OGH 10ObS19/20x

OGH10ObS19/20x26.5.2020

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Fichtenau und den Hofrat Mag. Ziegelbauer sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Martin Lotz (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Josef Putz (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei M*****, vertreten durch Dr. Olaf Rittinger, Rechtsanwalt in Seekirchen am Wallersee, gegen die beklagte Partei Österreichische Gesundheitskasse, 1030 Wien, Haidingergasse 1, vertreten durch Ebner Aichinger Guggenberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen Kinderbetreuungsgeld, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 5. Dezember 2019, GZ 11 Rs 95/19y‑9, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Arbeits‑ und Sozialgericht vom 2. September 2019, GZ 20 Cgs 76/19b‑5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:010OBS00019.20X.0526.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei und die beklagte Partei haben die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

 

Begründung:

Die Bezeichnung der ursprünglich beklagten Salzburger Gebietskrankenkasse war gemäß §§ 23 Abs 1 und 538t Abs 1 ASVG von Amts wegen auf Österreichische Gesundheitskasse zu berichtigen.

Gegenstand des Verfahrens ist der Anspruch des Klägers auf Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens für den Zeitraum von 21. 8. 2018 bis 21. 10. 2018 aus Anlass der Geburt seiner Tochter und seines Sohnes am 21. 8. 2017 (Mehrlingsgeburt).

Der Kläger, seine Lebensgefährtin (und Mutter der Kinder) sowie die Kinder haben ihren Wohnsitz und Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen in Österreich.

Die Lebensgefährtin des Klägers ist unselbständig bei einem österreichischen Arbeitgeber in Österreich beschäftigt. Sie vereinbarte mit ihrem Dienstgeber von 14. 11. 2017 bis 13. 5. 2019 eine Karenz nach dem Mutterschutzgesetz (MSchG).

Der Kläger ist bei einem deutschen Dienstgeber in Deutschland unselbständig beschäftigt. Er vereinbarte mit seinem Dienstgeber eine Elternzeit (Karenz) von 6. 8. 2018 bis 20. 10. 2018.

Der Kläger und seine Lebensgefährtin erhielten bzw erhalten für die Tochter bayerisches Familiengeld in Höhe von 166,67 EUR für den Zeitraum von 1. 10. 2018 bis 20. 10. 2018 und in Höhe von 250 EUR monatlich für den Zeitraum von 21. 10. 2018 bis 20. 8. 2020.

Für den Zeitraum vom 21. 9. 2018 bis zum 20. 10. 2018 wurde dem Kläger für beide Kinder deutsches Elterngeld nach dem Bundes Elterngeld‑ und Elternteilzeitgesetz (BEEG) in Höhe von 1.243,80 EUR, daher 41,46 EUR täglich, gezahlt. Diese Leistung wurde dem Kläger mit Bescheid des Zentrums Bayern Familie und Soziales –Region Oberbayern (ZBFS) vom 27. 9. 2018 gewährt, in dem ausgeführt wurde, dass Deutschland bis 30. 9. 2018 nachrangig, und ab 1. 10. 2018 vorrangig zur Gewährung von Familienleistungen zuständig sei.

Zwischen den Parteien ist nicht strittig, dass die Höhe des Anspruchs des Klägers auf Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens ohne Anrechnung deutscher Leistungen 66 EUR täglich beträgt.

Der Kläger begehrt Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens für den Zeitraum von 21. 8. 2018 bis 21. 10. 2018 im gesetzlichen Ausmaß. Die Mutter der Kinder habe eine Leistung nach dem KBGG von 21. 8. 2017 bis 20. 8. 2018 erhalten. Ihre Karenz entspreche den Regeln des MSchG. Die (teilweise) zeitgleich vom Kläger in Deutschland in Anspruch genommene Elternzeit schade seinem Anspruch nicht. Österreich sei zur Gewährung von Leistungen vorrangig zuständig. Die in Deutschland erbrachten Familienleistungen seien nicht gleichartig und nicht anzurechnen.

Die Beklagte hielt dem entgegen, dass die Karenz der Lebensgefährtin des Klägers ab 22. 9. 2018 keine gleichgestellte Situation im Sinn des § 24 Abs 2 und 3 KBGG mehr darstelle. Die gleichzeitige Inanspruchnahme einer in‑ und ausländischen Karenz beider Elternteile sei nicht zulässig. Die vorrangige Zuständigkeit zur Gewährung von Leistungen habe daher mit 1. 10. 2018 von Österreich zu Deutschland gewechselt. Für den Zeitraum von 1. 10. 2018 bis 21. 10. 2018 bestehe kein Anspruch des Klägers auf Ausgleichszahlung zum Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens, weil die in diesem Zeitraum bezogenen deutschen Leistungen an Elterngeld und bayerischem Familiengeld höher als eine potentielle Ausgleichsleistung seien. Der verbleibende Bezugszeitraum von 21. 8. 2018 bis 30. 9. 2018 umfasse nicht mindestens 61 Tage und entspreche daher nicht § 3 Abs 5 KBGG.

Das Erstgericht sprach dem Kläger Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens in folgender Höhe zu:

Zeitraum

Betrag

21. 8. 2018 - 20. 9. 2018

66 EUR täglich

21. 9. 2018 - 20. 10. 2018

24,54 EUR täglich

21. 10. 2018

66 EUR

  

Das Mehrbegehren wies es ab.

Das Erstgericht sah den Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (in der Folge: VO 883/2004 ) als eröffnet an. Das österreichische Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens falle wie auch das deutsche Elterngeld und auch das bayerische Familiengeld unter die Familienleistungen im Sinn der Art 1 lit z VO 883/2004 .

Die vom Kläger in Anspruch genommene Elternzeit hindere nicht die Behandlung der Karenz der Mutter nach dem MSchG als im Sinn des § 24 Abs 2 und 3 KBGG gleichgestellte Zeit. Die Koordinierung der Familienleistungen habe daher nach Art 68 Abs 1 lit b VO 883/2004 zu erfolgen, weil der Grund der Leistungen sowohl in Deutschland als auch in Österreich jeweils in der Beschäftigung des Klägers und seiner Lebensgefährtin liege. Da der Wohnort des Kindes in Österreich liege, sei Österreich auch über den 1. 10. 2018 hinaus vorrangig zur Gewährung von Familienleistungen zuständig geblieben. Daran ändere der Bescheid des ZBFS vom 27. 9. 2018 über das deutsche Elterngeld nichts, weil es sich bei diesem Dokument nicht um ein von Art 5 Verordnung (EG) Nr 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (DVO) erfasstes Dokument handle.

Soweit § 6 Abs 3 KBGG idF BGBl I 2016/53 eine über das Erfordernis der Gleichartigkeit hinausgehende Anrechnung von Familienleistungen eines anderen Mitgliedstaats vorsehe, sei diese Bestimmung unionsrechtswidrig und daher nicht anzuwenden. Das bayerische Familiengeld sei keine gleichartige Leistung zum österreichischen Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens, sodass eine Anrechnung dieser Leistung nach § 6 Abs 3 KBGG nicht in Frage komme. Insbesondere hänge der Bezug bayerischen Familiengeldes nicht von einem Erwerbseinkommen ab und es diene nicht dem Zweck, finanzielle Nachteile abzugelten, die ein Verzicht auf ein Vollerwerbseinkommen wegen der Betreuung und Erziehung von Kindern mit sich bringe. Anders verhalte sich dies jedoch mit dem deutschen Elterngeld: Diese gleichartige Leistung sei dem Kläger mit einem täglichen Betrag von 41,46 EUR für den Zeitraum von 21. 9. 2018 bis 20. 10. 2018 anzurechnen, sodass ihm in diesem Zeitraum nur der Differenzbetrag von 66 EUR minus 41,46 EUR, daher 24,54 EUR täglich als Ausgleichszahlung zum Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens gebühre. Für die restlichen Zeiträume gebühre dem Kläger Kinderbetreuungsgeld in der unstrittigen Höhe von 66 EUR täglich.

Das Berufungsgericht gab der von der Salzburger Gebietskrankenkasse gegen dieses Urteil erhobenen Berufung nicht Folge. Die Beklagte bestreite nicht die Leistungszuständigkeit Österreichs für Familienleistungen im Anspruchszeitraum. Auf die von ihr allein thematisierte Frage der vor‑ und nachrangigen Zuständigkeit Österreichs vor und nach dem 1. 10. 2018 komme es nicht an, weil auch der Bezug von bayerischem Familiengeld nicht zu einer (weiteren) Kürzung des Anspruchs des Klägers führe. Das Berufungsgericht billigte die Rechtsansicht des Erstgerichts, dass § 6 Abs 3 KBGG teilweise unionsrechtswidrig sei und dass sich das bayerische Familiengeld vom Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens nach Funktion und Struktur wesentlich unterscheide. Die Revision ließ das Berufungsgericht mit der Begründung zu, dass Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage der Gleichartigkeit österreichischen Kinderbetreuungsgeldes als Ersatz des Erwerbseinkommens und bayerischen Familiengeldes fehle.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Beklagten, mit der diese die Abweisung des Klagebegehrens begehrt.

Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulassungsausspruch unzulässig.

1.1 Auch in der Revision hält die Beklagte an ihrem Standpunkt fest, dass Österreich nur bis 30. 9. 2018 vorrangig, aber ab 1. 10. 2018 Deutschland vorrangig und Österreich nur nachrangig zur Gewährung von Familienleistungen zuständig gewesen sei.

1.2 Dem hat bereits das Berufungsgericht entgegengehalten, dass es darauf im vorliegenden Fall nicht ankommt. Schon das Erstgericht hat das Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens nur als Ausgleichszahlung zuerkannt, soweit der Kläger in Deutschland Elterngeld bezogen hat. Auch unter der Annahme einer bloß nachrangigen Zuständigkeit Österreichs könnte im vorliegenden Fall bloß das dem Kläger ab 1. 10. 2018 gezahlte bayerische Familiengeld als – weitere – anrechenbare Familienleistung in Frage kommen. Eine Korrekturbedürftigkeit der Rechtsansicht des Berufungsgerichts, das die dazu erforderliche Gleichartigkeit beider Leistungen begründet verneint hat, zeigt die Revisionswerberin nicht auf (vgl zum pauschalen Kinderbetreuungsgeld 10 ObS 1/20z).

2. Die Revisionswerberin hält ihren Standpunkt aufrecht, dass es für Geburten ab dem 1. 3. 2017 gemäß § 6 Abs 3 KBGG idF BGBl I 2016/53 für die Beurteilung der Anrechenbarkeit einer ausländischen Familienleistung auf das Kinderbetreuungsgeld nicht mehr auf die Vergleichbarkeit der Leistungen ankomme. Dem ist bereits das Berufungsgericht unter Hinweis auf die Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs 10 ObS 108/19h und 10 ObS 110/19b entgegengetreten. Danach gilt das Erfordernis des Vorliegens von Leistungen gleicher Art (Art 10 VO 883/2004 ) auch im Anwendungsbereich des § 6 Abs 3 KBGG idF BGBl I 2016/53 (so auch 10 ObS 141/19m; RS0125752 [T3]). Auf diese jüngste Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs geht die Revisionswerberin nicht ein, sodass es keiner weiteren Auseinandersetzung mit dieser Frage bedarf.

3. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist es Sache des nationalen Gerichts zu prüfen, ob das bayerische Familiengeld als Leistung gleicher Art wie das österreichische Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens angesehen werden kann und es daher bei der Berechnung des der Klägerin geschuldeten Unterschiedsbetrags berücksichtigt werden darf (EuGH Rs C‑347/12, Wiering , Rn 62 mwH). Diese Frage lässt sich im vorliegenden Fall nach den eindeutigen Bestimmungen des Bayerischen Familiengeldgesetzes vom 24. 7. 2018 (GVBl S 613, 622, BayRS 2170‑7‑A, geändert durch Art 10 des Gesetzes vom 24. 5. 2019, GVBl S 266; in der Folge: BayFamGG, abrufbar über: https://www.gesetze ‑bayern.de) und des österreichischen Kinderbetreuungsgeldgesetzes beurteilen, sodass allein der Umstand, dass Rechtsprechung dazu fehlt, noch nicht das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO begründet (RS0042656).

4. In der nur wenige Tage vor der Entscheidung des Berufungsgerichts ergangenen Entscheidung 10 ObS 141/19m verneinte der Oberste Gerichtshof die Vergleichbarkeit des Betreuungsgeldes nach dem deutschen Bundeselterngeld‑ und Elternteilzeitgesetz (BEEG) idF des Gesetzes zur Einführung eines Betreuungsgeldes (Betreuungsgeldgesetz) und des österreichischen pauschalen Kinderbetreuungsgeldes. Wesentlich ist daraus hervorzuheben, dass auch für das deutsche Betreuungsgeld ein Erwerbseinkommen und dessen Höhe irrelevant sind, während eine wesentliche Voraussetzung für das Kinderbetreuungsgeld darin liegt, dass bestimmte Einkommensgrenzen (§ 24 Abs 1 Z 3 KBGG) nicht überschritten werden. Das deutsche Betreuungsgeld kann aufgrund seiner geringen Höhe keinen Ausgleich für den Verzicht auf ein Erwerbseinkommen leisten. Das Kinderbetreuungsgeld ist selbst in der Pauschalvariante wesentlich höher (nunmehr § 3 Abs 1, § 5 Abs 1 KBGG) und soll in seiner (teilweisen) Einkommensersatzfunktion Eltern ermöglichen, sich unter Verzicht auf eine (Voll‑)Erwerbstätigkeit der Betreuung ihres Kleinkindes zu widmen.

Daraus folgt für den vorliegenden Fall:

5.1 Wenn die Beklagte argumentiert, dass das Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens als Sonderleistung gemäß § 24d Abs 1 KBGG auch von Menschen ohne Erwerbseinkommen bezogen werden kann, übergeht sie, dass das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld anders als das bayerische Familiengeld während des Bezugs nur eine geringe Erwerbstätigkeit erlaubt, um die Betreuung des Kindes weitgehend zu sichern. Daher ist das Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens auch mit seinem (niedrigsten) Tagsatz von 33,88 EUR nach dieser Gesetzesstelle rund viermal so hoch wie das bayerische Familiengeld, das für das erste und zweite Kind des Berechtigten jeweils 250 EUR pro Monat, für das dritte und jedes weitere Kind des Berechtigten jeweils 300 EUR pro Monat beträgt (Art 3 Nr 1 Satz 1 BayFamGG). Aus der unterschiedlichen Höhe der Leistungen ergibt sich entgegen den Ausführungen in der Revision sehr wohl ein deutlicher Hinweis auf den unterschiedlichen Sinn und Zweck des bayerischen Familiengeldes und des Kinderbetreuungsgeldes als Ersatz des Erwerbseinkommens.

5.2 Dem Argument der Beklagten, dass auch das bayerische Familiengeld existenzsichernd sei, ist der Wortlaut des Art 1 Satz 3 und 4 BayFamGG entgegenzuhalten: „Das Familiengeld dient damit nicht der Existenzsicherung. Es soll auf existenzsichernde Sozialleistungen nicht angerechnet werden.“ Genau aus diesem Grund hat der Gesetzgeber des Freistaats Bayern den Zweck des Familiengeldes in Art 2 Nr 3 BayFamGG mit Art 10 des Bayerischen Haushaltsgesetzes 2019/2020 vom 24. 5. 2019 (GVBl S 266; BayRS 630‑2‑22‑F, abrufbar über: https://www.gesetze ‑bayern.de) dahin festgelegt, dass nur Anspruch hat, wer für eine „förderliche frühkindliche Betreuung des Kindes sorgt“ (näher dazu Dose in Wendl/Dose , Das Unterhaltsrecht in der familienrechtlichen Praxis 10 [2019], § 1 Rn 119a). Der Umstand, dass das bayerische Familiengeld wie ausgeführt ab dem dritten und jedem weiteren Kind in Höhe von 300 EUR monatlich gezahlt wird, ändert daran nichts.

5.3 Dass umgekehrt selbst dem österreichischen pauschalen Kinderbetreuungsgeld – und um so mehr dem Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens – existenzsichernder Charakter zukommt, ergibt sich etwa auch aus § 10 Abs 1 Z 7 und Abs 5 letzter Satz StbG. Danach gilt als Voraussetzung für die Verleihung der Staatsbürgerschaft der Lebensunterhalt einer/s Fremden für die letzten geltend gemachten sechs Monate unmittelbar vor dem Antragszeitpunkt auch dann als hinreichend gesichert, wenn in diesem Zeitraum Kinderbetreuungsgeld nach dem KBGG bezogen wurde. Schließlich ist Kinderbetreuungsgeld – anders als das bayerische Familiengeld – auch als Einkommen auf Leistungen der Mindestsicherung (Sozialhilfe) anzurechnen (vgl zB § 4 Abs 1 Z 5 der Oberösterreichischen SozialhilfeV 1998, oö LGBl 1998/118 idgF, oder die Leistungen nach dem KBGG ausdrücklich erwähnende Kostenersatzregelung des § 24a Wiener Mindestsicherungsgesetz, WMG, Wr LGBl 2011/02 idgF).

5.4 Das bayerische Familiengeld dient – anders als das Kinderbetreuungsgeld – nicht der (teilweisen) Abgeltung bloß allgemeiner, auch außerhäuslicher Betreuungsleistungen für das Kind. Das bayerische Familiengeld darf nur beziehen, wer – wie ausgeführt – für eine förderliche frühkindliche Betreuung des Kindes sorgt (Art 2 Nr 1 Z 3 BayFamGG). Der Charakter der über eine Betreuung hinausgehenden frühkindlichen Förderung des Kindes, die durch das bayerische Familiengeld ermöglicht werden soll, wird dadurch verstärkt, dass diese Leistung gerade nicht im ersten (besonders betreuungsintensiven) Lebensjahr des Kindes gezahlt wird, sondern gemäß Art 3 Nr 3 BayFamGG erst in der Zeit vom ersten Tag des 13. Lebensmonats bis zur Vollendung des 36. Lebensmonats des Kindes bezogen werden kann.

5.5 Aus der Entscheidung 10 ObS 27/08f SSV‑NF 22/65, ist für den Standpunkt der Revisionswerberin nichts zu gewinnen. Einerseits fehlten im damaligen Fall noch Feststellungen, sodass die Frage, ob insbesondere das (damalige) deutsche Bundes‑ oder Landeserziehungsgeld gleichartige Leistungen zum österreichischen Kinderbetreuungsgeld seien, letztlich offen blieb. Andererseits ist im vorliegenden Fall nicht die Vergleichbarkeit dieser Leistungen zu beurteilen. Bayerisches Familiengeld ist eine „Weiterentwicklung“ des bayerischen Landeserziehungsgeldes (Art 1 Satz 1 BayFamGG). Es gebührt Eltern als „Anerkennung ihrer Erziehungsleistung“ (Art 1 Satz 1 BayFamGG). Auch aus dieser programmatischen Bestimmung wird deutlich, dass das bayerische Familiengeld anders als das österreichische pauschale Kinderbetreuungsgeld gerade nicht den Zweck hat, (ganz allgemein) familiäre oder außerhäusliche Betreuungsleistungen (zumindest teilweise) abzugelten, sondern „qualitativ“ die frühe Erziehung und Bildung der Kinder sowie ihre Gesundheit (nur) durch den das Kind selbst erziehenden Anspruchsberechtigten zu fördern (Art 1 Satz 2 BayFamGG).

6. Schon mangels Anrechenbarkeit des bayerischen Familiengeldes auf den Anspruch des Klägers kommt dem Argument der Beklagten, es bestehe nur mehr im Zeitraum 22. 8. 2018 bis zum 30. 9. 2018 ein Anspruch des Klägers auf Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens, der aber nicht die gemäß „§ 3 Abs 5 KBGG“ (richtig: § 24b Abs 4 KBGG) erforderliche Dauer von mindestens 61 Tagen habe, keine Berechtigung zu.

7. Mangels Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 ASGG iVm den §§ 50, 40 ZPO. Der beklagte Versicherungsträger hat seine Verfahrenskosten unabhängig vom Ausgang des Verfahrens selbst zu tragen (§ 77 Abs 1 Z 1 ASGG). Der Kläger, der auf die Frage der Unzulässigkeit der Revision nicht eingegangen ist, hat die Kosten seiner Revisionsbeantwortung selbst zu tragen (RS0035979; 10 ObS 162/19z ua).

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