OGH 13Os116/16g

OGH13Os116/16g16.12.2016

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. Dezember 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart des Richters Mag. Vorderwinkler als Schriftführer in der Strafsache gegen Abdou I***** wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB über die Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 23. August 2016, GZ 607 Hv 2/16y‑222, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0130OS00116.16G.1216.000

 

Spruch:

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Gründe:

Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Geschworenengericht vom 15. Juli 2016, GZ 607 Hv 2/16y‑210, wurde Abdou I***** des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB schuldig erkannt.

Unmittelbar nach der Urteilsverkündung meldete der Angeklagte Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an (ON 209 S 47). Die Urteilsausfertigung wurde seiner Wahlverteidigerin Mag. Dr. Astrid W***** am 22. Juli 2016 zur Ausführung der angemeldeten Rechtsmittel zugestellt (ERV‑Zustellnachweis in ON 219). Mit am 26. Juli 2016 im elektronischen Rechtsverkehr beim Landesgericht für Strafsachen Wien eingebrachtem Schriftsatz gab die Wahlverteidigerin die Auflösung des Vollmachtsverhältnisses bekannt (ON 221).

Mit Beschluss vom 23. August 2016 wies der Vorsitzende des Geschworenengerichts die ohne deutliche und bestimmte Bezeichnung von Gründen angemeldete und bis zu diesem Zeitpunkt nicht ausgeführte Nichtigkeitsbeschwerde gemäß § 285a Z 2 StPO zurück (ON 222).

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diesen Beschluss erhobenen Beschwerde kommt keine Berechtigung zu.

Entgegen dem Vorbringen wurde die bereits durch Zustellung einer Urteilsausfertigung an die Wahlverteidigerin am 22. Juli 2016 ausgelöste Rechtsmittelfrist durch die Auflösung des Vollmachtsverhältnisses nicht beeinflusst (§ 63 Abs 2 erster Satz StPO).

Die Wahlverteidigerin war gemäß § 63 Abs 2 zweiter Satz StPO verpflichtet, die Interessen des Angeklagten weiterhin zu wahren und innerhalb der Rechtsmittelfrist erforderliche Prozesshandlungen vorzunehmen, es sei denn, dieser hätte ihr dies – wofür der Akteninhalt keine Anhaltspunkte bietet – ausdrücklich untersagt. Auch ein solches Verbot hätte allerdings bloß den Entfall der Verpflichtung der bisherigen Wahlverteidigerin zur Folge, aber keinen Einfluss auf den Lauf der Frist (RIS‑Justiz RS0125686).

Weshalb § 11 Abs 2 RAO gegenüber § 63 Abs 2 StPO als „lex specialis“ anzusehen und der Erfüllung der Verpflichtung der Wahlverteidigerin nach § 63 Abs 2 zweiter Satz StPO entgegen stehen sollte, erklärt der Beschwerdeführer nicht.

Der Einwand, der in Untersuchungshaft befindliche Angeklagte wäre nach Ablauf von drei der vier Wochen der Ausführungsfrist unvertreten gewesen, geht daran vorbei, dass der gesetzlich normierte Auftrag an den Verteidiger, nach Zurücklegung oder Kündigung der Vollmacht weiterhin die Interessen des Beschuldigten (Angeklagten) zu wahren und innerhalb der Frist erforderliche Prozesshandlungen nötigenfalls vorzunehmen (§ 63 Abs 2 zweiter Satz StPO), ausschließlich dazu dient, den Angeklagten dessen ungeachtet vor verfahrensrechtlichen Nachteilen zu bewahren (RIS‑Justiz RS0116182 [T8]).

Entgegen dem Beschwerdevorbringen hat im Übrigen auch eine während des Laufs der Ausführungsfrist erfolgte Beigebung eines Verteidigers gemäß § 61 Abs 2 StPO keine Änderung des Fristenlaufs bewirkt (RIS‑Justiz RS0125686 [T1, T2]).

Da vom Angeklagten auch bei der Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde (ON 209 S 47) keine Nichtigkeitsgründe deutlich und bestimmt bezeichnet wurden (§ 285a Z 2 StPO), erfolgte die Zurückweisung zu Recht.

Stichworte