OGH 10ObS31/12z

OGH10ObS31/12z13.3.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Reinhard Drössler und Dr. Peter Zeitler (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Dr. B*****, vertreten durch Mag. Ralph Kilches, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, Wiedner Hauptstraße 84-86, 1051 Wien, wegen Erwerbsunfähigkeitspension, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 21. Dezember 2011, GZ 9 Rs 131/11t-52, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

1. Der am 17. 5. 1954 geborene Kläger war seit dem Jahr 1982 selbständig als Tierarzt tätig und betrieb zuletzt bis April 2004 eine Tierarztpraxis in ***** an der Donau. Die Ordination umfasste vor allem die medizinische Betreuung von Großtieren (Rinder, Schafe), wobei die persönliche Arbeitsleistung des Klägers zur Aufrechterhaltung des Betriebs notwendig war. Seit Juni 2004 arbeitet der Kläger 16 Stunden wöchentlich als Arbeitnehmer in einer Tierarztpraxis. Er erwarb zum Stichtag 1. 11. 2008 268 Beitragsmonate der Pflichtversicherung nach dem GSVG und 16 Beitragsmonate nach dem ASVG. Der Kläger ist mit dem festgestellten Leistungskalkül zwar nicht mehr in der Lage, selbständig eine Ein-Personen-Praxis oder eine Tierarztpraxis mit der Behandlung von Groß- bzw Nutztieren zu betreiben; es ist ihm jedoch die Tätigkeit eines selbständigen Tierarztes in städtischen Gemeinschaftspraxen bezogen auf „Kleintierordinationen“ weiterhin möglich. Für solche Gemeinschaftsstrukturen mit Spezialisierung ist eine wirtschaftlich vertretbare Betriebsführung gegeben.

Rechtliche Beurteilung

2. Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, der Kläger sei nach der für ihn maßgebenden Bestimmung des § 133 Abs 2 GSVG auf diese (letztgenannte) Tätigkeit verweisbar, steht im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs in vergleichbaren Fällen (vgl 10 ObS 141/09x [Verweisbarkeit auf die - trotz erheblicher Einschränkungen mögliche - weitere Ausübung selbständiger Tätigkeit mit Hilfe eines vollzeit- und eines teilzeitbeschäftigten Mitarbeiters]; 10 ObS 114/08z, SSV-NF 22/60 mwN und 10 ObS 23/06i, SSV-NF 20/17 [zu den allg Grundsätzen der Verweisung nach § 133 Abs 2 GSVG]).

3. Eine Verweisung nach § 133 Abs 2 GSVG hat nach ständiger Rechtsprechung abstrakt zu erfolgen. Es kommt daher nicht darauf an, ob eine Verweisungstätigkeit im Einzelfall auch faktisch erlangt werden kann oder ob dem faktische oder rechtliche Gesichtspunkte entgegenstehen (RIS-Justiz RS0105187). Nach den im Revisionsverfahren nicht mehr angreifbaren Feststellungen ist davon auszugehen, dass der Kläger die genannte Verweisungstätigkeit - auch unter Berücksichtigung seines eingeschränkten medizinischen Leistungskalküls - ausüben kann. Entgegen der Ansicht der Zulassungsbeschwerde ist demgegenüber bedeutungslos, ob es dem Kläger tatsächlich gelingt, Aufnahme in einer Kleintierarzt-Gemeinschaftspraxis in der Stadt zu finden; und es kommt auch dem Umstand, dass er sich „in ein Gemeinschaftsunternehmen zu begeben“ hat oder „eine Neugründung machen“ muss, keine Bedeutung zu.

4. Nach ständiger Rechtsprechung stellt § 133 Abs 2 GSVG nämlich nicht auf die konkret ausgeübte selbständige Tätigkeit und die bisherige Betriebsstruktur ab, sondern nur auf die Kenntnisse und Fähigkeiten, die für die durch mindestens 60 Monate ausgeübte selbständige Tätigkeit erforderlich waren, wobei für diese Beurteilung die Erfordernisse in einem branchentypischen Betrieb maßgeblich sind (10 ObS 57/08t, SSV-NF 22/45 mwN). Die Verweisungstätigkeit muss daher keineswegs der bisher ausgeübten Tätigkeit in allen Punkten entsprechen; es ist vielmehr auch die Verweisung auf eine selbständige Erwerbstätigkeit, die nur Teilbereiche der bisher ausgeübten umfasst, zulässig, wenn nur für diesen Teilbereich die Kenntnisse und Fähigkeiten erforderlich waren, die der Versicherte bisher benötigte (RIS-Justiz RS0086448 [T1 bis T3, T5 bis T7, T9, T14, T17, T18, T22]; 10 ObS 123/11b).

5. Die Revisionsausführungen gehen daher zu Unrecht davon aus, der „Berufsschutz“ beziehe sich auf den Kläger „und seine Ordination in ***** an der Donau“. Sie machen insgesamt keine neuen Gesichtspunkte geltend, welche den Senat zu einem Abgehen von seiner bisherigen Rechtsprechung zum Erwerbsunfähigkeitsbegriff des § 133 Abs 2 GSVG - welcher auch durch das Budgetbegleitgesetz 2011 (BGBl I 2010/111) diesbezüglich keine Änderung erfahren hat (10 ObS 1/11m) - veranlassen könnten.

6. Mangels erheblicher Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision daher zurückzuweisen.

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