OGH 10ObS132/99f

OGH10ObS132/99f5.10.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr und Dr. Steinbauer als weitere Richter (Senat nach § 11a ASGG) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Elisabeth B*****, Hauptschullehrerin, *****, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Dr. Peter Ringhofer und andere Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter (BVA), 1081 Wien, Josefstädter Straße 80, vertreten durch Dr. Hans Houska, Rechtsanwalt in Wien, wegen Versehrtenrente, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 22. März 1999, GZ 10 Rs 3/99f-19, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Krems an der Donau als Arbeits- und Sozialgericht vom 1. Oktober 1998, GZ 7 Cgs 103/98z-14, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Das Revisionsverfahren wird gemäß § 74 Abs 1 ASGG unterbrochen, bis über die strittige Vorfrage des Beginnes und Endes der Versicherung der Klägerin in der Unfallversicherung als Hauptfrage im Verfahren in Verwaltungssachen entschieden worden ist, dies einschließlich eines allenfalls anhängig gewordenen Verwaltungsgerichtshofverfahrens.

Beim beklagten Versicherungsträger wird die Einleitung des Verfahrens in Verwaltungssachen angeregt.

Nach rechtskräftiger Entscheidung über die Vorfrage ist das Revisionsverfahren von Amts wegen wieder aufzunehmen.

Text

Begründung

Die Klägerin ist Lehrerin für Leibesübungen an einer Hauptschule. Von Mitte November 1996 bis zum 16. März 1998 befand sie sich aus Anlaß der Geburt eines Kindes im Karenzurlaub. Im November 1997, also während dieser Karenzzeit, nahm sie an einem in der Sporthauptschule Zwettl stattfindenden zweitägigen Seminar (Weiterbildungskurs) über die Benützung des Absprungtrampolins teil. Am zweiten Kurstag, dem 28. 11. 1997, zog sie sich bei einem Salto eine knöcherne Absprengung am rechten Wadenbein und einen Knöchelbruch am rechten Fuß zu.

Die beklagte Partei lehnte mit Bescheid vom 23. 3. 1998 die Anerkennung dieses Vorfalls als Dienstunfall und die Gewährung von Leistungen aus der Unfallversicherung mit der Begründung ab, daß ein Zusammenhang mit der dem die Versicherung begründenden Dienstverhältnis nicht gegeben sei; die Klägerin sei während ihres Karenzurlaubs nicht unfallversichert gewesen.

Das Erstgericht gab dem dagegen erhobenen Klagebegehren statt, stellte fest, daß der Unfall ein Dienstunfall im Sinne des § 90 B-KUVG sei und erkannte die beklagte Partei schuldig, der Klägerin für die Folgen dieses Dienstunfalls ab 28. 2. 1998 eine vorläufige Versehrtenrente von 25 vH und ab 1. 6. 1998 von 20 vH der Vollrente zu zahlen. Es meinte in rechtlicher Hinsicht, die Teilnahme an der Fortbildungsveranstaltung bedeute eine formelle "Indienststellung", weshalb der während des Karenzurlaubs ruhende Unfallversicherungsschutz wieder eingetreten sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei Folge und änderte das Urteil im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens ab. Der Besuch eines Kurses stelle aus unfallversicherungsrechtlicher Sicht keine im Rahmen des Dienstverhältnisses zu erbringende Arbeitsleistung dar. Da die Klägerin während des Karenzurlaubs nicht unfallversichert gewesen sei, liege auch kein einem Dienstunfall im Sinne des § 91 B-KUVG gleichgestellter Unfall vor.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung dahin, daß das Ersturteil wieder hergestellt werde.

Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof hat erwogen:

Über die nach § 46 Abs 3 ASVG auch bei Fehlen der Voraussetzungen des § 46 Abs 1 ASGG zulässige Revision kann noch nicht entschieden werden.

Dienstunfälle sind nach § 90 Abs 1 B-KUVG Unfälle, die sich im örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit dem die Versicherung begründenden Dienstverhältnis ereignen. Nach § 91 Abs 1 B-KUVG sind den Dienstunfällen ua Unfälle gleichgestellt, die sich

(4.) beim Besuch beruflicher Schulungs(Fortbildungs)kurse ereignen, soweit dieser Besuch geeignet ist, das berufliche Fortkommen zu fördern (vgl zur ähnlichen Bestimmung des § 176 Abs 1 Z 5 ASVG: SSV-NF 12/84). Im vorliegenden Fall ist zunächst nicht strittig, ob sich der Unfall im geschützten Bereich (§§ 90, 91 B-KUVG) ereignet hat, sondern nur die Frage, ob die Klägerin am Unfalltag nach dem B-KUVG unfallversichert war. Es geht also um die strittige Vorfrage des Beginnes und des Endes der Unfallversicherung. Nach § 7 Abs 1 B-KUVG in der seit 1. 8. 1996 geltenden Fassung der 24. Novelle (BGBl 1996/414) wird die Versicherung für die Zeit eines Urlaubes gegen Einstellung der Bezüge (Karenzurlaub) unterbrochen. Durch diese Änderung wurde "im Interesse der Rechtssicherheit sowie unter Gleichheitsaspekten" (217 BlgNR 20. GP, 8) der Begriff "Ruhen" durch den Begriff "Unterbrechung" ersetzt. Die in § 7 Abs 2 B-KUVG vorgesehenen Ausnahmen gelten nur in der Krankenversicherung. Nach § 5 Abs 1 B-KUVG beginnt die Versicherung, unabhängig von der Erstattung der Anmeldung, in der Regel mit dem Tag der Aufnahme in das Dienstverhältnis; nach dem Ende des Urlaubes gegen Einstellung der Bezüge beginnt die Versicherung mit dem dem Wegfall des Unterbrechungsgrundes folgenden Tag (Abs 3).

Ist nun in einer Rechtsstreitigkeit über den Bestand oder den Umfang auf Versicherungsleistungen die Versicherungspflicht, die Versicherungsberechtigung, der Beginn oder das Ende der Versicherung, die maßgebende Beitragsgrundlage oder die Angehörigeneigenschaft als Vorfrage strittig, so ist nach § 74 Abs 1 ASGG das Verfahren zu unterbrechen, bis über diese Vorfrage als Hauptfrage im Verfahren in Verwaltungssachen rechtskräftig entschieden worden ist, dies einschließlich eines allenfalls anhängig gewordenen Verwaltungsgerichtshofverfahrens. Voraussetzung einer solchen Unterbrechung ist, daß die Entscheidung über die Klage ganz oder zum Teil von der Beurteilung einer solchen Vorfrage abhängt und daß die betreffende Vorfrage zwischen den Prozeßparteien strittig ist (SSV-NF 7/42, 8/32, 12/57; zuletzt 10 ObS 178/99w). Die Vorinstanzen haben nicht beachtet, daß die Feststellung des Beginnes oder des Endes der Versicherung gemäß § 355 Z 1 ASVG (§ 129 B-KUVG) zu den Verwaltungssachen gehört, über die der zuständige Versicherungsträger (§ 409 ASVG) mit Bescheid zu entscheiden hat (vgl SSV-NF 8/32 mwN). Ist im Zeitpunkt der Unterbrechung des Verfahrens noch kein Verfahren in Verwaltungssachen anhängig, so hat das Gericht die Einleitung des Verfahrens beim Versicherungsträger anzuregen (§ 74 Abs 1 Satz 2 ASGG). Eine solche Unterbrechung ist auch vom Rechtsmittelgericht anzuordnen (SSV-NF 7/42 mwN).

Da es also im vorliegenden Verfahren zunächst um die Frage geht, ob die Klägerin am Unfalltag überhaupt der Unfallversicherung nach dem B-KUVG unterlag und da diese Vorfrage strittig ist, ist das im Revisionsstadium befindliche Verfahren nach § 74 Abs 1 ASGG zu unterbrechen, bis über diese Vorfrage als Hauptfrage im Verfahren in Verwaltungssachen entschieden worden ist. Weil derzeit noch kein solches Verfahren anhängig ist, hat der Oberste Gerichtshof die Einleitung des Verfahrens beim beklagten Versicherungsträger anzuregen. Nach rechtskräftiger Entscheidung der Vorfrage - einschließlich eines allfälligen Verwaltungsgerichtshofverfahrens - ist das unterbrochene Revisionsverfahren von Amts wegen aufzunehmen (§ 190 Abs 3 ZPO; Feitzinger-Tades ASGG2 Anm 5 zu § 74; Kuderna ASGG2 480, Erl 4 zu § 74; Fasching ZPR2 Rz 2301; SSV-NF 7/42).

Die dem Obersten Gerichtshof vorgelegten Akten werden daher vorerst zurückgestellt. Das Erstgericht wird ersucht, den Unterbrechungsbeschluß den Parteien zuzustellen und die Versicherungsakten dem beklagten Versicherungsträger weiterzuleiten. Um die unverzügliche Aufnahme des Revisionsverfahrens sicherzustellen, werden die Parteien ersucht, das Erstgericht von der rechtskräftigen Entscheidung über die Vorfrage zu verständigen; der beklagte Versicherungsträger möge dabei seine Akten anschließen. Das Erstgericht wird die Akten sodann im Wege des Berufungsgerichtes wieder dem Obersten Gerichtshof vorzulegen haben.

Stichworte