OGH 10ObS203/09i

OGH10ObS203/09i19.1.2010

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Schinko als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger und Hon.-Prof. Dr. Neumayr sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Johannes Pflug und Dr. Lukas Stärker (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Mag. Herwig B*****, Pensionist, *****, vertreten durch Dr. Gert Wallisch, Rechtsanwalt in Wien, dieser vertreten durch Mag. Sonja Scheed, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, Wiedner Hauptstraße 84-86, 1051 Wien, wegen Höhe der Erwerbsunfähigkeitspension, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 29. Oktober 2009, GZ 10 Rs 97/09x-35, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Mit Bescheid vom 8. 8. 2008 hat die beklagte SVA der gewerblichen Wirtschaft den Anspruch des am 18. 9. 1952 geborenen Klägers auf Erwerbsunfähigkeitspension befristet für die Zeit vom 1. 9. 2007 bis 31. 8. 2009 anerkannt und ausgesprochen, dass die Pensionshöhe (einschließlich Höherversicherung) 1.023,28 EUR beträgt. Dagegen erhob der Kläger Klage, mit der er unter Berufung auf das Recht auf Gleichbehandlung (vor allem im Vergleich zu Kindererziehungszeiten) die Anerkennung weiterer Versicherungszeiten, insbesondere von Zeiten der Untersuchungs- und Strafhaft (offenbar als Beitragszeiten) erreichen will.

Das Erstgericht sah die Klage als auf eine höhere Pensionsleistung gerichtet an und wies sie ab (der Inhalt des Bescheids vom 8. 8. 2008 wurde nicht „wiederholt"; dieser Umstand wurde allerdings im weiteren Verfahren nicht mehr aufgegriffen). Haftzeiten seien im Hinblick auf § 117 GSVG nicht als Versicherungszeiten zu berücksichtigen. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Es teilte die vom Kläger vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Nichterfassung von während einer Haft erbrachten Arbeitsleistungen in der Pensionsversicherung nicht. Das Sozialversicherungsrecht erfasse nur freiwillig begründete Beschäftigungsverhältnisse, nicht aber Arbeitsleistungen im Rahmen des Strafvollzugs. Der Oberste Gerichtshof habe es bereits mehrfach als nicht gleichheitswidrig angesehen, dass Haftzeiten nicht als Ersatzzeiten anerkannt würden. Insgesamt sei die gesetzliche Regelung als verfassungs- und gemeinschaftsrechtskonfom anzusehen. In seiner außerordentlichen Revision nennt der Kläger als erhebliche Rechtsfrage die „Nichtanerkennung von in Strafhaft verbrachten Zeiten als Versicherungszeiten nach dem GSVG für die Pensionsberechnung" und führt aus, dass zu dieser Frage eine einheitliche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fehle. Die „Ungleichbehandlung der Arbeitstätigkeit während der Strafhaft" bedürfe einer höchstgerichtlichen Klärung, weil ein in Österreich inhaftierter Strafgefangener, der seiner Arbeitspflicht nachkomme, gemäß § 66a AlVG in das System der sozialen Sicherheit integriert sei und damit als Arbeitnehmer im Sinn der Verordnung 1408/71 gelte. Gerade § 66a AlVG zeige, dass die Zeit der Anhaltung in Strafhaft der Zeit von (unselbständiger) Erwerbstätigkeit gleichzuhalten sei. Immerhin komme die Arbeitsleistung dem Bund zugute, dem daher - wie sonst einem Dienstgeber - auch zumutbar sei, dafür Lohnnebenkosten abzuführen. In diesem Sinn bestünden gegen die Regelung des § 117 GSVG erhebliche Bedenken, weshalb das Verfahren zur Einleitung eines Gesetzesprüfungs- oder Vorabentscheidungsverfahrens unterbrochen werden hätte müssen, zumindest bis zur Erledigung des Verfahrens betreffend Ernst S***** vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (Z. 37.452/02). Weiters wird die Verletzung der Anleitungspflicht durch das Erstgericht moniert.

Damit wird keine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt. Abgesehen von der Entscheidung 10 ObS 50/02d betreffend Ernst Walter S***** hat sich der Oberste Gerichtshof mit der hier maßgeblichen Frage der Anrechnung von Haftzeiten als Beitragszeiten (aus unselbständiger Erwerbstätigkeit) ausführlich in der Entscheidung 10 ObS 66/90 (= SSV-NF 4/31) auseinandergesetzt. In dieser Entscheidung wurde bereits darauf hingewiesen, dass sich im Pensionsversicherungsrecht explizite Regelungen über die Berücksichtigung von Haftzeiten in der Pensionsversicherung finden; diese sind nach wie vor aufrecht (§§ 502, 506a, 228 Abs 1 Z 4 ASVG). In den gesetzlich nicht geregelten Fällen führen Untersuchungs- und Strafhaft nicht zu einer Pflichtversicherung in den Pensionsversicherungen, und zwar auch dann nicht, wenn der Häftling im Rahmen seiner Arbeitspflicht Arbeitsleistungen erbringt, für die eine Arbeitsvergütung gebührt und die zu einer Pflichtversicherung in der Arbeitslosenversicherung führen (§ 66a AlVG).

Der Oberste Gerichtshof hat in der genannten Entscheidung unter Berufung auf die übereinstimmende Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs und des Verwaltungsgerichtshofs sowie die Lehre auch ausführlich dargelegt, dass gegen die Regelung, dass die Erbringung von Arbeitsleistungen während einer strafgerichtlichen Anhaltung (außerhalb der gesetzlich normierten Fälle) nicht zu Beitrags- und Ersatzzeiten in der Pensionsversicherung führt, keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen. Diese Ansicht ist weiterhin aufrechtzuerhalten (RIS-Justiz RS0053267, RS0053286).

Der Vergleich mit den Kindererziehungszeiten ist nicht zielführend:

Eine Diskriminierung des Klägers als Mann ist nicht zu erkennen, weil nach dem Gesetz sowohl Haftzeiten als auch Kindererziehungszeiten geschlechtsneutral entweder Versicherungszeiten oder keine Versicherungszeiten darstellen. Auch aus der Wanderarbeitnehmerverordnung 1408/71 ist für den Kläger im Hinblick auf deren Zielrichtung nichts zu gewinnen: Als Arbeitnehmer im Sinne der Koordinierungsbestimmungen der Verordnung werden Personen behandelt, die zumindest in einen Zweig eines Systems der sozialen Sicherheit integriert sind; daraus erwächst aber kein Anspruch, auch in andere Zweige integriert zu werden.

Mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision zurückzuweisen.

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