European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0120OS00063.15D.0922.000
Spruch:
Die mit Beschluss vom 18. Februar 2014 zu AZ 2 BE 11/14d des Landesgerichts für Strafsachen Graz (nunmehr AZ 187 BE 83/14i des Landesgerichts für Strafsachen Wien) gewährte bedingte Entlassung wird widerrufen.
Mit seiner Beschwerde wird der Angeklagte Adlan M***** auf diese Entscheidung verwiesen.
Gründe:
Mit dem angefochtenen, in Ansehung der Angeklagten Sebastian P***** und Ahmet A***** in Rechtskraft erwachsenen Urteil wurde Adlan M***** der Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB (I./A./1./), „des Raubes nach §§ 142 Abs 1, 15 Abs 1 StGB“ (I./A./2./ und I./B./) sowie der Vergehen der Nötigung nach §§ 15 Abs 1, 105 Abs 1 StGB (II./) und nach § 50 Abs 1 Z 3 WaffG (III./) schuldig erkannt.
Danach hat er in W*****
I./ mit Gewalt und Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) anderen fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern,
A./ abgenötigt, und zwar
1./ am 4. November 2014 im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Sebastian P*****, Ahmet A***** und mit einer weiteren Person als Mittäter (§ 12 StGB) unter Verwendung einer Waffe, nämlich einer Gaspistole, Atakan Y*****, Mehmet As*****, Gani C*****, Furkan Ay***** und Nuri Ca***** deren Mobiltelefone, indem Adlan M***** die Gaspistole mit einer Patrone lud und die Opfer fragte, ob sie russisches Roulette kennen würden, während einer der anderen Täter demonstrativ mit einem Butterflymesser spielte, sodann die Täter die Opfer zur Herausgabe ihrer Mobiltelefone sowie der Entsperrcodes aufforderten und die Mobiltelefone an sich nahmen;
2./ am 7. November 2014 im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Sebastian P***** als Mittäter (§ 12 StGB) Sandro K*****, Lukas E*****, Phillip H*****, Miguel S*****, Melvin J***** und Philipp Sc***** deren Mobiltelefone und Bargeld in Höhe von 260 Euro, indem sie die Opfer unter der Drohung, sie hätten eine Pistole und würden Philipp Sc***** etwas antun, zur Übergabe ihrer Mobiltelefone aufforderten sowie erklärten, sie würden die Mobiltelefone erst nach Behebung und Übergabe von Bargeld wieder ausfolgen und die Opfer zu einem Bankomaten begleiteten, die Abhebungen beaufsichtigten und anschließend das Bargeld an sich nahmen, jedoch lediglich einen Teil der Mobiltelefone wieder den Opfern zurückgaben und das Mobiltelefon des Lukas E***** behielten;
B./ abzunötigen versucht, und zwar am 7. August 2014 Johann D***** die Tageslosung einer Trafik, indem er den Verkaufsraum mit einem Gegenstand in der Hand betrat und das Opfer mit den Worten „Überfall!“ zur Herausgabe des Bargeldes aufforderte, wobei es beim Versuch blieb, weil das Opfer fliehen konnte;
II./ im Anschluss an die unter Punkt I./A./2./ genannte Handlung Philipp Sc***** durch die Äußerung, dass er ihn umbringen werde, wenn er Anzeige erstatten würde, mit zumindest einer Verletzung am Körper gefährlich bedroht und dadurch zu einer Unterlassung, nämlich der Abstandnahme von der Erstattung einer Strafanzeige, zu nötigen versucht;
III./ eine Waffe, nämlich eine Gaspistole besessen, obwohl ihm dies gemäß § 12 WaffG verboten ist, und zwar
A./ am 4. November 2014;
B./ am 7. August 2014.
Rechtliche Beurteilung
Gegen die Schuldsprüche I./A./1./, I./B./ und III./B./ richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Adlan M*****, der teilweise Berechtigung zukommt.
Der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) ist vorweg entgegenzuhalten, dass das Gericht gemäß § 270 Abs 2 Z 5 StPO verpflichtet ist, die schriftliche Urteilsbegründung in gedrängter Darstellung abzufassen und darin mit Bestimmtheit anzugeben, welche Tatsachen als erwiesen oder als nicht erwiesen angenommen wurden und aus welchen Gründen dies geschah. Es ist weder gehalten, den vollständigen Inhalt sämtlicher Aussagen und Verfahrensergebnisse im Einzelnen zu erörtern, noch sich mit den Beweisresultaten in Richtung aller denkbaren Schlussfolgerungen auseinanderzusetzen. Es hat die Beweismittel nicht nur einzeln, sondern vor allem in ihrem inneren Zusammenhang sorgfältig zu prüfen und nicht nach starren Beweisregeln, sondern nach seiner freien, aus der gewissenhaften Prüfung aller für und wider vorgebrachten Beweismittel gewonnenen Überzeugung zu entscheiden (§ 258 Abs 2 StPO ‑ vgl RIS‑Justiz RS0106642, RS0098717, RS0098778; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 428).
Soweit die Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) zum Schuldspruch I./A./1./ mit Verweis auf in der Hauptverhandlung vorgekommene, ihrer Ansicht nach jedoch unberücksichtigt gebliebene Verfahrensergebnisse ein bloß vor der Sachwegnahme erfolgtes Hantieren des Angeklagten mit der Pistole behauptet, die Verwendung der Waffe bei der eigentlichen Tathandlung jedoch bestreitet, insgesamt einen Raubvorsatz in Zweifel zieht und ausführt, der Beschwerdeführer habe die Opfer nicht ausrauben, sondern bloß warnen wollen, verfehlt sie ihr Ziel.
Die Tatrichter haben die leugnende Verantwortung des Beschwerdeführers, keine Waffe verwendet und die Gaspistole bloß zwecks Weitergabe kurz in Händen gehabt zu haben (US 12), durchaus berücksichtigt, dessen ‑ zulässig in gedrängter Weise dargestellte ‑ Angaben letztlich jedoch mit Blick auf die geständigen und den Rechtsmittelwerber belastenden Aussagen des Mitangeklagten Sebastian P***** und der Zeugen Atakan Y*****, Furkan Ay***** und Gani C***** aber keinen Glauben geschenkt (US 11 f). Der Schöffensenat hat die Angaben dieser Zeugen als mit der Verantwortung Sebastian P*****s übereinstimmend in seine Überlegungen miteinbezogen (US 12). Indem die Beschwerde aus deren Angaben nun einzelne, den Angeklagten vermeintlich entlastende Details isoliert herausgreift, ohne sich an deren Aussagegehalt in seiner Gesamtheit zu orientieren, bringt sie die behauptete Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) nicht zur Darstellung:
So hätte laut Atakan Y***** der Nichtigkeitswerber den Opfern gesagt, „dass er uns nichts antun will, die anderen wollen uns ausrauben, er nicht“. Demgegenüber verschweigt die Rüge aber die weiteren Angaben des genannten Zeugen, wonach Adlan M***** eine Waffe „von dem Schwarzen“ genommen, diese geladen und mit ihr gespielt habe, die Opfer „natürlich Angst“ gehabt hätten und diese von den Tätern zur Herausgabe ihrer Handys aufgefordert worden wären (ON 51 S 16 f).
Auch mit dem gänzlich aus dem Gesamtzusammenhang gelösten Verweis auf die Aussage des Furkan Ay***** in der Hauptverhandlung, wonach der Angeklagte Adlan M***** gesagt hätte, den Opfern helfen zu wollen, werden die weiteren belastenden Angaben auch dieses Zeugen ignoriert, nämlich, dass „der Schwarze“ die Pistole Adlan M***** gegeben hätte, die Opfer wegen der Waffe Angst bekommen hätten, Adlan M***** die Opfer, nachdem er diese gefragt hätte, ob sie „Russisches Roulette“ kennen, zum Auspacken ihrer Sachen aufgefordert hätte und sie der genannte Angeklagte bezüglich seiner geäußerten Hilfsbereitschaft bloß angelogen habe (ON 51 S 22 f).
Schließlich stellt das Rechtsmittel auch die Aussage des Zeugen Gani C***** völlig isoliert dar und verschweigt dessen weitergehende Schilderung, wonach der Nichtigkeitswerber die Pistole geholt sowie auf den Tisch gelegt hätte und sodann die Opfer ‑ nach entsprechender Aufforderung durch den Angeklagten hiezu ‑ aus Angst „alle Sachen“ auf den Tisch gelegt hätten (ON 51 S 20 f).
Die Angaben des Zeugen Ali As***** haben die Tatrichter gleichfalls erwogen, letztlich aber nicht für glaubwürdig erachtet, jene des Nuri Ca***** wurden angesichts seines Auftretens in der Hauptverhandlung als nicht verwertbar eingestuft (US 12). Der auf ihre Angaben bezogene Einwand der Unvollständigkeit geht daher schon von vornherein ins Leere.
Die von der Rüge aufgeworfene Frage, welcher der Angeklagten die Beute weggenommen und sich zugeeignet hat, betrifft keine entscheidende Tatsache (RIS‑Justiz RS0089831 [T3]; Eder‑Rieder in WK2 StGB § 142 Rz 53).
Der aus Z 9 lit a, in eventu Z 10 erhobene Einwand, „die Übergehung von entscheidungserheblichen Tatsachen unterlasse bestimmte Feststellungen zu einer solchen Tatsachengrundlage, dessen Wertung für die Lösung der Schuld und Tatfrage durch das Erstgericht von zwingender Bedeutung ist“, ist nicht nachvollziehbar und damit einer sachlichen Erwiderung nicht zugänglich.
Entgegen der zum Schuldspruch I./B./ ausgeführten Mängelrüge (Z 5 zweiter und vierter Fall), die mit Verweis auf variierende Angaben der Zeugin Angelika B***** zum Erscheinungsbild des Beschwerdeführers vor der Polizei und in der Hauptverhandlung die tatrichterliche Begründung, wonach die Genannte den Angeklagten Adlan M***** bereits bei der Polizei „sehr treffend“ beschrieb und diesen auch in der Hauptverhandlung nach durchgeführter Wahlkonfrontation „eindeutig“ wiedererkannte (US 14), bekämpft und damit dessen Täterschaft in Zweifel zieht, haben die Tatrichter diese logisch und empirisch einwandfrei auf die belastenden Angaben der genannten Zeugin gestützt. Angelika B***** gab in der Hauptverhandlung an, den Angeklagten ein paar Wochen nach der Tatbegehung bei der Polizei wiedererkannt zu haben und führte nach in der Hauptverhandlung durchgeführter Wahlkonfrontation aus, zu glauben, den Beschwerdeführer als Täter zu identifizieren. Nach Vorhalt eines Adlan M***** zeigenden Lichtbildes gab die Zeugin an, den Beschwerdeführer auf diesem wie bereits bei ihrer Vernehmung durch die Polizei auch in der nunmehr durchgeführten Hauptverhandlung sicher wiederzuerkennen (US 14 iVm ON 25 AS 3 und 275). Mit (bloß 5 cm betreffenden) Abweichungen zwischen den Angaben der Zeugin und der tatsächlichen Größe des Nichtigkeitswerbers haben sich die Tatrichter explizit auseinandergesetzt; Widersprüche in den Angaben der Angelika B*****, die geeignet wären, die Täterschaft des Genannten in Zweifel zu ziehen, haben die nicht zu einer vollständigen Erörterung der Aussage in jedem einzelnen Detail verhaltenen Tatrichter jedoch verneint. Indem der Beschwerdeführer den Urteilsannahmen eigene Auffassungen und Erwägungen gegenüberstellt, bekämpft er bloß unzulässig das Beweiswürdigungsermessen des Schöffengerichts (Ratz, WK‑StPO § 281 450 f).
Dass der Beschwerdeführer die Trafik ohne Beute verließ, stützten die Tatrichter der Kritik (Z 5 vierter Fall) des Angeklagten zuwider logisch und empirisch einwandfrei auf die ‑ selbst von der Nichtigkeitsbeschwerde zum Geschehensablauf in der Trafik zitierten ‑ Angaben des Zeugen Johann D*****, wonach der Täter sicher nichts, auch kein Geld, mitgenommen habe (US 14 iVm ON 51 S 29). Die konstatierte subjektive Tatseite gründete das Erstgericht mängelfrei auf den äußeren Geschehensablauf (RIS‑Justiz RS0098671, RS0116882; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 452).
Soweit die Rechtsrüge (nominell Z 9 lit a, in eventu Z 10, der Sache nach Z 9 lit b [Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 634]) mit dem spekulativen Hinweis, dass sich der Täter infolge der Flucht des Opfers ungestört Bargeld bzw sonstige Beute zueignen hätte könne, einen freiwilligen Rücktritt vom Versuch releviert, zeigt sie nicht deutlich und bestimmt auf, weshalb der Angeklagte fallbezogen nicht infolge der mit einem erhöhten Entdeckungsrisiko verbundenen Flucht des Opfers vom unmittelbaren Tatort (US 15 erster Absatz; Hager/Massauer in WK² StGB §§ 15, 16 Rz 138, 141 und 149; vgl Fabrizy, StGB11 § 16 Rz 8), sondern aufgrund anderer, vom Beschwerdeführer allerdings nicht genannter, ausschließlich autonomer Motive freiwillig von der Tatausführung Abstand genommen hätte.
In Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur war die Nichtigkeitsbeschwerde daher insoweit zu verwerfen.
Zutreffend releviert die Rechtsrüge (Z 9 lit a) zum Schuldspruch III./B./ wegen des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 3 WaffG einen ‑ bereits vom Erstgericht aufgezeigten (US 15) ‑ Rechtsfehler mangels Feststellungen. Die Tatrichter gingen nach den hiezu unbedenklichen Konstatierungen davon aus, dass gerade nicht festgestellt werden konnte, welchen Gegenstand der Rechtsmittelwerber anlässlich seiner Tathandlungen am 7. August 2014 (I./B./) mit sich führte bzw dass es sich dabei „um eine Waffe iSd § 143 StGB gehandelt hat“ (US 11, 15). Damit ist aber auch der Besitz einer Waffe im Sinne der §§ 1 ff WaffG am 7. August 2014 nicht konstatiert, sodass keine ausreichende Grundlage für einen Schuldspruch wegen des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 3 WaffG besteht.
Da nach dem Akteninhalt in einem zweiten Rechtsgang Feststellungen zum ‑ § 12 WaffG widerstreitenden ‑ Besitz einer Waffe durch den Angeklagten am 7. August 2014 (unabhängig von der Raubtat) nicht zu erwarten sind, war aus prozessökonomischen Gründen ‑ ohne der Staatsanwaltschaft eine im Schrifttum vertretene Behauptungsobliegenheit aufzubürden (aM Ratz, WK‑StPO § 288 Rz 24) ‑ von einer Verweisung an das Erstgericht zur neuen Verhandlung und Entscheidung abzusehen und sogleich in der Sache selbst zu erkennen (RIS‑Justiz RS0118545, RS0100233).
Das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt zu bleiben hatte, war daher in teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde im Schuldspruch III./B./, demgemäß auch im Strafausspruch (einschließlich der Anrechnung der Vorhaft) und im Umfang des nach § 53 Abs 1 StGB iVm § 494a Abs 1 Z 4 StPO gefassten Beschlusses aufzuheben, gemäß § 288 Abs 2 Z 3 erster Satz StPO in der Sache selbst zu erkennen und Adlan M***** von dem wider ihn erhobenen Vorwurf, am 7. August 2014 eine Waffe, nämlich eine Gaspistole besessen zu haben, obwohl ihm dies gemäß § 12 WaffG verboten war, gemäß § 259 Z 3 StPO freizusprechen.
Unter Zugrundelegung des unberührt gebliebenen Schuldspruchs wegen der Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB (I./A./1./), der Verbrechen des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB (I./A./2./), des Verbrechens des Raubes nach §§ 15 Abs 1, 142 Abs 1 StGB (I./B./), des Vergehens der Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB (II./) sowie des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 3 WaffG (III./A./) war bei der demnach hinsichtlich Adlan M***** erforderlichen
Strafneubemessung von folgenden Erwägungen auszugehen:
Das Erstgericht verhängte über den Genannten eine Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Jahren, wobei es das Alter unter 21 Jahren, das teilweise Geständnis, die teilweise Schadensgutmachung und dass es zum Teil beim Versuch geblieben ist, als mildernd sowie demgegenüber zwei einschlägige Vorstrafen, das Zusammentreffen von mehreren Verbrechen und zwei Vergehen, den raschen Rückfall sowie das Vorliegen der Voraussetzungen des § 39 StGB als erschwerend wertete.
Diese zutreffenden Strafzumessungserwägungen konnten vom Obersten Gerichtshof übernommen werden. Vor allem mit Blick auf das Alter des Angeklagten war jedoch ‑ unter Anwendung von § 28 StGB und § 36 StGB ‑ eine Freiheitsstrafe von vier Jahren als dem Unrecht der Taten entsprechend und seiner Schuld angemessen zu verhängen.
Die Vorhaftanrechnung war dem Erstgericht zu überlassen.
Im Hinblick auf die einschlägige Vordelinquenz und den raschen Rückfall des Angeklagten war mit Blick auf die Erfordernisse der Spezialprävention die mit Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 18. Februar 2014 zu AZ 2 BE 11/14d (nunmehr AZ 187 BE 83/14i des Landesgerichts für Strafsachen Wien) gewährte bedingte Entlassung zu widerrufen (§ 53 Abs 1 StGB).
Mit seiner Berufung und seiner Beschwerde (§ 498 Abs 3 StPO) war der Angeklagte Adlan M***** auf diese Entscheidung zu verweisen.
Die
Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Dass das Erstgericht das Tatgeschehen zu I./A./1./ mehrfach dem Tatbestand des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB unterstellte, ist nicht zu beanstanden:
Betroffen von dieser Raubtat waren mehrere Opfer, denen im Zuge eines einheitlichen Tatgeschehens ihre Mobiltelefone abgenötigt wurden. Es kann dahingestellt bleiben, ob Tateinheit (angesichts des Deliktsfalls der Abnötigung; vgl Kienapfel/Schmoller , StudB BT II § 142 Rz 6; Eder‑Rieder in WK 2 StGB § 142 Rz 3) oder eine tatbestandliche Handlungseinheit (infolge des zeitlichen Auseinanderklaffens der Nötigungshandlungen) anzunehmen ist.
Von einer solchen spricht man im Anschluss an Jescheck/Weigend (AT5 711 ff) bei einfacher Tatbestandsverwirklichung, also der Erfüllung der Mindestvoraussetzungen des gesetzlichen Tatbestands, insbesondere bei mehraktigen Delikten und Dauerdelikten (tatbestandliche Handlungseinheit im engeren Sinn) und dort, wo es nur um die Intensität der einheitlichen Tatausführung geht (SSt 56/88), demnach bei wiederholter Verwirklichung des gleichen Tatbestands in kurzer zeitlicher Abfolge, also bei nur quantitativer Steigerung (einheitliches Unrecht) und einheitlicher Motivationslage (einheitliche Schuld), auch wenn höchstpersönliche Rechtsgüter verschiedener Träger verletzt werden, sowie bei fortlaufender Tatbestandsverwirklichung, also der Annäherung an den tatbestandsmäßigen Erfolg durch mehrere Einzelakte im Fall einheitlicher Tatsituation und gleicher Motivationslage, etwa beim Übergang vom Versuch zur Vollendung oder bei einem Einbruchsdiebstahl in zwei Etappen (tatbestandliche Handlungseinheit im weiteren Sinn). Die Kriterien einer Zusammenfassung können durchaus deliktsspezifisch verschieden sein, ohne dass daraus das ganze Strafrechtssystem erfassende Widersprüche auftreten. Denn der Unterschied zwischen der Rechtsfigur des fortgesetzten Delikts und der tatbestandlichen Handlungseinheit besteht darin, dass die Rechtsfigur des fortgesetzten Delikts aus dem allgemeinen Teil des materiellen Strafrechts abgeleitet wird, die der tatbestandlichen Handlungseinheit aber gleichartige Handlungen nach Maßgabe einzelner Tatbestände zusammenfasst (RIS‑Justiz RS0122006, insbesondere 13 Os 1/07g [verstärkter Senat]; Ratz in WK 2 StGB Vorbemerkungen zu §§ 28‑31 Rz 88 f).
Dass das grundsätzliche Vorliegen der Voraussetzungen für die Annahme einer tatbestandlichen Handlungseinheit im weiteren Sinn die nach Maßgabe der Tatbestandsformulierung erfolgende Tatbegehung in gleichartiger Idealkonkurrenz jedenfalls ausschließt, ist der vorliegenden Entscheidung des verstärkten Senats somit nicht zu entnehmen (vgl Ratz in WK 2 StGB Vorbemerkungen zu §§ 28‑31 Rz 89 iVm Rz 17). Dies erhellt auch daraus, dass 13 Os 1/07g seiner Definition tatbestandlicher Handlungseinheit auch den Rechtssatz RIS‑Justiz RS0118718 zu Grunde legt, wonach im Fall des § 229 Abs 1 StGB für ein Begriffsverständnis als Gesamtmenge der durch die eine tatbestandliche Handlungseinheit erfassten Gegenstände keine Grundlage besteht, sodass bei Unterdrückung mehrerer Urkunden durch ein und dieselbe Tat ebenso viele Vergehen nach § 229 Abs 1 StGB in gleichartiger Idealkonkurrenz vorliegen. Die Voraussetzungen für eine Beschlussfassung nach § 8 Abs 1 Z 1 OGHG liegen daher nicht vor.
Mag die Frage, ob tatbestandliche Handlungseinheit auch dann anzunehmen ist, wenn höchstpersönliche Rechtsgüter verschiedener Rechtsgutsträger betroffen sind, in der deutschen Literatur und Judikatur uneinheitlich beantwortet werden (vgl etwa Jescheck/Weigend,AT5 712; Roxin Strafrecht Allgemeiner Teil Band II § 33 Rz 38 ff mwN; Rissing van Saan in LK12 Vor § 52 Rz 38; Jäger SK‑StGB Vor § 52 Rz 53; Sternberg‑Lieben/Bosch in Schönke/Schröder StGB29 Vor§ 52 Rz 17g), so besteht doch weitgehend Einigkeit darüber, dass in solchen Fällen der Tatbestand in gleichartiger Idealkonkurrenz mehrmals verwirklicht wird, wenn bei Vorliegen von Handlungseinheit (iSd § 52 dStGB; vgl demgegenüber § 53 dStGB) mehrere Rechtsgüter verletzt werden (Jescheck/Weigend,AT5 718 ff; Rissing van Saan in LK12 § 52 Rz 37; Sternberg‑Lieben/Bosch in Schönke/Schröder StGB29 § 52 Rz 25 f; von Heintschel‑Heinegg in MK2 § 52 Rz 109 ff; aA Geerds, Konkurrenz im Strafrecht [1961] 273). So etwa, wenn mehrere Menschen mit einer Bombe getötet oder vom Täter in einen Raum eingesperrt werden.
Demgegenüber scheidet nach dieser Ansicht die gleichartige echte Idealkonkurrenz bei Straftaten gegen materielle Rechtsgüter aus. Der Tatbestand werde auch bei mehrfacher Rechtsgutsbeeinträchtigung verschiedener Personen nur einmal verwirklicht. So sei es beispielsweise bei einem Diebstahl irrelevant, ob die Beute aus einem oder mehreren Stück(en) besteht oder einem oder mehreren Eigentümern gehört. Es liege daher nur ein Diebstahl vor, wenn der Täter in einem Geschäft mehrere Sachen stiehlt, die teilweise unter Eigentumsvorbehalt stehen, oder wenn er aus einem Tresor Wertpapiere verschiedener Eigentümer wegnimmt. Auch bei einer Sachbeschädigung werde der Tatbestand nur einmalverwirklicht, wenn der Täter durch eine Handlung mehrere Sachen beschädigt (Rissing van Saan in LK12 § 52 Rz 37; Sternberg-Lieben/Bosch in Schönke/Schröder StGB29 § 52 Rz 29). Gleichartige echte Idealkonkurrenz sei jedoch bei Delikten anzunehmen, die sich wie Raub und Erpressung auchgegen höchstpersönliche Rechtsgüter richten (Sternberg‑Lieben/Bosch in Schönke/Schröder StGB29 § 52 Rz 29).
Diese Ansätze finden sich auch in der österreichischen Judikatur, wonach etwa bei fahrlässiger Tötung oder Verletzung mehrerer Personen bei einem Verkehrsunfall infolge mehrfachen Erfolgseintritts (12 Os 148/75 = SSt 46/65; 12 Os 116/10s ua mwN; Burgstaller in WK2 StGB § 80 Rz 110) sowie bei übler Nachrede zum Nachteil verschiedener Personen (§ 111 StGB) durch eine Äußerung (13 Os 75, 13 Os 76/78 = SSt 50/9 [verstärkter Senat]), also bei jeweils höchstpersönlichen Rechtsgütern mehrerer Tatopfer ‑ und damit nicht nur quantitativer (wie etwa bei Vermögensdelikten), sondern qualitativer Steigerung des verwirklichten Unrechts ‑ gleichartige Idealkonkurrenz angenommen wird (in diesem Zusammenhang vgl auch Leukauf/Steininger, StGB3 § 28 Rz 3; Kienapfel/Höpfel/Kert AT14 Rz 69; Eder‑Rieder in SbgK § 28 Rz 97 ff).
Der hier zu beurteilende Tatbestand des Raubes (§§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB) schützt nicht nur fremdes Vermögen, sondern auch das höchstpersönliche Rechtsgut der Willensfreiheit (Eder‑Rieder in WK2 StGB Vorbemerkungen zu §§ 142‑145 Rz 1; Kienapfel/Schmoller, StudB BT II § 142 Rz 7). Im vorliegenden Fall ist daher von gleichartiger Idealkonkurrenzauszugehen, weil die Täter das höchstpersönliche Rechtsgut der Willensfreiheitvon mehreren Rechtsgutsträgernverletzten und die strafbare Handlung des schweren Raubes daher mehrmals verwirklichten (anders der Sache nach noch 12 Os 160/12i und 12 Os 9/11g [zur Erpressung], die jedoch zu teils vollendeter, teils versuchter Tatbegehung ergangen sind).
Die gegenteilige Rechtsansicht hätte überdies zur Konsequenz, dass tateinheitlich zugefügte Erfolgsqualifikationen zum Nachteil mehrerer Tatopfer (Tod, schwere Verletzung), also die mehrfache Verwirklichung erhöhten Erfolgsunrechts, nur einmal zugerechnet würde.
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