European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0130OS00142.17G.0314.000
Spruch:
Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird verweigert.
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Dr. Michael S***** der Verbrechen der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und 2 zweiter Fall StGB (A/I) sowie der Untreue nach § 153 Abs 1 und 3 zweiter Fall StGB (A/II), Gerhard W***** des Vergehens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und 2 erster Fall StGB (B) schuldig erkannt.
Danach haben in K*****
(A) Dr. Michael S*****
I) vom 20. April 2010 bis zum 4. Februar 2014 in mehreren Angriffen Güter im Wert von mehr als 300.000 Euro, die ihm anvertraut worden waren, sich oder einem Dritten mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz zugeeignet, indem er als Rechtsanwalt insgesamt rund 339.000 Euro, die ihm von Klienten zweckbestimmt überlassen worden waren, rechtsgrundlos für persönliche Zwecke verbrauchte, und
II) vom 26. April 2010 bis zum 14. Februar 2014 in mehreren Angriffen seine Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, wissentlich missbraucht und dadurch die jeweiligen Machtgeber mit einem 300.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen geschädigt, indem er als Treuhänder insgesamt rund 380.000 Euro entgegen den jeweiligen Treuhandverträgen verwendete,
(B) Gerhard W***** im Februar 2010 Güter im Wert von mehr als 5.000 Euro, die ihm anvertraut worden waren, sich oder einem Dritten mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz zugeeignet, indem er als Geschäftsführer der I***** GmbH rund 49.000 Euro nicht für die Errichtung von Wohnhäusern an der Adresse Ferdinand‑Georg‑Waldmüller‑Gasse 19a und 19b, 9065 Ebenthal (im Folgenden: Bauprojekt Ebenthal), sondern anderweitig verwendete.
Die Angeklagten bekämpfen ihre Schuldsprüche mit Nichtigkeitsbeschwerde, wobei sich Dr. Michael S***** auf Z 5, (richtig) 9 lit a und 11, Gerhard W***** auf Z 5, 9 lit a und 9 lit b, jeweils des § 281 Abs 1 StPO, stützt. Erstgenannter beantragt überdies die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung.
Rechtliche Beurteilung
Zum Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand:
In der Hauptverhandlung vor dem Landesgericht Klagenfurt als Schöffengericht schritt der Rechtsanwalt Dr. L***** als Verteidiger für den Angeklagten Dr. Michael S***** ein (zuletzt ON 223 S 2). Nachdem der Angeklagte Dr. S***** nach der in Anwesenheit seines Verteidigers Dr. L***** erfolgten Urteilsverkündung keine Rechtsmittelerklärung abgegeben hatte (ON 223 S 28), meldete er durch eben diesen Verteidiger rechtzeitig (§§ 284 Abs 1 erster Satz, 294 Abs 1 erster Satz StPO) Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung gegen das Urteil des Schöffengerichts an (ON 228). Hierauf stellte das Gericht dem Verteidiger Dr. L***** zur Ausführung dieser Rechtsmittel binnen vier Wochen am 11. Juli 2017 eine Urteilsabschrift zu (§§ 285 Abs 1 erster Satz, 294 Abs 2 erster und zweiter Satz StPO). Die vierwöchige Ausführungsfrist endete somit am 8. August 2017. Am 4. August 2017 beantragte der Angeklagte Dr. S***** die Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers (ON 236), am 7. August 2017 teilte er durch seinen Verteidiger Dr. L***** mit, dass das Vollmachtsverhältnis zu diesem aufgelöst sei (ON 239). Am 22. August 2017 brachte der Angeklagte Dr. S***** durch seinen Verteidiger Dr. L***** eine Ausführung seiner Rechtsmittel ein (ON 245).
Gemäß § 364 Abs 1 Z 1 StPO ist den Beteiligten des Verfahrens gegen die Versäumung der Frist zur (hier) Ausführung eines Rechtsmittels die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, sofern sie (neben weiteren Voraussetzungen) nachweisen, dass es ihnen durch unvorhersehbare oder unabwendbare Ereignisse unmöglich war, die Frist einzuhalten oder die Verfahrenshandlung vorzunehmen, es sei denn, dass ihnen oder ihren Vertretern ein Versehen nicht bloß minderen Grades zur Last liegt.
Unter diesem Aspekt ist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach ständiger Judikatur (RIS‑Justiz RS0101272 [T11], RS0101310 [T6] und RS0101436) sowie herrschender Lehre ( Lewisch , WK‑StPO § 364 Rz 28) bei Fehlern des Verteidigers in der Handhabung des Fristenwesens einschließlich diesbezüglicher Rechtsfehler ausgeschlossen, was auch hier zutrifft:
Der Angeklagte Dr. S***** begründet den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zusammengefasst damit, sein Verteidiger Dr. L***** sei davon ausgegangen, dass die Ausführungsfrist durch den Antrag auf Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers, allenfalls im Zusammenhalt mit der im Anschluss daran bekannt gegebenen, mit einem Ausführungsverbot verbundenen Vollmachtsauflösung, die Ausführungsfrist im Sinn des § 63 Abs 1 StPO verlängert hätte.
Dem zuwider gilt die Bestimmung des § 63 Abs 1 StPO nur außerhalb des Regelungsbereichs des § 63 Abs 2 StPO, womit nach fristauslösender Zustellung an den Verteidiger weder die Auflösung des Vollmachtsverhältnisses noch die Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers noch ein explizites Ausführungsverbot eine Änderung des Fristenlaufs bewirkt (11 Os 204/09y, SSt 2010/8; RIS‑Justiz RS0116182 und RS0125686, jüngst 13 Os 116/16g; Soyer/Schumann , WK‑StPO § 63 Rz 9; Fabrizy , StPO 13 § 63 Rz 2; Haißl in Schmölzer/Mühlbacher , StPO § 63 Rz 4).
Die Versäumung der Frist zur Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung ist daher auf einen dem Verteidiger in der Handhabung des Fristenwesens unterlaufenen Rechtsfehler zurückzuführen, womit die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu verweigern war.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Dr. Michael S *****:
Vorweg wird auf die Darlegungen zum Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verwiesen.
Da der Angeklagte die Nichtigkeitsbeschwerde nicht innerhalb der vierwöchigen Frist des § 285 Abs 1 erster Satz StPO ausführte und bei der Anmeldung seiner Beschwerde die Nichtigkeitsgründe nicht einzeln und bestimmt bezeichnete (ON 228), war gemäß § 285 Abs 1 letzter Satz StPO auf seine Beschwerde vom Obersten Gerichtshof keine Rücksicht zu nehmen.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Gerhard W *****:
Die von der Mängelrüge (Z 5) vermisste Begründung (Z 5 vierter Fall) der Feststellung, wonach sich der Beschwerdeführer von den für das Bauprojekt Ebenthal zweckgewidmeten 114.600 Euro zumindest 49.282,64 Euro zueignete (US 19), findet sich auf den US 48 f.
Indem die Beschwerde fehlende Erörterung mehrerer Verfahrensergebnisse (Z 5 zweiter Fall) zur Frage der Verwendung des vom Schuldspruch umfassten Geldbetrags einwendet, bezieht sie sich nicht auf schuld‑ oder subsumtionsrelevante Umstände (siehe aber RIS‑Justiz RS0106268). Ausgehend von der Feststellung, dass der Beschwerdeführer sich diesen – für das Bauprojekt Ebenthal zweckgewidmeten – Betrag (mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz) zugeeignet hat, ist die Frage nach der letztlichen Verwendung des Betrags unter dem Aspekt rechtsrichtiger Subsumtion nämlich bedeutungslos.
Soweit die Rechtsrüge (Z 9 lit a) argumentiert, der Umstand, dass der in Rede stehende Geldbetrag als Darlehen geleistet worden sei, schließe dessen Veruntreuung im Sinn des § 133 StGB von vornherein aus, lässt sie die aus dem Blickwinkel des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes gebotene methodische Ableitung der angestrebten rechtlichen Konsequenz aus dem Gesetz (12 Os 52/02, SSt 64/31; RIS‑Justiz RS0116565 und RS0116569) vermissen. Die Beschwerde legt nämlich nicht dar, weshalb hier insoweit– entgegen der Rechtsprechung (11 Os 50/05w, RIS‑Justiz RS0093896 [insbesondere T4]; siehe auch Fabrizy , StGB 12 § 133 Rz 5 mwN) – nicht der wirtschaftliche Zweck der Gewahrsamsüberlassung, sondern deren formalrechtliche Ausgestaltung maßgebend sein soll.
Mit Blick auf § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO sei hinzugefügt, dass Geldbeträge (einschließlich Giralgeld [SSt 56/17, RIS‑Justiz RS0093878]), die – nicht zur (wenigstens) zeitweilig freien Disposition, sondern – mit einer konkreten Verwendungsbestimmung übergeben wurden, unabhängig von der äußeren Form des der Übertragung zu Grunde liegenden Rechtsgeschäfts „anvertraut“ im Sinn des § 133 Abs 1 StGB sind, womit deren zweckwidrige Verwendung das Tatbild der Veruntreuung erfüllt (13 Os 140/04, SSt 2005/19; 14 Os 144/10y, SSt 2010/80; RIS‑Justiz RS0119788; Salimi in WK² StGB § 133 Rz 10 und 47; Fabrizy , StGB 12 § 133 Rz 5; Leukauf/Steininger/Messner , StGB 4 § 133 Rz 1b f; Wach SbgK § 133 Rz 17 f).
Indem die Beschwerde die Alleinverfügungsmacht des Beschwerdeführers über den vom Schuldspruch umfassten Geldbetrag mit der Begründung bestreitet, der Betrag sei auf ein Konto überwiesen worden, auf dem der Beschwerdeführer nicht allein zeichnungsberechtigt gewesen sei, argumentiert sie nicht auf der Basis des Urteilssachverhalts, womit sie den Bezugspunkt des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes verfehlt (RIS‑Justiz RS0099810).
Entsprechendes gilt für die Behauptung fehlender Feststellung zur subjektiven Tatseite, welche die diesbezüglichen Urteilskonstatierungen nur rudimentär wiedergibt. Nach der Gesamtheit der insoweit maßgebenden Feststellungen eignete sich der Beschwerdeführer den ihm zur Verwendung für das Bauprojekt Ebenthal anvertrauten Geldbetrag widmungswidrig zu und hielt er es dabei ernstlich für möglich und fand sich damit ab, sich oder einen Dritten dadurch unrechtmäßig zu bereichern (US 19). Welche darüber hinausgehenden Konstatierungen zur subjektiven Tatseite unter dem Aspekt rechtsrichtiger Subsumtion erforderlich sein sollen, wird nicht klar.
Der Einwand eines Feststellungsmangels zur Begehung im Familienkreis (richtig: Z 9 lit c [siehe § 166 Abs 3 StGB]) entfernt sich ebenfalls vom Urteilssachverhalt, indem er von einer Veruntreuung zum Nachteil der I***** GmbH ausgeht. Nach den Feststellungen der Tatrichter wurde der in Rede stehende Betrag nämlich dem Beschwerdeführer als Geschäftsführer der I***** GmbH (US 6) vom Verein „Le*****“ (über einen Treuhänder) anvertraut (US 19 iVm US 11 bis 13), sodass sich die relevierte Frage nach den Beteiligungsverhältnissen an der I***** GmbH insoweit nicht stellt.
Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Berufungen kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO). Zur Beschwerde des Vereins Le*****, (ON 234) wird auf RIS‑Justiz RS0126603 hingewiesen.
Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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