OGH 13Os8/15y

OGH13Os8/15y15.4.2015

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. April 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Ableidinger als Schriftführerin in der Finanzstrafsache gegen Wolfgang S***** wegen Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufungen der Staatsanwaltschaft und der Finanzstrafbehörde gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Schöffengericht vom 27. August 2014, GZ 12 Hv 48/12y‑38, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0130OS00008.15Y.0415.000

 

Spruch:

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen 1 bis 3 sowie demzufolge auch im Strafausspruch aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Wels verwiesen.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.

Mit ihren Berufungen werden der Angeklagte, die Staatsanwaltschaft und die Finanzstrafbehörde auf die Aufhebung des Strafausspruchs verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Wolfgang S***** jeweils mehrerer Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG (1) und nach § 33 Abs 1 FinStrG (2 bis 4) schuldig erkannt, wobei es laut den Urteilsannahmen in einem Fall (4) beim Versuch (§ 13 FinStrG) geblieben ist.

Nach dem Referat im Urteilstenor (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) hat er „als die abgabenrechtlichen Verpflichtungen der Firma A***** GmbH faktisch Wahrnehmender im Bereich des Finanzamtes Gmunden/Vöcklabruck vorsätzlich

1. in der Zeit vom 15. März 2005 bis 15. März 2007 unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von § 21 UStG entsprechenden Voranmeldungen für die Monate Jänner 2005 bis Jänner 2007 eine Verkürzung an Vorauszahlung von Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt Euro 471.656,30 dadurch bewirkt und dies nicht nur für möglich gehalten, sondern für gewiss gehalten, dass er

a) zu den jeweiligen Fälligkeitstagen weder die geschuldete Umsatzsteuervorauszahlung entrichtet, noch Umsatzsteuervoranmeldung eingereicht hat (iHv EUR 114.638,97);

b) umsatzsteuerpflichtige Vorgänge infolge durchgeführter Schwarzverkäufe nicht erfasst hat (Schwarzgeschäfte iHv EUR 265.786,67, Geschäftsfall 'Au***** GmbH' iHv EUR 15.350,00 sowie Verkauf gepfändeter Fahrzeuge iHv EUR 2.000,00),

c) in unzulässiger Weise Differenzbesteuerung vorgenommen hat (falsche Eingangsrechnungen/falsche Buchungen iHv EUR 62.966,68),

d) zu Unrecht Vorsteuer aus Privataufwendungen geltend gemacht hat (iHv EUR 10.913,97);

2. in der Zeit vom 15. März 2004 bis zum 15. März 2007 unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Offenlegungs‑ und Wahrheitspflicht, nämlich zur Abgabe wahrheitsgemäßer Normverbrauchsabgabe‑Anmeldungen für die Monate Jänner 2004 bis Jänner 2007 eine Verkürzung an Normverbrauchsabgaben in Höhe von € 316.608,87 dadurch bewirkt, dass er

a) zu den jeweiligen Fälligkeitstagen weder die geschuldete Normverbrauchsabgabe entrichtet, noch Anmeldungen eingereicht hat (iHv EUR 60.848,01);

b) normverbrauchsabgabepflichtige Lieferungen infolge durchgeführter Schwarzverkäufe nicht erfasst hat (iHv Schwarzgeschäfte iHv EUR 192.747,59);

c) normverbrauchsabgabepflichtige Lieferungen durch Fingieren einer bisherigen inländischen Zulassung infolge Vortäuschung von Fahrzeugankäufen bei inländischen Privatpersonen nicht der Besteuerung unterworfen hat (falsche Eingangsrechnungen/falsche Buchungen iHv EUR 40.904,67);

d) normverbrauchsabgabepflichtige Lieferungen zwar nachträglich in der Buchhaltung erfasst, aber in der für Oktober 2004 geltenden NOVA‑Anmeldung nicht erklärt hat (iHv EUR 22.304,59);

3. in der Zeit vom 14. Jänner 2004 bis 15. März 2007 unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Offenlegungs‑ und Wahrheitspflicht, nämlich zur Abgabe von Kapitalertragssteuer‑Anmeldungen für den Zeitraum 7. Jänner 2004 bis 8. März 2007 eine Verkürzung an Kapitalertragssteuer in Höhe von insgesamt € 277.931,50 dadurch bewirkt, dass er als Gesellschafter bzw. Machthaber folgende, nicht offengelegte Vorteile aus der A***** GmbH gezogen hat, nämlich

a) Zuflüsse aus Schwarzgeschäften (Schwarzgeschäfte iHv EUR 122.398,76, Geschäftsfall 'Au***** GmbH' iHv EUR 34.625,00 sowie Verkauf gepfändeter Fahrzeuge iHv EUR 16.962,50)

b) Zuflüsse infolge gefälschter Einkaufsbelege (iHv EUR 21.909,97);

c) Zuflüsse infolge Vortäuschung eines fingierten Einkaufs (Geschäftsfall 'Manuele F*****' iHv EUR 13.250,00 sowie Geschäftsfall 'Xaver U*****' iHv EUR 10.200,81);

d) Zuflüsse aus der Nichtbezahlung von Fahrzeugeinkäufen (Geschäftsfall 'J***** OHG' iHv EUR 12.517,29 und Geschäftsfall 'Kai B*****' iHv EUR 12.700,00);

e) Zuflüsse aus der Tragung privater Aufwendungen durch die A***** GmbH (iHv EUR 33.367,18);

4. bis zum 31. Juli 2006, trotz mehrmaliger Aufforderung zur Abgabe einer Umsatzsteuerjahreserklärung für 2004 es unterlassen, für das Veranlagungsjahr 2004 (Jänner bis Dezember 2004) eine solche Erklärung einzureichen und dadurch versucht, eine Abgabenverkürzung in Höhe von € 121.102,28 zu bewirken.“

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 3, 5, 8, 9 lit a und 11 des § 281 Abs 1 StPO sowie aus § 281a StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist teilweise im Recht.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) weist zutreffend darauf hin, dass die tatrichterlichen Konstatierungen die Schuldsprüche 1 bis 3 nicht tragen:

Der Vorgang der Subsumtion besteht im Herstellen einer Verknüpfung zwischen der Tat und einer strafbaren oder (sofern in Sonderfällen nicht alle Voraussetzungen der Strafbarkeit verlangt werden) mit Strafe bedrohten Handlung. Dabei wird der festgestellte Lebenssachverhalt (Tat) dahin beurteilt, ob er unter die gesetzliche Kategorie einer strafbaren Handlung, also eines tatbestandsmäßigen, rechtswidrigen und schuldhaften Verhaltens, das auch allfälligen zusätzlichen Voraussetzungen für die Strafbarkeit genügt, fällt ( Ratz in WK² StGB Vor §§ 28 bis 31 Rz 1 f, Lässig in WK² FinStrG Vorbem Rz 7).

Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG (1) werden durch dort pönalisiertes Verhalten in Bezug auf Voranmeldungszeiträume begangen, sodass sachverhaltsmäßig hinsichtlich jedes solchen Zeitraums (unabhängig von der Höhe des Hinterziehungsbetrags) eine selbstständige Tat vorliegt (13 Os 142/08v, JBl 2010, 318; RIS‑Justiz RS0118311 und RS0124712).

Eine im dargelegten Sinn taugliche Subsumtionsbasis für einen Schuldspruch nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG enthält die angefochtene Entscheidung nur hinsichtlich der Voranmeldungszeiträume Jänner 2005 bis Juni 2005 (US 4 f).

Bezüglich des daran anschließenden, nach dem Referat im Urteilstenor (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) bis zum 15. März 2007 reichenden (US 1) Zeitraum stellt das Erstgericht bloß (nach Faktengruppen gegliederte) Gesamtbeträge fest (US 5 bis 11), was ‑ wie dargestellt ‑ den Konstatierungserfordernissen für die Subsumtion nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG nicht genügt.

Im Bereich der Kapitalertragsteuer (§ 33 Abs 1 FinStrG) ist selbstständige Tat das Unterlassen der auf einen bestimmten Ertragszufluss bezogenen Kapitalertragsteuer‑Abfuhr (§ 96 Abs 1 EStG) unter Verletzung der korrespondierenden (§ 96 Abs 3 EStG) Anmeldungspflicht (13 Os 104/10h, AnwBl 2011, 448; RIS‑Justiz RS0124712 [T1]).

Entsprechendes gilt für die Normverbrauchsabgabe. Selbstständige Tat ist diesbezüglich das Unterlassen der Anmeldung und der Entrichtung der Normverbrauchsabgabe spätestens am 15. Tag des auf den Kalendermonat, in dem die Steuerschuld entstanden ist (siehe § 7 NoVAG 1991), zweitfolgenden Monats (§ 11 Abs 1 NoVAG 1991).

Demzuwider enthält die angefochtene Entscheidung hinsichtlich der Kapitalertragsteuer (3) bloß nach Faktengruppen und Kalenderjahren zusammengefasste Gesamtbeträge (US 5 bis 11).

Zur Normverbrauchsabgabe (2) entspricht die Feststellungsbasis jener zur Umsatzsteuer. Für die Anmeldungszeiträume Jänner 2005 bis Juni 2005 werden konkrete Konstatierungen getroffen (US 5), nicht jedoch für den daran anschließenden, nach dem Referat im Urteilstenor (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) bis zum 15. März 2007 reichenden (US 2) Zeitraum (US 5 bis 11).

Der ergänzende Verweis auf die Anlagen 1 bis 4 zum Urteil ändert an den aufgezeigten Rechtsfehlern nichts, weil auch diese Anlagen kein dem finanzstrafrechtlichen Tatbegriff entsprechendes Sachverhaltssubstrat erkennen lassen.

Aufgrund der dargelegten Feststellungsdefizite war die angefochtene Entscheidung in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde in den Schuldsprüchen 1 bis 3 schon bei der nichtöffentlichen Beratung aufzuheben (§ 285e StPO).

Dabei machte der Oberste Gerichtshof von der Möglichkeit, einen Teil dieser Schuldsprüche in Rechtskraft erwachsen zu lassen (§ 289 StPO), nicht Gebrauch. Jene Schuldspruchteile, für die ‑ wie dargestellt ‑ grundsätzlich eine hinreichende Feststellungsbasis geschaffen wurde (1/a und 2/a), überlappen einander zeitlich nämlich mit den übrigen Teilen (1/b bis d und 2/b bis d). Demnach ist hinsichtlich der Schuldsprüche 1 und 2 insgesamt anhand der vom Erstgericht getroffenen Konstatierungen eine dem finanzstrafrechtlichen Tatbegriff entsprechende Trennung nach Einzeltaten nicht möglich.

Die Teilaufhebung des Schuldspruchs hat die Aufhebung des Strafausspruchs zur Folge.

Im Übrigen, konkret in Bezug auf den Schuldspruch 4, verfehlt die Nichtigkeitsbeschwerde ihr Ziel:

Die Verfahrensrüge (Z 3) legt nicht dar, aus welchem Grund die behauptete Unklarheit über das Ende des Tatzeitraums die Individualisierung der angesprochenen Tat hindern soll, und entzieht sich solcherart einer inhaltlichen Erwiderung (15 Os 38/03, SSt 2003/32; RIS‑Justiz RS0117498).

Entgegen der Mängelrüge (Z 5) begründet (Z 5 vierter Fall) das Erstgericht die Feststellung, wonach der Beschwerdeführer faktischer Machthaber der A***** GmbH gewesen ist (US 4), sehr wohl (US 12 f).

Ein Widerspruch (Z 5 dritter Fall) zwischen der relevierten Konstatierung und jener, der Beschwerdeführer sei (auch) Gesellschafter der A***** GmbH gewesen, besteht nicht.

Ob das Urteil die Anklage überschreitet (Z 8), ist anhand des prozessualen Tatbegriffs zu beurteilen. Meinen Anklage und Urteil den selben Sachverhalt, liegt (abgesehen von ‑ hier nicht interessierenden ‑ Sonderfällen im Zusammenhang mit der Bestimmung des § 262 StPO [hiezu RIS‑Justiz RS0113755]) Anklageüberschreitung nicht vor (14 Os 3/00, EvBl 2000/134, 572; RIS‑Justiz RS0113142). Weshalb Anklagesachverhalt und Urteilssachverhalt einander hier nicht decken sollen, erklärt die Beschwerde nicht.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) legt nicht dar, warum der Tatbestand der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG ‑ entgegen dem Gesetzeswortlaut ‑ hinsichtlich des Bewirkens der Abgabenverkürzung die qualifizierte Vorsatzform der Wissentlichkeit verlangen soll und verfehlt solcherart die unter dem Aspekt des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes gebotene Ableitung der angestrebten rechtlichen Konsequenz aus dem Gesetz (12 Os 52/02, SSt 64/31; RIS‑Justiz RS0116565 und RS0116569).

Der Einwand der Feststellung der Rechtswirksamkeit der Angeklageschrift durch ein unzuständiges Oberlandesgericht (§ 281a StPO) geht nicht von den insoweit relevanten Sachverhaltsannahmen des Oberlandesgerichts Linz (ON 23 S 4f) aus und entfernt sich damit vom Bezugspunkt des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes (13 Os 65/10y, SSt 2010/47; RIS‑Justiz RS0126141).

Hinsichtlich des Schuldspruchs 4 war die Nichtigkeitsbeschwerde daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

Mit Blick auf den zweiten Rechtsgang sei zu den weiteren Argumenten der Nichtigkeitsbeschwerde (I und II) sowie zu Unklarheiten in der angefochtenen Entscheidung (III) hinzugefügt:

(I) Zutreffende Beschwerdeargumente:

1) Die Verfahrensrüge (Z 3) zeigt mit Recht auf, dass das Referat der entscheidenden Tatsachen im Urteilstenor (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) seiner Individualisierungsfunktion (hiezu 13 Os 164/02, SSt 2003/14; RIS‑Justiz RS0117435; Lendl , WK‑StPO § 260 Rz 9) nicht gerecht wird. Ausgehend vom ‑ in Beantwortung der Rechtsrüge dargelegten ‑ finanzstrafrechtlichen Tatbegriff wird nämlich aus dem auf die Schuldsprüche (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) 1 bis 3 bezogenen Referat (US 1 bis 3) nicht klar, auf welche einzelnen Taten sich die vorgenommene Subsumtion bezieht (13 Os 105/08b, SSt 2009/18; 13 Os 18/12i, EvBl 2012/99, 679; jüngst 13 Os 114/13h).

2) Zwar sind entgegen der Mängelrüge (Z 5) die Feststellungen zur Funktion des strafbestimmenden Wertbetrags als Trennlinie zwischen gerichtlicher und finanzstrafbehördlicher Zuständigkeit (§ 53 FinStrG) mit Blick auf die mehrfache Bezugnahme auf konkrete Verfahrensergebnisse (US 15 bis 17) ‑ darunter (aktenkonforme) Verweise auf die Depositionen des Beschwerdeführers (US 15, 17) ‑ hinreichend begründet (Z 5 vierter Fall). Hinsichtlich der Funktion des strafbestimmenden Wertbetrags als Determinante des Strafrahmens zeigt die Sanktionsrüge (Z 11 erster Fall iVm Z 5 vierter Fall) aber zu Recht auf, dass es der angefochtenen Entscheidung an einer nachvollziehbaren Bezugnahme auf konkrete Aktenteile fehlt (hiezu Lässig in WK² FinStrG Vorbem Rz 5 und 21).

(II) Nicht zutreffende Beschwerdeargumente:

1) Die vermisste Begründung der Feststellungen zur örtlichen und sachlichen Zuständigkeit derselben Finanzstrafbehörde (§ 53 Abs 1 erster Satz FinStrG), namentlich des Finanzamts Gmunden/Vöcklabruck (US 4), findet sich auf den US 14 f.

2) Der Schuldspruch wegen des Vergehens der Abgabenhinterziehung nach §§ 13, 33 Abs 1 FinStrG bezieht sich auf die im Jahr 2004 geschuldete Umsatzsteuer (US 11 f). Eine Missachtung des in Bezug auf diese Steuerart bestehenden Scheinkonkurrenzverhältnisses der Konsumtion zwischen den Tatbeständen des § 33 Abs 1 FinStrG und des § 33 Abs 2 lit a FinStrG (RIS‑Justiz RS0086706, RS0086719, RS0087036 und RS0087191; Lässig in WK² FinStrG § 33 Rz 18) liegt nicht vor, weil hinsichtlich des Jahres 2004 kein Schuldspruch wegen Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG erfolgt ist (siehe US 1 f sowie US 4 bis 11).

3) Zum Schuldspruch wegen Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG (1) trifft das Erstgericht sehr wohl Feststellungen über die Wissentlichkeit in Bezug auf das Bewirken von Abgabenverkürzungen (US 12).

(III) Unklarheiten in der angefochtenen Entscheidung:

1) Das Erstgericht erklärt, der Beschwerdeführer habe mehrere Finanzvergehen der „gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung“ begangen und fällt hiefür einen Strafausspruch (§ 260 Abs 1 Z 3 StPO) „nach §§ 33 Abs 5 und 38 Abs 1 lit a FinStrG idF BGBl I Nr 28/1999“ (US 3, vgl auch US 20). Demgegenüber erfolgt kein Schuldspruch (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) nach der Qualifikationsnorm des § 38 Abs 1 FinStrG (US 3).

2) Gemäß § 4 Abs 2 FinStrG richtet sich die Strafe nach dem zur Zeit der Tat geltenden Recht, es sei denn, dass das zur Zeit der Entscheidung erster Instanz geltende Recht in seiner Gesamtauswirkung für den Täter günstiger wäre. Da das Urteilszeitrecht gegenüber dem Tatzeitrecht in Bezug auf die in Rede stehenden Normen weder die Tatbestände einengt noch die Strafdrohungen reduziert, wendet das Erstgericht grundsätzlich zutreffend das zur Tatzeit geltende Recht an (US 3). Unberücksichtigt bleibt aber die Änderung des § 33 Abs 5 FinStrG durch die Finanzstrafgesetz‑Novelle 2010 BGBl I 2010/104, wonach schon im Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung der strafbestimmende Wertbetrag (§ 53 FinStrG) nur jene Abgabenbeträge umfasste, deren Verkürzung im Zusammenhang mit den Unrichtigkeiten bewirkt wurde, auf die sich der Vorsatz des Täters bezieht (§ 33 Abs 5 zweiter Satz FinStrG). Entsprechende Feststellungen fehlen in der angefochtenen Entscheidung und werden im zweiten Rechtsgang anlässlich der Vornahme des Günstigkeitsvergleichs (§ 4 Abs 2 FinStrG) zu treffen sein.

3) Hinsichtlich der Verkürzung von Kapitalertragsteuer (3) sieht das Erstgericht offenbar verdeckte Gewinnausschüttung als Grundlage der Abgabepflicht an. Eine solche liegt ‑ soweit hier von Interesse ‑ dann vor, wenn Umsätze einer GmbH verschwiegen und die lukrierten Gewinne an einen Gesellschafter geleistet werden. Anmeldungs‑ und abfuhrpflichtig in Bezug auf die Kapitalertragsteuer ist hier der Schuldner der Kapitalerträge (§ 96 Abs 1 Z 1 lit a, Abs 3 erster Satz EStG iVm § 95 Abs 2 Z 1 lit a EStG), also die GmbH. Unmittelbarer Täter im Sinn des § 33 Abs 1 FinStrG ist insoweit daher die zu deren Vertretung berufene Person ( Lässig in WK² § 33 Rz 32). Die Feststellungen zum Schuldspruch 3 lassen diesbezüglich die gebotene Klarheit vermissen.

4) Das Erstgericht geht in Bezug auf die Schuldsprüche 1/b, 2/b, 3/a und 4 von ‑ im Vergleich zur Anklage (ON 17) ‑ reduzierten strafbestimmenden Wertbeträgen aus. Die Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) lassen aber nicht erkennen, ob es sich dabei um eine bloße Reduktion der die Strafdrohung determinierenden Größe „strafbestimmender Wertbetrag“ oder um einen Wegfall einzelner Taten (zum finanzstrafrechtlichen Tatbegriff siehe die Erledigung der Rechtsrüge) handelt. In letzterem Fall hätten die Tatrichter insoweit mit einem förmlichen Freispruch (§ 214 FinStrG) vorgehen müssen. Da einerseits eine Anfechtung (zum Nachteil des Angeklagten) aus § 281 Abs 1 Z 7 StPO nicht erfolgte und andererseits ein Freispruch (nicht nur förmlich, sondern) auch durch die Entscheidungsgründe zum Ausdruck gebracht werden kann (13 Os 53/10h, EvBl 2011/34, 227; RIS‑Justiz RS0116266 [insbesondere T9]), ist diese Unklarheit irrelevant.

Mit ihren Berufungen waren der Angeklagte, die Staatsanwaltschaft und die Finanzstrafbehörde auf die Aufhebung des Strafausspruchs zu verweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte