaltschaft (auch) § 168 Abs 1 oder 2 StGB als durch die der Anklage zugrunde liegenden – und den Gegenstand der bekämpften Schuldsprüche (§ 260 Abs 1 Z 2 StGB) bildenden – Taten (§ 267 StPO) begründet.

[77] Mit der Behauptung von Feststellungsmängeln fordert sie nun jedoch (aus Z 10), „das (nach außen hin idente) Tatverhalten der Angeklagten auch jeweils den Vergehen des Glücksspiels nach § 168 Abs 1 und Abs 2 StGB zu unterstellen“.

[78] Sie macht nicht klar, weshalb gerade das – den Angeklagten als sonstiger Beitrag (§ 12 dritter Fall StGB) zum Suchtgifthandel (§ 28a Abs 1 fünfter Fall und Abs 2 Z 2 SMG) zur Last liegende – (Mit‑)Veranstalten (vgl § 168 Abs 1 StGB) von Pokerspielen und (Mit‑)Finanzieren des dabei überlassenen Suchtgifts noch zusätzlich als gewerbsmäßige Beteiligung an einem solchen Spiel (§ 168 Abs 2 StGB) zu beurteilen sein sollte.

[79] Hinzugefügt sei, dass sich die von den Schuldsprüchen umfassten (Beitrags‑)Handlungen (vgl 14 Os 11/18a, 99/18t, SSt 2018/54) sowohl mit nach Abs 1 als auch mit nach Abs 2 des § 168 StGB (dazu Kirchbacher in WK2 StGB § 168 Rz 14 f und 17) tatbestandsmäßigen Verhaltensweisen überschneiden müssten, um – wie von der Rüge angestrebt – diese beiden strafbaren Handlungen jeweils in Idealkonkurrenz mit dem Verbrechen des Suchtgifthandels nach (§ 12 dritter Fall StGB,) § 28a Abs 1 fünfter Fall und Abs 2 Z 2 SMG zu begründen (vgl RIS‑Justiz RS0124174 sowie Ratz in WK2 StGB Vor §§ 28–31 Rz 12).

[80] Hiervon ausgehend gelangt der herangezogene (materiell‑rechtliche) Nichtigkeitsgrund – im Hinblick auf die angestrebte Subsumtion der jeweiligen Tat nach „§ 168 Abs 1 und Abs 2 StGB“ – von vornherein nicht zu prozessförmiger Darstellung (RIS-Justiz RS0116565).

[81] Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen. Über die Berufungen hat das Oberlandesgericht zu entscheiden (§ 285i StPO).

[82] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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