OGH 15Os38/03

OGH15Os38/0310.4.2003

Der Oberste Gerichtshof hat am 10. April 2003 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker, Dr. Zehetner, Dr. Danek und Dr. Kirchbacher als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Hietler als Schriftführer, in der Strafsache gegen Christopher O***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens nach § 28 Abs 2, Abs 3 erster und zweiter Fall, Abs 4 Z 1 und Z 3 SMG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Christopher O***** gegen das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten als Schöffengericht vom 9. Dezember 2002, GZ 14 Hv 197/02v-60, sowie dessen Beschwerde gegen den unter einem gefassten Widerrufsbeschluss gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch andere Entscheidungen enthält, wurde Christopher O***** des Verbrechens (richtig: der Verbrechen) nach § 28 Abs 2 (zweiter, dritter und vierter Fall), Abs 3 erster und zweiter Fall, Abs 4 Z 1 und Z 3 SMG schuldig erkannt.

Laut Spruchfassung - vgl aber § 28 Abs 4 Z 1 in der Fassung Art IX StRÄG 2002 - des Erstgerichtes haben er und Victor A***** (der den Schuldspruch unbekämpft ließ) den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in einer großen Menge (§ 28 Abs 6 SMG) eingeführt, ausgeführt und in Verkehr gesetzt, und zwar indem sie nachgenannte Suchtgiftmengen untereinander sowie an unbekannte Suchtgiftkonsumenten weitergaben, wobei

A) Christopher O***** Suchtgifttransporte

1) durch seine Frau wie folgt organisierte,

a) von Amsterdam nach Wien zwischen März und April 2001 und zwischen April und Juli 2001 je zwischen 300 bis 350 Gramm Kokain (A 2 a der Anklage),

b) zwischen 300 bis 350 Gramm Kokain zwischen Juli und August 2001 von Perg nach Wien, wobei Claudia O***** dieses Suchtgift in Wien dem Kevin J***** übergab (A 2 b der Anklage),

c) zwischen Februar und März 2002 in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken mit der abgesondert verfolgten und verurteilten Martina G***** je ca 1500 Gramm Kokain und Heroin durch Transport durch Claudia O***** und Martina G***** von Holland nach Deutschland bis München, dortige Übergabe an einen unbekannten Zwischenhändler, von dem Christopher O***** und der (A 2 d der Anklage, ident mit A 1 und B 2 b) diesbezüglich bestimmte und abgesondert verfolgte Peter S***** dies in München übernommen und nach Österreich importiert haben (zusammengezogene Fakten A 2 c sowie A 1 in Verbindung mit B 2 b der Anklage),

weiters 2) überdies einverständlich und arbeitsteilig, indem Christopher O***** den abgesondert verfolgten und verurteilten Peter S***** zur Ausführung nachstehend beschriebener Handlungen bestimmte, indem er ihn zu Tathandlungen aufforderte und ihm jeweils hohe Entlohnungen dafür versprach, dass er folgende Suchtgifttransporte für ihn organisierte und vornahm, und zwar dass Peter S***** nachstehende Suchtgiftmengen

a) über die deutsch-österreichische Grenze brachte und zwar von Aachen aus im Dezember 2001 oder Jänner 2002 500 Gramm Heroin (A 1 in Verbindung mit B 2 a der Anklage)

b) über die holländisch-deutsche und sodann über die deutsch-österreichische Grenze aus Amsterdam nach Wien transportierte und ihm übergab, nämlich

aa) zwischen Jänner und Februar 2002 Heroin und Kokain im Gesamtgewicht von 700 Gramm (je 350 Gramm) (A 1 iVm B 2 a der Anklage)

bb) zwischen Februar und April 2002 500 Gramm Heroin (A 1 iVm B 3 b der Anklage)

cc) am 11. Mai 2002 Heroin und Kokain im Gesamtgewicht von 700 Gramm (je 350 Gramm) (A 1 iVm B 3 c der Anklage)

c) bei den nachstehend beschriebenen Angriffen das Suchtgift zum Zweck des Transportes in Prag übergab und dieses teilweise zwecks Verteilung gemeinsam mit Kevin J***** durch Vermischen mit Milchzucker streckte, und zwar

aa) im August 2001 400 Gramm Heroin (Faktum A 1 iVm B 1 a der Anklage) und

bb) im Oktober 2001 mindestens 300 Gramm Heroin (Faktum A 1 iVm B 1 b der Anklage), wobei das Suchtgift durch Peter S***** in Wien dem Kevin J***** übergeben wurde.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen vom Angeklagten aus Z 3, 4 und 11 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde verfehlt ihr Ziel.

Die Verfahrensrüge nach Z 3 macht nicht deutlich, weshalb "Zeit und Ort der Bestimmungshandlung" (A 2) zur Individualisierung der Tat erforderlich sein sollen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 290).

Insoweit die Beschwerde unter diesem Nichtigkeitsgrund das Urteilsfaktum A)2)c) als völlig unverständlich bezeichnet, sodass nicht ersichtlich sei, worin die Bestimmungshandlung des Angeklagten gelegen sein könnte, verkennt sie, dass der Ausspruch nach § 260 Abs 1 Z 1 nur das Ergebnis der in den Entscheidungsgründen zum Ausdruck kommenden Entscheidungsfindung formell hervorhebt und deklarativ klarstellt, welcher Taten der Angeklagte schuldig befunden wurde, ohne solcherart einer von den Entscheidungsgründen losgelöste Willenserklärung zum Ausdruck zu bringen (Ratz aaO Rz 266). Aus diesen ergibt sich aber im Zusammenhang mit dem Spruch mit hinreichender Deutlichkeit (vgl Ratz aaO Rz 419), dass Christopher O***** seinen Schwager Peter S***** veranlasste, im August 2001 400 Gramm Heroin und im Oktober 2001 300 Gramm Heroin von Prag über die tschechisch/österreichische Grenze nach Wien zu transportieren und in Wien dem Kevin J***** zu übergeben, was jener auch tat (US 12). Wo das Heroin mit Milchzucker gestreckt worden ist, berührt keine entscheidende Tatsache.

Dem Vorbringen zur Verfahrensrüge aus Z 4 zuwider bewirkt eine Verletzung der Bestimmung des § 252 Abs 3 StPO keine Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 3 StPO) und ist daher nur nach erfolgloser Antragstellung in der Hauptverhandlung aus § 281 Abs 1 Z 4 StPO bekämpfbar. Eine derartige Antragstellung ist aber nach dem Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolls (S 151/II) nicht erfolgt und wird von der Beschwerde auch nicht behauptet.

Eine Verletzung von Verteidigungsrechten hat sohin nicht stattgefunden.

Der Strafzumessungsrüge (Z 11) zuwider hat das Erstgericht mit der erschwerenden Annahme der Überschreitung der "Übermenge nach § 28 Abs 4 Z 3 SMG" um ein Vielfaches nicht gegen das Doppelverwertungsverbot des § 32 Abs 2 StGB verstoßen. Denn die beachtliche Überschreitung der "Übermenge" des § 28 Abs 4 Z 3 SMG darf schon im Hinblick auf das Gebot des § 32 Abs 3 StGB, die Strafe auch nach der Größe der Gefährdung zu bemessen, nicht unberücksichtigt bleiben (Mayerhofer StGB5 § 32 Rz 25b, Ratz aaO Rz 714, 15 Os 83/00 ua).

Entgegen der Beschwerdeargumentation verstößt auch die Heranziehung des Erschwerungsgrundes der zweifachen Qualifikation (nämlich durch die Tatbegehung in Form des § 28 Abs 4 Z 1 und Abs 4 Z 3 SMG) nicht gegen das Doppelverwertungsverbot; zieht doch bereits das Vorliegen einer dieser Qualifikationen die erhöhte Strafdrohung nach sich. Das Erstgericht durfte daher die erhöhte Tatintensität durch die Verwirklichung zweier (vom Gesetzgeber gleich strafwürdig erachteter) Qualifikationen als erschwerend hervorheben (13 Os 29/98, 13 Os 64, 65/01).

Die - verfehlte - Subsumtion der angelasteten Tathandlungen sowohl unter die Bestimmung des § 28 Abs 3 zweiter Fall als auch unter § 28 Abs 4 Z 1 SMG bewirkt keinen Nachteil. Da es sich um einen Fall der Spezialität handelt (Ratz in WK2 Vorbem zu §§ 28 bis 31 Rz 32), kann lediglich die Norm des § 28 Abs 1 Z 4 SMG zur Anwendung kommen. Die verfehlt angenommene Qualifikation wurde jedoch bei der Strafbemessung nicht als erschwerend in Rechnung gestellt, sodass der Angeklagte dadurch nicht benachteiligt ist und auch diesbezüglich von einer Maßnahme nach § 290 StPO abgesehen werden konnte (Ratz aaO § 290 Rz 22 und 23).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO in Übereinstimmung mit der Ansicht der Generalprokuratur, jedoch entgegen der in der gemäß § 35 Abs 2 StPO erstatteten Äußerung der Verteidigung vertretenen Meinung bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen, da nur gesetzgemäß ausgeführte Rechtsrügen zur Anordnung eines Gerichtstages führen können.

Über die Berufung und die Beschwerde wird das zuständige Oberlandesgericht zu entscheiden haben (§§ 285i, 498 StPO).

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