OGH 10ObS7/10t

OGH10ObS7/10t9.2.2010

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Schinko als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger und Hon.-Prof. Dr. Neumayr sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Thomas Neumann (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und KR Mag. Michaela Haydter (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Wilhelm Peter P*****, vertreten durch Wukovits & Eppelein Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, Friedrich Hillegeist-Straße 1, 1021 Wien, wegen Feststellung der Versicherungszeiten, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 19. Dezember 2008, GZ 9 Rs 160/08b-19, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Mit Bescheid vom 30. 10. 2007 hat die beklagte Pensionsversicherungsanstalt gemäß § 247 Abs 1 ASVG die vom Kläger bis zum Feststellungszeitpunkt 1. 11. 2007 erworbenen Versicherungszeiten mit insgesamt 158 Versicherungsmonaten festgestellt (106 Beitragsmonate der Pflichtversicherung - Erwerbstätigkeit; 34 Beitragsmonate der Pflichtversicherung - Teilversicherung; 18 Ersatzmonate).

Das Erstgericht wies die dagegen erhobene, auf Feststellung der Haftzeiten, in denen der Kläger beruflich tätig gewesen sei, als weitere Versicherungsmonate gerichtete Klage ab.

Das Berufungsgericht verwarf die wegen Nichtigkeit erhobene Berufung des Klägers und bestätigte im Übrigen das Ersturteil mit der Maßgabe, dass der Inhalt des angefochtenen Bescheids vom 30. 10. 2007 wiederholt wurde. Nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofs und des Obersten Gerichtshofs widerspreche es nicht dem Gleichheitsgrundsatz, wenn Strafgefangene, die im Rahmen ihrer Arbeitspflicht eine Arbeitsleistung erbringen, in der gesetzlichen Pensionsversicherung nicht pflichtversichert seien und für diese Zeiten auch keine Ersatzzeiten erwerben würden. Zuletzt sei diese Auffassung in den Entscheidungen 10 ObS 60/98s und 10 ObS 52/99s - also nach dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union - vom Obersten Gerichtshof überprüft und ausdrücklich bestätigt worden. Die Frage von „versteckten Subventionen" (in Form des Einsatzes von Strafgefangenen zugunsten von Privatunternehmen) sei für die Frage der Versicherungszeiten des Klägers irrelevant.

Die Revision sei im Hinblick auf die einheitliche höchstgerichtliche Judikatur nicht zulässig.

In seiner außerordentlichen Revision stellt der Kläger in den Vordergrund, dass im Rahmen der Haft ein (zwangsweises) Arbeitsverhältnis begründet werde, das sozialversicherungsrechtlich mit sonstigen Beschäftigungsverhältnissen gleichzustellen sei, weil auch Strafhäftlinge in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gemäß § 4 Abs 2 ASVG stünden, was sich in Form der Einbeziehung in die Arbeitslosenversicherung zeige. Die Nichteinbeziehung in die Pensionsversicherung beruhe allein auf fiskalpolitischen Überlegungen und sei sachlich nicht gerechtfertigt; außerdem verstoße sie gegen mehrere Grundrechte. Eine zahlenmäßig nicht zu vernachlässigende Kategorie von Normunterworfenen, nämlich der Strafgefangenen, die in der Haft einer Arbeit nachgingen, werde „im Vergleich zu den Renten- und Pensionsbeziehern" schlechter gestellt und müsse gravierende Nachteile in Form fehlender sozialer Absicherung erleiden, wodurch sie diskriminiert würden (Art 14 EMRK). Die gegenteilige Judikatur des Obersten Gerichtshofs sei nicht überzeugend. In einer Gesamtbetrachtung seien Strafgefangene als Dienstnehmer im Sinne des ASVG anzusehen und vollwertig in das Pensionsversicherungssystem zu integrieren, weshalb die Zeiten, in denen der Kläger in der Haft Arbeitsleistungen erbracht habe, als „versicherungspflichtige Monate" zu berücksichtigen seien.

Damit wird keine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt.

Abgesehen von der Entscheidung 10 ObS 50/02d betreffend Ernst Walter S***** hat sich der Oberste Gerichtshof mit der hier maßgeblichen Frage der Anrechnung von Haftzeiten als Beitragszeiten ausführlich in der Entscheidung 10 ObS 66/90 (= SSV-NF 4/31) auseinandergesetzt. In dieser Entscheidung wurde bereits darauf hingewiesen, dass sich im Pensionsversicherungsrecht explizite Regelungen über die Berücksichtigung von Haftzeiten in der Pensionsversicherung finden; diese sind nach wie vor aufrecht (§§ 502, 506a, 228 Abs 1 Z 4 ASVG). In den gesetzlich nicht geregelten Fällen führen Untersuchungs- und Strafhaft nicht zu einer Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung, und zwar auch dann nicht, wenn der Häftling im Rahmen seiner Arbeitspflicht Arbeitsleistungen erbringt, für die eine Arbeitsvergütung gebührt und die zu einer Pflichtversicherung in der Arbeitslosenversicherung führt (§ 66a AlVG).

Der Oberste Gerichtshof hat in der genannten Entscheidung unter Berufung auf die übereinstimmende Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs und des Verwaltungsgerichtshofs sowie die Lehre auch ausführlich dargelegt, dass gegen die Regelung, dass die Erbringung von Arbeitsleistungen während einer strafgerichtlichen Anhaltung (außerhalb der gesetzlich normierten Fälle) nicht zu Beitrags- und Ersatzzeiten in der Pensionsversicherung führt, keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen. Diese Ansicht ist weiterhin aufrechtzuerhalten (RIS-Justiz RS0053267, RS0053286; zuletzt 10 ObS 203/09i). Schon wegen des Fehlens „vergleichbarer" und aus diesem Grund gleich zu behandelnder Sachverhalte widerspricht sie auch nicht dem akzessorischen Diskriminierungsverbot nach Art 14 EMRK.

Mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision zurückzuweisen.

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