OGH 13Os140/04

OGH13Os140/042.3.2005

Der Oberste Gerichtshof hat am 2. März 2005 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Hon. Prof. Dr. Ratz, Dr. Kirchbacher und Dr. Lässig als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Petö als Schriftführer in der Strafsache gegen Iwona M***** und Andreas P***** wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3 und 15 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen beider Angeklagter gegen das Urteil des Landesgerichtes Ried im Innkreis als Schöffengericht vom 23. Juni 2004, GZ 20 Hv 34/04i-15, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil, das im freisprechenden Teil unberührt bleibt, in dem beide Angeklagten schuldig sprechenden Teil aufgehoben und die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit ihrer Berufung werden die Angeklagten auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem auch einen in Rechtskraft erwachsenen Freispruch enthaltenden angefochtenen Urteil wurden Iwona M***** und Andreas P***** des Vergehens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB schuldig erkannt.

Danach haben sie am 30. März 2003 in St. Florian am Inn im bewussten und gewollten Zusammenwirken ein ihnen anvertrautes Gut in einem 2.000 Euro übersteigenden Wert, nämlich den von Rudolf Mü***** zum Kauf von Anteilen an dem von der Firma P***** KEG betriebenen Getränkemarkt erhaltenen Geldbetrag von 21.000 Euro sich mit dem Vorsatz zugeeignet, sich bzw die Firma P***** KEG dadurch unrechtmäßig zu bereichern.

Nach den Urteilsfeststellungen übergab der Zeuge Rudolf Mü***** am 17. März 2003 in Schärding dem Angeklagten Andreas P***** und dessen damals 16-jähriger Stieftochter Iwona M***** „aus Liebe und dem Gedanken, dann mit dem auf sie angemeldeten Auto gemeinsame Ausflüge zu machen" (US 5 unten), einen Geldbetrag von 21.000 Euro zwecks Ankaufs eines gebrauchten PKW für Iwona M*****.

Der Angeklagte P***** unterbreitete in weiterer Folge dem Zeugen Mü*****, dessen Freigiebigkeit er weiter auszunützen gedachte, den Vorschlag, sich mit einem weiteren Geldbetrag von 20.000 Euro auch noch an einem vor der Eröffnung stehenden Getränkemarkt in St. Florian am Inn zu beteiligen, der im Rahmen der dem Angeklagten Andreas P***** und dessen Gattin Jolanta P***** (Mutter der Angeklagten M*****) gehörigen P***** KEG betrieben werden sollte. Da sich der Zeuge Mü***** zur Übergabe dieses weiteren Geldbetrages nicht in der Lage sah und ihm Verwandte auch Vorwürfe wegen der Finanzierung des Autokaufes für Iwona M***** machten, kam er mit beiden Angeklagten überein, den für den Autokauf überlassenen Geldbetrag (von 21.000 Euro) für den Getränkemarkt zu verwenden, wofür er „Teilhaber am Betrieb" werden sollte (US 6 unten; 7 unten). Der Angeklagte P***** bestätigte hierauf dem Zeugen Mü***** in einem mit 17. März 2003 datierten Schreiben den Erwerb von Anteilen am Getränkemarkt S***** im Wert von 20.000 Euro. Über die Verwendung der restlichen 1.000 Euro wurde keine Vereinbarung getroffen. Der überlassene Geldbetrag wurde jedenfalls tatsächlich für den am 27. oder 28. März 2003 eröffneten Getränkemarkt verwendet (US 8 oben). Als eine von Rudolf Mü***** „zwecks ordentlicher Vertragserrichtung" kontaktierte Rechtsanwältin vom Angeklagten P***** schriftlich die Rückzahlung der 21.000 Euro einforderte, fassten beide Angeklagte den Entschluss, diesen Geldbetrag in ihrem Vermögen zu behalten und nicht mehr dem Zeugen Mü***** rückzuerstatten. Zu diesem Zweck legte die Angeklagte M***** in Absprache mit ihrem Stiefvater Andreas P***** am 30. März 2003 in einer (gleichfalls zur P***** KEG gehörigen) GoGo-Bar Rudolf Mü***** ein vom Angeklagten P***** verfertigtes Schreiben, datiert mit 31. März 2003, vor, worin Rudolf Mü***** der P***** KEG die Rückerstattung eines Geldbetrages von 20.000 Euro bestätigte. Obgleich Rudolf Mü***** auf Grund der im Lokal herrschenden schlechten Sichtverhältnisse und seiner Sehschwäche den Text nicht lesen konnte, unterfertigte er diese Bestätigung auf Grund der Erklärung der Angeklagten Iwona M***** und ihrer Mutter Jolanta P*****, dass „sie ihn nicht mehr mögen würde, wenn er seine Unterschrift verweigere" (US 8).

In subjektiver Hinsicht stellten die Tatrichter (abweichend von der auf schweren Betrug lautenden Anklageschrift ON 8) fest, dass die beiden Angeklagten weder bei der Entgegennahme des Geldbetrages von 21.000 Euro zwecks Autokaufs noch später bei der Umwidmung des Zahlungszwecks in eine Geschäftseinlage mit Täuschungs- und Bereicherungsvorsatz gehandelt haben (US 6, 7 unten). Allerdings kam es ihnen (nach weiterer Annahme des Erstgerichtes) darauf an, den ihnen von Rudolf Mü***** anfänglich für den Autokauf, später für die Geschäftsbeteiligung „anvertrauten" Geldbetrag von 21.000 Euro zu behalten, um damit ihr Vermögen unrechtmäßig zu bereichern. Die erschlichene Bestätigung vom 31. März 2003 (durch die sich die Zueignungshandlung der beiden Angeklagten in objektiv erkennbarer Weise dokumentiere) sollte als inhaltlich unrichtiges Dokument zur Täuschung über die angeblich erfolgte Rückzahlung verwendet werden. In diesem Sinn hat der Angeklagte P***** die Bestätigung vom 31. März 2003 tatsächlich verwendet, obgleich Rudolf Mü***** der Bargeldbetrag von 20.000 Euro weder am 31. März 2003 noch später rückerstattet worden ist (US 8, 9, 11, 16).

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die gemeinsam ausgeführte, auf Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde beider Angeklagter, welcher Berechtigung zukommt.

Zutreffend zeigen die (auch die sonstigen Tatbestandsvoraussetzungen einer Veruntreuung in Abrede stellenden) Beschwerdeführer aus der Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO auf, dass die Annahme der Tatrichter, der Geldbetrag von 21.000 Euro sei ihnen iSd § 133 Abs 1 StGB „anvertraut" worden, rechtsirrig ist.

Körperliche Sachen sind nämlich einem anderen nur dann gemäß § 133 Abs 1 StGB „anvertraut", wenn sie ihm in den Alleingewahrsam übergeben werden, damit er sie zurückgibt, an jemand weitergibt oder für jemanden verwendet. Werden vertretbare Sachen (zB Geld) übergeben, kann man von einem „Anvertrauen" nur sprechen, wenn der Täter verpflichtet ist, ebensoviel derselben Art (zB einen gleich hohen Geldbetrag) ständig zur Rückgabe, Weitergabe oder Verwendung bereitzuhalten. Daher sind Gelder, die der Täter bis zur vereinbarten Rückgabe, Weitergabe oder Verwendung für sich verwenden, etwa in eigenen Geschäften anlegen darf, nicht anvertraut. Geldbeträge, mit denen sich jemand an einem Geschäft beteiligt, etwa indem er sie - wie hier - als Geschäftseinlage leistet, gehen wirtschaftlich in die freie Verfügungsmacht des Empfängers über und sind deshalb (im Allgemeinen) nicht Gegenstand einer Veruntreuung (vgl Bertel in WK² § 133 Rz 2, 11, 13; Mayerhofer StGB5 § 133 Rz 21, 22). Aus den Feststellungen ergibt sich, dass der in Rede stehende Geldbetrag von 21.000 Euro den beiden Angeklagten - der Rechtsansicht des Erstgerichtes (US 16) zuwider - nicht iSd § 133 Abs 1 StGB anvertraut wurde. Denn vorerst wurde er ihnen - so unmissverständlich die Konstatierungen im Ersturteil - schenkungsweise mit der auflösenden Bedingung, ihn zum Ankauf eines Kraftfahrzeuges für Iwona M***** zu verwenden, übergeben und später in eine Geschäftseinlage in die (ua dem Angeklagten P***** gehörige und von ihm als gewerberechtlicher Geschäftsführer geleitete) P***** KEG (eine Erwerbsgesellschaft iSd § 1 Z 2 EGG) umgewidmet. Da das Geld tatsächlich für den zur P***** KEG gehörigen Getränkemarkt verwendet wurde (US 8), ist von einer Beteiligung des Zeugen Mü***** an der P***** KEG als stiller Gesellschafter (§§ 178 ff HGB) auszugehen. Ein stiller Gesellschafter beteiligt sich lediglich mit einer Vermögenseinlage am Handelsgewerbe eines anderen (wozu auch eine minderkaufmännische tätige Erwerbsgesellschaft zählt), ohne dass dies nach außen (insbesondere durch Eintragung in das Firmenbuch) offengelegt wird (vgl Straube, Komm zum HGB³ vor 105 Rz 2, § 178 Rz 13). Dabei geht die vom stillen Gesellschafter geleistete Einlage in das Vermögen des Inhabers des Handelsgeschäftes über, der aus den im Betrieb geschlossenen Geschäften allein berechtigt und verpflichtet wird (§ 178 HGB). Der stille Gesellschafter erwirbt mit seiner Einlage hingegen einen Anteil am Gewinn und Verlust, der vertraglich nicht bestimmt sein muss (§ 181 HGB). Erst nach Auflösung der Gesellschaft (etwa durch Kündigung) hat sich der Inhaber der Handelsgesellschaft mit dem stillen Gesellschafter auseinanderzusetzen und dessen Guthaben in Geld zu berichtigen (§ 186 Abs 1 HGB).

Mit der vereinbarungsgemäßen Einbringung des den Angeklagten überlassenen Geldbetrages von 21.000 Euro in die P***** KEG zwecks Beteiligung Rudolf Mü*****s am Gewinn und Verlust des zur P***** KEG gehörigen Getränkemarktes hat Rudolf Mü***** sich daher rechtlich mit einer Vermögenseinlage in dieser Höhe als stiller Gesellschafter an der P***** KEG beteiligt. Als sich die beiden Angeklagten (den Feststellungen zur Folge) den Geldbetrag von 21.000 Euro zugeeignet haben, war diese Vermögenseinlage bereits gemäß § 178 HGB in die freie Verfügung der P***** KEG übergegangen, den beiden Angeklagten sohin nicht iSd § 133 Abs 1 StGB anvertraut. Der vorliegende Schuldspruch wegen Vergehens der Veruntreuung erfolgte somit schon mangels Vorliegens dieser objektiven Tatbestandsvoraussetzung zu Unrecht.

Obgleich nach Annahme der Tatrichter beide Angeklagte die Überlassung des Geldbetrages von 21.000 Euro zwecks Autokaufs und später auch dessen Umwidmung in eine Geschäftseinlage nicht mit Betrugsvorsatz betrieben haben und der (wegen unrechtmäßiger Zueignung dieser Vermögenseinlage ergangene) vorliegende Schuldspruch wegen Vergehens der Veruntreuung rechtlich verfehlt ist, kann nicht (sogleich) auch mit Freispruch vorgegangen werden. Denn nach der Aufhebung des Schuldspruches wegen Veruntreuung ist fallbezogen noch die (dem Obersten Gerichtshof nicht mögliche) Prüfung der Beweisergebnisse dahingehend geboten, ob sich die Angeklagten allenfalls erst im Zusammenhang mit dem festgestellten Herauslocken der inhaltlich unrichtigen Rückzahlungsbestätigung vom 31. März 2003 des - vom historischen Sachverhalt des Anklagevorwurfs des am 17. März 2003 begangenen Darlehensbetruges über 21.000 Euro (vgl Punkt 1. in ON 8) gemäß § 262 StPO noch mitumfassten - Vergehens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB schuldig gemacht haben. Denn ausgehend von der Annahme der Tatrichter, dass die Geschäftseinlage von 21.000 Euro tatsächlich nicht an Rudolf Mü***** rückbezahlt und der Genannte zur Unterfertigung der demnach inhaltlich unrichtigen Rückzahlungsbestätigung vom 31. März 2003 (US 8) von beiden Angeklagten (und allenfalls auch von Jolanta P*****) durch Täuschung über ihren tatsächlichen fehlenden Rückzahlungswillen verleitet wurde (idS auch Rudolf Mü***** S 51 iVm S 218 f), ist jedenfalls nicht auszuschließen, dass die beiden Angeklagten (und allenfalls auch Jolanta P*****) dabei auch mit dem Vorsatz handelten, sich (bzw die P***** KEG) durch Hinderung der Rückforderung um den Wert der Vermögenseinlage von 21.000 Euro unrechtmäßig zu bereichern und Rudolf Mü***** in diesem Umfang am Vermögen zu schädigen. Das angefochtene Urteil, welches im freisprechenden Teil unberührt zu bleiben hatte, war daher, ohne dass es eines Eingehens auf die weiters von der Beschwerde geltend gemachten Gründen bedurfte, in Übereinstimmung mit der Meinung der Generalprokuratur bereits bei der nichtöffentlichen Beratung unter gleichzeitigem Erneuerungsauftrag aufzuheben (§ 285e StPO) worauf die Angeklagten mit ihren Berufungen zu verweisen waren.

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