European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:010OBS00082.17G.0123.000
Spruch:
Das Revisionsverfahren wird gemäß § 74 Abs 1 ASGG unterbrochen, bis über die Vorfrage der Versicherungspflicht des Klägers in der Kranken‑ und Pensionsversicherung gemäß § 2 Abs 1 Z 4 GSVG zum Unfallzeitpunkt am 5. Oktober 2015 als Hauptfrage im Verfahren in Verwaltungssachen einschließlich eines allenfalls anhängig gewordenen Verwaltungsgerichtshofverfahrens rechtskräftig entschieden worden ist.
Bei der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, 1051 Wien, Wiedner Hauptstraße 84–86, wird die Einleitung des Verfahrens in Verwaltungssachen angeregt.
Nach rechtskräftiger Entscheidung über die Vorfrage ist das Revisionsverfahren von Amts wegen wieder aufzunehmen.
Begründung:
Der Kläger kippte am 5. 10. 2015 mit seinem Mini‑Bagger bei Planierarbeiten über eine Böschungskante. Er sprang noch aus dem Bagger, wurde jedoch in weiterer Folge von der Baggerschaufel getroffen und derart schwer verletzt, dass sein rechtes Bein im Bereich des Oberschenkels amputiert werden musste. Der Kläger wurde am 16. 12. 2015 aus dem Spital entlassen. Die unfallbedingte Heilbehandlung endete am 1. 4. 2016. Für den Zeitraum vom 6. 12. 2015 bis 1. 4. 2016 betrug die medizinische Minderung der Erwerbsfähigkeit 100 %. Ab 2. 4. 2016 liegt medizinisch eine vorläufige Minderung der Erwerbsfähigkeit von 70 % vor. Nach sechs bis zwölf Monaten ab Ende der unfallbedingten Heilbehandlung (1. 4. 2016) ist mit hoher Wahrscheinlichkeit eine medizinische Minderung der Erwerbsfähigkeit von 50 % zu erwarten. Die Folgen des Unfalls sind noch nicht endgültig abschätzbar.
Der Kläger betreibt mit Gewinnabsicht das nicht protokollierte Einzelunternehmen „P*****“ in *****. Zum Unfallszeitpunkt hatte er eine am 5. 11. 2005 erteilte Gewerbeberechtigung für das „Baumeistergewerbe, eingeschränkt auf ausführende Tätigkeiten, beschränkt auf die Ausführung von Innen‑ und Außenputz‑ sowie Vollwärmeschutz‑Arbeiten“ . Der Kläger verfügte zu keinem Zeitpunkt über eine umfassendere Gewerbeberechtigung in Bezug auf das Baumeistergewerbe.
Bereits seit dem Jahr 1997 ist der Kläger selbständig tätig (Baugeräteverleih). Über die Homepage „www.*****“ bot der Kläger neben Verputz‑ und Sanierungsarbeiten sowie thermischen Sanierungen unter anderem folgende Leistungen an:
„‑ Tiefbau
‑ Maurer und Maurerarbeiten
‑ Stiegenbau/Gewendelt/Gerade
‑ Gewölbebau/Kreuzrippen/Tonnen/Kappen/Spitzgewölbe
‑ Brückenbau
‑ Straßen und Wegebau
‑ Erdbau
‑ Hangsanierung
‑ Abbrucharbeiten/Rückbau/Recycling [...]“
Der Kläger verrichtete seit seiner Selbständigkeit Arbeiten, die er auf seiner Homepage auch anbot. Mit dem Mini‑Bagger führt der Kläger seit ca 15 Jahren Erdarbeiten aus.
Aufgrund des angebotenen Leistungsspektrums stellte ein Ehepaar an den Kläger mit E‑Mail vom 19. 8. 2015 folgende Anfrage, welche auch an andere Bauunternehmen erging:
„Betreff: Stützmauer sanieren – Angebot
Sehr geehrte Damen und Herren,
wir haben bei unserem Haus eine ca 60 Jahre alte Steinmauer an der Grundgrenze zu unserem Nachbarn. Wie wir nun gesehen haben, hat die Mauer in den letzten Monaten einige Risse bekommen. Auch Ausbauchungen sind zu sehen und ein Teil der Mauer kippt leicht nach vorne. Können Sie so eine Mauer sanieren bzw haben Sie eine Idee bzw Möglichkeit wie wir diese entfernen und den Niveauunterschied ausgleichen können?
Einige Eckdaten:
Länge der Mauer ca 21 m
Höhe der Mauer ca 125 cm
Die verwendeten Steine stammen von einem alten Abbruchhaus. Die Mauer hat wahrscheinlich kein bzw Fundament.
Ich habe einige Fotos angefügt, bei denen ersichtlich ist, dass die Mauer in sehr steile m, unzulänglichem Gelände liegt. […]“
Der Kläger besichtigte die Mauer Anfang September 2015. Er bezifferte die Kosten für die gewünschten Arbeiten mit ungefähr 6.000 EUR. Der Kläger erstellte keinen schriftlichen Kostenvoranschlag. Die Ehegatten erteilten dem Kläger mündlich den Auftrag für die Arbeiten an der Mauer.
Am 26. 9. 2015 begann der Kläger mit den Abbrucharbeiten. Er entfernte ca 150 t an Material und verlegte zusätzlich ein Drainagierungsrohr quer zum Hang, er errichtete auch einen Sickerschacht. Nach Beendigung dieser Arbeiten schrägte der Kläger mit dem Mini‑Bagger den Hang ab und begann das Gelände mit frischem Humus zu planieren. Die Planierarbeiten waren teilweise in Hanglage zu verrichten. Anlässlich dieser Planierarbeiten erlitt der Kläger am 5. 10. 2015 den oben beschriebenen Unfall.
Der Mini‑Bagger stürzte den Hang hinunter und prallte an dessen Ende gegen eine Holzhütte, die er beschädigte. Der Schaden an der Holzhütte wurde von der Betriebshaftpflichtversicherung des Klägers gedeckt.
Für die von ihm erbrachten Leistungen legte der Kläger auch Rechnung an seine Auftraggeber über 7.425 EUR (inkl 20 % USt).
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 25. 11. 2015 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Unfalls des Klägers als Arbeitsunfall ab, weil die von ihm durchgeführten Arbeiten in keinem Zusammenhang mit seiner aufrechten Gewerbeberechtigung stünden.
Mit seiner gegen diesen Bescheid fristgerecht erhobenen Klage begehrte der Kläger die Feststellung, dass es sich bei dem Unfall vom 5. 10. 2015 um einen Arbeitsunfall gemäß § 175 ASVG handle, sodass die Beklagte verpflichtet sei, dem Kläger die sich hieraus ergebenden gesetzlichen Leistungen zu gewähren. Bei den vom Kläger verrichteten Planierarbeiten handle es sich um Nebenleistungen eines Bauunternehmers, der Unfall habe sich im örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit der die Versicherung begründenden Beschäftigung ereignet. Gemäß § 175 Abs 6 ASVG schlösse selbst ein verbotswidriges und damit rechtswidriges Handeln die Annahme eines Arbeitsunfalls nicht aus. Die vom Kläger verrichteten Arbeiten dienten unmittelbar der Aufrechterhaltung, Förderung und Abwicklung von dessen selbständiger Existenz. Maßgeblich für die Frage, ob ein Versicherungsschutz zu gewähren sei, sei – unabhängig vom Vorliegen einer Gewerbeberechtigung für diesen Bereich – alleine das Verhalten des Klägers in Ausübung der Erwerbstätigkeit.
Die Beklagte wandte dagegen ein, dass der Kläger lediglich über eine Gewerbeberechtigung mit Einschränkungen für das Baumeistergewerbe verfüge. Diese umfasse nicht die Sanierung einer Gartenstützmauer. Da die Sanierung Kern des dem Kläger erteilten Auftrags gewesen sei, liege auch nicht die Ausübung eines Nebenrechts aus der Gewerbeberechtigung des Klägers vor. Der Kläger sei zu den ihm in Auftrag gegebenen Sanierungsarbeiten mangels entsprechender Gewerbeberechtigung nicht befugt gewesen, weshalb kein Versicherungsschutz aus der gesetzlichen Unfallversicherung bestehe.
Das Erstgericht sprach aus, dass der Anspruch des Klägers auf Versehrtenrente von 5. 1. 2016 bis 1. 4. 2016 mit 100 vH der Vollrente und auf vorläufige Versehrtenrente ab 2. 4. 2016 mit 70 vH der Vollrente jeweils samt Zusatzrente in Höhe von 50 vH der Versehrtenrente dem Grunde nach zu Recht bestehe. Es trug der Beklagten auf, dem Kläger eine vorläufige Leistung von 250 EUR monatlich ab 5. 1. 2016 bis zur Erlassung des die Höhe der Leistung festsetzenden Bescheids zu zahlen. Rechtlich führte das Erstgericht aus, dass der Kläger zum Unfallzeitpunkt „neuer“ Selbständiger gemäß § 2 Abs 1 Z 4 GSVG gewesen und daher gemäß § 8 Abs 1 Z 3 lit a ASVG unfallversichert gewesen sei. Der Kläger sei selbständig und nachhaltig mit Gewinnerzielungsabsicht unternehmerisch tätig gewesen. Die von ihm erzielten Einkünfte seien steuerrechtlich als solche aus Gewerbebetrieb gemäß § 23 EStG 1988 zu werten, dafür komme es auf das Vorliegen einer Gewerbeberechtigung nicht an. Die Arbeiten des Klägers an der Sanierung der Mauer hätten der Aufrechterhaltung seiner Existenz gedient, sodass Unfallversicherungsschutz bestehe.
Das Berufungsgericht gab der von der Beklagten gegen dieses Urteil erhobenen Berufung nicht Folge. Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichts, dass der Kläger durch die Ausübung seiner selbständigen betrieblichen Tätigkeit gemäß § 2 Abs 1 Z 4 GSVG in der Kranken‑ und Pensionsversicherung nach diesem Bundesgesetz versichert gewesen sei. Die Beklagte habe nicht einmal behauptet, dass die von ihm verdienten Entgelte die Mindestbeitragsgrenze des § 25 Abs 4 GSVG nicht erreichten; die diesbezüglich erstmals im Berufungsverfahren erhobene Behauptung verstoße gegen das Neuerungsverbot. Schon aus der im Verfahren vorgelegten Rechnung für die vom Kläger geleisteten Arbeiten ergebe sich, dass dieser von der Kleinstunternehmerregelung des § 4 Abs 1 Z 7 GSVG keinen Gebrauch gemacht habe. Der Unfallversicherungsschutz des Klägers sei daher zu bejahen, auf das Vorliegen einer Gewerbeberechtigung komme es nicht an.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass die Revision nicht zulässig sei, weil die hier zu klärenden Rechtsfragen trotz Fehlens einer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bereits aus dem klaren Wortlaut des Gesetzes zu lösen seien.
Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision der Beklagten, mit der diese die Abweisung des Klagebegehrens anstrebt.
In der ihm vom Obersten Gerichtshof freigestellten Revisionsbeantwortung beantragte der Kläger die Zurück‑, hilfsweise die Abweisung der Revision.
Rechtliche Beurteilung
Über die entgegen dem den Obersten Gerichtshof gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden Zulassungsausspruch des Berufungsgerichts zulässige Revision der Beklagten kann noch nicht entschieden werden.
1. Gemäß der nach § 194 GSVG auch für den Bereich dieses Bundesgesetzes anzuwendenden Bestimmung des § 355 Z 1 ASVG gehört ua die Feststellung der Versicherungspflicht zu den Verwaltungssachen. Gemäß § 74 Abs 1 ASGG ist auch in einer Rechtsstreitigkeit gemäß § 65 Abs 1 Z 1 ASGG, wie sie hier vorliegt, dann, wenn ua die Versicherungspflicht (§ 355 Z 1 ASVG) als Vorfrage strittig ist, das Verfahren zu unterbrechen, bis über diese Vorfrage als Hauptfrage im Verfahren in Verwaltungssachen rechtskräftig entschieden worden ist, dies einschließlich eines allenfalls anhängig gewordenen Verwaltungsgerichtshofverfahrens. Ist im Zeitpunkt der Unterbrechung des Verfahrens noch kein Verfahren in Verwaltungssachen anhängig, so hat das Gericht die Einleitung des Verfahrens beim zuständigen Versicherungsträger anzuregen. Eine solche Unterbrechung ist auch vom Rechtsmittelgericht anzuordnen (10 ObS 180/08f, SSV‑NF 23/16 mwN).
2. Entscheidend für den Versicherungsschutz ist bei selbständig Erwerbstätigen, ob ein Arbeitsunfall im örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit einem Verhalten steht, das sich als Ausübung der die Versicherung begründenden Erwerbstätigkeit darstellt (10 ObS 108/08t, SSV‑NF 22/59; 10 ObS 178/12t, SSV‑NF 27/6; RIS‑Justiz RS0084368). Im vorliegenden Fall ist nicht zweifelhaft, dass der Kläger zum Unfallzeitpunkt subjektiv und objektiv einer Erwerbstätigkeit nachging. Bei Selbständigen regeln berufsrechtliche Bestimmungen die Erwerbstätigkeit, daneben bleibt ein weiter Bereich, der auf freiem Willensentschluss des Unternehmers beruht. Als Ausübung der Erwerbstätigkeit werden alle jene Tätigkeiten angesehen, die unmittelbar der Aufrechterhaltung, Förderung und Abwicklung der selbständigen Existenz dienen (10 ObS 3/12g, SSV‑NF 26/7 ua). Die nähere Ausgestaltung seiner Erwerbstätigkeit muss dem Selbständigen selbst überlassen bleiben ( Tomandl in Tomandl , SV‑System [13. ErgLfg], 2.3.2.3.1.2., [280]).
3.1 Der Unfallversicherungsschutz der in der Unfallversicherung teilversicherten selbständig Erwerbstätigen wird nach § 8 Abs 1 Z 3 lit a erster Gedankenstrich ASVG durch die Mitgliedschaft zu einer Kammer der gewerblichen Wirtschaft erworben. Er erstreckt sich daher auf Tätigkeiten, die in einem inneren Zusammenhang mit dem Gewerbebetrieb stehen, der die Grundlage der Kammermitgliedschaft bildet (9 ObS 8, 9/87, SSV‑NF 1/14, RIS‑Justiz RS0083633). Die unbefugte Gewerbeausübung oder andere Tätigkeiten eines Gewerbetreibenden, die von der Gewerbeberechtigung nicht umfasst sind, bleiben daher ungeschützt (10 ObS 2111/96f, SSV‑NF 10/52; 10 ObS 3/12g; 10 ObS 178/12t; RIS‑Justiz RS0083617; Tomandl in Tomandl , SV‑System [25. ErgLfg], 2.3.2.3.1.2., [281]).
3.2 Die Beklagte weist daher in ihrer Revision zutreffend darauf hin, dass die mit der Erteilung der Gewerbeberechtigung erworbene Kammermitgliedschaft nicht generell für alle gewerblichen Tätigkeiten einen Unfallversicherungsschutz begründet. Eine von seiner Gewerbeberechtigung umfasste Tätigkeit übte der Kläger im Unfallzeitpunkt nach den Feststellungen nicht aus. Auf seine – im Verfahren nicht näher präzisierte (vgl § 32 GewO 1994) – Behauptung, die von ihm im Unfallzeitpunkt ausgeübten Tätigkeiten seien als Nebenleistungen eines Bauunternehmers von seiner Gewerbeberechtigung mitumfasst gewesen, kommt der Kläger in seiner Revisionsbeantwortung nicht zurück, sondern hält auch dort an seinem bereits im Verfahren erster Instanz eingenommenen Standpunkt fest, dass im vorliegenden Fall Unfallversicherungsschutz unabhängig von einer allfälligen Gewerbeberechtigung vorliege (ON 7).
4.1 Die Beurteilung des vom Kläger in diesem Verfahren geltend gemachten Anspruchs hängt entscheidend von der – strittigen – Vorfrage ab, ob für ihn zum Unfallzeitpunkt infolge seiner festgestellten betrieblichen Tätigkeit Versicherungspflicht gemäß § 2 Abs 1 Z 4 GSVG bestand. Ob der Kläger für die von ihm im Unfallzeitpunkt ausgeübte Erwerbstätigkeit eine Gewerbeberechtigung benötigt hätte, kann nach den bisher getroffenen Feststellungen nicht beurteilt werden. Darauf kommt es allerdings nicht an. Denn nach der Rechtsprechung kann selbst der ohne Gewerbeschein selbständig erwerbstätige „Schwarzarbeiter“ als sogenannter „neuer Selbständiger“ im Sinn des § 2 Abs 1 Z 4 GSVG nach § 8 Abs 1 Z 3 lit a zweiter Gedankenstrich ASVG unfallversichert sein (10 ObS 11/12h, SSV‑NF 26/9 = RIS‑Justiz RS0127648; VwGH 2005/08/0082; Müller in SV‑Komm [162. Lfg] § 176 Rz 132).
4.2 Die Pflichtversicherung als „neuer“ Selbständiger hängt nach § 2 Abs 1 Z 4 GSVG vom Vorliegen einer selbständigen betrieblichen Erwerbstätigkeit ab, aus der Einkünfte im Sinn der § 22 Z 1–3 und 5 und (oder) § 23 EStG 1988 erzielt werden, wenn aufgrund dieser betrieblichen Tätigkeit nicht bereits die Pflichtversicherung nach dem GSVG oder einem anderen Bundesgesetz in dem (den) entsprechenden Versicherungszweig(en) eingetreten ist. Die Pflichtversicherung als „neuer“ Selbständiger ist daher weitgehend subsidiär sowohl gegenüber einer Pflichtversicherung nach dem ASVG als auch gegenüber einer bereits eingetretenen Pflichtversicherung gemäß § 2 Abs 1 Z 1 bis 3 GSVG (vgl die Fallbeispiele bei Teschner , GSVG [79. ErgLfg] § 2 Anm 15a).
4.3 Gemäß § 2 Abs 1 Z 4 Satz 2 GSVG ist, solange ein rechtskräftiger Einkommensteuerbescheid oder ein sonstiger maßgeblicher Einkommensnachweis nicht vorliegt, die Pflichtversicherung nur dann festzustellen, wenn der Versicherte erklärt, dass seine Einkünfte aus sämtlichen der Pflichtversicherung nach dem GSVG unterliegenden Tätigkeiten im Kalenderjahr die in Betracht kommende Versicherungsgrenze (§ 4 Abs 1 Z 5 oder Z 6 GSVG) übersteigen werden. In allen anderen Fällen ist gemäß § 2 Abs 1 Z 4 Satz 3 GSVG der Eintritt der Pflichtversicherung erst nach Vorliegen des rechtskräftigen Einkommensteuerbescheids (nach Maßgabe des jeweiligen steuerlichen Ergebnisses der Erwerbstätigkeit, VwGH 2003/08/0160), aus dem die Versicherungsgrenzen übersteigende Einkünfte der im § 2 Abs 1 Z 4 GSVG genannten Art hervorgehen (VwGH 2011/08/0351; VwGH 2013/08/0082), im Nachhinein festzustellen. Die Unfallversicherung der nach § 2 Abs 1 Z 4 GSVG pflichtversicherten Personen knüpft an den Beginn der Pflichtversicherung in der Kranken‑ und Pensionsversicherung nach dem GSVG an (§ 10 Abs 2 Satz 1 GSVG; Neumann in SV‑Komm [84. Lfg] § 2 GSVG Rz 74; ErläutRV 937 BlgNR 24. GP 4).
4.4 Voraussetzung für eine Pflichtversicherung nach § 2 Abs 1 Z 4 GSVG ist, dass eine betriebliche Tätigkeit aufgenommen wurde und diese im zu beurteilenden Zeitraum (noch) vorliegt (VwGH 2013/08/0035 mwH). Wurde für vergangene Zeiträume eine Versicherungserklärung nicht im Vorhinein abgegeben, so besteht nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs die Versicherungspflicht nur nach Maßgabe nachträglich vorgelegter rechtskräftiger Einkommensteuerbescheide; sie ist nach deren Vorliegen jeweils rückwirkend festzustellen (VwGH 2003/08/0126; Neumann in SV‑Komm [84. Lfg] § 2 GSVG Rz 65). Für die Frage der Versicherungspflicht kommt es dabei auch auf die Herkunft der Einkünfte eines Unternehmens an: Stammen diese aus einer Tätigkeit des Unternehmens, die im Rahmen einer – wenn auch ruhend gestellten – Gewerbeberechtigung ausgeübt wurde, begründen sie die Pflichtversicherung nach § 2 Abs 1 Z 1 (oder Z 2) GSVG. Stammen sie aus unbefugter Gewerbeausübung, begründen sie die Pflichtversicherung nach § 2 Abs 1 Z 4 GSVG (VwGH 2008/08/0134; VwGH 2010/08/0145; VwGH 2011/08/0339). Nach den bisherigen Verfahrensergebnissen steht nicht fest, ob der Kläger eine Versicherungserklärung gemäß § 2 Abs 1 Z 4 GSVG abgegeben hat. Auch ein rechtskräftiger Einkommensteuerbescheid liegt in diesem Verfahren bislang nicht vor. Letztlich kann dies hier zunächst dahingestellt bleiben:
4.5 Die Frage, ob der Kläger im Unfallzeitpunkt gemäß § 2 Abs 1 Z 4 GSVG in der Kranken‑ und Pensionsversicherung pflichtversichert war und daher auch eine Unfallversicherung bestand, ist nicht von den (ordentlichen) Gerichten zu entscheiden, weil sie zu den Verwaltungssachen gehört (vgl §§ 194, 194a GSVG), über die der zuständige Versicherungsträger (§ 194 GSVG iVm § 409 ASVG) mit Bescheid zu entscheiden hat (vgl 10 ObS 132/99f, SSV‑NF 13/96 mwN). Da es im Anlassfall zunächst um diese strittige Vorfrage geht, ist das Verfahren daher nach § 74 Abs 1 ASGG zu unterbrechen. Weil derzeit ein solches Verfahren nach der Aktenlage nicht anhängig ist, hat der Oberste Gerichtshof die Einleitung des Verfahrens bei der für diese Frage zuständigen Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft anzuregen. Nach rechtskräftiger Entscheidung der Vorfrage ist das unterbrochene Revisionsverfahren von Amts wegen aufzunehmen (10 ObS 173/12g, SSV‑NF 27/4).
5. Die dem Obersten Gerichtshof vorgelegten Akten werden daher vorerst zurückgestellt. Um die unverzügliche Aufnahme des Revisionsverfahrens sicherzustellen, werden die Parteien ersucht, das Erstgericht von der rechtskräftigen Entscheidung über die Vorfrage zu verständigen. Das Erstgericht wird die Akten sodann im Weg des Berufungsgerichts wieder dem Obersten Gerichtshof vorzulegen haben.
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