European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0110OS00069.16F.1011.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.
Den Angeklagten fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde – soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung – Karl T***** der Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 dritter Fall, Abs 2 Z 2, Abs 4 Z 3 SMG (I/1), der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 dritter Fall, Abs 2, Abs 3 SMG (I/2) und der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 15 Abs 1 StGB, § 28 Abs 1 zweiter (erkennbar – US 2, 18, 39 – gemeint: erster) Fall, Abs 2, Abs 3 SMG (I/3) schuldig erkannt.
Danach hat er als Mitglied einer kriminellen Vereinigung vorschriftswidrig Suchtgift
I/1 in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge von Brasilien in internationale Gewässer ausgeführt, indem er zwischen April und Mai (US 12: im März) 2014 zumindest 500 Kilogramm Kokain (mit einer Reinsubstanz von 100 Kilogramm Cocain‑Base) von unbekannten Lieferanten in Fortaleza (Brasilien) übernahm und auf einem österreichischen Schiff in die internationalen Gewässer beförderte;
I/2 im Zusammenwirken mit Martin T***** in einer das Fünfzehnfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge mit dem Vorsatz befördert, dass es in Verkehr gesetzt werde, indem sie im April und Mai (US 12: im März) 2014 die zu I/1 genannte Suchtgiftmenge auf einem österreichischen Schiff über den Atlantik beförderten und das Suchtgift in internationalen Gewässern vor der europäischen Küste ins Wasser warfen;
I/3 in einer das Fünfzehnfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge mit dem Vorsatz, dass es in Verkehr gesetzt werde, zu erwerben versucht, indem er im April 2015 zumindest 600 Kilogramm Kokain (mit einer Reinsubstanz von 120 Kilogramm Cocain‑Base) von unbekannten Lieferanten „in Fortaleza oder unmittelbar“ in den Gewässern vor der Küste Brasiliens zu übernehmen versuchte, um es in weiterer Folge auf einem österreichischen Schiff über den Atlantik zu schaffen und in spanischen oder portugiesischen Hoheitsgewässern an unbekannte Abnehmer zu übergeben, wobei es zufolge Fehlschlagens der Anlieferung beim Versuch blieb.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die aus Z 5, 9 lit a und 11 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Karl T*****.
Die Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) verweist zu Schuldspruch I/3 auf Verfahrensergebnisse, die darauf schließen lassen sollen, dass die Übernahme von 600 (und nicht 700) Kilogramm Kokain – mit einem Reinheitsgehalt von 20 % – geplant worden sei. Da dem Beschwerdeführer genau diese Menge angelastet wurde (US 3, 18) entzieht sich das eine weitere Menge von 100 Kilogramm betreffende Vorbringen einer meritorischen Erwiderung. Im Übrigen spricht der Beschwerdeführer damit weder einen schuld‑ noch einen subsumtionsrelevanten Umstand an (RIS‑Justiz RS0106268), sodass die Erwähnungen von „rund 700 kg“ als tatverfangenes Suchtgiftquantum (US 14, 15, 31) dahinstehen können.
Die gesetzmäßige Ausführung eines materiell‑rechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist, zur Voraussetzung (RIS‑Justiz RS0099810).
Daran orientiert sich der sämtliche Schuldsprüche betreffende Einwand (inhaltlich Z 9 lit a, nominell verfehlt auch Z 5 vierter Fall) fehlender Feststellungen zur Annahme der inländischen Gerichtsbarkeit nicht und verfehlt somit die prozessordnungskonforme Darstellung des Nichtigkeits‑ grundes.
Im Wesentlichen vermisst der Beschwerdeführer Urteilsannahmen zu einer Zulassung der Jachten nach dem Seeschifffahrtsgesetz und moniert, dass die konstatierte Registrierung der Jachten „Khanya“ (I/1, I/2) und „Tayla“ (I/3) beim Yacht Club Austria mit Heimathafen Vienna/Austria die Annahme inländischer Gerichtsbarkeit nicht zu tragen vermöge.
Zu Schuldspruch I/1 legt die Rechtsrüge (Z 9 lit a) nicht methodengerecht aus dem Gesetz abgeleitet dar, weshalb die vom österreichischen Staatsbürger (US 5) Karl T***** begangene Straftat ungeachtet der Bestimmungen der § 64 Abs 1 Z 4 StGB und § 12 ARHG nicht der österreichischen Strafgewalt unterliegen sollte. Hinzugefügt sei, dass bei einem von einem Österreicher in Brasilien (US 11 f) begangenen Suchtgiftverbrechen nach § 28a SMG inländische Gerichtsbarkeit schon wegen des Verbots der Auslieferung österreichischer Staatsbürger (§ 12 ARHG) anzunehmen ist (vgl RIS-Justiz
RS0091267; Fabrizy , StGB 12 § 64 Rz 6).
Weshalb der zu I/2 festgestellte Tatort auf hoher See („in internationalen Gewässern“ – US 12) zur Strafbarkeit der Tat nach österreichischem Recht nicht genügen sollte, entbehrt ein weiteres Mal der gebotenen Ableitung aus dem Gesetz. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass es bei fehlender Strafgewalt am Tatort genügt, wenn die Tat – wie hier – nach den österreichischen Gesetzen strafbar ist (§ 65 Abs 3 StGB; Fabrizy , StGB 12 § 65 Rz 2; Salimi in WK 2 § 65 Rz 9).
Zu I/3 ging das Erstgericht hinreichend deutlich davon aus, dass der Angeklagte den Auftrag erhielt, bis ca 300 Meilen vor der Küste vor Fortaleza/Brasilien zu segeln und dort maximal 700 Kilogramm Kokain mit einem Reinheitsgehalt von 20 % aufzunehmen und dann in Richtung des Gebiets zwischen Madeira und den Azoren zu segeln, um das Kokain abzuladen. In subjektiver Hinsicht konstatierte das Erstgericht, dass der Beschwerdeführer 600 Kilogramm Kokain mit einem Reinheitsgehalt von 20 % vorschriftswidrig erwerben wollte und es ernstlich für möglich hielt und sich damit abfand, dass dieses Kokain in Verkehr gesetzt werde, wobei es infolge des von ihm nicht beeinflussbaren Fehlschlagens der Anlieferung des Kokains beim Versuch blieb (US 15 ff, 18). Zum genauen Ablauf traf das Erstgericht – soweit hier von Bedeutung – folgende Feststellungen:
Am 17. April 2015 erhielt der Begleiter des Erstangeklagten die Koordinaten des Ladepunkts (US 16). Am 19. April wurde die Kokainlieferung verschoben, und zwar auf den 25. April 2015 rund 80 bis 100 Meilen vor der Küste bei Fortaleza/Brasilien. Karl T***** und sein Begleiter segelten daher in Richtung Fortaleza (US 16). Nachdem sie „auf hoher See“ auf die „Übernahme“ gewartet hatten (US 33 iVm US 19), wurden sie schließlich – nachdem die Übernahme fehl schlug – nach Fortaleza beordert, um die weitere Vorgangsweise zu besprechen (US 33 und 16). Dort trafen sie sich mit dem nach eigenen Angaben für das Verbringen des Kokains auf das Schiff zuständigen „Babyface“, der ihnen mitteilte, dass das Flugzeug, welches das Kokain hätte mitbringen sollen, abgestürzt sei, man aber versuchen werde, das für sie bestimmte Kokain bis 10. Mai 2015 bereit zu stellen (US 16).
Weshalb der festgestellte Wille des zur vereinbarten Zeit am vereinbarten Übergabeort anwesenden Beschwerdeführers, das Suchtgift zu erwerben, zur Annahme des § 28 Abs 1 SMG nicht genügen sollte, erklärt die Rechtsrüge (Z 9 lit a) nicht methodengerecht. Erwerb und Besitz
in § 28 Abs 1 SMG stellen im Übrigen ein alternatives Mischdelikt dar (RIS-Justiz RS0114037 [T3]).
Der Einwand strafloser Vorbereitungshandlung (Z 9 lit a) orientiert sich nicht an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe, wonach sich der Beschwerdeführer mit der „Tayla“ zur vereinbarten Zeit am vereinbarten Ladepunkt, und zwar rund 80 bis 100 Meilen vor der Küste von Fortaleza/Brasilien einfand und auf die – nach dem Tatplan daher unmittelbar bevorstehende – „Übernahme“ (gemeint: Übergabe) des Kokains auf „hoher See“ wartete, die nur zufolge Fehlschlagens der Anlieferung unterblieb (US 33, 16, 19).
Ob der vereinbarte Ladepunkt auf „hoher See“ (US 33) oder 80 bis 100 Meilen vor der Küste von Brasilien (US 16) war, betrifft keinen schuld‑ oder subsumtionsrelevanten Aspekt. Nach Art 2, 3, 55 bis 57 des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen (BGBl 1995/885, dem auch Brasilien angehört) läge nämlich auch der festgestellte Übergabeort 80 bis 100 Meilen vor der Küste von Brasilien jedenfalls – soweit hier von Bedeutung – außerhalb der Souveränität des Küstenstaats Brasilien, sodass auch beim Schuldspruch zu I/3 (mangels Anhaltspunkten für eine Schädigung brasilianischer Rechtsgüter oder von dort ansässigen privaten Unternehmen) vom Fehlen einer Strafgewalt am Tatort auszugehen ist (§ 65 Abs 3 StGB).
Mit der Kritik an den die Strafdrohung nicht bestimmenden Strafzumessungserwägungen des Erstgerichts (hoher sozialer Störwert; Agieren aus reiner Gewinnsucht, ohne selbst Drogenkonsument zu sein) zeigt die Sanktionsrüge (Z 11) keine offenbar unrichtige Beurteilung einer für die Strafbemessung maßgebenden entscheidenden Tatsache auf, sondern erschöpft sich in einem – in der Sache auch unberechtigten – Berufungsvorbringen.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in teilweiser Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – zu verwerfen.
Zur Berufung des Karl T*****:
Das Schöffengericht verhängte über den Rechtsmittelwerber eine Freiheitsstrafe von 14 Jahren.
Bei der Strafbemessung wertete es die einschlägigen Vorstrafen, das Zusammentreffen von drei Verbrechen sowie das 250‑fache Überschreiten der nach § 28a Abs 4 Z 3 SMG qualifizierten Grenzmenge als erschwerend, das teilweise Geständnis sowie den Umstand, dass es teilweise beim Versuch geblieben ist, als mildernd (US 40).
Dem Berufungsstandpunkt zuwider kann weder von einem geringen Handlungs- noch von einem geringen Erfolgsunwert noch von einem untergeordneten Tatbeitrag (vgl dazu Ebner in WK2 StGB § 34 Rz 16) des Beschwerdeführers die Rede sein. Das Überschreiten der Grenzmenge des § 28b SMG nicht nur um das 25‑fache, sondern um das 6.666‑fache (I/1, 2) und das 8.000‑fache (I/3) rechtfertigt vielmehr die über Karl T***** verhängte Sanktion, wobei in Ergänzung der Strafzumessungsgründe auch die mehrfache Deliktsqualifikation als erschwerend zu berücksichtigen war.
Die reklamierte überlange Verfahrensdauer und eine verspätete Ausführung des verkündeten Urteils kann mit Blick auf die internationalen Bezüge der gegenständlichen Strafsache und die nicht unangemessene Gesamtdauer des Verfahrens von etwa eineinhalb Jahren nicht ersehen werden.
Die vom Erstgericht verhängte Strafe ist tat- und schuldangemessen und bedarf demnach keiner Korrektur.
Zur Berufung des Martin T***** wegen des Ausspruchs über die Strafe:
Das Erstgericht verhängte über den Zweitangeklagten wegen des Verbrechens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 dritter Fall, Abs 2 SMG (II/1 iVm I/2) und des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 zweiter Fall, Abs 2 SMG (II/2: Besitz von 3 g Cannabiskraut im Juni 2015) eine Freiheitsstrafe von vier Jahren.
Dabei wertete es als erschwerend das Zusammentreffen von einem Verbrechen mit einem Vergehen und die 400‑fache Überschreitung der nach § 28 Abs 2 SMG qualifizierten Grenzmenge, als mildernd dagegen das Geständnis und den bisher ordentlichen Lebenswandel.
Mit seinem Hinweis auf die in Untersuchungshaft verbrachte Zeit, den Verlust des Arbeitsplatzes und den Bruch familiärer Bindungen zeigt der Berufungswerber negative Begleitumstände des bisher verspürten Haftübels, letztlich aber keine zur Reduktion der Strafe Anlass gebenden Umstände auf.
Von einem beträchtlichen Überwiegen der Milderungsgründe oder einem im Sinn der ständigen Rechtsprechung atypisch leichten Ausnahmefall der Verwirklichung des Tatbestands ist nicht auszugehen (vgl RIS-Justiz RS0102152, RS0091303).
Die Gewährung bedingter oder teilbedingter Nachsicht der Strafe scheidet schon aufgrund der Strafhöhe aus.
Mit Blick auf den außergewöhnlich hohen Unrechtsgehalt der Tat erweist sich auch die über Martin T***** verhängte Sanktion dem Berufungsvorbringen zuwider nicht als korrekturbedürftig, sondern angemessen, um den spezial- und generalpräventiven Erfordernissen des besonderen Einzelfalls Rechnung zu tragen.
Gemäß „§ 20 StGB“ wurde hinsichtlich Karl T***** und Martin T***** jeweils ein Betrag von 200.000 Euro für verfallen erklärt.
Die von Martin T***** dagegen erhobene Berufung geht fehl:
Der Ausspruch über den Verfall erfordert Feststellungen über einen für die Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung oder durch sie erlangten Vermögenswert. Ist es zu keiner Sicherstellung oder Beschlagnahme gekommen, hat das Gericht nach § 20 Abs 3 StGB – allenfalls im Wege einer Schätzung nach Abs 4 leg cit – einen Geldbetrag festzusetzen und für verfallen zu erklären (vgl 14 Os 147/14w, 15 Os 55/15z).
Dem Urteilssachverhalt zufolge erhielten die Angeklagten als Lohn für den Transport des Kokains jeweils 200.000 Euro (US 13). Dem Berufungsvorbringen zuwider konnte sich das Erstgericht bei der Feststellung der für den Verfallsausspruch entscheidenden Tatsachen sowohl auf die Angaben des Erstangeklagten vor der Polizei als auch auf jene des verdeckten Ermittlers stützen (ON 34 S 175; ON 24 S 9; US 13, 29–31). Dass der Zweitangeklagte den für ihn bestimmten Anteil nicht direkt, sondern im Wege des Erstangeklagten erhielt, steht der Annahme der Voraussetzung der Erlangung von Vermögenswerten für die Tatbegehung keineswegs entgegen. Gegen diese Feststellungen hegt der Oberste Gerichtshof keine Bedenken und legt sie dem Verfallsausspruch zugrunde. Im Hinblick auf das Aussageverhalten des Berufungswerbers (ON 34 S 200, 207, ON 63 S 6) insgesamt überzeugt die Verantwortung der Angeklagten, für die Tatbegehung eine geringere Entlohnung erhalten zu haben (ON 141 S 41, ebenso der Erstangeklagte S 13), angesichts der Sicherstellung von über 100.000 Euro beim Zweitangeklagten nach vorheriger zweijähriger Arbeitslosigkeit (US 31) nicht. Die vom Berufungswerber ins Treffen geführten – allerdings wenig konkreten – Angaben des Zeugen Mag. Walter K***** (ON 141 S 46 und Blg ./1; s auch Zeugin G***** S 48) dazu, welche Geldmittel der Zweitangeklagte von ihm und seiner Gattin (der Mutter des Zweitangeklagten) erhalten habe, tragen zur Lösung der Frage einer für den Suchtgifttransport erhaltenen Entlohnung nichts bei.
Während § 20 Abs 1 StGB den „Grundtyp des gegenstandsbezogenen Verfalls“ umschreibt, der sich zufolge des Abs 2 leg cit auch auf Nutzungen und Ersatzwerte erstreckt, erfasst der „Wertersatzverfall“ nach Abs 3 leg cit jene Fälle, in denen der Verfall nach § 20 Abs 1 und Abs 2 StGB nicht durchführbar ist (vgl EBRV 918 BlgNR 24. GP 7 f; 15 Os 55/15z, 14 Os 147/14w). In der Wohnung des Martin T***** wurde ein Geldbetrag von 102.300 Euro sichergestellt (US 18). Ob es sich dabei konkret um jene Vermögenswerte handelt, die der Berufungswerber für die Tatbegehung erhielt, kann nicht festgestellt werden, es liegen aber jedenfalls die gesetzlichen Voraussetzungen über einen Verfall nach § 20 Abs 3 StGB vor. Im Ergebnis ist der nach „§ 20 StGB“ ergangene Verfallsausspruch daher nicht zu beanstanden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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